Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2720
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 05. Oktober 2017, Az. 4b O 158/14
- I. Die Klage wird abgewiesen.
- II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
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Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 608 XXX B1 (Anlage AS 1, im Folgenden: Klagepatent) auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatz-pflicht dem Grunde nach und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen in Anspruch. Ergänzend erfolgt die Inanspruchnahme aus der Prioritäts-schrift DE 103 15 XXX B3 (im Folgenden: DE´XXX). Die Klägerin verlangt insoweit jedenfalls eine Entschädigung bzw. einen Bereicherungsausgleich.
- Die Klägerin ist im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) als Inhaberin des Klagepatents ausgewiesen (Anlage K 19). Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 31.03.2004 unter Inanspruchnahme der Priorität der DE‘XXX vom 02.04.2003 (Anlage AS 20) eingereicht. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 28.12.2005. Am 18.07.2007 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Ansehung der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 50 2004 004 XXX.X geführt (Anlage K 19).
- Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern.
- Die in diesem Rechtsstreit maßgeblichen Ansprüche 1 und 15 des Klagepatents lauten wie folgt:
- Anspruch 1:„Vorrichtung zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern, dadurch gekennzeichnet, dass die Borsten Kunststoffborsten (1) sind, die in einem Behälter (5) bis zum thermoplastischen Bereich erwärmt werden, wobei die Borstenträger (3) auf einer Borstenträgeraufnahme (6) einer Transport-einrichtung (7) aufsetzbar sind, im Behälter (5) eine Verformungseinheit (4) angeordnet ist, die eine Schräge aufweist, die der Schräge des abzuwinkelnden Borstenteiles entspricht, und im Anschluss an die Schräge (8) ein Formstabilisierungsbereich (26) aufweist, wobei die Borstenträger (3) mit den im Behälter (5) erwärmten Kunststoffborsten (1) über die Schräge (8) der Verformungseinheit (4) streichen, und diese in Höhe der Verformungseinheit (4) abgewinkelt werden sowie anschließend den Formstabilisierungsbereich (26) durchlaufen, der die abgewinkelten Kunststoffborsten (1) in der entstandenen Form hält, und im Behälter (5) eine Kühl- und Trocknungseinheit (11) und eine Aufnahme- und Entnahmeeinrichtung (12) für die Borstenträger (3) angeordnet sind.“
- Anspruch 15:„Verfahren zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern unter Verwendung einer Vorrichtung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass die Borstenträger (3) mit Kunststoffborsten (1) auf einer Halterung oder Führung fixiert werden und anschließend im Durchlaufa) die Kunststoffborsten (1) auf materialbedingte Verformungstemperatur erwärmt werden;b) nach Erwärmung die Kunststoffborsten (1) in spezifischer Abhängig-keit des thermoplastischen Materials und der Borstenträger (3) auf einer Verformungseinheit verformt werden;c) in dieser Stellung die Kunststoffborsten (1) bis zur geometrischen neuen Ausrichtung gehalten werden;d) anschließend die abgewinkelten Kunststoffborsten (1) abgekühlt werden, wobei eine Formstabilisierung der Kunststoffborstenver-formung erfolgt und abschließend die Borstenträger (3) mit den abge-winkelten Kunststoffborsten (1) der Halterung oder der Führung ent-nommen werden.“
- Anspruch 1 des Klagepatents ist wortgleich mit Anspruch 1 der DE´XXX.
- Die nachfolgende Abbildung zeigt ein Ausführungsbeispiel der Erfindung nach Anspruch 1 in leicht verkleinerter Form, und zwar die schematische Darstellung einer Vorrichtung (Fig. 1).
- Die Beklagte zu 1) stellte an ihrem einzigen Firmenstandort in A / B her und vertrieb über die Genossenschaft „C e.G.“ in D / B und deren Internetauftritt Besen und Bürsten. Hierzu gehörten sog. Krallenbürsten mit einer Breite von 30 cm bzw. 45 cm (Anlagen AS 11 und AS 12; nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen 1 und 2). Zur Veranschaulichung wird nachfolgend eine verkleinerte Abbildung der ange-griffenen Ausführungsformen wiedergegeben, die Anlage AS 10 entnommen ist.
- Welche Vorrichtung (angegriffene Ausführungsformen 3 bis 5) die Beklagten für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform 1 und 2 im Einzelnen verwendeten, ist zwischen den Parteien umstritten.
- Die Beklagte zu 1) wurde zwischenzeitlich aufgelöst und befindet sich in Abwicklung. Auflösung und Abwicklung wurden unter dem 17.09.2014 im Handelsregister eingetragen (Anlage K 5).Der Beklagte zu 2) war seit der Gründung der Beklagten zu 1) am 28.12.2006 bis zu deren Auflösung deren Geschäftsführer. Mit seiner Abberufung als Geschäftsführer wurde er zum alleinigen Liquidator der Beklagten zu 1) bestellt. Der Beklagte zu 2) trat im Übrigen seit 1996 als Einzelfirma „E, F“ im geschäftlichen Verkehr auf.Der Beklagte zu 3) war seit der Gründung der Beklagten zu 1) bis zu deren Auf-lösung ihr zweiter Geschäftsführer.
- Im Jahre 1998 erteilte der Erfinder der nach dem Klagepatent geschützten technischen Lehre, Herr G (im Folgenden: der Erfinder), dem Beklagten zu 2), handelnd unter der Einzelfirma, eine Lizenz für die Benutzung des Einzelstück-Borstenbiegeverfahrens. Im Jahre 2002 wurden keine Lizenzgebühren mehr ge-leistet. Der Beklagte zu 2) erklärte mit Schreiben vom 04.10.2002 die rückwirkende Kündigung des Lizenzvertrages zum 01.01.2002.In der Folgezeit entwickelte der Erfinder eine verbesserte Anlage zur Borsten-biegung, die Gegenstand der Prioritätsschrift des Klagepatents DE`XXX ist. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 12.08.2004. Das Patent wurde bis 2009 aufrechterhalten und dann zugunsten des Klagepatents aufgegeben.In den Jahren 2005 / 2006 strengte der Erfinder vor dem LG Leipzig bzw. dem OLG Dresden ein Patentverletzungsverfahren gegen den Beklagten zu 2) an. Hierbei wurde festgestellt, dass der Beklagte zu 2) die Prioritätsschrift DE`XXX verletzt. Die Parteien schlossen daraufhin am 05.12.2006 einen Vergleich. Hinsichtlich des Inhalts des Vergleichs wird auf Anlage AS 21 Bezug genommen.
- Am 07.11.2006 meldete die Einzelfirma des Beklagten zu 2) das Deutsche Patent DE 10 2006 052 XXX (im Folgenden: DE`XXX-1, Anlage AS 22) an, das eine Anlage zum Biegen von auf Borstenträgern angebrachten Kunststoffborsten zum Gegenstand hat. Nachdem mehrere Prüfungsbescheide durch das DPMA ergingen, teilte das DPMA im dritten Prüfungsbescheid vom 12.05.2010 mit, dass der Gegenstand der angemeldeten Erfindung durch die Prioritätsschrift DE`XXX neuheitsschädlich vorweggenommen werde.
- Mit Schriftsatz vom 03.10.2010 beantragte der Erfinder die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens unter Erlass flankierender Maßnahmen im einst-weiligen Verfügungsverfahren (sog. Besichtigungsverfahren) im Hinblick auf die mögliche Verletzung des Klagepatents. Unter dem 22.12.2010 wurde ein entsprechender Beschluss im Wesentlichen antragsgemäß erlassen (Bl. 61 ff. der Akte 4b O 276/10) und Herr Prof. Dr.-Ing. H als Sachverständiger bestellt. Dieser suchte die Beklagte zu 1) (vor Liquidation) am 26.01.2011 auf und führte die Besichtigung durch. Wegen des Ergebnisses der Besichtigung wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 24.02.2011 Bezug genommen (Bl. 88 ff. der Akte 4b O 276/10). Mit Beschluss vom 20.06.2011 wurde eine ergänzende Begutachtung beschlossen (Bl. 163 ff. der Akte 4b O 276/10). Mit der weiteren Begutachtung wurde ebenfalls der Sachverständige Herr Prof. Dr.-Ing. H betraut. Der Beschluss vom 20.06.2011 wurde durch weitere Fragen mit Beschluss vom 14.07.2011 ergänzt (Bl. 197 ff. der Akte 4b O 276/10). Der Sachverständige führte einen Ortstermin am 24.04.2012 bei der Beklagten zu 1) durch. Wegen des Ergebnisses dieses Ortstermins wird auf die Ergänzungsgutachten vom 12.06.2012 (Bl. 315 ff. der Akte 4b O 276/10) und vom 07.02.2013 (Bl. 464 ff. der Akte 4b O 276/10) Bezug genommen.Der zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 27.04.2011 vom Erfinder beantragte Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte zu 1) (vor Liquidation) und den Beklagten zu 2) wurde mit Beschluss vom 22.06.2011 zurückgewiesen (Bl. 165 ff. der Akte 4b O 78/11).
- Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei aktivlegitimiert. Sie sei die unternehmerische Nachfolgerin der ehemaligen Einzelfirma G, d.h. des Erfinders, und habe alle Rechte an und aus den Schutzrechten des Erfinders übernommen. Frau I J und Herr Dr. K J, die – unstreitig – alleinigen Erben des Erfinders, hätten das Unternehmen des Erfinders zunächst in Form der G OHG unverändert fortgeführt. Die unternehmerische Nachfolge ergebe sich aus der Vereinbarung der Erbengemeinschaft laut Anlage K 9. Die – unstreitige – Übertragung des Anteils von Frau I J auf die Herren L J und M J am 06.12.2014 habe keine Auswirkung auf die Rechtspositionen der OHG. Die Aktivlegitimation der Klägerin, die nach unstreitiger Verschmelzung nun als GmbH firmiere, folge jedenfalls aus der „Auffangvereinbarung“ vom 26.07.2017 (Anlage K 20, in unterzeichneter Fassung eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2017).Die N GmbH O / P sei ausschließliche Lizenznehmerin der Klägerin. Diese GmbH produziere exklusiv seit 2005 für die Klägerin und habe dies auch früher für das Unternehmen des Erfinders getan. Weitere Produzenten / Lizenznehmer gebe es neben der N GmbH nicht. Diese habe ihr, der Klägerin, alle Schadensersatzansprüche abgetreten, die infolge von Verletzungshandlungen durch die Beklagten (auch) zulasten der N GmbH entstanden seien oder entstehen könnten.Denn die Beklagten hätten eine patentverletzende Vorrichtung nach Anspruch 1 des Klagepatents verwendet und hätten zur Herstellung das Verfahren nach Anspruch 15 des Klagepatents angewandt. Die Krallenbesen der Beklagten seien identisch mit den Produkten der Beklagten zu 1), und zwar sowohl optisch als auch hinsichtlich der physikalischen Eigenschaften. Ihre Krallenbesen – also der Klägerin – seien neu im Sinne des § 139 Abs. 3 PatG.Insgesamt existierten mindestens drei verschiedene Vorrichtungen. Vorrichtung 1 (angegriffene Ausführungsform 3) sei bis heute nicht bekannt. Denn nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H sei die im ersten Begutachtungstermin am 26.01.2011 im Verfahren 4b O 276/10 vorgestellte Anlage nicht die tatsächliche Herstellungsvorrichtung gewesen. Vorrichtung 2 (angegriffene Ausführungsform 4) sei diejenige Anlage, die im Besichtigungstermin vom 26.01.2011 begutachtet worden sei. Es sei eine reine Prototypenanlage gewesen. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen weise zweifelsfrei nach, dass es technisch ausgeschlossen sei, dass mit dieser Vorrichtung die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 hergestellt worden seien. Vorrichtung 3 (angegriffene Ausführungsform 5) sei die im Nachbesichtigungstermin vom 24.04.2012 begutachtete Anlage. Es habe sich um eine wesentlich geänderte Bauform der Vorrichtung 2 gehandelt.Vorrichtung 1 stelle den Hauptstreitgegenstand dar. In Ansehung dieser Vorrichtung seien die Regeln der Beweisvereitelung anzuwenden, so dass von einer wortsinngemäßen Verletzung der Ansprüche 1 und 15 auszugehen sei. Hilfsweise sei auch eine Verletzung der Ansprüche 1 und 15 des Klagepatents bezogen auf die Vorrichtung 2 zu bejahen, und zwar wortsinngemäß, jedenfalls aber auf äquivalente Weise.Ergänzend ergebe sich eine Haftung aus der DE‘XXX. Sofern ein Rückgriff auf die DE‘XXX nicht in Betracht kommen sollte, stehe der Klägerin eine Entschädigung nach Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG zu, jedenfalls aber ein Bereicherungsausgleich nach §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB.Im Übrigen sei bereits seit dem Jahre 2010 eine begleitende außergerichtliche Ver-tretung der Klägerin erfolgt. Ihr stünden unter Zugrundelegung einer 2,5 Geschäfts-gebühr und eines Streitwerts von 150.000 EUR außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 7.965 EUR zu. Die Beklagten befänden sich bereits seit dem 01.01.2011, jedenfalls aber seit dem 20.12.2014, mit der Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Verzug.
- Die Klägerin beantragt,
- I. die Beklagten zu verurteilen,
- 1. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
- Vorrichtungen zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern, dadurch gekennzeichnet, dass die Borsten Kunststoffborsten sind, die in einem Behälter bis zum thermoplastischen Bereich erwärmt werden, wobei die Borstenträger auf einer Borstenträgeraufnahme einer Transport-einrichtung aufsetzbar sind, im Behälter eine Verformungseinheit angeordnet ist, die eine Schräge aufweist, die der Schräge des abzuwinkelnden Borstenteiles entspricht, und im Anschluss an die Schräge einen Formstabilisierungsbereich aufweist, wobei die Borstenträger mit den im Behälter erwärmten Kunststoff-borsten über die Schräge der Verformungseinheit streichen, und diese in Höhe der Verformungseinheit abgewinkelt werden sowie anschließend den Formstabilisierungsbereich durchlaufen, der die abgewinkelten Kunststoffborsten in der entstandenen Form hält und im Behälter eine Kühl- und Trocknungseinheit und eine Aufnahme- und Entnahmeeinrichtung für die Borstenträger angeordnet sind,
- seit dem 12.09.2004 hergestellt wurden, in Gebrauch waren, angeboten oder in Verkehr gebracht wurden oder zu den ge-nannten Zwecken im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland besessen wurden, und zwar unter Angabe:
- a) der Angabe der Herstellungsmengen und zeiten;
- b) Angabe der einzelnen Lieferung, aufgeschlüsselt nach Liefermengen zeiten und preisen unter Einschluss von Typenbezeichnung sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;
- c) Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-schlüsselten Gestehungskosten;
- d) Angabe des erzielten Gewinns
- wobei die Rechnungslegung von der Beklagten zu 1. ab dem 28.12.2006, von dem Beklagten zu 2. ab dem 12.09.2004 und von dem Beklagten zu 3. ab dem 28.12.2006 bis zum 17.09.2014 verlangt wird;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Verfahren zum Herstellen von abgewinkelten Borsten unter Verwendungeiner Vorrichtung zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern, dadurch gekennzeichnet, dass die Borsten Kunststoffborsten sind, die in einem Behälter bis zum thermoplastischen Bereich erwärmt werden, wobei die Borsten-träger auf einer Borstenträgeraufnahme einer Transporteinrichtung aufsetzbar sind, im Behälter eine Verformungseinheit angeordnet ist, die eine Schräge aufweist, die der Schräge des abzuwinkelnden Borstenteiles entspricht, und im Anschluss an die Schräge einen Formstabilisierungsbereich aufweist, wobei die Borstenträger mit den im Behälter erwärmten Kunststoffborsten über die Schräge der Verformungseinheit streichen, und diese in Höhe der Verformungseinheit abgewinkelt werden sowie anschließend den Formstabilisierungsbereich durchlaufen, der die abgewinkelten Kunststoffborsten in der entstandenen Form hält und im Behälter eine Kühl- und Trocknungseinheit und eine Aufnahme- und Entnahmeeinrichtung für die Borstenträger angeordnet sind,
- seit dem 18.07.2007 angewendet worden sind,
- bei denen die Borstenträger mit Kunststoffborsten auf einer Halterung oder Führung fixiert werden und anschließend im Durchlauf die Kunststoffborsten auf materialbedingte Ver-formungstemperatur erwärmt werden; nach der Erwärmung die Kunststoffborsten in spezifischer Abhängigkeit des thermo-plastischen Materials und der Borstenträger auf einer Ver-formungseinheit verformt werden; in dieser Stellung die Kunst-stoffborsten bis zur geometrischen neuen Ausrichtung gehalten werden; anschließend die abgewinkelten Kunststoffborsten abgekühlt werden, wobei eine Formstabilisierung der Kunststoff-borstenverformung erfolgt und abschließend die Borstenträger mit den abgewinkelten Kunststoffborsten der Halterung oder der Führung entnommen werden (EP 1 608 XXX B1 – Anspruch 15);
- 3. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Erzeugnisse mit abgewinkelten Borsten, die mittels eines Verfahrens nach Ziffer 2. erzeugt worden sind (EP 1 608 XXX B1 – Anspruch 15 i. V. m. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG), seit dem 18.08.2007 hergestellt wurden, in Gebrauch waren, angeboten oder in Verkehr gebracht wurden oder zu den genannten Zwecken im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland besessen wurden;
- 4. für die vorgenannte Ziffer 2. die Auskunft und Rechnungslegung jeweils inhaltlich wie folgt zu konkretisieren:
- a) Angabe von Ort, Zeit und Umfang der Verfahrensan-wendungen;
- 5. für die vorgenannte Ziffer 3. die Auskunft und Rechnungslegung jeweils im Einzelnen unter Vorlage eines gesonderten Ver-zeichnisses und unter Vorlage entsprechender Belege (in Kopie) in Form von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, inhaltlich wie folgt zu konkretisieren:
- a) Angabe der Herstellungsmengen und -zeiten;
- b) Angabe der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;
- c) Angabe der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;
- d) Angabe der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
- e) Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-schlüsselten Gestehungskosten;
- f) Angabe des erzielten Gewinns;
- 6. hinsichtlich Handlungen nach Ziffern 2. und 3. die genannten Auskünfte zu erteilen und Rechnung zu legen durch alle Beklagten ab dem 18.08.2007, wobei die Verkaufsstellen gemäß Ziffer 5. b) erst für die Zeit seit dem 01.09.2008 mitzuteilen sind;
- 7. der Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 7.965,- zzgl. 5 %- Punkten über dem Basiszins seit dem 01.01.2011, hilfsweise seit dem 20.12.2014, zu zahlen;
- II. festzustellen,
- 8. dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr und der Lizenz-nehmerin N GmbH aus den in Ziffer 1. bezeichneten und seit dem 28.12.2006, hilfsweise seit dem 27.07.2017 und der Erbengemeinschaft I J und Dr. K J seit dem 28.12.2006 bis zum 26.07.2017, begangen Handlungen, sowie aus den in Ziffern 2. und 3. bezeichneten und seit dem 18.08.2007, hilfsweise seit dem 27.07.2017 und der Erbengemeinschaft I J und Dr. K J seit dem 18.08.2007 bis zum 26.07.2017, begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
- 9. dass der Beklagte zu 2) außerdem verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr und der Lizenznehmerin N GmbH aus den in Ziffer 1. bezeichneten und im Zeitraum 12.09.2004 bis 27.12.2006, hilfsweise der Erbengemeinschaft I J und Dr. K J, begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin sei nicht materiell-berechtigt in Bezug auf das Klagepatent. Die Rechtsnachfolge von den Erben auf die G OHG sei nicht nachgewiesen. Die Erbengemeinschaft sei kein umwandlungsfähiger Rechtsträger. Der vorgelegte Übertragungsvertrag (Anlage K 9) sei als Schein-geschäft nichtig, § 117 BGB. Dies zeige bereits die falsche Angabe des Geschäfts-sitzes der C a.G., der erst im Jahre 2015 nach A verlegt worden sei. Die Beklagten bestreiten außerdem eine Lizenzierung an die N GmbH sowie die Abtretung von Schadensersatzansprüchen durch diese an die Klägerin mit Nichtwissen.Sie sind ferner der Auffassung, dass sie die patentgemäße Vorrichtung und das patentgemäße Verfahren nicht nutzten und keine Erzeugnisse nach dem patent-gemäßen Verfahren herstellten. Sie produzierten nur nach der DE`XXX-1. Im Übrigen hätten die Erzeugnisse der Klägerin und der Beklagten nicht die gleiche Beschaffenheit.Der Vergleich vor dem OLG Dresden entfalte keine Rechtskraft, im Übrigen beziehe sich dieser lediglich auf den Verkauf, nicht aber auf die Herstellung bzw. die Produktion. Die Verschrottung der damals streitgegenständlichen Anlage sei aus-weislich des Verschrottungsprotokolls erfolgt.Der Beklagte zu 3) hafte nicht, da er zu keinem Zeitpunkt je im Innenverhältnis mit Aufgaben betraut gewesen sei, die üblicherweise einem Geschäftsführer obliegen würden oder im konkreten Fall dem Beklagten zu 2) oblegen hätten. Der Beklagte zu 3) habe zu keinem Zeitpunkt in Ausübung der Geschäftsführerposition je Ent-scheidungen getroffen, die das ob und wie der Produktion betrafen. Hintergrund der Geschäftsführerbestellung sei die Absicherung der Handlungsfähigkeit der Beklagten zu 1) im Verhinderungsfall des Beklagten zu 2) gewesen.In Bezug auf die geltend gemachten Anwaltskosten erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.
- Die Akten 4b O 276/10 und 4b O 78/11 wurden beigezogen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe
- I.Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
- 1.Die Klage ist zulässig.
- Die Beklagte zu 1) ist auch als GmbH in Liquidation noch parteifähig (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. A., 2016, § 50 Rn. 4b), sie wird vom Beklagten zu 2) gesetzlich vertreten.
- Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Die Legitimationswirkung des § 30 Abs. 3 S. 2 PatG streitet für die Klägerin, da sie im Register des DPMA als Patentinhaberin ausgewiesen ist. Eine Unrichtigkeit des Registers wird von den Beklagten nicht geltend gemacht. Mangels einer etwaigen ausschließlichen Lizenz kommt es auf eine Prozessführungsbefugnis der Klägerin im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche der N GmbH nicht an. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Aktivlegitimation verwiesen. Die Klägerin ist in jedem Fall prozessführungsbefugt, ihre eigenen Schäden geltend zu machen.
- 2.Die Klage ist unbegründet.
- a)Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Ansprüche aus dem Klagepatent auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gem. Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ i. V. m. §§ 9, 139 Abs. 2 S. 1, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB nicht zu.
- aa)Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Jedenfalls aufgrund der Auffangvereinbarung vom 26.07.2017 (Anlage K 20, in unterzeichneter Fassung vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2017), dort Ziff. 8, ist von einer Rechtsnachfolge auf die Klägerin auszugehen. Denn diese Vereinbarung wurde sowohl von den Erben des Erfinders, Frau I J und Herrn K J, als auch von den früheren und späteren Gesellschaftern der G OHG (Frau I J und den Herren K, M und L J) unterzeichnet. Herr L J handelte dabei auch als Geschäftsführer der Klägerin. Die OHG ist darüber hinaus mit der Klägerin im Wege der Aufnahme verschmolzen (Anlage K 18).
- Eine Aktivlegitimation der Klägerin für etwaige Schadensansprüche der N GmbH scheidet jedoch aus. Die Klägerin hat weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen, dass der Erfinder der N GmbH eine ausschließliche Lizenz eingeräumt hat, die gegebenenfalls Auswirkungen auf die Aktivlegitimation des Erfinders und seiner Rechtsnachfolger hätte. Die Vereinbarung vom 22.06.2005 (Anlage K 10) zwischen dem Erfinder und der N GmbH stellt eine Geheimhaltungsvereinbarung dar, wie sich bereits aus der Überschrift „Geheimhaltungs – Erklärung“ ergibt. Die Vereinbarung enthält keine Elemente, die für die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz sprechen. Jedenfalls aus den Angaben zum ersten Spiegelstrich folgt eine Geheimhaltungsverpflichtung („geheim zu halten“). Unabhängig davon, dass die Aussagen zum zweiten und dritten Spiegelstrich einer Negation entbehren, folgt aus dem Inhalt zum dritten Spiegelstrich mittelbar, dass die N GmbH für den Erfinder fertigte. Hieraus lässt sich eine ausschließliche Lizenz jedoch nicht ableiten. Der Vortrag zu einer etwaigen mündlichen Vereinbarung ist nicht hinreichend substantiiert. Es bleibt unklar wann, wo und zwischen welchen Personen eine solche mündliche Vereinbarung geschlossen worden sein soll und welchen genauen Inhalt sie gehabt haben soll. Aus diesem Grund war dem angebotenen Zeugenbeweis nicht nachzugehen. Dem klägerischen Vortrag nach produzierte die N GmbH exklusiv für die Klägerin, weitere Produzenten gab es nicht. Dieser Umstand lässt vielmehr auf eine ausgelagerte Produktion seitens der Klägerin schließen, von deren Vergütung mangels anderweitigem Vortrag nach den normalen Umständen im Geschäftsleben auszugehen ist. Insoweit ist der Klägerin lediglich ein eigener Schaden entstanden.
- bb)Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern.
- Aus dem Stand der Technik waren bereits Verfahren und Vorrichtungen zur Herstellung abgewinkelter Bürsten bekannt.Aus der Schrift DE 19746184 C2 waren ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung einer Bürstendichtung zur Abdichtung von rotierenden oder bewegten Bauteilen bekannt (Abs. [0002], die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die Klagepatentschrift, soweit nicht anders angegeben). In der Vorrichtung ist eine Ver-formungseinheit angeordnet, die eine Schräge, die der Schräge des abzu-winkelnden Borstenteils entspricht, aufweist. Im Anschluss an den geneigten Schrägstellungsbereich schließt sich ein ebener Bereich an. Dort werden die Borsten mittels einer Heizung auf eine Temperatur gebracht, die zum Durchführen des Rekristallisationsglühens der Borsten erforderlich ist. Anschließend werden die Borsten abgekühlt, so dass der Schrägstellungswinkel beständig bleibt. Das ent-standene Bürstenhalbzeug wird dann umgeformt, so dass es die gewünschte Dichtungskontur erhält.
- Aus der DE 3506231 C2 war ein Verfahren zur Herstellung von Walzenbürsten bekannt, die einen zylindrischen Trägerkörper aufweisen, an dem entlang streifen-förmiger Bereiche Borsten befestigt sind, die von der Mantelfläche des Trägerkörpers wegstehen (Abs. [0003]). An der Mantelfläche des Trägerkörpers ist eine Einrichtung angeordnet, die ein an die streifenförmigen Bereiche der Borsten formmäßig angepasstes Widerlager aufweist. Dieses Widerlager besitzt eine größere Höhe als die vom Trägerkörper wegstehenden Borsten. Der Trägerkörper wird um seine Mittelachse relativ gegen die Einrichtung verdreht und bei dieser Drehung werden die Borsten in ihrem unteren Bereich gegen das Widerlager gedrückt, während sie mit ihrem oberen Endbereich über das Widerlager überstehen. In dieser Lage, bei welcher die Borsten am Widerlager anliegen, erfolgt der Biegevorgang, wobei der vordere Endbereich der Borsten mittels einer Biegevorrichtung um das Widerlager gebogen wird.
- Mit den vorbekannten Verfahren und Vorrichtungen werden jeweils nur die Borsten eines einzigen Borstenkörpers angewinkelt (Abs. [0004]).
- Die Klagepatentschrift bezeichnet es daher als Aufgabe, eine Vorrichtung zum Her-stellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern zu entwickeln, bei der die Borsten von mehreren Borstenträgern abgewinkelt werden (Abs. [0005]).
- Zur Lösung dieses Problems sieht das Klagepatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern vor sowie ein ent-sprechendes Verfahren in Anspruch 15 mit jeweils folgenden Merkmalen:
- Anspruch 11.1. Vorrichtung zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borsten-trägern.1.2 Die Borsten sind Kunststoffborsten (1).1.3 Die Kunststoffborsten werden in einem Behälter (5) bis zum thermo-plastischen Bereich erwärmt.1.4 Die Borstenträger (3) sind auf einer Borstenträgeraufnahme (6) einer Transporteinrichtung (7) aufsetzbar.1.5 Im Behälter (5) ist eine Verformungseinheit (4) angeordnet.1.5.1 Die Verformungseinheit weist eine Schräge auf, die der Schräge des abzuwinkelnden Borstenteiles entspricht.1.5.2 Im Anschluss an die Schräge (8) weist die Verformungseinheit einen Formstabilisierungsbereich (26) auf.1.5.3 Die Borstenträger (3) mit den im Behälter (5) erwärmten Kunst-stoffborsten (1) streichen über die Schräge (8) der Verformungs-einheit (4).1.5.4 Die erwärmten Kunststoffborsten werden in Höhe der Verformungseinheit (4) abgewinkelt.1.5.5 Die erwärmten Kunststoffborsten durchlaufen anschließend den Formstabilisierungsbereich (26), der die abgewinkelten Kunststoff-borsten (1) in der entstandenen Form hält.1.6 Im Behälter (5) sind eine Kühl- und Trocknungseinheit (11) und eine Auf-nahme- und Entnahmeeinrichtung (12) für die Borstenträger (3) ange-ordnet.
- Anspruch 1515.1 Verfahren zum Herstellen von abgewinkelten Borsten auf Borstenträgern unter Verwendung einer Vorrichtung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 14.15.2 Die Borstenträger (3) mit Kunststoffborsten (1) werden auf einer Halterung oder Führung fixiert.15.3 Anschließend werden im Durchlauf folgende Schritte ausgeführt:15.3.1 die Kunststoffborsten (1) werden auf materialbedingte Verform-ungstemperatur erwärmt;15.3.2 Nach der Erwärmung werden die Kunststoffborsten (1) in spezifischer Abhängigkeit des thermoplastischen Materials und der Borstenträger (3) auf einer Verformungseinheit verformt;15.3.3 In der Stellung nach 15.3.2 werden die Kunststoffborsten (1) bis zur geometrischen neuen Ausrichtung gehalten;15.3.4 Anschließend werden die abgewinkelten Kunststoffborsten (1) abgekühlt, wobei eine Formstabilisierung der Kunststoffborstenverformung erfolgt.15.3.5 Abschließend werden die Borstenträger (3) mit den abge-winkelten Kunststoffborsten (1) der Halterung oder der Führung entnommen.
- cc)Im Hinblick auf den zwischen den Parteien bestehenden Streit bedürfen die Merk-male 1.3, 1.5 und 1.5.1 der Auslegung.
- (1)Die Kunststoffborsten werden in einem Behälter (5) bis zum thermoplastischen Bereich erwärmt (Merkmal 1.3). Nach Merkmal 1.5 ist in dem Behälter eine Ver-formungseinheit angeordnet. Der Hauptanspruch 1 gibt ausweislich der Formulierung in den Merkmalen 1.3 und 1.5 räumlich-körperlich vor, dass sowohl die Erwärmung als auch die Verformung der Kunststoffborsten in einem Behältnis stattfinden. Der Anspruch sieht den Behälter als eigenständiges Bauteil vor, es handelt sich nicht lediglich um ein Synonym für die Vorrichtung als solche. Dieses Verständnis wird gestützt durch die Angaben in der Beschreibung und die Ausführungsbeispiele. Das Ausführungsbeispiel nach Figur 1 zeigt den Behälter als ein eigenständiges Element der Vorrichtung, das nach oben hin offen ausgestaltet ist (Abs. [0008], Sp. 3, Z. 10 f., und Figur 1). Dort wo sich die Verformungseinheit befindet, ist der Behälter geschlossen, so dass bei der Verformung die bis zum thermoplastischen Bereich erwärmten Borsten nicht abkühlen können. Im Ausführungsbeispiel nach Figur 3 stellt der Behälter gleichzeitig die Einhausung der patentgemäßen Vorrichtung dar (vgl. Abs. [0008], Sp. 3, Z. 45 ff.). Gleiches gilt für Unteranspruch 7.
- (2)Laut Merkmal 1.5.1 weist die Verformungseinheit eine Schräge auf, die der Schräge des abzuwinkelnden Borstenteils entspricht. Durch die Bezugnahme auf eine Schräge wird eine räumlich-körperliche Ausgestaltung des Verformungsteils vorge-geben. Bereits der Begriff der Schräge erfasst nicht jede gekrümmte Fläche, sondern eine angewinkelte gerade Fläche. Dieses Verständnis ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Funktion der Verformungseinheit, die Borsten abzuwinkeln (vgl. insoweit auch Merkmale 1.5.3 und 1.5.4). In diesem Zusammenhang spricht die Beschreibung von einem zu biegenden Winkel (Abs. [0008], Sp. 4, Z. 9, Z. 33). Das Abwinkeln der Borsten, um einen relativ exakten Biegungswinkel zu erreichen, erscheint nicht möglich, wenn die Verformungseinheit eine in irgendeiner Art und Weise gekrümmte Fläche aufweisen würde.
- dd)Es ist nicht davon auszugehen, dass die angegriffene Ausführungsform 3, d.h. die (unbekannte) Vorrichtung 1, von der technischen Lehre des Klagepatent-anspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch macht.
- Die Darlegungs und Beweislast für den Tatbestand der Verletzung trägt im Grundsatz der Kläger (Schulte/Voß, PatG, 10. A., 2017, § 139 Rn. 293). Im hiesigen Rechtsstreit ist die Klägerin dieser Darlegungs und Beweislast im Hinblick auf die Verletzung des Anspruchs 1 des Klagepatents nicht nachgekommen. Nach ihrem eigenen Vorbringen ist die Vorrichtung 1 nicht bekannt, so dass sie eine Verletzung nicht schlüssig vorgetragen hat.
- Die Behauptungen der Klägerin dahingehend, dass eine Vorrichtung 1 existiere, die von der technischen Lehre des Hauptanspruchs 1 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch mache, kann nicht entsprechend § 371 Abs. 3 ZPO i. V. m. den Grundsätzen über die Beweisvereitelung als bewiesen angesehen werden. Denn es kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Annahme der Beweisvereitelung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Insbe-sondere kann aus den vorgebrachten Indizien nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagten die Besichtigung einer solchen Vorrichtung vorenthalten haben.
- (1)Der Tatrichter hat gem. § 286 ZPO nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern den gesamten Inhalt der Verhandlung zu würdigen. Dazu gehören die Handlungen, Erklärungen und Unterlassungen einer Partei und damit auch ein Verhalten einer Partei, das dazu führen kann, einen Beweis zu verhindern oder zu erschweren und dadurch die Beweisführung des beweispflichtigen Prozessgegners scheitern zu lassen (zum Vorstehenden: BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 226/13, GRUR 2016, 88, 91, Rn. 29 – Deltamethrin). Ist von einer Beweisvereitelung auszugehen, ist dies im Rahmen der Beweiswürdigung zum Nachteil des Prozessgegners der beweispflichtigen Partei zu berücksichtigen (BGH, BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 226/13, GRUR 2016, 88, 91, Rn. 29 – Deltamethrin). Nur ein vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten kann den mit beweisrechtlichen Nachteilen verbundenen Vorwurf der Beweisvereitelung tragen (BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 226/13, GRUR 2016, 88, 91, Rn. 29 – Deltamethrin; Urt. v. 26.09.1996, III ZR 56/96, NJW-RR 1996, 1534). Der subjektive Tatbestand der Beweisvereitelung verlangt einen doppelten Schuldvorwurf. Das Verschulden muss sich sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also darauf gerichtet sein, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 226/13, GRUR 2016, 88, 91, Rn. 29 – Deltamethrin; Urt. v. 23.09.2003, XI ZR 380/00, BGH 2004, 222). Die Anwendung der Grundsätze der Beweisvereitelung kommt etwa bei der Vereitelung der Besichtigung in Betracht (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. A., 2017, Kap. B Rn. 120).
- Liegen die Voraussetzungen der Beweisvereitelung vor, so können zugunsten der beweisbelasteten Partei Beweiserleichterungen in Betracht kommen, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können (BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 226/13, GRUR 2016, 88, 92 f., Rn. 48 – Deltamethrin). Die Annahme der Beweisvereitelung durch eine Partei rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass vom Vortrag der beweisbelasteten Partei auszugehen ist (BGH Urt. v. 11.06.2015, I ZR 226/13, GRUR 2016, 88, 93, Rn. 48 – Deltamethrin). Vielmehr sind zunächst die von der beweispflichtigen Partei angebotenen Beweise zu erheben. Stehen solche Beweise nicht zur Verfügung oder bleibt die beweisbelastete Partei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beweisfällig, ist eine Beweislastumkehr in Betracht zu ziehen und den Beweisangeboten des Prozessgegners nachzugehen (BGH Urt. v. 11.06.2015, I ZR 226/13, GRUR 2016, 88, 93, Rn. 49 – Deltamethrin; vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. A., 2017, Kap. B Rn. 120).
- (2)Im hiesigen Rechtsstreit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Annahme der Beweisvereitelung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Insbe-sondere kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagten die Besichtigung einer solchen Vorrichtung vorenthalten haben.
- (a)Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagten eine Besichtigung an sich nicht vereitelt haben, sondern eine solche durch den gerichtlichen Sachver-ständigen ohne Durchsetzung von gerichtlichen Zwangsmitteln zugelassen haben und auf Fragen des Sachverständigen Auskünfte erteilt haben.
- (b)Die Kammer verkennt nicht, dass die Beklagten sich durchaus im Besichtigungsverfahren und danach widersprüchlich verhalten haben, indem sie insbesondere erklärten, die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 (Anlagen AS11 und AS12) seien mit der Vorrichtung 2 hergestellt worden. Denn der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr.-Ing. H hat in seinem Gutachten vom 24.02.2011 (Bl. 88 ff. der Akte 4b O 276/10) nach der Besichtigung am 26.01.2011 festgestellt, dass sich mit der vorgestellten Anlage (Vorrichtung 2) ein auch nur annähernd den Anlagen AS11 und AS12 (angegriffene Ausführungsformen 1 und 2) entsprechendes Biegeergebnis nicht erzielen ließ (S. 5 des Gutachtens vom 24.02.2011). Die vorgeführte Anlage sei eine zu Studien und Versuchszwecken aufgebaute Anlage gewesen, die weder produktionstechnischen, noch sicherheitstechnischen Belangen entsprach (S. 15 des Gutachtens vom 24.02.2011). Der Aufstellort der Anlage habe sich auch nicht im Produktionsbereich des Unternehmens befunden, sondern im Gebäudeteil „Werkzeugbau“ (S. 15, 4 des Gutachtens vom 24.02.2011). Der Sachverständige hat weiter plausibel und nachvollziehbar ausgeführt, dass bei der Vorführung in keinem Fall eine Bürste hergestellt werden konnte, die den Referenzmustern entspricht (S. 12 ff., 16 des Gutachtens). Nach seinen Feststellungen sind auf der vorgeführten Anlage nicht die Produktion der im Handel erhältlichen Bürsten vorgenommen worden (S. 16 des Gutachtens vom 24.02.2011).
- Dieses sachverständige Besichtigungsergebnis – sowie der weitere klägerische Vortrag zur etwaigen Vorenthaltung von Prüfexemplaren – rechtfertigen gleichwohl nicht die Annahme der Klägerin, dass es zwingend eine andere Vorrichtung geben muss, die von der nach dem Klagepatent geschützten technischen Lehre Gebrauch macht und die durch die Beklagten vorenthalten wurde.
- Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ebenfalls festgehalten, dass eine (möglichst) systematische Begehung der Betriebsflächen der Beklagten zu 1) erfolgte, mit dem Ziel auszuschließen, dass sich weitere zum Herstellen von Krallenbesen geeignete Maschinen oder Anlagen auf dem Betriebsgelände befanden (S. 6 des Gutachtens vom 24.02.2011). Die gründliche Begehung aller Räumlichkeiten des Unternehmens der Beklagten habe keine Anzeichen einer anderen, zum Biegen geeigneten Maschine oder Anlage gebracht und es habe auch kein weiterer möglicherweise geräumiger Aufstellort einer solchen Anlage identifiziert werden können (S. 16 des Gutachtens vom 24.02.2011). Obergerichts-vollzieher Q, der an der Besichtigung teilnahm, bestätigt in seinem Schreiben vom 17.05.2011 (Anlage K 15), dass keine weitere Anlage zum Borstenbiegen gefunden werden konnte. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Gelände der Beklagten zu 1) in A unstreitig um die einzige Produktionsstätte der Beklagten zu 1) handelt.
- Soweit die Klägerin auf den fehlenden Zugang zu den Räumlichkeiten der C e.G. verweist, die sich nach Angaben des Sachverständigen „um Fahrwegbreite zugänglich“ neben der Produktionsstätte der Beklagten zu 1) befinden und von dieser als Versandlager genutzt wurden (S. 6 des Gutachtens vom 24.02.2011), so fehlt es an Anhaltspunkten für das Fortschaffen einer Anlage dorthin. Anhaltspunkte für das Fortschaffen einer Anlage hat auch der Sachverständige in seinem Gutachten nicht festgehalten, obgleich er ausdrücklich darauf hinwies, dass er eine gründliche Begehung der Produktionsstätte der Beklagten zu 1) vorgenommen hat.Im Übrigen geht aus der Verweigerung der Besichtigung der Räumlichkeiten der C e.G. bereits deswegen keine Verschleierungsabsicht der Beklagten hervor, weil der Besichtigungsbeschluss vom 22.12.2010 nur die Betriebsstätte der Beklagten zu 1) erfasste. Die Beklagte zu 1) verweigerte insoweit zurecht den Zutritt zum Betriebsgelände eines Dritten.
- Aus der Existenz der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 und dem Ergebnis des Sachverständigen nach der Besichtigung am 26.01.2011 kann ebenfalls nicht abgeleitet werden, dass es eine Vorrichtung 1 der Beklagten geben muss, die das Klagepatent verletzt und die vorenthalten wurde. Dies ist bereits deswegen nicht zwingend anzunehmen, weil nicht auszuschließen ist, dass entsprechende Besen mittels einer anderen Vorrichtung, die nicht das Klagepatent verletzt, hergestellt werden konnten.Mit Blick auf die Vorrichtung 3 z.B. (unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme) hält der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. H eine Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 aus technischer Sicht nicht für ausgeschlossen (Ergänzungsgutachten vom 07.02.2013, Ausführungen zur Frage 1.4 des Ergänzungsgutachtens, Bl. 480 der Akte 4b O 276/10). Vorrichtung 3 macht aber nicht von der technischen Lehre nach dem Klagepatent Gebrauch. Denn die Verformungseinheit besteht aus einem Rillenblech mit geheizter Vorrolle (siehe Ergänzungsgutachten vom 12.06.2012, S. 6, Bl. 320 der Akte 4b O 276/10), nicht jedoch aus einer Schräge. Die Verformungseinheit befindet sich auch nicht in einem Behälter, die Anlage verfügt nämlich nicht über Behälteraußenwände. Auch eine Kühl und Trocknungseinheit ist nicht ersichtlich.Die Produktion mit Vorrichtung 3 mag nach Ansicht des Sachverständigen nicht ausgereift gewesen sein (Ergänzungsgutachten vom 12.06.2012, S. 10 f., Bl. 324 f. der Akte 4b O 276/10). Dies lässt aber nicht den zwingenden Schluss zu, dass die Beklagten über eine weitere unbekannte Vorrichtung verfügen, die dies leistet und zudem von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Im Gegenteil zeigt Vorrichtung 3, dass nicht ausgeschlossen ist, dass die Beklagten auch vor der Besichtigung am 26.01.2011 in der Lage waren, die angegriffenen Ausführungs-formen 1 und 2 ohne Gebrauch der erfindungsgemäßen Lehre nach dem Klage-patent herzustellen. Vielmehr sind verschiedene und auch ohne größeren Aufwand mögliche Abwandlungen der klagepatentgemäßen Vorrichtung denkbar, wie z.B. die veränderte Anordnung der Verformungseinheit, die aus der Lehre des Klagepatents herausführen.Schließlich spricht auch dafür, dass sich die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 (Anlagen AS11 und AS12) bereits optisch von den Krallenbesen der Klägerin (Anlage K 4) unterscheiden. Der Krümmungswinkel ist z.B. nicht so exakt wie bei den Krallenbesen der Klägerin. Die einzelnen Borsten sind ebenfalls nicht so genau angeordnet wie bei denen der Klägerin.
- Es ist ebenfalls nicht davon auszugehen, dass diejenige Anlage, die zur Verurteilung vor dem LG Leipzig führte und Gegenstand des Vergleichs vor dem OLG Dresden war, weiterhin intakt ist. Insoweit haben die Beklagten die Ver-schrottung dieser Anlage durch die Vorlage des Verschrottungsprotokolls laut Anlage B 2 belegt. In dem Protokoll heißt es, dass am 05.01.2007 folgende Personen anwesend waren: der Erfinder, der Beklagte zu 2), Herr Rechtsanwalt R sowie Herr Rechtsanwalt S. Diese Parteien seien sich u.a. darüber einig gewesen, dass die streitgegenständliche Bürstenbiegemaschine vollständig demontiert und unbrauchbar gemacht wurde, dass die demontierten und unbrauchbar gemachten Teile vollständig an das Entsorgungsunternehmen T zum Zwecke der endgültigen Verschrottung übergeben wurden und dass Ziffer 1 des Vergleichs vor dem OLG Dresden dadurch erfüllt und erledigt wurde (Anlage B 2).Ihr Vortrag, dass die Teile der Anlage in dem Termin Anfang 2007 nicht physikalisch vernichtet worden seien, entspricht dem Protokoll. Denn dort heißt es, dass die Bürstenbiegemaschine vollständig demontiert und unbrauchbar gemacht wurde. Weiter heißt es in dem Protokoll, dass die demontierten und unbrauchbar gemachten Teile vollständig an das Entsorgungsunternehmen T zum Zwecke der endgültigen Verschrottung übergeben wurden. Auch wenn die Teile nicht vor Ort endgültig vernichtet wurden, hat die Klägerin nicht aufgezeigt, aufgrund welcher Anhaltspunkte sie davon ausgeht, dass eine Übergabe an das Versorgungsunternehmen im Anschluss an die Demontage nicht erfolgt ist. Dies-bezüglich hat sich die Klägerin nicht mehr im Einzelnen geäußert und hat insbesondere nicht vorgetragen, warum das Protokoll insoweit fehlerhaft oder falsch sein soll.
- Der Hinweis der Klägerin auf eine mangelnde Ausführbarkeit der DE`XXX-1 als Indiz vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Selbst wenn dies zutreffen sollte und eine Vorrichtung nach der DE`XXX-1 tatsächlich nicht ausführbar ist, so vermag dies eine Beweisvereitelung nicht zu begründen. Denn aus der mangelnden Ausführbarkeit der DE`XXX-1 kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagten zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen zwingend auf die Vorrichtung nach dem Klagepatent zurückgegriffen und keine Abwandlung verwendet haben.
- Die Kammer sieht im Übrigen keine sonstigen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten eine bislang unbekannte Vorrichtung 1 versteckten.
- (c)Soweit sich die Klägerin zur Begründung einer Beweisvereitelung darauf stützt, dass die Beklagten eine Nachbesichtigung im Verfahren 4b O 267/10 beantragt haben, so dringt sie hiermit bereits deswegen nicht durch, weil dies zu den Rechten einer Partei im Besichtigungsverfahren gehört (§§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 ZPO).
- (d)Die Klägerin dringt auch nicht mit dem Vorwurf durch, dass die Beklagten entgegen dem Beschluss der Kammer vom 22.12.2010 zwischen der Besichtigung am 26.01.2011 und der Nachbesichtigung am 24.04.2012, also mehr als ein Jahr später, Veränderungen an der Anlage der Beklagten vorgenommen haben. Denn der Beschluss der Kammer vom 22.12.2010 untersagt den Beklagten laut Ziff. III. 3., eigenmächtig Veränderungen an den zu begutachtenden Vorrichtungen vorzu-nehmen, und zwar mit sofortiger Wirkung und für die Dauer der Begutachtung. Hiermit ist die (erste) Besichtigung am 26.01.2011 gemeint. Dass es zu einer Veränderung der Anlage der Beklagten während dieser Besichtigung kam, wird weder von der Klägerin vorgetragen noch ist dies aus dem Gutachten des Sachver-ständigen Prof. Dr.-Ing. H vom 24.02.2011 (Bl. 88 ff. der Akte 4b O 276/10) ersichtlich. Im Übrigen ist ergänzend zu berücksichtigen, dass die Anlage (Vorrichtung 2), die später verändert wurde, nach dem Gutachten des Sachver-ständigen nicht geeignet war, die angegriffenen Ausführungsformen herzustellen (Gutachten vom 24.02.2011, S. 5, 16).
- (e)Die Behauptung der Klägerin, es liege eine Verletzung der technischen Lehre des Hauptanspruchs 1 des Klagepatents durch die unbekannte Vorrichtung 1 vor, kann daher nicht als bewiesen angesehen werden. Mangels näherer Darlegung der Ausgestaltung der unbekannten Vorrichtung 1 ist eine Verletzung bereits nicht schlüssig dargelegt. Insoweit kommt es nicht auf die Frage einer etwaigen sekundären Darlegungslast der Beklagten an (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2003, X ZR 114/00, GRUR 2004, 268 – Blasenfreie Gummibahn II).
- ee)Eine wortsinngemäße Verletzung des Verfahrens nach Klagepatentanspruch 15 unter Verwendung der angegriffenen Ausführungsform 3, d.h. die nicht bekannte Vorrichtung 1, liegt ebenfalls nicht vor.
- Im Hinblick auf eine mögliche Beweisvereitelung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Soweit die Klägerin vorträgt, zu ihren Gunsten greife § 139 Abs. 3 S. 1 PatG, so dringt sie hiermit nicht durch.Ist nach dieser Vorschrift Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach einem patentier-ten Verfahren hergestellt. Neu im Sinne der Vermutungsregel ist ein Verfahrens-erzeugnis, wenn es sich durch wenigstens eine Eigenschaft auszeichnet, die sich von den am Prioritätstag vorbekannten Produkten erkennbar unterscheidet (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. A., 2017, Kap. E Rn. 154). Das patentgemäße Verfahrenserzeugnis muss sich unterscheidungskräftig vom Vorbekannten abheben (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 04.03.2003, 4 O 456/01, Rn. 40 – zit. nach Juris). Dabei ist der Patentinhaber darlegungs- und beweisbelastet dahingehend, dass es sich bei dem nach dem patentierten Verfahren hergestellten Erzeugnis um ein neues Erzeugnis handelt und dass das Erzeugnis, das von dem anderen hergestellt worden ist, ein gleiches Erzeugnis darstellt, wie das nach dem patentierten Verfahren hergestellte (Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. A., 2015, § 139 Rn. 119).
- Die Klägerin hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass es sich bei den Krallen-borsten der Klägerin um ein neues Erzeugnis im Sinne des § 139 Abs. 3 S. 1 PatG handelt, das sich unterscheidungskräftig von Vorbekanntem abhebt. Aus dem Klagepatent ergibt sich nicht ohne weiteres, dass sich die erfindungsgemäßen Borsten durch bestimmte Eigenschaften unterscheiden. Die Beklagten haben diversen Stand der Technik vorgelegt, der gekrümmte Borsten offenbart (Anlagen B 5 bis B 10). Sofern die Klägerin vorträgt, dass es sich bei ihren Krallenborsten um ein neues Produkt handele und im Übrigen bei Borsten nach Produktklassen zu differenzieren sei, so dringt sie hiermit nicht durch. Denn das Klagepatent enthält insoweit keine Angaben und schützt allgemein (Kunststoff )Borsten auf Borstenträgern (vgl. nur Anspruch 15 und Anspruch 1 des Klagepatents). Eine charakteristische Biegung ergibt sich ebenso wenig aus dem Klagepatent, das lediglich allgemein von einem „Winkel “ spricht (Sp. 4, Z. 9, Z. 33), wie eine bestimmte chemisch-physikalische Zusammensetzung, die den Borstenträgern eine dauerhafte Formstabilität verleihen würde. Im Übrigen hat die Klägerin nicht ansatzweise hinreichend substantiiert zu solchen anderen chemisch-physikalischen Eigenschaften vorgetragen.
- ff)Die angegriffene Ausführungsform 4, die Vorrichtung 2, macht von der technischen Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 15 nicht wortsinngemäß Gebrauch.
- Unabhängig davon, dass die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. H nicht mit der Vorrichtung 2 produziert wurden (siehe oben), verfügt Vorrichtung 2 nicht über eine erfindungs-gemäße Verformungseinheit im Behälter. Die Biegung der Borsten erfolgt nach Vor-richtung 2 mittels einer Rollenbahn, die unter der Borstenträgeraufnahme durchge-schoben wird (Gutachten vom 24.02.2011, S. 10). Die Rollen sind frei angeordnet und stellen keine Schräge im Sinne des Klagepatents dar. Die einzelnen Einheiten sind zusammen angeordnet, allerdings nicht von Behälteraußenwänden umgeben.Eine äquivalente Verletzung ist weder beantragt, noch mangels Gleichwertigkeit ersichtlich.
- gg)Die Klägerin macht nicht geltend, dass die angegriffene Ausführungsform 5, die Vorrichtung 3, von der technischen Lehre der Ansprüche 1 und 15 des Klagepatents Gebrauch machen würde und dies ist ausweislich der Ausführungen oben (siehe zu Vorrichtung 1) auch nicht der Fall.
- hh)Mangels Schutzrechtsverletzung stehen der Klägerin die begehrten Ansprüche nicht zu.
- b)Der Klägerin stehen gegen die Beklagten auch keine Ansprüche auf Auskunfts-erteilung, Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach aus dem Patent DE‘XXX zu. Soweit das Patent DE‘XXX einen inhaltsgleichen Anspruch 1 mit dem Klagepatent enthält, so greift ab Ablauf der Einspruchsfrist bezüglich des Klagepatents das Doppelschutzverbot des Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG und die Klägerin kann aus dem Patent DE‘XXX keine Verbietungs-rechte mehr geltend machen.Dass in der Zeit davor bereits Ansprüche aus Patentverletzung entstanden sind, die nicht Gegenstand des Vergleichs vor dem OLG Dresden waren und im Zeitpunkt des Wirkungsverlusts fortbestanden, hat die Klägerin bereits nicht hinreichend dargetan.Soweit sie sich auf Beweisvereitelung (unbekannte Vorrichtung 1) beruft, so wird auf die obigen Ausführungen zum Klagepatent Bezug genommen, eine Patentverletzung ist bereits nicht schlüssig dargetan. Daher stehen der Klägerin auch keine Ansprüche auf Entschädigung oder Bereicherungsausgleich zu.
- c)Mangels Hauptforderung hat die Klägerin gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen. Anwaltskosten werden aufgrund des Vorstehenden auch nicht als Schadensposition geschuldet.
- d)Ein Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO be-steht nicht. Das Gericht hat die Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anzuordnen, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295 ZPO), insbesondere eine Verletzung der Hinweis und Auf-klärungspflicht (§ 139 ZPO) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt. Dies ist im hiesigen Rechtsstreit nicht der Fall.Soweit sich die Klägerin im Zusammenhang mit dem Thema der Beweisvereitelung auf die Verletzung der Hinweis und Aufklärungspflicht des § 139 ZPO beruft, so dringt sie hiermit nicht durch. Die Vorsitzende hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2017 wie in Patentsachen üblich ausführlich in den Sach und Streitstand eingeführt – auch soweit er die Thematik der Beweisvereitelung betrifft. Die Parteien hatten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme, die sie auch wahrgenommen haben. Eine weitergehende Hinweispflicht der Kammer ist nicht ersichtlich.Soweit die Klägerin eine Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht und des An-spruchs auf rechtliches Gehör rügt, so dringt sie hiermit ebenfalls nicht durch. Bezüglich der Thematik der Beweisvereitelung wird auf obige Ausführungen ver-wiesen. Die Klägerin hatte auch ausreichend Gelegenheit, ihre Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2017 zu stellen und zu korrigieren, wie sich bereits aus dem Protokoll, S. 1 bis 3 (Bl. 187-189 GA), ergibt.Welche weiteren, das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozess-handlung betreffende Vorschriften gem. § 295 ZPO verletzt worden sein sollen, macht die Klägerin nicht klar und eine solche Verletzung ist für die Kammer nicht ersichtlich.Weitere Gründe zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO sind ebenfalls nicht ersichtlich.
- Soweit die Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.09.2017 weitere Hilfsanträge formuliert hat, so sind diese unzulässig. Denn Sachanträge sind, wie sich aus §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO ergibt, spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung zu stellen. Dies ist im hiesigen Rechtsstreit in Bezug auf die Hilfsanträge aus dem Schriftsatz vom 08.09.2017 nicht geschehen.
- II.Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, soweit die Klage in den mündlichen Verhandlungen vom 17.03.2015 und vom 23.08.2017 teilweise zurückgenommen worden ist. Die Kosten des selbstständigen Beweissicherungsverfahrens (Az.: 4b O 276/10) werden von hiesiger Kostengrundentscheidung erfasst.Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
- III.Der Streitwert wird auf 150.000 EUR festgesetzt.