Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2711
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. Oktober 2017, Az. 4a O 65/17
- Die einstweilige Verfügung vom 01.06.2017 wird bestätigt.
- Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
- Die Verfügungsklägerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes das Unterlassen einer Aussage im geschäftlichen Verkehr durch die Verfügungsbeklagte, wonach ein Produkt der Verfügungsklägerin das Europäische Patent 2 373 XXX (im Folgenden: Streitpatent) verletzen soll.
- Die Parteien bieten Messgeräte, unter anderem zur Messung des Restölgehaltes, wie es in Anwendungsbereichen von Luftdruck erforderlich ist, an. Der Restölsensor der Verfügungsklägerin trägt die Bezeichnung „A“.
- Das Streitpatent, dessen Inhaberin die Synthesechemie B GmbH ist, wurde unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 05.01.2009 (DE 102009004XXX) am 05.01.2010 angemeldet, und die Anmeldung am 12.10.2011 offengelegt. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Streitpatents datiert vom 15.10.2014. Das in deutscher Verfahrenssprache abgefasste Streitpatent hat ein „Messgerät und Verfahren zum Erfassen des Gehalts von Öl, Kohlenwasserstoffen und oxidierbaren Gasen in Luft oder Druckluft“ zum Gegenstand.
- Anspruch 1 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:
- „Messgerät zum Erfassen des Gehalts von Öl, Kohlenwasserstoffen und oxidierbaren Gasen in Luft oder Druckluft, dadurch gekennzeichnet, dass das Messgerät einen Luft- bzw. Druckluftanschluß (M) und einen sich daran anschließenden Durchflussbegrenzer (D) sowie einen sich daran anschließenden beheizbaren Oxidationskatalysator (K) aufweist, an den sich ein Photoionisationsdetektor (S) anschließt, wobei schaltbare Mittel (90, 72) zum Leiten der Luft bzw. Druckluft über den Oxidationskatalysator (K) und an diesem vorbei direkt zum Photoionisationsdetektor (S) vorgesehen sind und dass zwischen dem Luft- bzw. Druckluftanschluß (M) und dem Durchflussbegrenzer (D) ein schaltbarer Prüfgaseinlaß (C) angeordnet ist.“
- Wegen der weiteren Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift (Anlage ASt3) Bezug genommen.
- Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 (verkleinert) zeigt den schematischen Aufbau eines erfindungsgemäßen Messgeräts:
- Das Messgerät der Klägerin weist keinen Prüfgaseinlass im Sinne der Lehre des Streitpatents auf.
- Zwischen der Inhaberin des Streitpatents und der Verfügungsklägerin, damals noch unter C firmierend, gab es bereits im Jahre 2015 Kontakt, der eine mögliche Verletzung des Streitpatents zum Gegenstand hatte.
- In dem Zeitraum vom 23.04. – 27.04.2017 war die Verfügungsklägerin mit einem Ausstellungsstand auf der „D Messe“ vertreten. Am 24.04.2017 besuchte ein Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten, Herr E, in Begleitung zweier weiterer Mitarbeiter den Messestand der Verfügungsklägerin und sprach dort mit dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin, Herrn Thomas F, im Hinblick auf eine Verletzung des Streitpatents. Die Einzelheiten des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig.
- Am 25.04.2017 fanden sich Herr E sowie der Patentanwalt der Verfügungsbeklagten, Herr Dr. G, erneut an dem Messestand der Verfügungsklägerin ein. Bei Ankunft trafen diese zunächst auf eine Mitarbeiterin der Verfügungsbeklagten, Frau H, sowie im weiteren Verlauf auf Herrn I und den Geschäftsführer der Verfügungsklägerin. Auch die Einzelheiten dieses Gespräches, dessen Gegenstand ein weiteres Mal eine Verletzung des Streitpatents war, sind zwischen den Parteien streitig.
- Mit vorgerichtlichem Schreiben vom 18.05.2017 (Anlage ASt5) mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf.
- Die Verfügungsklägerin behauptet, Herr E habe bei dem Besuch ihres Messestandes am 24.04.2017 gegenüber dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin, Herrn F, für an dem Messestand befindliche Kunden wahrnehmbar, geäußert, er sei bei der Untersuchung eines von der Verfügungsbeklagten erworbenen Messgeräts „A“ zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Verletzung des Streitpatents vorliege. Herr E habe dann weiter gebeten, das an dem Stand befindliche Messgerät zu öffnen, und angekündigt, dass dieses von dem Stand entfernt werden müsse.
- Auch bei dem Besuch am 25.04.2017 sei der Verfügungsklägerin im Beisein ihrers Geschäftsführers sowie Herrn I, dem CEO der Muttergesellschaft der Verfügungsklägerin, eine Verletzung des Streitpatents vorgeworfen worden. Außerdem sei gegenüber der Mitarbeiterin, Frau H, erklärt worden, das Messgerät öffnen zu wollen, um zu untersuchen, welcher Filter sich darin befinde.
- Auf den am 01.06.2017 bei Gericht eingehenden Antrag der Verfügungsklägerin, die der Auffassung ist, bei der angegriffenen Äußerung handele es sich um eine Anschwärzung und Irreführung, hat das Gericht der Verfügungsbeklagten per Beschlussverfügung vom 01.06.2017 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel
- untersagt:
- „geschäftlich handelnd zu behaupten, das Messgerät A der Antragstellerin verletze das Patent EP 2 373 XXX.“
- Die Verfügungsbeklagte, der der Beschluss im Wege der Parteizustellung am 14.06.2017 zugestellt worden ist, hat gegen diesen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.07.2017 Widerspruch eingelegt.
- Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr:
- Die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
- Die Verfügungsbeklagte beantragt:
- Die einstweilige Verfügung unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufzuheben.
- Die Verfügungsbeklagte behauptet, sie habe bei dem Besuch des Messerstandes der Verfügungsklägerin am 24.04.2017 durch Herrn E lediglich die Frage einer möglichen Verletzung des Streitpatents erörtern wollen. Dies sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der Messestand der Antragstellerin nahezu leer gewesen sei. Herr E habe in einer Ecke des Messestandes ruhig und sachlich seiner Meinung Ausdruck verliehen, wonach das Messgerät A das Streitpatent möglicherweise verletze. Dritte hätten den Gesprächsinhalt nur vernehmen können, wenn diese sich angeschlichen hätten oder das Gespräch bewusst belauscht hätten. Ziel des Gesprächs sei gewesen, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Ein Verbot, das Messgerät auf der Messe auszustellen, sei nur für den Fall in Aussicht gestellt worden, dass eine Patentverletzung festgestellt werden könne. Nach „Leugnen“ einer Patentverletzung durch Herrn F habe Herr E allenfalls scherzhaft vorgeschlagen, das Messgerät für eine Begutachtung zu öffnen.
- Auch bei dem Gespräch am 25.04.2017 habe sie, die Verfügungsbeklagte, insbesondere im Hinblick auf Zweifel an der Verwirklichung zweier Merkmale lediglich abklären wollen, ob eine Patentverletzung vorliege.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Urkunden und Anlagen sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 10.10.2017 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Auf den zulässigen Widerspruch der Verfügungsbeklagten war die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
- Die Verfügungsklägerin hat auch bei Berücksichtigung des Vorbringens der Verfügungsbeklagten hinreichend glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund vorliegen, §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO.
- I.Der Verfügungsklägerin steht ein Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs gem. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, §§ 3, 4 Nr. 1 UWG zu.
- 1.Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, denn es ist unstreitig, dass diese auf dem Gebiet des Vertriebs von Instrumenten der Messtechnik tätig sind. Die angegriffene Äußerung stellt sich auch sowohl nach dem Vorbringen der Verfügungsklägerin als auch nach demjenigen der Verfügungsbeklagten als eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Denn sie betrifft inhaltlich das Gebiet, auf dem die Parteien geschäftlich tätig sind, und ist im Rahmen eines Messeauftritts geäußert worden.
- 2.Die angegriffene Äußerung setzt die Verfügungsklägerin in unlauterer Weise herab.
- Gem. § 4 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft.
- So ist es vorliegend im Zusammenhang mit der angegriffenen Äußerung.
- a)Bei der von der Verfügungsklägerin angegriffenen Äußerung der Verfügungsbeklagten, wonach das Messgerät der Verfügungsklägerin das Streitpatent verletzt, handelt es sich um ein Werturteil.
- aa)Trotz des Einwandes der Verfügungsbeklagten, wonach sie lediglich die Möglichkeit einer Patentverletzung zur Diskussion habe stellen wollen, ist davon auszugehen, dass die von der Verfügungsklägerin angegriffene Äußerung, wonach das Messgerät „A“ das Streitpatent verletze, von Mitarbeitern der Verfügungsbeklagten getätigt worden ist.
- Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin, Herr Thomas F, erklärt in seiner im Original vorliegenden eidesstattlichen Versicherung vom 30.05.2017 (Anlage ASt4), Herr E, ein Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten, habe am 24.04.2017 auf dem Messesstand der Verfügungsklägerin ausgeführt, er habe das Messgerät „A“ untersucht und sei zu dem Ergebnis gelangt, dieses verletze das Patent EP 2 373 XXX. Diese Aussage habe Herr E mit der Aufforderung verbunden, das Messgerät zum Zwecke der Begutachtung zu öffnen.
- Die Kammer verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass Herr F aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der Verfügungsklägerin ein gewisses Eigeninteresse an dem Ausgang des Verfahrens hat. Jedoch wird seine Erklärung durch den Vortrag der Verfügungsbeklagten selbst gestützt, wonach die Meinung ihres Mitarbeiters, Herrn E, dahin ging, dass eine Verletzung des Streitpatents durch das Messgerät „A“ vorlag. Es liegt deshalb nahe, dass er dieser Meinung auch durch eine entsprechende Äußerung Ausdruck verliehen hat, ohne lediglich von einer „Möglichkeit der Verletzung des Streitpatents“ zu sprechen.
- Soweit Herr E in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 13.07.2017 (Anlage HKLW1, Bl. 53, 54 GA) erklärt, er habe geäußert, dass er „glaube, dass das Messgerät A das Patent EP 2 373 XXX verletze“, spricht dies nicht gegen die vorgenommene Würdigung. Denn Herr E versichert im dann folgenden Satz an Eides statt, dass er deutlich gemacht habe, dass es sich dabei um seine Meinung handele, woraus die Kammer entnimmt, dass Herr E jedenfalls geäußert hat, dass eine Patentverletzung vorliegt, wenngleich es sich dabei lediglich um seine Meinung handelte.
- Auch die eidesstattliche Versicherung des Herrn J (HKLW2, Bl. 55) veranlasst zu keiner anderen Würdigung. Denn dieser erklärt, er habe nicht hören können, ob Herr E die Verletzung des Streitpatents behauptet habe. Gleiches gilt im Hinblick auf die eidesstattliche Versicherung des Herrn K vom 14.07.2017 (Anlage HKLW3, Bl. 56).
- Vor dem dargestellten Hintergrund ist auch plausibel, dass die Äußerung – wenngleich sie sich als Meinung des Herrn E darstellte – bei dem Gespräch am 25.04.2017 erneut getätigt worden ist, wie dies auch aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn F hervorgeht (Anlage ASt4).
- bb)Diese angegriffene Äußerung ist als Werturteil zu qualifizieren.
- Während Tatsachenbehauptungen dem Beweis ihrer objektiven Richtigkeit zugänglich sind, handelt es sich bei Meinungsäußerungen um Werturteile, die durch das Element des Wertens, insbesondere der Stellungnahme und des Dafürhaltens, geprägt sind (Köhler, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, Kommentar, 35. Auflage, 2017, § 4, Rn. 2.13). Für die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil ist entscheidend, wie sich die angegriffene Äußerung aus der Sicht des angesprochenen Verkehrskreises nach ihrer Form und ihrem Inhalt im Gesamtzusammenhang darstellt (a.a.O.), wobei vorliegend als Verkehrskreis etwaige Besucher des Messestandes der Verfügungsklägerin, mithin potenzielle Kunden der Verfügungsklägerin, in Betracht kommen.
- Vorwürfe eines rechtswidrigen Verhaltens sind grundsätzlich als Werturteile zu betrachten (Köhler, ebd., § 4, Rn. 2.16). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Äußerung nicht als Rechts- oder Moralauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die einer beweismäßigen Überprüfung zugänglich sind (a.a.O.).
- Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei der angegriffenen Äußerung um ein Werturteil.
- Zwischen den Parteien ist im Rahmen des hiesigen Verfahrens zwar unstreitig, dass sich die Frage einer Verletzung des Streitpatents auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, nämlich die Frage ob bei dem Messgerät der Verfügungsklägerin ein Prüfgaseinlass vorhanden ist, und ob ein bestimmtes Filterelement eingesetzt wird. Es wird jedoch weder von der Verfügungsklägerin noch von der Verfügungsbeklagten vorgetragen, dass und inwiefern diese Aspekte für den angesprochenen Verkehrskreis erkennbar in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der angegriffenen Äußerung und im Gesamtkontext der durch das Streitpatent geschützten Lehre vorgebracht worden sind. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass diesem auf der Grundlage des von der Verfügungsklägerin oder von der Verfügungsbeklagten behaupteten Gesprächsinhalts eine eigene Bewertung der Patentverletzung möglich war. Die Verfügungsklägerin trägt in diesem Zusammenhang auch vor, es habe keine Begründung durch die Verfügungsbeklagte für ihre Behauptung einer Patentverletzung gegeben. Es ist deshalb davon auszugehen, dass selbst dann, wenn die Verletzungsfrage an das Vorhandensein der näher bezeichneten Bestandteile geknüpft worden ist, die Äußerung aus der Sicht des Verkehrskreises so substanzarm blieb, dass auf ihrer Grundlage eine umfassende Bewertung durch den angesprochenen Verkehrskreis nicht vorgenommen werden konnte.
- b)Weiter ist auch davon auszugehen, dass eine Tathandlung im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG vorliegt.
- Der Tatbestand der Herabsetzung ist erst dann verwirklicht, wenn die „Botschaft“ die Person erreicht, von deren Urteil die Wertschätzung des Mitbewerbers abhängt, andernfalls steht ein vorbeugender Unterlassungsanspruch im Raum (Köhler, ebd., § 4, Rn. 1.13).
- Nach dieser Maßgabe kommt es vorliegend darauf an, ob potenzielle Kunden der Verfügungsklägerin die angegriffene Äußerung am 24.04.2017 oder am 25.04.2017 wahrgenommen haben – wovon die Kammer im Ergebnis ausgeht.
- Zwischen den Parteien ist zwar streitig, in welchem Umfang die Äußerung von potenziellen Kunden der Verfügungsklägerin vernommen wurde. Da diese jedoch auf dem Messestand der Verfügungsklägerin als öffentlich zugänglichem Raum, der von Kunden der Verfügungsklägerin auch tatsächlich aufgesucht wurde, getätigt worden ist, ist davon auszugehen, dass die angegriffene Äußerung auch an die Öffentlichkeit gedrungen ist.
- Die Verfügungsbeklagte stellt dies zwar in Frage, sie trägt insbesondere vor, von ihr sei lediglich ein vertrauliches Gespräch beabsichtigt gewesen. Daraus sind jedoch keine hinreichenden Tatsachen erkennbar, auf deren Grundlage davon auszugehen ist, dass die an dem Messestand getätigten Äußerungen ausnahmsweise nicht wahrgenommen wurden. Die Verfügungsbeklagte selbst bringt lediglich vor, dass der Messestand bei ihrem Besuch am 24.04.2017 „nahezu leer“ gewesen sei. Auch im Hinblick auf das Gespräch, das sich am 25.04.2017 auf dem Messestand zugetragen hat, trägt sie vor, ihr Patentanwalt, Herr Dr. G, könne sich nicht vorstellen, dass andere Personen das Gespräch mitbekommen haben. Dieses Vorbringen schränkt sie sodann jedoch dahingehend ein, dass dies aufgrund des lauten Auftretens des Herrn I der Fall gewesen sein könnte. Im Einklang zu diesem prozessualen Vorbringen der Verfügungsbeklagten lässt die eidesstattliche Versicherung des Herrn E vom 13.07.2017 (HKLW1, Bl. 53, 54 GA) deshalb auch offen, ob außer Mitarbeitern der Verfügungsklägerin noch weitere Personen am Stand waren, und ob der Gesprächsinhalt hätte wahrgenommen werden können.
- Schließlich stehen auch die eidesstattliche Versicherung des Herrn J (Anlage HKLW2, Bl. 55 GA) und diejenige des Herrn K (Anlage KHLW3, Bl. 56 GA), die Herrn E am 24.04.2017 auf den Messestand der Verfügungsklägerin begleiteten, der vorgenommenen Würdigung nicht entgegen. Denn diese bekunden lediglich, dass sie selbst bestimmte Gesprächsinhalte nicht hätten wahrnehmen können. Dies ist jedoch bereits vor dem Hintergrund erklärbar, dass der Sohn des Herrn F den Herren K und J während des Gesprächs zwischen Herrn F und Herrn E Produkte der Verfügungsklägerin erläuterte, wodurch die Aufmerksamkeit der Erklärenden von dem Gespräch abgelenkt war. Auch die eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. G vom 17.07.2017 (Anlage HKLW4, Bl. 57, 58 GA) enthält im Hinblick auf das Gespräch vom 25.04.2017 keine Tatsachen, auf deren Grundlage davon ausgegangen werden müsste, dass die Aussage nicht an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Dieser erklärt unter Ziff. 7. lediglich, dass er nicht habe wahrnehmen können, dass andere Personen das Gespräch mitbekommen hätten, hält dies aber für möglich.
- c)Die angegriffene Äußerung stellt sich auch als Herabsetzung der von der Verfügungsklägerin angebotenen und vertriebenen Ware dar.
- aa)Die Herabsetzung, von der die Verunglimpfung eine gesteigerte Form darstellt, besteht in der sachlich nicht gerechtfertigten Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers, seines Unternehmens und/ oder seiner Leistung in den Augen der angesprochenen oder von der Mitteilung erreichten Verkehrskreise, soweit diese als Marktpartner des betroffenen Mitbewerbers in Betracht kommen (Köhler, ebd., § 4, Rn. 1.12). Sie kann sowohl durch wahre oder unwahre Tatsachenbehauptungen als auch durch Werturteile erfolgen (a.a.O.). Maßgeblich für die Frage, ob eine Herabsetzung/ Verunglimpfung vorliegt, ist der Eindruck der angesprochenen Verkehrskreise, wie er sich bei Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Inhalts und der Form der Äußerung, ihres Anlasses und des gesamten Sachzusammenhangs sowie der Verständnismöglichkeiten des angesprochenen Verkehrskreises, ergibt (Köhler, ebd., § 4, Rn. 1.13). Dabei kommt es auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Adressaten der Äußerung an (a.a.O.).
- Bei der Beurteilung einer kritischen Äußerung als herabsetzend sind das Grundrecht der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG sowie das Aufklärungsinteresse des Adressaten bzw. der Öffentlichkeit zu beachten (Köhler, ebd., § 4, Rn. 1.18). Das gilt auch dann, wenn die Äußerung kommerziellen Zwecken dient (a.a.O.). Mit Ausnahme von Äußerungen, welche eine Formalbeleidigung oder eine reine Schmähkritik darstellen, und die deshalb per se unzulässig sind (vgl. dazu Köhler, ebd., § 4, Rn. 1.19), ist – so auch vorliegend – für die Beurteilung einer Äußerung als herabsetzend eine umfassende Abwägung der Güter und Interessen der in dem Einzelfall Betroffenen vorzunehmen (BGH, GRUR 2012, 74, Rn. 33, Coaching-Newsletter; Köhler, ebd., § 4, Rn. 1.21).
- bb)Bei der danach gebotenen Gesamtabwägung der hier vorliegenden Umstände, wie diese sich nach dem gesamten Inhalt der Verhandlung und der zur Glaubhaftmachung vorgelegten Mitteln (§§ 286 Abs. 1 Satz 1, 294 ZPO) darstellen, überwiegt das Interesse der Verfügungsklägerin an einem Unterlassen der Behauptung der angegriffenen Äußerung.
- Für das Vorgehen der Verfügungsbeklagten spricht zwar, dass die Überprüfung einer Verletzung des Streitpatents durch das Messgerät „A“ nicht ohne jeden Anlass erfolgte. Vielmehr ergab sich ein gewisser Anlass daraus, dass ein Messgerät der Verfügungsklägerin einen Aktivkohleabsorber, der für die Frage der Patentverletzung eine Rolle spielt, enthielt, ohne dass dies durch die Verfügungsklägerin bei früheren Gesprächen über eine etwaige Patentverletzung offengelegt worden ist. Dies hat die Verfügungsbeklagte auch anhand der jeweils im Original vorliegenden eidesstattlichen Versicherungen des Herrn E vom 13.07.2017 (Anlage HKLW1, Bl. 53, 54 GA) und des Herrn L vom 21.09.2017 (Anlage HKLW5, Bl. 91, 92 GA) glaubhaft gemacht.
- Gegen ein überwiegendes Interesse der Verfügungsbeklagten an der Behauptung der angegriffenen Äußerung ist in diesem Zusammenhang jedoch anzuführen, dass ihr eigener Patentanwalt bereits im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Gesprächs gewichtige Anhaltspunkte gegen eine Verletzung des Streitpatents erkannt hatte. So versichert dieser an Eides statt, dass er „nach intensiver Prüfung zu dem Ergebnis“ gekommen sei, „dass das Gerät [der Antragstellerin] zwei Merkmale, nämlich einen Aktivkohleadsorber und einen schaltbaren Prüfgaseinlass, nicht aufzuweisen schien“ (eidesstattliche Versicherung v. 17.07.2017, Anlage HKLW4, Bl. 57 GA). Zwischen den Parteien ist im Rahmen des hiesigen Verfahrens auch unstreitig, dass das Messgerät „A“ das Streitpatent nicht verletzt, weil Prüfgaseinlass und Aktivkohleadsorber fehlen. Die Verfügungsbeklagte hat auch nach dem Messeauftritt keine weiteren Bestrebungen zur Ermittlung der Verletzung des Streitpatents mehr unternommen.
- Weiter vermag die Kammer auch kein rechtliches Interesse auf Seiten der Verfügungsbeklagten an der Aufklärung einer Verletzung des Streitpatents zu erkennen. Insoweit hat die Verfügungsbeklagte zwar durch Vorlage eines als „Nutzungsvertrag“ überschriebenen und von der Patentinhaberin am 10.04.2017 unterschriebenen Dokuments in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2017 (Anlage zum Sitzungsprotokoll) dargetan, dass sie zur Geltendmachung der Rechte der Patentinhaberin ermächtigt ist. Die Kammer hat aber Zweifel, dass damit eine materielle Berechtigung der Verfügungsbeklagten im Hinblick auf das Streitpatent einhergeht. In dem Dokument heißt es zwar: „Im Gegenzug zu einer Mindestabnahme räumt Synthesechemie BEKO den exklusiven Vertrieb der bei Synthesechemie erworbenen Messgeräte ein.“ Die Kammer ist jedoch nicht davon überzeugt, dass dieser Passus die Einräumung einer ausschließlichen Nutzungslizenz unmittelbar zur Folge hatte. Dabei mag im Hinblick auf eine wirksame Verfügung in Form der Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte noch unschädlich sein, dass eine Unterschrift der Verfügungsbeklagten fehlt. Denn der Nutzungsvertrag unterliegt keinem Formerfordernis, so dass die Annahmeerklärung der Verfügungsklägerin auch konkludent erfolgt sein könnte und eines Zugangs nach Maßgabe von § 151 Satz 1 BGB nicht bedurfte. Jedoch steht der eigene Prozessvortrag der Verfügungsbeklagten im Widerspruch zu einer Umsetzung des Nutzungsvertrags. Denn in ihrem Widerspruchsschriftsatz vom 17.07.2017 auf Seite 2 (Bl. 25 GA) trägt sie vor:
- „Hintergrund ist, dass die Antragstellerin ein Messgerät („A“) vertreibt, bei dem vermutet werden konnte, dass dieses gegen das EP 2 373 XXX der Synthesechemie B GmbH und für das die Antragsgegnerin Nutzungsrechte zu erwerben überlegt hat.“ (Hervorhebung diesseits).
- In Übereinstimmung mit diesem Vorbringen versichert der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten, Herr L, in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21.09.2017 (Anlage HKLW5, Ziff. 4., Bl. 91 GA):
- „Um unser Produkt absichern zu können, hatten wir in Erwägung gezogen, uns von der Firma Synthesechemie B GmbH, Lieferant einer Sensorkomponente und Inhaber der betreffenden Erfindung für das Restölmessverfahren (Patent EP 2 373 XXX, „Messgerät und Verfahren zum Erfassen des Gehalts von Öl, Kohlenwasserstoffen und oxidierbaren Gasen in Luft oder Druckluft“) ein Nutzungsrecht einräumen zu lassen.“ (Hervorhebung diesseits).
- Dieses Vorbringen spricht dafür, dass eine Nutzungsrechtseinräumung lediglich beabsichtigt, nicht aber umgesetzt wurde.
- Unbeschadet der zwischen den Parteien streitigen Umstände, in denen die angegriffene Äußerung am 24.04.2017 und am 25.04.2017 geäußert worden sein sollen, fällt im Rahmen einer vorzunehmenden Interessenabwägung weiter zugunsten der Verfügungsklägerin ins Gewicht, dass selbst ein „auf Augenhöhe“ beabsichtigter Meinungsaustauch über eine mögliche Patentverletzung eine Drucksituation für den vermeintlichen Verletzer erzeugt, wenn dieser Meinungsaustausch mündlich auf dessen Messestand erfolgt.
- Die Besonderheit der mündlichen Erörterung einer (möglichen) Patentverletzung auf einer Messe liegt darin begründet, dass der vermeintliche Verletzer zu einer sofortigen Reaktion veranlasst ist, während sich in der Nähe potenzielle Kunden aufhalten. Des Weiteren ist die Messesituation gerade darauf ausgelegt, eine große Anzahl potenzieller Kunden im Hinblick auf die eigenen Produkte anzusprechen, woran der Verletzer durch eine anstehende Verletzungsdiskussion zumindest zeitweise gehindert wird. Dass die Verfügungsbeklagte darüber hinaus eine gewisse Steigerung in der Intensität des Gesprächs beabsichtigte, findet darin einen Ausdruck, dass sie nach ihrem Besuch des Messestandes am 24.04.2017 ein weiteres Mal und in Begleitung ihres Patentanwalts am 25.04.2017 an dem Messestand auftrat. Denn wäre es ihr allein darum gegangen, die Verfügungsklägerin über ihren „Verdacht“ einer Patentverletzung in Kenntnis zu setzen und deren Gesprächsbereitschaft auszuloten, hätte es eines weiteren Besuchs an dem Messestand nicht bedurft. Insbesondere gab auch der von der Verfügungsbeklagten behauptete Verlauf des Gesprächs vom 24.04.2017 keine Veranlassung, den Messestand der Verfügungsklägerin am nächsten Tag erneut aufzusuchen.
- Ein die mündliche Erörterung auf dem Messestand rechtfertigendes Interesse auf Seiten der Verfügungsbeklagten ist demgegenüber nicht feststellbar. Zwar kann ein besonderes Interesse bestehen, eine Patentverletzung auf einer Messe zu klären, dies jedoch vor dem Hintergrund, einer etwaigen Verletzung möglichst schnell und ggf. mit einem gewissen Überraschungseffekt Einhalt zu gebieten. Darauf kam es jedoch der Verfügungsbeklagten schon auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags nicht an. Dies berücksichtigend ist nicht erkennbar, dass einem etwaigen Interesse der Verfügungsbeklagten an der Prüfung einer Patentverletzung nicht ebenso durch ein Schreiben (ggf. auch außerhalb des Messezeitraums) hätte Rechnung getragen werden können.
- Die aufgezeigten Umstände rechtfertigen im Ergebnis die Wertung, dass mit der angegriffenen Äußerung eine die Verfügungsklägerin treffende Herabsetzung einhergeht.
- Das gilt schließlich auch dann, wenn man berücksichtigt, dass nicht feststellbar ist, dass die Auswirkungen der angegriffenen Äußerung in dem potenziellen Kundenkreis der Verfügungsklägerin erheblich waren. Der pauschale Vortrag der Verfügungsklägerin, dass der „Auftritt der Mitarbeiter und des Patentanwalts der Verfügungsbeklagten für erhebliche Unruhe unter den Messeteilnehmern und potenziellen Kunden gesorgt habe“, wird auf das Bestreiten der Verfügungsbeklagten nicht konkretisiert. Sofern die Verfügungsklägerin einen Kunden namentlich benennt, der gehört habe, dass das Messgerät entfernt werden solle, relativiert sie selbst dieses Vorbringen, indem sie weiter erklärt, sie könne nicht sagen, wie genau der Kunde Kenntnis erhalten habe. Auch die in diesem Zusammenhang vorgelegten Mittel zur Glaubhaftmachung (insbesondere die E-Mail des Herrn M, Anlage ASt13, Bl. 78 GA, sowie die eidesstattliche Versicherung des Herrn F, Anlage ASt12, Bl. 77 GA) geben insoweit keinen weiteren Sachvortrag zu erkennen, und sind zur Überzeugungsbildung nicht ausreichend. Daraus lassen sich vielmehr Anhaltspunkte entnehmen, dass der Kundenkreis auch auf anderem Wege, nämlich durch eine Mitteilung des Herrn N, Kenntnis von der Verletzungsproblematik erhalten haben könnte. Soweit die Verfügungsklägerin weiter behauptet, ein Kunde habe Herrn F gegenüber geäußert, „der Vorfall sei ein Messethema“, bleibt dieses Vorbringen lediglich pauschal, weshalb auch die gleichlautende eidesstattliche Versicherung des Herrn F vom 30.05.2017 (Anlage ASt4) keine Überzeugung für die Richtigkeit der Behauptung erbringen kann.
- 3.Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund der festgestellten Rechtsverletzung vermutet. Die Vermutung ist vorliegend auch nicht entkräftet, insbesondere hat die Verfügungsbeklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.
- II.Der Verfügungsgrund liegt vor, das Dringlichkeitsbedürfnis wird gem. § 12 Abs. 2 UWG vermutet.
- Vorliegend sind auch keine Tatsachen erkennbar oder von Seiten der Verfügungsbeklagten vorgebracht, die die Vermutung widerlegen. Insbesondere liegt ein dringlichkeitsschädliches Verhalten der Verfügungsklägerin selbst nicht vor. Diese hat vielmehr nach Ablauf der der Verfügungsbeklagten in dem Abmahnschreiben vom 18.05.2017 (Anlage ASt5) bis zum 26.05.2017 gesetzten Stellungnahmefrist am 30.05.2017 einen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt.
- III.Im Hinblick auf die gem. §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO vorgegebene einmonatige Vollziehungsfrist bestehen keine Bedenken. Die Verfügungsklägerin hat die ihr am 09.06.2017 zugestellte Beschlussverfügung am 14.06.2017 bei der Verfügungsbeklagten zustellen lassen.
- IV.Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
- Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil wirkt wie die ursprüngliche Verfügung und ist daher mit der Verkündung, auch wegen der Kosten, sofort vollstreckbar (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Kommentar, 31. Auflage, 2016, § 925, Rn. 9).
- V.Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 2, 4 GKG auf EUR 75.000 festgesetzt.