Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2706
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 07. September 2017, Az. 4c O 70/16
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, gegenüber der Klägerin jeweils zu unterlassen,
- Matratzen mit mehreren, sich über die Länge der Matratze aneinander anschließenden Zonen unterschiedlicher Härte,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
- wobei die Matratze bezüglich der Härte und/oder Länge der einzelnen Zonen speziell an die Körperkontur einer durchschnittlichen Frau oder an die Körperkontur eines durchschnittlichen Mannes angepasst ist, sodass sich die Matratze für einen Mann von der für eine Frau unterscheidet;
- 2. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung, schriftlich sowie in elektronisch auswertbarer Form, darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. Dezember 2009 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen für die die Erzeugnisse bestimmt waren,b) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind,
- wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung, schriftlich sowie in elektronisch auswertbarer Form, unter Vorlage von Belegen, wie Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. Januar 2010 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmerb) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, und bei direkter Werbung, wie Rundbriefen, den Namen und Anschriften der Empfänger,d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Erzeugnisse und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die in Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 24. Januar 2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.636,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. Dezember 2016 zu zahlen.
- IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- V. Das Urteil ist insgesamt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar, wobei der Tenor zu Ziffer I.1 und I.4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 200.000,00 EUR und der Tenor zu I.2 und I.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 50.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar ist.
- T a t b e s t a n d
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents DE 103 01 XXX B1 (Klagepatent), vorgelegt als Anlage KAP 1, dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach, Rückruf sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.
- Das Klagepatent wurde am 16. Januar 2003 angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung erfolgte am 24. Dezember 2009. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Die im Klagepatent unter Schutz gestellte Erfindung betrifft eine Matratze.
- Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
- „Matratze mit mehreren, sich über die Länge der Matratze (1, 2) aneinander anschließenden Zonen (Z) unterschiedlicher Härte, dadurch gekennzeichnet, dass die Matratze (1, 2) bezüglich der Härte und/oder Länge der einzelnen Zonen (Z) speziell an die Körperkontur (4) einer durchschnittlichen Frau oder an die Körperkontur (3) eines durchschnittlichen Mannes angepasst ist, so dass sich die Matratze (1, 2) für einen Mann von der für eine Frau unterscheidet.“
- Die nachfolgend verkleinert wiedergegebene Figur 2 zeigt die Seitenansicht zweier Matratzen von denen eine speziell für einen Mann und eine speziell für eine Frau hergestellt ist und wobei die Aufteilung in verschiedene Zonen nach einer bevorzugten Ausführungsform wiedergegeben ist.
- Die Klägerin stellt Matratzen her. Bei der Beklagten handelt es sich um ein österreichisches Möbelunternehmen, welches ebenfalls Matratzen herstellt und unter anderem auf dem deutschen Markt vertreibt.
- Die Beklagte bietet an und vertreibt auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Matratzen unter dem Produktlabel „A“ und „B“ (nachfolgend gemeinsam als angegriffene Ausführungsformen bezeichnet).
- Die Klägerin erwarb mittels eines Testkaufs zwei Matratzen über den C und ließ diese durch den D vermessen. Wegen der Vermessungsdaten wird Bezug genommen auf das als Anlage KAP 9 vorgelegte Gutachten. Als Anlage KAP 10 legt die Klägerin einen Screenshot vor, der eine geschwärzte Rechnungs- und Lieferanschrift aufweist sowie eine Artikelaufstellung, die zwei angegriffene Ausführungsformen umfasst. Ferner legt die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11. Juli 2017 eine nachfolgend eingeblendete Fotografie eines Matratzenbezugs vor, die ebenfalls die Typenbezeichnung der angegriffenen Ausführungsformen und das Logo der Beklagten aufweist.
- Mit Schreiben vom 25. Juli 2016, vorgelegt als Anlage KAP 8, mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Die Beklagte gab keine Unterlassungserklärung ab.
- Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machen von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch. Insbesondere sei das Merkmal „speziell an die Körperkontur einer durchschnittlichen Frau/eines durchschnittlichen Mannes angepasst“ nicht dahingehend auszulegen, dass hierzu eine wissenschaftliche Messmethode durchzuführen sei. Die Art und Weise der Anpassung sei in das Belieben des Fachmanns gestellt.
- Die Klägerin behauptet, bei den vom D begutachteten Matratzen handele es sich um angegriffene Ausführungsformen.
- Die Klägerin ist der Auffassung, das Klagepatent werde sich im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen. Es fehle dem Klagepatent weder an einer hinreichenden Offenbarung der technischen Lehre noch an der Ausführbarkeit. Die klagepatentgemäße Lehre sei sowohl neu als auch erfinderisch.
- Die Klägerin beantragt,sinngemäß wie erkannt.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise,
- den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Klagepatent im parallelen Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht auszusetzen,
- Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei mangels Bestimmtheit bereits unzulässig. In einem Fall, in welchem die Parteien darüber stritten, mit welcher räumlich-körperlichen Ausgestaltung die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent verletzten, genüge die Wiederholung des Anspruchswortlauts im Klageantrag nicht. Er müsse sich vielmehr konkret auf die angegriffene Ausführungsform beziehen.
- Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen machten nicht von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 Gebrauch. Insbesondere fehle es an einer speziellen Anpassung der angegriffenen Ausführungsform an die durchschnittliche Körperkontur einer Frau bzw. die eines Mannes. Dies folge schon daraus, dass es mit anthropometrischen Mitteln unmöglich sein, bezüglich einer Körperkontur einen Mittelwert zu errechnen.
- Die Beklagte bestreitet, dass es sich bei den mittels Testkauf erworbenen Matratzen um solche aus ihrer Herstellung handele und behauptet, die angegriffenen Ausführungsformen verfügten im Unterschied zu den untersuchten Matratzen über eine abweichende farbliche Gestaltung des Matratzenkerns.
- Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Bundespatentgericht das Klagepatent mangels Ausführbarkeit, hinreichender Offenbarung einer technischen Lehre, Neuheit und erfinderischer Tätigkeit vollumfänglich vernichten werde.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
- E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
- Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin stehen die beantragten Ansprüche aus unmittelbarer Patentverletzung zu.
- I.Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 ZPO. Die Wiederholung des Anspruchswortlauts des Klagepatents ohne weitere Konkretisierung durch die Umschreibung der angegriffenen Ausführungsform führt nicht zu deren Unbestimmtheit. Die Orientierung am Anspruchswortlaut des Klagepatents bietet die Gewähr, dass der Urteilstenor nur diejenigen Details enthält, die für die erfindungsgemäße Lehre von Bedeutung sind und sie verhindert zuverlässig, dass solche Gestaltungsmerkmale Eingang in den Urteilstenor finden, die außerhalb der Erfindungsmerkmale stehen und deshalb den Verbotstenor ungerechtfertigt einschränken würden. Bei einer etwaigen Zwangsvollstreckung kann der dem Anspruchswortlaut folgende Tenor an Hand der Entscheidungsgründe ausgelegt werden, was sicherstellt, dass der Titel nicht auf Ausführungsformen erstreckt wird, die nicht im Kern des gerichtlichen Verbots liegen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Auflage, D 285; a.A. BGH, GRUR 2005, 569 – Blasfolienherstellung).
- II.Das Klagepatent betrifft eine Matratze mit mehreren, sich über ihre Länge aneinander anschließenden Zonen unterschiedlicher Härte.
- Das Klagepatent beschreibt es als aus dem Stand der Technik durch diverse Druckschriften bekannt, Matratzen mit Zonen unterschiedlicher Härte herzustellen, um die Eindringtiefe einer auf der Matratze liegenden Person an die Körperform anzupassen, so dass die Person beispielsweise mit einer möglichst geraden Wirbelsäule auf der Matratze liegt. In der Druckschrift DE 297 20 057 U1 ist ergänzend offenbart, dass Männer im Durchschnitt größer und schwerer sind als Frauen. Die betreffende Druckschrift offenbart vor diesem Hintergrund die Länge und die Verteilung von 7 Härtegradzonen der Matratze, die für Personen vom 5. weiblichen Perzentil bis zum 95. männlichen Perzentil als günstig erscheint.
- Vor diesem Hintergrund stellt das Klagepatent sich die technische Aufgabe, Verbesserungen der Matratzen aus dem Stand der Technik zu ermöglichen.
- Diese Aufgabe wird gelöst mittels einer Vorrichtung nach Anspruch 1 des Klagepatents, der sich wie folgt gliedern lässt:
- 1. Matratze mit mehreren, sich über die Länge der Matratze aneinander anschließenden Zonen unterschiedlicher Härte,dadurch gekennzeichnet, dass2. die Matratze bezüglich der Härte und/oder Länge der einzelnen Zonen speziell an die Körperkontur einer durchschnittlichen Frau oder an die Körperkontur eines durchschnittlichen Mannes angepasst ist,3. so dass sich die Matratze für einen Mann von der für eine Frau unterscheidet.
- III.Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch.
- 1.Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Matratzen mit mehreren, sich über die Länge der Matratze aneinander anschließenden Zonen unterschiedlicher Härte im Sinne von Merkmal 1 des Klagepatentanspruchs 1.
- Dies ergibt sich aus dem als Anlage KAP 6 vorgelegten Werbematerial der Beklagten. Hier heißt es auf Seite 1 und auf Seite 2 zu den angegriffenen Ausführungsformen, dass diese einen Mehrzonen-Kern aufweisen. Dies wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
- 2.Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen ebenfalls Merkmal 2 des Klagepatentanspruchs 1, wonach die Matratze bezüglich der Härte und/oder Länge der einzelnen Zonen speziell an die Körperkontur einer durchschnittlichen Frau oder an die Körperkontur eines durchschnittlichen Mannes angepasst ist.
- Was unter dem Merkmal der speziellen Anpassung der Matratze an die Körperkontur einer durchschnittlichen Frau bzw. eines durchschnittlichen Mannes zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach § 14 PatG wird der Schutzbereich des Patents durch seine Ansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind allerdings zur Auslegung heranzuziehen. Patentschriften bilden im Hinblick auf die dort verwendeten Begriffe ihr eigenes Lexikon. Weichen diese vom allgemeinen Sprachgebrauch ab, kommt es letztlich nur auf den sich aus der Patentschrift ergebenden Begriffsinhalt an (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Dabei ist die Patentschrift in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und der Patentanspruch im Zweifel so zu verstehen, dass sich keine Widersprüche zu den Ausführungen in der Beschreibung und den bildlichen Darstellungen in den Zeichnungen ergeben, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen verstanden werden (BGH, GRUR 2009, 653 – Straßenbaumaschine; OLG Düsseldorf, Mitt 1998, 179 – Mehrpoliger Steckverbinder). Allerdings erlaubt ein Ausführungsbeispiel regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
- Unter Heranziehung dieser Grundsätze versteht der Fachmann unter der Körperkontur einer durchschnittlichen Frau, dass diese im Vergleich zu der eines durchschnittlichen Mannes ein breiteres Becken aufweist, wohingegen die Kontur eines durchschnittlichen Mannes einen breiteren Schulterbereich aufweist. Es kann dabei offenbleiben, ob es anthropometrische Erhebungen zur Körperkontur von Männern und Frauen gibt, oder ob eine solche Erhebung, wie von Beklagtenseite vorgetragen, wissenschaftlich fundiert nicht möglich sei. Denn wie oben ausgeführt, kommt es auf den sich aus der Patentschrift ergebenden Begriffsinhalt an. Diese lehrt den Fachmann, die jeweilige Körperkontur nicht aus sich selbst heraus, sondern lediglich in Abgrenzung von der Kontur des jeweils anderen Geschlechts zu bestimmen, und zwar in Bezug auf den Becken-/Schulterbereich. Dies ergibt sich aus Abschnitt [0007] der Klagepatentbeschreibung. Hier ist der Unterschied im Schulter-/Beckenbereich nämlich ausdrücklich als der gravierendste Unterschied beschrieben.
- An diese Unterschiede in der Körperkontur im Becken-/Schulterbereich ist eine Matratze in Bezug auf die Länge und/oder Härte ihrer Zonen speziell angepasst, wenn die Becken- und die Schulterzone der Matratzen so angepasst sind, dass das durchschnittlich breitere Becken der Frau bzw. der durchschnittlich breitere Schulterbereich des Mannes Berücksichtigung finden.
- Dies ist bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall. Die Matratze „A“ weist eine im Vergleich zur Matratze “B“ weichere Schulterzone auf, so dass die breitere Schulter besser eindringen kann. Daneben weist die Matratze „B“ eine im Vergleich weichere Beckenzone auf. Dies steht zur Überzeugung der Kammer nach Würdigung der von den Parteien vorgelegten Beweismittel fest. Zwar bestreitet die Beklagte, dass es sich bei den durch den D untersuchten Matratzen um solche aus ihrer Herstellung handele. Allerdings ergibt sich die unterschiedliche Anpassung der „Männer“- bzw. „Frauen“-Matratze schon aus den eigenen, als Anlage KAP 7 vorgelegten, Werbeunterlagen der Beklagten. Dort heißt es nämlich in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform „B“:
- „Perfekte Anpassung an den Längen-/Gewichtsverlauf der weiblichen Körperkontur unter besonderer Berücksichtigung der Schulter-/Beckenkomfortzone.“
- Entsprechendes findet sich in der Beschreibung der angegriffenen Ausführungsform „A“. Diese in den Aussagen beschriebene unterschiedliche Ausprägung der Schulter-/Beckenzone wird bestätigt durch die grafischen Darstellungen in dem betreffenden Werbematerial. Diese zeigen bei der „B“ im Bereich der Beckenzone vier lochförmige Ausnehmungen in der mittleren Schicht des Matratzenkerns, wohingegen die grafische Darstellung der angegriffenen Ausführungsform „A“ in diesem Bereich lediglich eine Ausnehmung aufweist. Im Schulterbereich hingegen weist die „A“ drei Ausnehmungen auf, wohingegen bei der „B“ nur zwei Ausnehmungen abgebildet sind. Durch die lochförmigen Ausnehmungen im Schaum des Matratzenkerns wird je nach ihrer Anzahl die Elastizität erhöht. Mithin weisen schon nach den eigenen Werbeaussagen der Beklagten die angegriffenen Ausführungsformen eine entsprechende Anpassung im Becken-/Schulterbereich auf.
- Vor diesem Hintergrund ist das Bestreiten der Beklagten in Bezug auf den Untersuchungsbericht des D unerheblich. Der Beklagte in einem Patentverletzungsverfahren muss nach Treu und Glauben solche Tatsachen spezifiziert mitteilen, deren Offenbarung zumutbar ist und die dem Kläger nicht oder nur sehr schwer zugänglich sind (BGH, GRUR 2004, 268 – Blasenfreie Gummibahn II). Angesichts des substantiierten Vortrags der Klägerin unter Vorlage entsprechender Webeaussagen der Beklagten darf diese sich nicht auf den pauschalen Vortrag zurückziehen, die angegriffenen Ausführungsformen seien anders ausgestaltet als die in dem Bericht des D untersuchten Matratzen. Sie ist als Herstellerin in der Lage, konkrete Angaben zur eigenen Produktausgestaltung zu machen, wohingegen der Klägerin keine andere Möglichkeit als die Untersuchung von im Testkauf erworbenen Matratzen verbleibt. Es obliegt der Beklagten, zur Ausgestaltung ihrer angegriffenen Ausführungsformen konkret vorzutragen. Dies ist nicht erfolgt. Mithin gilt der Vortrag der Klägerin als zugestanden im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO.
- 3.Aus der Verwirklichung des Merkmals 2 resultiert die Verwirklichung des Merkmals 3 des Klagepatentanspruchs 1. Die angegriffene Ausführungsform „A“ weist eine von der „B“ abweichende Härtezonenverteilung auf und unterscheidet sich mithin von ihr.
- IV.Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die Ansprüche im tenorierten Umfang zu.
- 1.Die Beklagte hat die angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und damit widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Gebrauch gemacht.
- a)Die Beklagte ist der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt.
- b)Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten (§ 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
- Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
- c)Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht un-zumutbar belastet.
- d)Es besteht ebenfalls ein Rückrufanspruch im beantragten Umfang (§ 140b Abs. 3 PatG).
- e)Die Klägerin hat nach § 139 Abs. 2 PatG, 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Abmahnkosten.
- V.Der Rechtsstreit ist nicht bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über den Rechtsbestand des Klagepatents auszusetzen.
- 1.Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Eine Aussetzung ist vielmehr grundsätzlich erst dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (vgl. BGH, GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
- 2.Die technisch nicht fachkundig besetzte Kammer kann nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass das Bundespatentgericht das Klagepatent wegen Fehlens einer Lehre zum technischen Handeln bzw. mangelnder Ausführbarkeit vernichten wird.
- a)Entgegen der Auffassung der Beklagten gibt das Klagepatent technische Merkmale zur Lösung der klagepatentgemäßen Aufgabe an. Nach § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG muss der Patentanspruch angeben, was unter Schutz gestellt ist. Da eine Aufgabe keine Erfindung ist, sondern diese vielmehr in der Lösung dieser Aufgabe liegt, dürfen sich die im Patentanspruch enthaltenen Angaben nicht in einer Umschreibung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe erschöpfen, sondern müssen die Lösung der Aufgabe umschreiben (BGH, GRUR 1984, 194 – Kreiselegge). Betrifft die Erfindung die Gestaltung von Sachen, ist der Anmelder gehalten, die Sache durch körperliche Merkmale zu umschreiben (BGH, NJW 1979, 1607- Farbbildröhre). Er muss im Patentanspruch die Lösung der Aufgabe mit Angaben über die äußere oder innere Beschaffenheit der Sache kennzeichnen, wenn ihm das möglich ist. Es ist dem Anmelder nicht gestattet, seine Erfindung im Patentanspruch allein mit der Angabe der seiner Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe (des technischen Problems) zu umschreiben (BGH, NJW 1985, 493 – Acrylfasern).
- Diese Anforderungen erfüllt der Klagepatentanspruch 1. Das Klagepatent beschreibt es in Abschnitt [0005] als seine Aufgabe, die im Stand der Technik vorbekannten mehrzonigen Matratzen weiter zu verbessern. Diese Aufgabe soll durch die in Anspruch 1 beschriebene Matratze gelöst werden. Der Klagepatentanspruch offenbart dabei, dass die einzelnen Zonen der Matratze, also räumlich-körperliche Merkmale, in ihrer Länge oder Härte an die Durchschnittskontur einer Frau bzw. die eines Mannes angepasst werden. Damit wird die Beschaffenheit einer Sache, nämlich der Matratze, näher bestimmt.
- b)Die Kammer kann nicht feststellen, dass es dem Klagepatent an Ausführbarkeit mangelt. Nach § 34 Abs. 4 PatG ist eine Erfindung in der Patentschrift so unmittelbar und eindeutig zu offenbaren, dass der Fachmann sie ausführen kann. Wie bereits unter Ziffer II.2 ausgeführt, ist das Merkmal der Durchschnittskontur eines Mannes bzw. einer Frau durch die entsprechenden Beschreibungsstellen in der Patentschrift insoweit hinreichend bestimmt, dass es lediglich auf den im Vergleich breiteren Becken- bzw. Schulterbereich ankommt. Es ist mithin aus fachmännischer Sicht unerheblich für die Ausführbarkeit, dass es nach dem Vortrag der Beklagten nicht möglich sei, rechnerisch einen festen Wert zur Bestimmung einer Durchschnittskontur festzulegen.
- 3.Es kann nicht festgestellt werden, dass das Bundespatentgericht das Klagepatent wegen fehlender Neuheit ausgehend von der bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten Entgegenhaltung DE 297 20 057 U1 (Anlage D1 im Nichtigkeitsverfahren) bzw. der Entgegenhaltung AT 410 888 (Anlage D5 im Nichtigkeitsverfahren) vernichten wird.
- a)Die Kammer kann eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung sämtlicher klagepatentgemäßer Merkmale in der Entgegenhaltung D1 nicht erkennen. Die Entgegenhaltung D1 offenbart, wie bereits aus der Klagepatentbeschreibung ersichtlich, eine Matratze mit unterschiedlichen Zonen unterschiedlicher Härtegrade, also den allgemeinen Teil des Klagepatentanspruchs 1.
- Eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des kennzeichnenden Teils des Klagepatentanspruchs 1 kann die Kammer nicht feststellen. Die Beklagte verweist hierzu auf den Absatz 4 auf Seite 3 der Entgegenhaltung. Hier wird ausgeführt, dass sich für Personen vom 5. weiblichen Perzentil bis zum 95. männlichen Perzentil eine 7-Zonen-Einteilung der Matratze als zweckmäßig herausgestellt habe. Im Weiteren werden die Längen der einzelnen Zonen bei der vorgennannten zweckmäßigen Aufteilung aufgeführt. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird hier lediglich eine Anpassung an die Durchschnittsgröße von männlichen und weiblichen Personen offenbart. Die Offenbarung der Anpassung an die weibliche bzw. männliche Kontur mit unterschiedlicher Härtegradverteilung im Becken-/Schulterbereich wird hingegen nicht offenbart. Es wird eine einheitliche Matratze für Männer und Frauen offenbart und gerade keine typisierte Unterscheidung.
- Der Inhalt des als Anlage B 4 vorgelegten Streitwertbeschlusses des Bundespatentgerichts im parallelen Nichtigkeitsverfahren führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Dort heißt es zwar, dass Matratzen mit Zonen unterschiedlicher Härt/Länge aus dem Stand der Technik bekannt seien. Das Bundespatentgericht hat sich allerdings lediglich zum Behinderungspotenzial eines solch weiten Anspruchs geäußert. Etwaige sichere Schlüsse zu dem Ergebnis des Nichtigkeitsverfahrens kann die Kammer aus diesem einen Satz nicht herleiten.
- b)In der Entgegenhaltung D5 fehlt es ebenfalls an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung der speziellen Anpassung an die weibliche bzw. männliche Kontur. Zwar wird auf Seite 2 in den Zeilen 49 ff. von einer „optimalen Anpassung der Liegefläche an alle Konturen der Körperoberfläche“ gesprochen. Eine Unterscheidung im Hinblick auf die weibliche und die männliche Kontur findet sich hierein aber nicht.
- 4.Es kann nicht festgestellt werden, dass das Bundespatentgericht das Klagepatent wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit ausgehend von der Entgegenhaltung DE 38 00080 A1 (Anlage D6 im Nichtigkeitsverfahren) wiederrufen wird.
- Die Entgegenhaltung D6 offenbart eine Matratze mit mehreren Zonen. In Spalte 2, Zeilen 29 ff., wird ausgeführt, dass das erfindungsgemäße Verfahren es ermögliche, Mustermatratzen beispielsweise für leichte, mittelschwere und schwere Personen vorzuhalten. Eine konkrete Veranlassung des Fachmanns, als weiteres Unterscheidungsmerkmal das Geschlecht und, präziser, die geschlechterspezifischen Unterschiede der Kontur, heranzuziehen, kann die Kammer indes nicht erblicken. Die Lehre der Entgegenhaltung nimmt eine Typisierung der Personen geschlechtsneutral allein unter Berücksichtigung ihres Gewichts vor. Die Lehre des Klagepatents entwickelt die Lehre der Entgegenhaltung nicht bloß weiter, indem es beispielsweise die Unterscheidung nach Gewicht weiter verfeinert oder ein zusätzliches Unterscheidungskriterium heranzieht. Vielmehr löst es die vormals getroffene Unterscheidung in drei Personengruppen wieder komplett auf und nimmt eine neue Unterteilung der Personengruppe, diesmal nach Geschlecht, vor, indem es auf den Unterschied in der Körperkontur abstellt. Damit schlägt die Lehre des Klagepatents im Vergleich zur Entgegenhaltung einen anderen Weg ein. Hierin lässt sich ein gutes Argument zur Bejahung der Erfindungshöhe erblicken.
- VI.Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
- Streitwert: 250.000,00 EUR