Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2715
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Oktober 2017, Az. 4a O 91/16
- I. Die Beklagten werden verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
- Bestrahlungsvorrichtungen mit wenigstens einer Bestrahlungslampe zur Bestrahlung der menschlichen Haut mit Strahlung zumindest im Rotlichtbereich, wobei die Bestrahlungslampe als Hochdruck-Gasentladungslampe ausgebildet ist, wobei eine Filtereinrichtung zur Filterung der von der Bestrahlungslampe abgestrahlten Strahlung vorgesehen ist und wobei die Filtereinrichtung Strahlung der Bestrahlungslampe im Wellenlängenbereich kleiner 550 nm filtert,
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen (nur die Beklagte zu 1)), anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- bei denen die Strahlungsleistung der gefilterten Strahlung einer Bestrahlungslampe gemessen im Abstand von mehr als 30 cm von der Bestrahlungslampe größer 450 W/m² ist, wobei wenigstens eine einen Reflektor aufweisende Reflektoreinrichtung und eine der Reflektoreinrichtung zugeordnete Kühleinrichtung vorgesehen sind, wobei die Bestrahlungslampe im Bereich des Reflektors angeordnet ist;
- 2. der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2015 begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten (nur die Beklagte zu 1);
- b) der Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, und unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie unter Vorlage von Belegen in Form von Kopien von Rechnungen, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen und unter Angabe der Namen und Angebotsempfänger;
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 3. die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 01.01.2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des LG Düsseldorf vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben oder die Erzeugnisse selber zu vernichten und der Klägerin einen Vernichtungsnachweis zukommen zu lassen;
- 5. an die Klägerin als Gesamtschuldner einen Betrag in Höhe von EUR 17.006,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszins seit dem 20.09.2016 zu zahlen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 01.01.2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
- IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,00; daneben sind gesondert vorläufig vollstreckbar die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung (Ziff. I.1., I.3. und I.4. des Tenors) gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 750.000,00, der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I.2. des Tenors) gegen eine Sicherheit von EUR 180.000,00 sowie die Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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T a t b e s t a n d
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf patentverletzender Vorrichtungen, Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, Schadensersatz zu leisten, in Anspruch.
- Die Klägerin ist – noch unter ihrer früheren Namen „A-GmbH & Co. KG“ (vgl. den in Anlage K1 vorgelegten Handelsregisterauszug) – die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Inhaberin (vgl. den in Anlage K4 vorgelegten Auszug aus dem Patentregister) des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 366 XXX (nachfolgend: Klagepatent). Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent trägt den Titel „Bestrahlungsvorrichtung zur Bestrahlung der menschlichen Haut“ und wurde am 15.03.2010 angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 25.01.2012 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents. Die ursprünglich erteilte Fassung des Klagepatents ist in Anlage K2 zur Akte gereicht worden.
- In einem gegen die Erteilung des Klagepatents erhobenen Einspruchsverfahren eines Drittens (Rechtsanwalt Marco B, C) wurde das Klagepatent mit Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 03.04.2014 in beschränkter Fassung aufrechterhalten. Das Druckexemplar der aufrechterhaltenen Fassung und die Gründe für die Entscheidung der Einspruchsabteilung sind in Anlage K3 vorgelegt worden.
- Das Klagepatent steht in Kraft. Der Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt (vgl. den in Anlage TW3 überreichten Beschwerdeschriftsatz vom 18.07.2014), über die die Beschwerdekammer noch nicht entschieden hat.
- In der erteilten Fassung lautet Anspruch 1 des Klagepatents:
- „Bestrahlungsvorrichtung (1) mit wenigstens einer Bestrahlungslampe (9) zur Bestrahlung der menschlichen Haut mit Strahlung zumindest im Rotlichtbereich, wobei die Bestrahlungslampe (9) als Hochdruck- oder Höchstdruck-Gasentladungslampe ausgebildet ist, wobei eine Filtereinrichtung (10) zur Filterung der von der Bestrahlungslampe (9) abgestrahlten Strahlung vorgesehen ist und wobei die Filtereinrichtung (10) Strahlung der Bestrahlungslampe (9) im Wellenlängenbereich kleiner 550 nmfiltert,
- dadurch gekennzeichnet, dass die Strahlungsleistung der gefilterten Strahlungeiner Bestrahlungslampe (9) gemessen im Abstand von mehr als 30 cm von der Bestrahlungslampe (9) größer 450 W/m² ist.“
- In der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen und hier geltend gemachten Fassung lautet Anspruch 1 des Klagepatents:
- “Bestrahlungsvorrichtung (1) mit wenigstens einer Bestrahlungslampe (9) zurBestrahlung der menschlichen Haut mit Strahlung zumindest im Rotlichtbereich, wobei die Bestrahlungslampe (9) als Hochdruck- oder Höchstdruck-Gasentladungslampe ausgebildet ist,
- wobei eine Filtereinrichtung (10) zur Filterung der von der Bestrahlungslampe (9) abgestrahlten Strahlung vorgesehen ist und wobei die Filtereinrichtung (10) Strahlung der Bestrahlungslampe (9) im Wellenlängenbereich kleiner 550 nm filtert,
- dadurch gekennzeichnet, dass die Strahlungsleistung der gefilterten Strahlung einer Bestrahlungslampe (9) gemessen im Abstand von mehr als 30 cm von der Bestrahlungslampe (9) größer 450 W/m² ist, wobei wenigstens eine einen Reflektor (8) aufweisende Reflektoreinrichtung (7) und eine der Reflektoreinrichtung (7) zugeordnete Kühleinrichtung vorgesehen sind, wobei die Bestrahlungslampe (9) im Bereich des Reflektors (8) angeordnet ist.”
- Zur Veranschaulichung der geschützten Lehre wird nachfolgend Fig. 3 des Klagepatents verkleinert eingeblendet, die nach der Patentbeschreibung (Abs. [0024]) eine schematische Darstellung einer Reflektoreinrichtung mit zugeordneter Kühlung zeigt:
- In Fig. 3 ist eine Bestrahlungslampe 9 innerhalb einer Reflektoreinrichtung 7 gezeigt. Unterhalb der Reflektoreinrichtung 7 befindet sich eine strahlungsdurchlässige Schutzscheibe 11, die von der Reflektoreinrichtung 7 beabstandet ist, so dass sich ein Luftspalt 12 ergibt. Durch den Luftspalt 12 wird ein Kühlmedium geleitet (gezeigt durch die Pfeile 13 und 14), so dass die Schutzscheibe 11 keine zu hohe Temperatur erreicht. Daneben verfügt die Reflektoreinrichtung 7 als solche über eine Kühleinrichtung, die nicht dargestellt ist.
- Die Beklagte zu 1) stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Bestrahlungsvorrichtungen / Therapiegeräte mit den Bezeichnungen „D E“ und „D F“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen). Die angegriffenen Ausführungsformen werden auch von den Beklagten zu 2) und zu 3) im Inland vertrieben. Eine Gebrauchsanweisung und „Planungshandbücher“ zu den angegriffenen Ausführungsformen sind in den Anlagen K7 und K8a/b zur Akte gereicht worden. Nachfolgend wird eine Abbildung (von S. 3 der Klageerwiderung, Bl. 35 GA) der angegriffenen Ausführungsformen eingeblendet:
- Die angegriffenen Ausführungsformen unterscheiden sich nur hinsichtlich der Anzahl der eingebauten Lampen. Im Laufe der Produktionszeit der angegriffenen Ausführungsformen sind drei verschiedene Bauarten von Bestrahlungslampen eingesetzt worden, die auch beim Ersatz defekter Lampen Verwendung fanden. Die Version der jeweils verbauten Lampe lässt sich anhand der letzten beiden Ziffern der Produktnummer („1505XXX-xx“) identifizieren:
- Zeitraum Produktnummer Lampe / Hersteller
- Vor 01.02.2014 1505XXX-01 G H 1
- 01.02.2014 – 15.09.2015 1505XXX-02 G H 2
- 15.09.2015 – 28.02.2017 1505XXX-03 I
- Ab 28.02.2017 1505XXX-02 G H 2
- Die Klägerin, welche Ansprüche nur für Handlungen ab dem 01.01.2015 geltend macht, greift mit dieser Klage solche Ausführungsformen nicht an, die mit Lampen mit der Produktnummer -01 ausgerüstet sind. Bestrahlungsgeräte mit dieser Lampen-Bauart sind daher nicht angegriffene Ausführungsformen.
- Die Klägerin mahnte die Beklagten vor Klageerhebung mit rechts- und patentanwaltlichem Schreiben erfolgslos ab.
- Die Klägerin trägt vor, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent wortsinngemäß. Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei, wie im Klagepatent vorgegeben, die Strahlungsleistung – gemessen im Abstand von mehr als 30 cm von der Bestrahlungslampe – größer als 450 W/m². Dies ergäben die in Anlage K9 und K13 vorgelegten Prüfberichte des J für die beiden angegriffenen Lampen-Typen (Endziffern: -02 und -03).
- Es reiche patentgemäß aus, dass die Strahlungsleistung (Bestrahlungsstärke) in einem Abstand von mehr als 30 cm von der Bestrahlungslampe größer als 450 W/m² ist. Dies zeige auch Abs. [0008], Sp. 2 Z. 3 – 5 der Patentbeschreibung („30 cm oder mehr“). Da die Bestrahlungsstärke mit wachsendem Abstand abnehme, erwarte der Fachmann nicht, dass der vorgegebene Wert noch in einem beliebig großen Abstand erreicht wird.
- Als Startpunkt des Abstands sei nicht der äußerste Vorrichtungsteil der Strahlungslampe zu verwenden, sondern der kugelförmigen Bereich, in dem zwischen den zwei Elektronen in einer Gasumgebung der Lichtbogen erzeugt wird. Da es um den Wert der emittierten Strahlung gehe, sei als Startpunkt deren Ausgangsort zu wählen. Das Klagepatent befasse sich auch nicht mit der konstruktiven Ausgestaltung der Lampen – außer der Vorgabe, dass es sich um eine Hochdruck- oder Höchstdruck-Gasentladungslampe handeln müsse.
- Zu dem patentgemäß erforderlichen Mindestwert von 450 W/m² könne gefilterte Strahlung der Lampe jeder Wellenlänge beitragen; der Anspruch sei insoweit nicht auf Strahlung mit einer Wellenlänge zwischen 550 und 700 nm beschränkt. Entsprechend bedürfe es nicht eines Korrekturwerts bei den in den verschiedenen Prüfberichten gemessenen Werten.
- Vor dem Hintergrund dieser Auslegung werde auch bei Zugrundelegung des von den Beklagten in Anlage TW2 vorgelegten Prüfberichts Anspruch 1 von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht. Die Abweichung zwischen den beiden Prüfberichten (in Anlage K9 bzw. TW2) lasse sich damit erklären, dass die Strahlung (-sleistung) mit der Anzahl der Betriebsstunden der Hochdruck-Gasentladungslampe abnehme. Die Klägerin bestreitet in diesem Zusammenhang mit Nichtwissen, dass im Prüfbericht nach Anlage TW2 neue Lampen untersucht wurden.
- Die zweite von der Klägerin beauftragte Messung des J für Lampen von I (-03; Anlage K13) bestätige ebenfalls die Patentverletzung.
- Das Klagepatent werde sich im Einspruchsbeschwerdeverfahren als rechtsbeständig erweisen, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht angezeigt sei. Gegenüber dem Stand der Technik sei das Klagepatent (zumindest in der aufrechterhaltenen Fassung) neu und erfinderisch. Die Erfindung sei auch ausreichend offenbart und ausführbar. Dies belege die in Anlage K3 vorgelegte Entscheidung der Einspruchsabteilung.
- Die Klägerin beantragt,
- – wie zuerkannt -;
- hilfsweise, ihr notfalls nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise:
- den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem das Europäische Patent EP 2 366 XXX B1 betreffenden Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt auszusetzen.
- Die Beklagten behaupten, das Klagepatent werde durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verletzt. Diese verwirklichten nicht das Merkmal, wonach die Strahlungsleistung der gefilterten Strahlung einer Bestrahlungslampe gemessen im Abstand von mehr als 30 cm von der Bestrahlungslampe größer als 450 W/m² sein muss. Insoweit fordere das Klagepatent, dass für alle denkbaren Abstände von mehr als 30 cm zwischen Bestrahlungslampe und bestrahlter menschlicher Haut die „Strahlungsleistung“ (im Sinne der Bestrahlungsstärke) größer als 450 W/m² sein müsse und nicht nur für einen Abstand von mehr als 30 cm. In der Beschreibung werde verschiedentlich ausgedrückt, dass es auf einen Abstand „von wenigstens 30 cm oder mehr“ ankomme.
- Insgesamt gehe der Fachmann davon aus, dass es im Klagepatent keine einheitliche Messvorschrift für die Messung des Werts der Bestrahlungsstärke gibt. Der relevante Abstand sei zwischen dem untersten Ende der Lampe (Unterkante) und der Oberfläche des Targets zu messen – d.h. des Messgeräts oder der Haut der zu bestrahlenden Person. Der Begriff „Abstand“ sei hier nach dem allgemeinen Verständnis als kürzeste Verbindungslinie zwischen zwei Punkten zu verstehen. Es finde sich kein Anhaltspunkt für die Auffassung der Klägerin, dass Startpunkt der Bereich der Lampe sein müsse, in dem die Strahlung erzeugt wird. In Abs. [0038] werde vielmehr beschrieben, von der Schutzschreibe aus zu messen. Falls man nicht der üblichen Definition eines Abstands folgen möchte, wäre stattdessen auf den Schwerpunktabstand abzustellen, also hier auf den Lichtschwerpunkt als Startpunkt. Dieser sei nach der DIN EN 13XXX (Ausgabe 2012) zu berechnen, wonach sich der Nullpunkt der Abstandsmessung in der Mitte der Lichtaustrittsöffnung der Bestrahlungslampe befinde.
- Bei den in den Prüfberichten gemessenen Werten müsse zudem noch ein Korrekturfaktor abgezogen werden: Patentgemäß dürfte bei der Bestrahlungsstärke nur Licht im Wellenlängenbereich zwischen 550 und 700 nm zu berücksichtigen sein, da nur solches Licht die klagepatentgemäßen Hautverbesserungen bewirken könne, wie aus der Patentbeschreibung klar hervorgehe. Licht mit einer Wellenlänge von mehr als 700 nm sei für die patentgemäße Strahlungsleistung von 450 W/m² daher ohne Belang und müsse entsprechend bei den gemessenen Werten abgezogen werden.
- Dieses Merkmal sei bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht, selbst wenn man die fehlerhaften Messungen der Klägerin in Anlage K9 zugrunde legte und berücksichtigt, dass – insoweit unstreitig – die Stärke der Strahlung mit steigender Entfernung abnimmt. Schon ab 35 cm oder mehr würde der Wert von 450 W/m² nicht mehr erreicht. Bei den im Auftrag der Beklagten durchgeführten Messungen (vorgelegt in Anlage TW2) werde der patentgemäße Mindestwert bei keinem Abstand von mehr als 30 cm erreicht. Die im Messbericht nach Anlage TW2 untersuchten Lampen seien neu gewesen. Auch bei Lampen mit den Produktnummer -03 (von I) werde dieses Merkmal nicht verwirklicht, wie der Prüfbericht in Anlage TW19 belege.
- Das Klagepatent sei auch in der im Einspruchsverfahren beschränkt aufrechterhaltenen Fassung nicht rechtsbeständig, so dass das Verfahren hilfsweise auszusetzen sei. Das anhängige Einspruchsbeschwerdeverfahren werde mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Widerruf des Klagepatents führen. So sei auch der beschränkt aufrechterhaltene Anspruch 1 des Klagepatents jedenfalls nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination der WO 2006/134,555 A1 (nachfolgend: Entgegenhaltung E2; vorgelegt in Anlage TW6) mit der EP 1 156 512 A2 (nachfolgend: Entgegenhaltung E3, vorgelegt in Anlage TW7). Ferner sei die angebliche Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Der Begriff „Strahlungsleistung“ sei unzutreffend. Es bestehe zudem ein jedem Fachmann sofort auffallender Offenbarungsmangel, wenn die mit „mehr als 450 W/m²“ bemessene Bestrahlungsstärke über die gesamte Breite des Lichtspektrums ermittelt werden soll. Dies lasse es zu, patentgemäße Vorrichtungen zu konstruieren, bei denen die Haut eines Patienten nach kürzester Zeit geschädigt wird.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2017 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß (hierzu unter I.). Die Beklagten verletzen somit das Klagepatent durch Herstellung und/oder Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen, so dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zustehen (hierzu unter II.). Im Rahmen des der Kammer zustehenden Ermessens wird das Verfahren nicht in Bezug auf das Einspruchsbeschwerdeverfahren ausgesetzt (hierzu unter III.).
- I.Die angegriffenen Ausführungsformen (mit den hier angegriffenen Lampentypen -02 und -03) machen von Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
- 1.Das Klagepatent (nachfolgend zitiert nach Abs. der in Anlage K3 vorlegten Druckversion also der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung –, ohne das Klagepatent dabei stets ausdrücklich zu nennen) betrifft Bestrahlungsvorrichtungen.
- In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass es bekannt sei, dass bestimmte Zellen in der Haut zu verstärkter Collagen- und Elastin-Bildung sowiezur Bildung von Enzymen angeregt werden können, die maßgeblich für die Hautstrukturen verantwortlich sind. Dies erfolgt im Stand der Technik durch den Einsatz von Geräten zur Hautpflege mittels Lichtwellen im Bereich von 550 bis 700 nm. Dieser Prozess wird durch Anregung der Blutgefäßwände in der Haut erzeugt und hat eine Sauerstoffanreicherung sowie eine bessere Entgiftung der Haut zur Folge. Die Hydration nimmt zu und die Fähigkeit der Haut, Feuchtigkeit zu behalten, verbessert sich. Zunehmende Zellaktivitäten, verbesserte natürliche Zellreparatur sowie Zellerneuerungen führen zur Erzeugung eines gesünderen Hautbildes (Abs. [0002]).
- Um diesen Effekt in einer Sonnenbank zu reproduzieren, werden im Stand der Technik Niederdrucklampen in UV-Bestrahlungsgeräten eingesetzt. Diese Lampen weisen ein solches Spektrum auf, dass sich sehr geringe Strahlungsanteile im UV-Bereich, jedoch überwiegende Anteile im Rotlichtbereich zwischen 600 und 650 nm ergeben (Abs. [0003]).
- Das Klagepatent kritisiert hieran, dass bei Untersuchungen mit den bekannten Niederdrucklampen festgestellt worden ist, dass mit diesen letztlich keine nennenswerten Hautverbesserungseffekte erzielt werden konnten. Ferner wird bei Bestrahlungsgeräten auf Basis der Niederdrucklampentechnik von diesen Lampen keine hinreichende Wärme abgeben, was den Aspekt des Wohlfühlens während der Anwendung als problematisch gestaltet (Abs. [0004]).
- Aus dem vom Klagepatent zitierten Stand der Technik WO 97/20596 A1 (vorgelegt in Anlage K5) geht bereits eine therapeutische Bestrahlungseinrichtung zur Bestrahlung der menschlichen Haut hervor. Die bekannte Vorrichtung weist eine Mehrzahl von Filtern auf, die Strahlung im Wellenlängenbereich zwischen 600 und 700 nm durchlässt.
- Vor diesem Hintergrund nennt es das Klagepatent als seine (subjektive) Aufgabe, eine Bestrahlungsvorrichtung der eingangs genannten Art zur Verfügung zu stellen, mit der Hautverbesserungseffekte erzielt werden und bei der sich während der Anwendung ein Gefühl des Wohlfühlens für den Nutzer ergibt.
- 2.Zur Lösung schlägt das Klagepatent eine Bestrahlungsvorrichtung nach Maßgabe von Anspruch 1 vor, der sich – gemäß der geltend gemachten Fassung, welche von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten worden ist – in Form einer Merkmalgliederung wie folgt darstellen lässt:
- 1 Bestrahlungsvorrichtung (1) mit
- 2 wenigstens einer Bestrahlungslampe (9) zur Bestrahlung der menschlichen Haut mit Strahlung zumindest im Rotlichtbereich,
- 2.1 die als Hochdruck- oder Höchstdruck-Gasentladungslampe ausgebildet ist,
- 2.2 die im Bereich des Reflektors (8) angeordnet ist;
- 3 eine Filtereinrichtung (10) ist zur Filterung der von der Bestrahlungslampe (9) abgestrahlten Strahlung vorgesehen, die Strahlung der Bestrahlungslampe (9) im Wellenlängenbereich kleiner 550 nm filtert.
- 4 eine Reflektoreinrichtung (7),
- 4.1 die wenigstens einen Reflektor (8) aufweist,
- 4.2 der eine Kühleinrichtung zugeordnet ist.
- 5 Die Strahlungsleistung der gefilterten Strahlung einer Bestrahlungslampe (9) ist gemessen im Abstand von mehr als 30 cm von der Bestrahlungslampe (9) größer 450 W/m².
- 3.Anspruch 1 löst die gestellte Aufgabe durch eine Bestrahlungsvorrichtung, bei der (mindestens) eine Lampe verwendet wird, die Strahlung mit einer Strahlungsleistung von mehr als 450 W/m² in einem Abstand von 30 cm emittiert (Merkmal 5). Hierzu führt das Klagepatent in Abs. [0008] aus, dass sich Hautverbesserungseffekte bei Verwendung der Niederdrucklampentechnik deshalb nicht einstellen, da diese bekannten Lampen im Wellenlängenbereich zwischen 550 nm und 700 nm eine Strahlung mit zu geringen Leistungswerten abgeben. Die in Merkmal 5 spezifizierte Leistung (Bestrahlungsstärke) erzielt dagegen die gewünschten positiven Hauteffekte und lässt sich mit einer Hochdruck- oder Höchstdruck-Gasentladungslampe (vorgesehen nach Merkmal 2) erreichen. Diese Lampen führen bei der Anwendung zudem zu einer hinreichenden Wärmeentwicklung, so dass auch der Aspekt des Wohlfühlens des Nutzers erfüllt ist.
- Um schädliche Einflüsse von UV-Strahlung zu verhindern, ist nach Merkmal 3 eine Filtereinrichtung vorgesehen, die Strahlung mit einer Wellenlänge von unter 550 nm herausfiltert (Abs. [0008] a.E.). Weiterhin ist die Bestrahlungslampe in einer Reflektoreinrichtung angebracht, der eine Kühleinrichtung zugeordnet ist (Merkmalsgruppe 4). Diese Kühlung erfolgt vor dem Hintergrund, dass Gasentladungslampen während des Betriebes sehr heiß werden (Abs. [0021]). Die so mögliche Kühlung erhöht zugleich die Betriebsdauer der Bestrahlungslampe (vgl. Abs. [0030] a.E.).
- 4.Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedarf Merkmal 5,
- „Die Strahlungsleistung der gefilterten Strahlung einer Bestrahlungslampe (9) ist gemessen im Abstand von mehr als 30 cm von der Bestrahlungslampe (9) größer 450 W/m²“,
- näherer Erörterung. Dieses Merkmal gibt vor, dass in einer Distanz von mindestens knapp über 30 cm – gemessen zwischen dem Teil der Lampe, in dem das Licht erzeugt wird und dem Messpunkt – nach der Filterung eine Bestrahlungsstärke (Strahlungsleistung) von mehr als 450 W/m² erreicht wird. Bei der Messung ist die gesamte im vorgenannten Abstand gemessene Strahlungsleistung zu berücksichtigen.
- a)Der patentgemäße Begriff der „Strahlungsleistung“ wird vom Fachmann üblicherweise als „Bestrahlungsstärke“ bezeichnet. Dies ergibt sich bereits aus den Einheiten W/m² (Watt pro Quadratmeter). Strahlungsleistung bzw. Bestrahlungsstärke gibt die durch Strahlung erzeugte Leistung pro Fläche an, die aufgrund der Strahlung der Lampe gemessen wird.
- b)Die patentgemäße Strahlungsleistung ist die gesamte Leistung (Bestrahlungsstärke), die nach Durchlaufen des Filters (Merkmal 3) beim „Target“ ankommt. Beim Target handelt es sich um die menschliche Haut oder eine entsprechend platzierte Messsonde. Zu berücksichtigen ist nicht nur die Leistung im Wellenlängenbereich zwischen 550 nm und 700 nm. Zwar wird in der Beschreibung (Abs. [0008]) ausgeführt:
- „Im Zusammenhang mit der vorliegenden Erfindung ist erkannt worden, dass die eingangs genannten Hautverbesserungseffekte im Wellenlängenbereich zwischen 550 nm und 700 nm letztlich dann erreicht werden, wenn die Strahlungsleistung im vorgenannten Wellenbereich größer 450 W/m2 ist.“
- Dies hat aber keinen Niederschlag im vorrangigen Anspruchswortlaut gefunden, die den Begriff der Strahlungsleistung auf diesen Wellenbereich beschränken würde. Dies steht auch im Einklang mit den angestrebten Vorteilen der Erfindung. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2017 unwidersprochen vorgetragen, dass gerade die Strahlung im Bereich von über 750 nm Wärme erzeugt. Damit kann auch Strahlung in diesem Wellenlängenbereich zur Erfüllung der patentgemäßen Aufgabe beitragen, durch Wärme ein Wohlgefühl beim Nutzer zu erzeugen.
- Allerdings ist für den Fachmann klar, dass zumindest ein Großteil der Bestrahlungsstärke im Wellenlängenbereich von 550 – 700 nm anfallen muss, da Licht in diesem Wellenlängenbereich die erwünschten Hauteffekte hervorruft (vgl. Abs. [0002] und Abs. [0008]). Welche konkrete Leistung (der mindestens 450 W/m²) im Bereich von 550 bis 700 nm erzielt werden muss, wird im Anspruch nicht näher spezifiziert, sondern dem Können des Fachmanns überlassen, dem es freisteht, den Aspekt der „Wohlfühlwärme“ auch durch Strahlung mit Wellenlängen über 700 nm zu erreichen.
- Entsprechend verlangt der Anspruch in Merkmal 3 nur eine Filtereinrichtung zur Filterung der „Strahlung der Bestrahlungslampe (9) im Wellenlängenbereich kleiner 550 nm“. Dem entnimmt der Fachmann, dass eine Filterung „nach oben hin“, d.h. für Wellenlängen über 700 nm, nicht zwingend erforderlich ist. Nur für eine bevorzugte Ausführungsform ist in Abs. [0012] a.E. eine (weitere) Filterung der Strahlung mit einer Wellenlänge von über 700 nm vorgesehen. Hierauf kann Anspruch 1 aber nicht beschränkt werden. In Fig. 9, die eine Tabelle der Strahlungsleistung u.a. der erfindungsgemäßen Bestrahlungsvorrichtung zeigt (vgl. Abs. [0024]), werden auch für Wellenlängen bis zu 800 nm Bestrahlungsstärken angegeben, was belegt, dass auch die Bestrahlung mit Licht mit Wellenlängen über 700 nm zulässig ist und nicht herausgefiltert werden muss.
- c)Der Abstand, in dem die Strahlungsleistung von 450 W/m² erreicht werden soll, beträgt anspruchsgemäß „mehr als 30 cm“. Dies bedeutet, dass die Leistung in einem Punkt erreicht werden muss, der mindestens knapp über 30 cm (etwa 30,00001 cm) von der Lampe entfernt ist. Dass in größeren Abständen die Leistung nicht mehr erreicht wird, führt nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus. Im Anspruch findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die vorgegebene Leistung in einem kompletten Abstandsbereich erreicht werden muss, der bei mehr als 30 cm anfängt. Der Wortlaut „im Abstand“ spricht erkennbar einen Abstand an. Es findet sich im Anspruch schon keine Höchstgrenze für einen solchen Bereich. Eine solche würde der Fachmann aber erwarten, wenn das Klagepatent einen Bereich mit einer Mindestleistung vorgeben würde. Denn es ist ihm bekannt, dass die gemessene Leistung mit steigendem Abstand von der Lampe abnimmt und damit 450 W/m² nicht beliebig weit entfernt von der Lampe erreicht werden können. Ein Abstand „von etwa 40 cm“ wird in Abs. [0013] f. nur als besonders vorteilhafte Ausführungsvariante geschildert, auf die das Klagepatent aber nicht beschränkt werden darf. Jedoch wird auch für dieses Ausführungsbeispiel kein Höchstabstand genannt, indem die angegebene Leistung (noch) erreicht werden muss. Vielmehr ist „von etwa 40 cm“ auch nur ein Punkt (Abstand) – und steht damit im Einklang mit Merkmal 5.
- Sofern in der Patentbeschreibung auch ein Abstand von genau 30 cm als zulässig beschrieben wird (etwa „wenigstens 30 cm oder mehr“ in Abs. [0008]), stellt dies genau genommen eine Abweichung vom Anspruchswortlaut dar, der genau 30 cm ausschließt. Der Fachmann legt jedoch ein Patent regelmäßig so aus, dass Anspruch und Beschreibung im Einklang stehen. Vor diesem Hintergrund erkennt er, dass es sich bei der Angabe „wenigstens 30 cm“ primär um eine sprachliche Ungenauigkeit handelt, die technisch ohne Effekt bleibt. Denn nach dem Anspruchswortlaut sind auch Abstände von knapp über 30 cm (etwa 30,00001 cm) zulässig, was sich für die Lehre des Klagepatents nicht in relevanter Weise von genau 30 cm unterscheidet. Die Angabe „wenigstens 30 cm“ verdeutlicht für den Fachmann damit, dass auch Abstände, die nur geringfügig über 30 cm liegen, im patentgemäßen Rahmen liegen.
- d)Der Abstand von mehr als 30 cm ist zwischen dem Punkt der Lampe, der innerhalb des Bereichs, in dem die Strahlung erzeugt wird, zum Target am nächsten liegt, und dem Target (d.h. der Haut bzw. dem Messpunkt) zu messen.
- Ein Abstand gibt allgemein die Distanz zwischen zwei Punkten an. Patentgemäß ist der eine dieser Punkte der „Messpunkt“ (Target), also der Punkt in dem die vorgegebene Bestrahlungsstärke erreicht werden muss. Der andere (Anfangs-) Punkt ist nach Merkmal 5 „die Bestrahlungslampe“. Hierbei ist der Punkt der Lampe zu wählen, in dem die Strahlung erzeugt wird, wovon ausgehend der kürzeste Weg zum Target zugrunde gelegt wird.
- Das Klagepatent macht keine näheren Vorgaben dazu, von welchem Punkt der Bestrahlungslampe aus genau der Abstand zu messen ist. Insofern kommen grundsätzlich der Bereich der Lampe, in dem das Licht erzeugt wird, und der Punkt der Lampe, der zum Target am nächsten liegt, in Betracht.
- Ausgehend von der Funktion des Merkmals wird der Fachmann als „Abstand“ die kürzeste Distanz zwischen dem Messpunkt (Target) und dem Bereich der Lampe, in dem die Strahlung produziert wird, verstehen. Die Vorgaben von Merkmal 5 dienen letztlich dazu, den Fachmann anzuleiten, für die Bestrahlungsvorrichtung eine geeignete Lampe zu verwenden, die eine ausreichende Strahlungseinwirkung beim Nutzer erreicht. Der Fachmann weiß, dass die Bestrahlungsstärke am Ursprungsort der Strahlung am stärksten ist und abnimmt, je größer die Distanz hiervon ist. Der Ursprungsort der Strahlung ist bei Gastentladungslampen der Bereich, in dem zwischen zwei Elektroden der Lichtbogen entsteht (vgl. Abs. [0030]). Um eine ausreichend strahlungsstarke Lampe auswählen zu können, ist es sinnvoll, einen Abstand hiervon als Messpunkt anzugeben, da damit die Leistung unabhängig von der Form der Lampe bestimmt werden kann. Stellte man dagegen auf den Punkt der Lampe ab, der am nächsten zum Messort ist, würde die Form der Lampe darüber(mit-) entscheiden, ob eine ausreichende starke Lampe verwendet wird. Hierfür finden sich im Klagepatent jedoch keine Hinweise.Dagegen gibt es keinen Ansatzpunkt im Klagepatent, den Abstand von einem „Lichtschwerpunkt“ aus zu berechnen. Die relevante Wegstrecke hat nach dem klaren Anspruchswortlaut an der Lampe zu beginnen – also einem räumlich-körperlichen Gegenstand.
- Bei der Lampe als Anfangspunkt handelt es sich um die Bestrahlungslampe selbst, die patentgemäß eine Hochdruck- oder Höchstdruckgasentladungslampe sein muss (Merkmal 2.1). Dagegen kann nicht auf andere Punkte – etwa den Reflektor oder eine Schutzscheibe – abgestellt werden. Diese Punkte mögen zwar Teil der Bestrahlungsvorrichtung sein, stellen aber nicht die Lampe dar, auf deren Abstand es nach Merkmal 5 ankommt.
- Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2017 auf Abs. [0038] verwiesen haben, wo ein „Abstand von 30 cm von der Schutzscheibe 12“ angesprochen ist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Anspruch stellt ausdrücklich auf die Lampe und nicht auf eine Schutzscheibe ab. Abs. [0038] steht auch nicht im Widerspruch zum Anspruch – wenn in einem Abstand von 30 cm zur Schutzscheibe 890 W/m² erreicht werden, wird der Wert von 450 W/m² in einem solchen Abstand zur Lampe erst recht überschritten. Denn letzterer Punkt liegt näher am Strahlungsursprung als der im Beispiel nach Abs. [0038] genannte Messpunkt.
- Auf die von den Beklagten in Bezug genommene DIN EN 13XXX (Anlage TW17) kann im Übrigen schon deshalb nicht abgestellt werden, da diese DIN zum Anmeldezeitpunkt des Klagepatents zumindest in der vorgelegten Fassung von 2012 noch nicht existierte.
- 5.Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen Merkmal 5 unabhängig davon, ob sie mit den Lampen von G H (-02; d.h. deren neuere Bauart) oder I (-03) ausgestattet sind. Die Parteien haben vier Gutachten des Js vorgelegt. Da die Gutachten jeweils vom selben Prüfinstitut kommen, ist die Messmethodik unstreitig, soweit nicht die Berechnung des patentgemäßen Abstands betroffen ist.
- a)Bei Lampen mit der Produktnummer 1505XXX-02 (von G H; verwendet vom 01.02.2014 – 15.09.2015 und ab dem 28.02.2017) belegen die Gutachten der Parteien in Anlage K9 und TW2 bei Zugrundelegung der oben dargestellten Auslegung die wortsinngemäße Verwirklichung von Merkmal 5.
- Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2017 klargestellt hat, sind diese Lampen (-02er Lampen) Gegenstand des Prüfberichts in Anlage K9. Dieser belegt eine Merkmalsverwirklichung für diese Lampen-Bauart. Hierin wurden Werte von 746 W/m² für einen Abstand vom 300 mm und 659 W/m² für einen Abstand von 320 mm gemessen (ausgehend von dem Bereich der Lichterzeugung der Lampe).
- Auch wenn im von den Beklagten vorgelegten Messbericht nach Anlage TW2 für Lampen der gleichen Bauart geringere Bestrahlungsstärken gemessen worden sind und ein Grund für die Abweichung nicht festgestellt werden kann, können diese Messungen eine Merkmalsverwirklichung nicht in Frage stellen. Aus Anlage TW2 ergibt sich ein Wert von 462 W/m² (alleine für ein Spektrum von 550 – 800 nm) bei einem patentgemäßen Abstand von 301 mm. Der angegebene Wert wurde 200 mm von der Schutzscheibe gemessen. Hinzu kommt eine Distanz zum Ende der Lampe von 68 mm und zum Lichtbogen von weiteren 33 mm (vgl. die Zeichnung auf S. 10 der Klageerwiderung (= Bl. 42 GA) und den unstreitigen Vortrag der Klägerin auf S. 8 der Replik (= Bl. 70 GA)).
- b)Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen mit Lampen mit der Produktnummer 1505XXX-03 (hergestellt von I und verwendet vom 15.09.2015 – 28.02.2017) lässt sich die Verwirklichung von Merkmal 5 ebenfalls feststellen.
- Die Klägerin hat in Anlage K13 Messungen zu dieser Lampen-Bauart (03er-Lampen) vorgelegt, die für den Abstand gerechnet ab dem kugelförmigen Bereich der Lampe (in dem das Licht erzeugt wird) Bestrahlungsstärken von 611,3 W/m² bei 300 mm Abstand und von 529,4 W/m² bei 320 mm ergeben (jeweils nur Strahlung mit einer Wellenlänge von 550 – 800 nm berücksichtigend).
- Rechnet man die von den Beklagten in Anlage TW19 angegebenen Abstände um, so ergeben diese Messungen für Lampen der gleichen Bauart (-03) 609 W/m² für 301 mm (200 mm + 68 mm + 33 mm), also annähernd dieselben Werte wie von der Klägerin gemessen.
- c)Der von der Beklagten vorgenommene Abzug eines Korrekturwerts ist patentgemäß nicht erforderlich. Der Großteil der Strahlung beider Lampen liegt aber – wie man anhand des Verhältnisses der gemessenen Strahlung zu der von den Beklagten nach Abzug des Korrekturwerts angegebenen Strahlung ersehen kann – im Bereich von 550 – 700 nm, wie es Merkmal 5 vorsieht.
- 6.Die Verwirklichung der Merkmale 1 – 4 ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es hierzu keiner weiteren Ausführungen mehr bedarf.
- II.Die Beklagten verletzen das Klagepatent durch Anbieten und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsformen. Die Beklagte zu 1) führt zusätzlich die ihr verbotene Benutzungsart des Herstellens durch. Aufgrund der festgestellten Patentverletzung ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen:
- 1.Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes im Inland ohne Berechtigung erfolgt.
- 2.Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG folgt. Als Fachunternehmen hätten die Beklagten die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB.
- Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
- 3.Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG.
- Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
- 4.Die Klägerin kann die Beklagten aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch nehmen. Eine Unverhältnismäßigkeit nach § 140a Abs. 4 PatG ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
- 5.Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Vernichtungsanspruch, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG folgt. Auch insoweit ist eine Unverhältnismäßigkeit nicht ersichtlich. Klarstellend sei angemerkt, dass die Worte „ihre Kosten“ im Tenor die Kostentragung der Beklagten für die Vernichtung zum Ausdruck bringen.
- 6.Die Klägerin hat als Schadensersatz aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG auch Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Abmahnkosten in Höhe von EUR 17.006,80.
- Gegen die Höhe der Abmahnkosten haben die Beklagten zurecht nichts eingewendet. Der von der Klägerin angesetzte Gegenstandswert von insgesamt EUR 1 Mio. entspricht dem hier festgesetzten Streitwert. Der Ansatz von jeweils 1,8 Geschäftsgebühren für Rechts- und Patentanwalt stößt ebenfalls auf keine Bedenken. Soweit ein Sachverhalt vorliegt, der aufgrund des Umfangs oder der Schwierigkeit beim Tätigwerden des Rechtsanwalts ein Übersteigen der Regelgebühr von 1,3 zulässt, ist dem Rechtsanwalt ein Ermessen bei der Gebührenfestsetzung in einem Toleranzbereich von 20 % einzuräumen (BGH, GRUR-RR 2012, 491 – Toleranzbereich). Ein Übersteigen der 1,3 Gebühr ist hier zulässig, da es sich um einen Patentverletzungsstreitfall handelt, der auch nicht ausnahmsweise völlig unkompliziert ist. Gleiches gilt für die Tätigkeit des Patentanwalts. Unter Berücksichtigung des der Klägerin somit zustehenden Ermessenspielraum bei der Festsetzung der Geschäftsgebühr erscheint jeweils eine 1,8 Gebühr nicht unangemessen überhöht.
- Der zuerkannte Betrag von EUR 17.006,80 ergibt sich aus EUR 8.483,40 (1,8 Geschäftsgebühren aus einem Gegenstandswert von EUR 1.000.000,00) zuzüglich EUR 20,00 Auslagenpauschale jeweils für Rechts- und Patentanwalt.
- Der Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit (19.09.2016) folgt aus §§ 219, 288 Abs. 1 BGB.
- III.Das Verfahren wird nicht nach § 148 ZPO in Bezug auf das laufende Einspruchsbeschwerdeverfahren ausgesetzt.
- Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahrens gegeben. Die Erhebung eines Einspruchs stellt ohne weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und das Verletzungsgericht nicht über den Rechtsbestand entscheiden kann, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. 2 U 64/14, S. 29 f.).
- Eine Aussetzung kann regelmäßig nicht in Betracht kommen, wenn der dem Klageschutzrecht entgegen gehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren oder – erst recht – in einem erfolglos durchgeführten Einspruchsverfahren berücksichtigt worden ist, oder vom Erfindungsgegenstand noch weiter entfernt liegt als der schon geprüfte (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Aufl. 2017, Rn. E. 613). Die unter Beteiligung technischer Fachleute zustande gekommene Entscheidung der Einspruchsabteilung hat das Verletzungsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Nur wenn im Einzelfall ganz besondere Umstände vorliegen, kann Veranlassung für eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits bestehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn dem Verletzungsgericht nachgewiesen wird, dass die Einspruchsabteilung von unrichtigen Annahmen ausgegangen ist oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation gefolgt ist (Kühnen, a.a.O., Rn. E. 613).
- 1.Es kann nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Widerrufsgrund des Art. 100 lit. a) EPÜ wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) gegenüber einer Kombination der Entgegenhaltungen WO 2006/134,555 A1 (Entgegenhaltung E2) mit der EP 1 156 512 A2 (Entgegenhaltung E3) vorliegt.
- Die Einspruchsabteilung hat die Kombination der E2 mit der E3 bereits in ihrer Entscheidung vom 27.052014 gewürdigt (vgl. Anlage K3 Ziff. 14.3). Dass die dortigen Ausführungen unvertretbar sind oder auf unzutreffenden Ausführungen beruhen, kann die nicht mit fachkundigen Technikern des betreffenden Gebiets besetzte Kammer nicht feststellen.
- Eine Aussetzung ist hier – insbesondere vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Würdigung durch die Einspruchsabteilung – schon deshalb nicht angezeigt, da die Beklagten keine deutschen Übersetzungen der englisch-sprachigen Entgegenhaltungen E2 und E3 vorlegen (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.2013 – 4b O 13/12 – Rn. 70 bei Juris; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Aufl. 2017, Rn. E.617). Nach der zwingenden Regelung des § 184 GVG ist Gerichtssprache deutsch, was jedenfalls für Erklärungen gegenüber dem Gericht gilt. Den Parteien ist zusätzlich in der prozessleitenden Verfügung vom 14.10.2016 (Bl. 20R GA) aufgegeben worden, von fremdsprachigen Unterlagen mit demselben Schriftsatz eine deutsche Übersetzung einzureichen. Wird auf eine solche Auflage hin von einer Partei keine Übersetzung eingereicht, kann das fremdsprachige Schriftstück unbeachtet bleiben (Zöller/Lückemann, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 184 GVG Rn. 4).
- 2.Es kann auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass das Klagepatent aufgrund des Einspruchsgrunds des Art. 100 lit. b) EPÜ im Einspruchsbeschwerdeverfahren widerrufen werden wird. Nach Art. 100 lit. b) EPÜ kann der Einspruch darauf gestützt werden, dass das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
- Eine solche unzureichende Offenbarung liegt vor, wenn der zuständige Fachmann anhand der Patentschrift unter Zuhilfenahme seines und des allgemeinen Fachwissens mit zumutbaren Aufwand nicht in der Lage ist, die unter Schutz gestellte Erfindung in ausreichendem Maße über den gesamten beanspruchten Bereich praktisch zu verwirklichen (Schulte/Moufang, PatG, 9. Auf. 2014, § 21 Rn. 28). Eine ausreichende Offenbarung liegt auch dann noch vor, wenn bestimmte im Patent genannte Varianten nicht verfügbar oder unbrauchbar sind, aber durch andere ohne weiteres ersetzt werden können, von denen der Fachmann weiß, dass sie dieselbe Wirkung haben; etwas anderes gilt aber, wenn ein Fachmann nicht den gesamten beanspruchten Bereich mit Erfolg verwirklichen kann (Schulte/Moufang, a.a.O., § 34 Rn. 351 f.). Die Beweislast für die unzureichende Offenbarung liegt beim Einsprechenden (Schulte/Moufang, a.a.O., § 21 Rn. 37).
- Das Vorliegen eines solchen Einspruchsgrunds kann hier nicht hinreichend festgestellt werden.
- a)Es ist nicht ersichtlich, dass das Klagepatent nicht rechtsbeständig ist, weil hierin der Begriff „Strahlungsleistung“ verwendet wird. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dies vom Fachmann als Bestrahlungsstärke verstanden wird, was sich schon aus der Einheit W/m² ergibt. Auch die Einspruchsabteilung behandelt diesen Punkt und bestätigt, dass ein Fachmann „zweifelsfrei erkennt, um welche Größe es sich handelt“ (Ziff. 11.1 Anlage K3). Dies ist jedenfalls vertretbar.
- Die Patentschrift ist ihr eigenes Lexikon, so dass es den Rechtsbestand eines Schutzrechts nicht berührt, wenn Begriffe anders als im technischen Feld üblich verwendet werden. Dass aufgrund der Verwendung des Begriffs „Strahlungsleistung“ das Klagepatent nicht ausführbar ist oder die Erfindung nicht ausreichend offenbart sein soll, ist nicht ersichtlich.
- b)Soweit die Beklagten behaupten, das Klagepatent sei nicht ausführbar, da in Merkmal 5 der Wellenlängenbereich, der zur Bestrahlungsstärke von 450 W/m² beiträgt, nicht begrenzt sei, rechtfertigt dies keine hinreichende Widerrufsprognose.
- Ohne eine solche Angabe könne der Fachmann nach Ansicht der Beklagten patentgemäß das gesamte Lichtspektrum (über 550 nm) nutzen, um die geforderte (Mindest-) Bestrahlungsstärke von über 450 W/m² in mehr als 30 cm Abstand zu erreichen. Dies erlaube Ausführungsformen, bei denen die menschliche Haut durch die Bestrahlung geschädigt und nicht verbessert wird.
- Es ist zweifelhaft, ob dieser Einwand den Widerruf des Klagepatents wahrscheinlich macht. Die Frage der Ausführbarkeit war bereits Gegenstand der Entscheidung der Einspruchsabteilung (vgl. Ziff. 11 – 12.3 Anlage K3) und führte dort nicht zum Widerruf des hier geltend gemachten Anspruchs. Eine Unvertretbarkeit der Entscheidung in diesem Punkt kann von der Kammer nicht festgestellt werden.
- Die Kammer geht davon aus, dass eine Anspruch 1 entsprechende Vorrichtung vom Fachmann so gebaut werden kann, dass sie die patentgemäßen Vorteile vollständig erreicht. Es ist dem Fachmann ersichtlich grundsätzlich möglich, eine Bestrahlungsvorrichtung nach den Vorgaben von Anspruch 1 zu konstruieren, was die Beklagten nicht in Abrede stellen. Der Fachmann kann der Klagepatentschrift ebenfalls ohne Weiteres entnehmen, dass er die Bestrahlungsvorrichtung so konstruieren muss, dass zumindest der Großteil der Bestrahlungsstärke von 450 W/m² von Licht mit einer Wellenlänge von 550 – 700 nm erzeugt werden muss, um die gewünschten positiven Hauteffekte zu erzielen. Dies entnimmt er beispielsweise unmittelbar aus den Abs. [0002] und [0008] (vgl. die Ausführungen zur Auslegung von Merkmal 5 im Rahmen der Verletzungsdiskussion). Es wird von den Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass hierfür geeignete Lampen existieren oder zumindest konstruierbar sind. Dass die Konstruktion einer patentgemäßen Vorrichtung vom Fachmann unzumutbarer Aufwand erfordert, kann nicht festgestellt werden.
- Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Fachmann nicht die volle Bandbreite des Anspruchs nacharbeiten könnte. Diese Fallgruppe der mangelnden Ausführbarkeit betrifft in erster Linie chemische oder biologische Erzeugnisse, die zwar vom Anspruch erfasst werden, bei denen aber aus technischen Gründen ausgeschlossen ist, diese gemäß der Lehre des Patents herzustellen – jedenfalls mit zumutbaren Aufwand. Dass aber bei einem Erzeugnisanspruch hinsichtlich einer Vorrichtung auch Varianten hergestellt werden können, die zwar vom Anspruch erfasst werden, aber nicht die beanspruchten Vorteile erreichen, führt jedenfalls nicht zwingend zu einem Ausführbarkeitsmangel. Es ist stets denkbar, eine Vorrichtung trotz Einhaltung der anspruchsgemäßen Vorgaben so zu konstruieren, dass sie letztlich nicht funktioniert bzw. die beanspruchten Vorteile nicht erreicht. Im Übrigen wäre dies auch dann möglich, wenn Merkmal 5 in der von den Beklagten geforderten Weise beschränkt wäre: Auch wenn 450 W/m² in einem bestimmten Wellenlängenbereich erzeugt werden, schließt dies nicht aus, dass zugleich Licht einer anderen Wellenlänge mit hoher Energie emittiert wird und so zu Schädigungen der Haut führt.
- Darüber hinaus kann nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, dass die von dem Einsprechenden vorgelegten Untersuchungen im Einspruchsbeschwerdeverfahren berücksichtigt werden. Die im Einspruchsverfahren vorgelegte Untersuchung (Anlage TW8) wurde bereits von der Einspruchsabteilung nach Art. 114 Abs. 2 EPÜ zurückgewiesen. Die Beklagten tragen nicht hinreichend vor, warum der zweite Untersuchungsbericht (Anlage TW10), der noch später eingereicht wurde, im Einspruchsbeschwerdeverfahren zugelassen werden wird.
- IV.Die von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2017 vorsorglich beantragte Schriftsatzfrist zum Schriftsatz der Klägerin vom 13.09.2017 musste nicht gewährt werden.
- Dieser Schriftsatz ist zwar entgegen der Vorgaben des Gerichts im Beschluss vom 27.10.2016 (im frühen ersten Termin) erst eine Woche vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden und somit verspätet. Der Beklagten war dennoch kein Schriftsatznachlass zu gewähren, da die Voraussetzungen des § 283 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Es ist von den Beklagten nicht hinreichend dargetan worden, zu welchem Punkt im genannten Schriftsatz sie in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2017 nicht mehr vortragen konnte. Der Hinweis des Prozessbevollmächtigten auf einen abwesenden Ansprechpartner bei den Beklagten ist insoweit nicht ausreichend.
- Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Antrag „vorsorglich“ gestellt wurde; insofern spricht gegen die Gewährung der Schriftsatzfrist bereits, dass der Schriftsatz der Klägerin vom 13.09.2017 keinen neuen Vortrag enthält, auf den es bei der hiesigen Entscheidung maßgeblich ankommt.
- V.Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 100, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
- Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die vorläufige Vollstreckung festzusetzen.
- VI.Der Streitwert wird auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.