4c O 15/16 – Frässchneider

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2703

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 07. September 2017, Az. 4c O 15/16

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu vollstrecken ist,

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,

Werkzeuge zur Anbringung an einem Werkzeughalter einer Werkzeug-Werkzeughalter-Einheit, die angepasst ist, an einem Rotor einer Zerkleinerungs-/Frässchneidemaschine befestigt zu werden und ein Werkzeug und einen Werkzeughalter umfasst,

anzubieten und zu liefern,

wobei das Werkzeug eine Unterseite und eine Rückseite, von der ein zylindrischer Körper hervorsteht, umfasst und wobei in dem zylindrischen Körper ein Kopplungsloch ausgebildet ist, wobei der Werkzeughalter einen Körper umfasst, von dem ein vorstehendes Element vorsteht, um eine vordere Ausnehmung mit einer Unterseite und einer Vorderseite zu bilden, wobei in dem Werkzeughalter ein Durchgangsloch gebildet ist, so dass die Kopplung des Werkzeugs mit dem Werkzeughalter jeweils durch Anlage der Unterseite und der Rückseite des Werkzeugs an der Unterseite und der Vorderseite des Werkzeughalters erreicht wird durch Einfügen des zylindrischen Körpers in das Durchgangsloch, um das Kopplungsloch und das Durchgangsloch koaxial zueinander anzuordnen, und Einfügen einer Schraube in das Durchgangsloch des Werkzeughalters und in das Kopplungsloch des Werkzeugs,

wobei die Unterseite des Werkzeughalters auf einer Ebene angeordnet wird, die tangential zur Innenfläche des Durchgangslochs des Werkzeughalters ist und wobei die Unterseite des Werkzeugs auf einer Ebene angeordnet ist, die tangential zu der Außenfläche des zylindrischen Körpers des Werkzeugs ist;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 1. April 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und -medien, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, und die Beklagte diesen ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist und die Beklagte die Kosten des Wirtschaftsprüfers trägt.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I.1 bezeichneten, seit dem 1. April 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 160.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters DE 20 2014 010 XXX U1 (Klagegebrauchsmuster), vorgelegt als Anlage K 1a, dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Das Klagegebrauchsmuster wurde am 3. September 2014 unter Inanspruchnahme einer italienischen Priorität vom 17. September 2013 angemeldet. Die Erteilung erfolgte am 1. März 2016, die Veröffentlichung der Eintragung am 4. April 2016. Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft. Ein Löschungsverfahren ist nicht anhängig.

Die im Klagegebrauchsmuster unter Schutz gestellte Erfindung betrifft ein Werkzeug, einen Werkzeughalter und eine Werkzeug-Werkzeughalter-Einheit für Frässchneider oder Schredder.

Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lautet:

„Werkzeug-Werkzeughalter-Einheit (70; 80; 90), die angepasst ist, an einem Rotor einer Zerkleinerungs-/Frässchneidemaschine befestigt zu werden und ein Werkzeug (10; 20) und einen Werkzeughalter (30; 50) umfasst, wobei das Werkzeug (10; 20) eine Unterseite (11; 21) und eine Rückseite (13; 23), von der ein zylindrischer Körper (18; 28) hervorsteht, umfasst und wobei in dem zylindrischen Körper (18; 28) ein Kopplungsloch (19; 29) ausgebildet ist, wobei der Werkzeughalter (30; 50) einen Körper (32; 52) umfasst, von dem ein vorstehendes Element (36; 56) vorsteht, um eine vordere Ausnehmung (38; 58) mit einer Unterseite (31; 51) und einer Vorderseite (33; 53) zu bilden, wobei in dem Werkzeughalter (30; 50) ein Durchgangsloch (40; 60) gebildet ist, so dass die Kopplung des Werkzeugs (10; 20) mit dem Werkzeughalter (30; 50) jeweils durch Anlage der Unterseite (11; 21) und der Rückseite (13; 23) des Werkzeugs (10; 20) an der Unterseite (31,51) und der Vorderseite (33; 53) des Werkzeughalters (30; 50) erreicht wird, durch Einfügen des zylindrischen Körpers (18; 28) in das Durchgangsloch (40; 60), um das Kopplungsloch (19; 29) und das Durchgangsloch (40; 60) koaxial zueinander anzuordnen, und Einfügen einer Schraube (71; 81; 91) in das Durchgangsloch (40; 60) des Werkzeughalters (30; 50) und in das Kopplungsloch (19; 29) des Werkzeugs (10; 20), dadurch gekennzeichnet, dass die Unterseite (31; 51) des Werkzeughalters (30; 50) auf einer Ebene angeordnet wird, die tangential zur Innenfläche des Durchgangslochs (40; 60) des Werkzeughalters (3 ; 50) ist und wobei die Unterseite (11; 21) des Werkzeugs (10; 20) auf einer Ebene angeordnet ist, die tangential zu der Außenfläche des zylindrischen Körpers (18; 28) des Werkzeugs (10; 20) ist.“

Der von der Klägerin in der Replik in beschränkter Fassung geltend gemachte Anspruch 9 lautet (Beschränkungen unterstrichen):

„Werkzeug (10; 20) zur Anbringung an einem Werkzeughalter (30; 50), das eine Unterseite (11; 21) und eine Rückseite (13; 23) umfasst, wobei von der Rückseite ein zylindrischer Körper (18 ; 28) vorsteht, in dem ein Kopplungsloch (19 ; 29) ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Unterseite (11; 21) auf einer Ebene tangential zu der Außenfläche des zylindrischen Körpers (18; 28) des Werkzeugs (10; 20) angeordnet ist und wobei eine vordere Vertiefung in dem Vorderteil des Werkzeugs angeformt ist und die Schraube zur Befestigung des Werkzeugs einen Gewindeschaft und einen Abschnitt mit einem Kopf umfasst, der der vorderen Ausprägung entspricht, wobei das Verbindungsloch, das den Hauptkörper des Werkzeugs durchsetzt, auf einer Seite im zylindrischen Körper offen und auf der anderen Seite zur vorderen Ausnehmung offen ist, um wenigstens teilweise die Vorderseite des Werkzeugs durch den Kopf der Schraube zu schützen.“

Die nachfolgend verkleinert eingeblendete Figur 12 zeigt eine Werkzeug-Werkzeughalter-Einheit gemäß einer bevorzugten Ausführungsform:

Die Klägerin ist ein in Italien ansässiges Unternehmen, welches Gerätschaften für die Forstwirtschaft und Bodenbearbeitung entwickelt, herstellt und weltweit vertreibt. Zu ihrer Produktpalette gehören sogenannte Forstmulcher. Diese werden an Traktoren oder Raupen angeschlossen, um Wege freizuschneiden oder Böden von Bewuchs zu befreien. Die Forstmulcher sind ausgestattet mit einem walzenförmigen, drehbaren Rohr (Rotor), an welchem Werkzeughalter vorgesehen sind, die wiederum die Werkzeuge für die eigentliche Bodenbearbeitung aufnehmen. Die unten eingeblendete, der Duplik der Beklagten (Bl. 66 GA) entnommene Abbildung zeigt einen solchen Forstmulcher.

Bei den an den Werkzeughaltern angebrachten Werkzeugen handelt es sich um Verschleißteile, die in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden müssen.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein familiengeführtes Unternehmen aus Deutschland, welches Ersatz- und Verschleißteile anbietet. Sie vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem das nachfolgend abgebildete Werkzeug unter den Artikelnummern „A“ und „B“ (nachfolgend als angegriffene Ausführungsform bezeichnet) und bewirbt dieses unter anderem mit der Aussage „geeignet für Forstmulcher von C“.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Klagegebrauchsmusteranspruchs 9 in der beschränkt geltend gemachten Fassung unmittelbar und wortsinngemäß Gebrauch. Ferner liege in dem Anbieten der angegriffenen Ausführungsform eine mittelbare Verletzung des Klagegebrauchsmusteranspruchs 1. Insbesondere sei durch den Verschleiß der Originalwerkzeuge keine Erschöpfung eingetreten. Es handele sich um eine unzulässige Neuherstellung. Die Identität des bearbeiteten Gegenstands bleibe nicht gewahrt.

Die Klägerin ist der Auffassung, Anspruch 9 des Klagegebrauchsmusters in der beschränkt geltend gemachten Fassung sei rechtsbeständig und verweist hierzu auf ein kanadisches Parallelpatent, bei welchem der Anspruch in der geltend gemachten Fassung erteilt wurde.

Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift die unmittelbare Verletzung auf den Klagegebrauchsmusteranspruch 9 gestützt, diesen aber in der Replik durch die Hinzufügung mehrerer Merkmale beschränkt. Sie beantragt nunmehr,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. unter Androhung eines für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist,

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,

a) Werkzeuge zur Anbringung an einem Werkzeughalter, die eine Unterseite und eine Rückseite umfassen, wobei von der Rückseite ein zylindrischer Körper vorsteht, in dem ein Kopplungsloch ausgebildet ist,

herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Unterseite auf einer Ebene tangential zu der Außenfläche des zylindrischen Körpers des Werkzeugs angeordnet ist;

b) Werkzeuge zur Anbringung an einem Werkzeughalter einer Werkzeug-Werkzeughalter-Einheit, die angepasst ist, an einem Rotor einer Zerkleinerungs-/Frässchneidemaschine befestigt zu werden und ein Werkzeug und einen Werkzeughalter umfasst,

anzubieten und zu liefern

wobei das Werkzeug eine Unterseite und eine Rückseite, von der ein zylindrischer Körper hervorsteht, umfasst und wobei in dem zylindrischen Körper ein Kopplungsloch ausgebildet ist, wobei der Werkzeughalter einen Körper umfasst, von dem ein vorstehendes Element vorsteht, um eine vordere Ausnehmung mit einer Unterseite und einer Vorderseite zu bilden, wobei in dem Werkzeughalter ein Durchgangsloch gebildet ist, so dass die Kopplung des Werkzeugs mit dem Werkzeughalter jeweils durch Anlage der Unterseite und der Rückseite des Werkzeugs an der Unterseite und der Vorderseite des Werkzeughalters erreicht wird durch Einfügen des zylindrischen Körpers in das Durchgangsloch, um das Kopplungsloch und das Durchgangsloch koaxial zueinander anzuordnen, und Einfügen einer Schraube in das Durchgangsloch des Werkzeughalters und in das Kopplungsloch des Werkzeugs, wobei die Unterseite des Werkzeughalters auf einer Ebene angeordnet wird, die tangential zur Innenfläche des Durchgangslochs des Werkzeughalters ist und wobei die Unterseite des Werkzeugs auf einer Ebene angeordnet ist, die tangential zu der Außenfläche des zylindrischen Körpers des Werkzeugs ist,

und wobei eine vordere Vertiefung in dem Vorderteil des Werkzeugs angeformt ist und die Schraube zur Befestigung des Werkzeugs einen Gewindeschaft und einen Abschnitt mit einem Kopf umfasst, der der vorderen Ausprägung entspricht, wobei das Verbindungsloch, das den Hauptkörper des Werkzeugs durchsetzt, auf einer Seite im zylindrischen Körper offen und auf der anderen Seite zur vorderen Ausnehmung offen ist, um wenigstens teilweise die Vorderseite des Werkzeugs durch den Kopf der Schraube zu schützen,

insbesondere, wenn

von dem Hauptkörper des Werkzeugs aus im oberen Teil ein vorstehender Körper mit einer unteren Anlagefläche vorsteht, wobei die Anlagefläche geeignet ist, von einer oberen Fläche des Werkzeughalters abgestützt zu werden, wenn das Werkzeug und der Werkzeughalter zusammengebaut werden;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 1. März 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -Zeiten und -preisen und Typenbezeichnung sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und -medien, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, und die Beklagte diesen ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist und die Beklagte die Kosten des Wirtschaftsprüfers trägt;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I 1 bezeichneten, seit dem 1. März 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Klagegebrauchsmusteranspruch 9 – sowohl in unbeschränkter als auch in beschränkter Fassung – sei nicht rechtsbeständig. Dies folge für die unbeschränkte Fassung aus dem Umstand, dass die Klägerin den gleichlautenden Anspruch auf Grund von Bedenken des Prüfers im parallelen europäischen Patentanmeldeverfahren fallengelassen habe. Die Bedenken des Prüfers in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit seien ebenfalls auf die beschränkte Fassung des Anspruchs 9 übertragbar. Denn hier stelle sich das gleiche Problem.

Eine mittelbare Verletzung des Klagegebrauchsmusteranspruchs 1 scheide wegen Erschöpfung der entsprechenden Ansprüche aus. Es handele sich bei dem Austausch der angegriffenen Ausführungsform um eine zulässige Wiederherstellung. Durch den Austausch der angegriffenen Ausführungsform werde der Erfindungsgedanke nicht erneut verwirklicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch samt flankierender Auskunfts- und Schadenersatzpflicht im tenorierten Umfang aus mittelbarer Verletzung des Klagegebrauchsmusteranspruchs 1 zu. Hingegen besteht kein Anspruch aus unmittelbarer Verletzung des Klagegebrauchsmusteranspruchs 9 in der geltend gemachten, beschränkten Fassung.

I.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft Werkzeuge für Frässchneider oder Schredder.

Das Klagegebrauchsmuster beschreibt es als aus dem Stand der Technik bekannt, dass Frässchneider und andere Häckselmaschinen einen oder mehrere Rotoren aufweisen, an denen Werkzeughalter stabil fixiert sind. An diesen Werkzeughaltern sind ein oder mehrere Werkzeuge angebracht, welche ein oder mehrere Schneidelemente aufweisen. Es ist bekannt, das Werkzeug mittels einer Schraube am Werkzeughalter zu befestigen, welche in ein erstes, am Werkzeug ausgebildetes und ein zweites, am Werkzeughalter ausgebildetes Loch eingeschraubt wird. Bei diesen aus dem Stand der Technik bekannten Schraubverbindungen sind zusätzlich schiefe Ebenen an Werkzeug und Werkzeughalter vorgesehen, die die Verbindung stützen und eine Verdrehung durch die auf das Werkzeug im Betrieb einwirkenden Kräfte vermeiden sollen.

Eine aus dem Stand der Technik bekannte Einheit wird in der nachfolgend eingeblendeten Figur 1 des Klagegebrauchsmusters veranschaulicht:

Als nachteilig an einer solchen Ausgestaltung beschreibt es das Klagegebrauchsmuster in Abschnitt [0010] (Anlage K 1a; die nachfolgend genannten Abschnitte sind ebenfalls dieser Anlage entnommen), dass sich durch diese Befestigungsart Spannungen in der Befestigungsschraube ausbilden, wodurch diese stärker belastet und bruchgefährdet ist. Darüber hinaus würden Kräfte, die durch Stöße gegen Hindernisse im Boden wirkten, nicht optimal abgefangen. Es bestehe die Gefahr einer koaxialen Verlagerung des Werkzeugs und dadurch die Verschlechterung der Leistung des Arbeitsgeräts. Die in der oben eingeblendeten Figur zu erkennende Oberflächendiskontinuität gebe ebenfalls Anlass Bildung von Bruchrissen.
Vor diesem Hintergrund stellt das Klagegebrauchsmuster sich die technische Aufgabe, die vorstehend genannten Nachteile durch ein optimales Kopplungssystem zu vermeiden. Es soll ein Kopplungssystem bereitgestellt werden, welches eine stabile und starre Fixierung des Werkzeugs am Werkzeughalter gewährleistet und gleichzeitig eine einfache und schnelle Montage und Demontage der beiden Elemente ermöglicht. Die Belastungen auf die Verbindungsschraube sollen verringert werden. Werkzeug und Werkzeughalter sollen nicht unter Spannung stehen und eine Oberflächendiskontinuität soll verhindert werden, um mögliche Brüche zu vermeiden. Schließlich sollen ungewollte Verlagerungen des Werkzeugs relativ zum Werkzeughalter bei Betrieb des Rotors ausgeschlossen werden.

Diese Aufgabe wird gelöst mittels einer Werkzeug-Werkzeughalter-Einheit gemäß Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters, der sich in die folgenden Merkmale untergliedern lässt:

1. Werkzeug (10; 20) zur Anbringung an einem Werkzeughalter (30; 50) einer Werkzeug-Werkzeughalter-Einheit (70; 80; 90), die angepasst ist, an einem Rotor einer Zerkleinerungs-/Frässchneidemaschine befestigt zu werden und ein Werkzeug (10; 20) und einen Werkzeughalter (30; 50) umfasst, wobei das Werkzeug (10; 20) umfasst
a) eine Unterseite (11; 21) und
b) eine Rückseite (13; 23), von der
aa) ein zylindrischer Körper (18; 28) hervor steht, und wobei
bb) in dem zylindrischen Körper (18; 28) ein Kopplungsloch (19; 29) ausgebildet ist,

2. der Werkzeughalter (30; 50) einen Körper (32; 52) umfasst, von dem
a) ein vorstehendes Element (36; 56) vorsteht, um eine vordere Ausnehmung (38; 58) mit einer Unterseite (31; 51) und einer Vorderseite (33; 53) zu bilden, wobei
b) in dem Werkzeughalter (30; 50) ein Durchgangsloch (40; 60) gebildet ist,
c) so dass die Kopplung des Werkzeugs (10; 20) mit dem Werkzeughalter (30; 50) jeweils durch Anlage der Unterseite (11; 21) und der Rückseite (13; 23) des Werkzeugs (10; 20) an der Unterseite (31, 51) und der Vorderseite (33; 53) des Werkzeughalters (30; 50) erreicht wird,
d) durch Einfügen des zylindrischen Körpers (18; 28) in das Durchgangsloch (40; 60), um das Kopplungsloch (19; 29) und das Durchgangsloch (40; 60) koaxial zueinander anzuordnen, und
e) Einfügen einer Schraube (71; 81; 91) in das Durchgangsloch (40; 60) des Werkzeughalters (30; 50) und in das Kopplungsloch (19; 29) des Werkzeugs (10; 20), wobei

3. die Unterseite (31; 51) des Werkzeughalters (30; 50) auf einer Ebene angeordnet wird, die tangential zur Innenfläche des Durchgangslochs (40; 60) des Werkzeughalters (30; 50) ist und wobei

4. die Unterseite (11; 21) des Werkzeugs (10; 20) auf einer Ebene angeordnet ist, die tangential zu der Außenfläche des zylindrischen Körpers (18; 28) des Werkzeugs (10; 20) ist.

Der ebenfalls geltend gemachte Anspruch 9 lässt sich in seiner beschränkt geltend gemachten Fassung wie folgt gliedern (Beschränkungen unterstrichen):

1. Werkzeug (10; 20) zur Anbringung an einem Werkzeughalter (30; 50), umfassend
a) eine Unterseite (11; 21) und
b) eine Rückseite (13; 23), wobei von der Rückseite
aa) ein zylindrischer Körper (18; 28) vorsteht,
bb) in dem ein Kopplungsloch (19; 29) ausgebildet ist,

2. die Unterseite (11; 21) ist auf einer Ebene tangential zu der Außenfläche des zylindrischen Körpers (18; 28) des Werkzeugs (10; 20) angeordnet;

3. und wobei eine vorderer Vertiefung in dem vorderen Teil des Werkzeugs angeformt ist

4. und die Schraube zur Befestigung des Werkzeugs einen Gewindeschaft und einen Abschnitt mit einem Kopf umfasst, der der vorderen Aussparung entspricht,

5. wobei das Verbindungsloch, das den Hauptkörper des Werkzeugs durchsetzt, auf einer Seite im zylindrischen Körper offen und auf der anderen Seite zur vorderen Ausnehmung offen ist,

6. um wenigstens teilweise die Vorderseite des Werkzeugs durch den Kopf der Schraube zu schützen.

II.
Bei dem Angebot der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte handelt es sich um eine mittelbare Gebrauchsmusterverletzung im Sinne von § 11 Abs. 2 GebrMG.

1.
Die Beklagte stellt zu Recht nicht in Abrede, dass es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein Werkzeug im Sinne der Merkmalsgruppe 1 und 4 des Klagegebrauchsmusteranspruchs 1 handelt und dass die angegriffene Ausführungsform ein Mittel darstellt, welches sich im Sinne von § 11 Abs. 2 GebrMG auf ein wesentliches Element des Gegenstands des Gebrauchsmusters bezieht. Angesichts der ausdrücklichen werbenden Herausstellung der angegriffenen Ausführungsform als geeignet für Geräte der Klägerin ist es offensichtlich, dass dieses dazu bestimmt ist, für die Benutzung des Gegenstandes des Klagegebrauchsmusters verwendet zu werden. Ebenfalls zu Recht einig sind sich die Parteien dahingehend, dass sämtliche weiteren Voraussetzungen der mittelbaren Gebrauchsmusterverletzung nach § 11 Abs. 2 GebrMG erfüllt sind.

2.
Die Rechte der Klägerin aus dem Klagegebrauchsmuster sind in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform nicht durch Erschöpfung erloschen.

a)
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Patent – und auch an einem Gebrauchsmuster – , welches ein Erzeugnis betrifft, hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; BGH, GRUR 2012, 1118 – Palettenbehälter II, m.w.N.). Von der Erschöpfung umfasst ist der bestimmungsgemäße Gebrauch des betreffenden Erzeugnisses. Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehört die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Exemplars ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Von einer Wiederherstellung in diesem Sinne kann jedoch dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die getroffenen Maßnahmen nicht mehr die Identität des in Verkehr gebrachten Exemplars wahren, sondern darauf hinauslaufen, tatsächlich das patentgemäße Erzeugnis erneut herzustellen (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; BGH, GRUR 2012, 1118 – Palettenbehälter II m.w.N.). Für die Abgrenzung zwischen (zulässigem) bestimmungsgemäßen Gebrauch und (unzulässiger) Neuherstellung ist dabei maßgeblich, ob die getroffenen Maßnahmen noch die Identität des bereits in den Verkehr gebrachten konkreten patentgeschützten Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen erfindungsgemäßen Erzeugnisses gleichkommen. Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es einer die Eigenart des patentgeschützten Erzeugnisses berücksichtigenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung einerseits und dem Interesse des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten konkreten erfindungsgemäßen Erzeugnisses andererseits. Diese Abwägung ist grundsätzlich eine Aufgabe des Tatrichters (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler; BGH, GRUR 2006, 637 – Laufkranz; BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem).

Für die rechtliche Erschöpfungsproblematik ist stets von demjenigen Gegenstand auszugehen, auf den sich der Patentschutz bezieht. Hierbei ist lediglich diejenige patentgeschützte Einheit zu betrachten, die vom Patentinhaber oder dessen Lizenznehmer in Verkehr gebracht worden ist. Der Eintritt der Erschöpfung ist streng objektbezogen. Sie tritt immer nur an dem Gegenstand ein, der tatsächlich mit Billigung des Patentinhabers in Verkehr gebracht worden ist (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Auflage, E 491). Hierbei muss der gesamte Gegenstand (wenn auch unter Umständen in mehreren Lieferungen) beim Patentinhaber oder Lizenznehmer erworben worden sein. Andernfalls, also wenn vom Patentinhaber lediglich ein Teil der Gesamtkonstruktion auf den Markt gebracht wird, stellt sich die Erschöpfungsfrage im Regelfall bereits nicht.

In den Fällen, in welchen die Gesamtkonstruktion vom Patentinhaber in den Verkehr gebracht worden ist, kann die Grenze des bestimmungsgemäßen Gebrauchs sachgerecht nicht ohne Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften, Wirkungen und Vorteile der Erfindung festgelegt werden, die aus patentrechtlicher Sicht einerseits die Identität des Erzeugnisses prägen und andererseits Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit bei diesem Erzeugnis die einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten zu einem angemessenen Ausgleich des Schutzes bedürfen. In der Auswechslung eines Verschleißteils, welches während der zu erwartenden Lebensdauer einer Gesamtvorrichtung gegebenenfalls mehrfach ersetzt zu werden pflegt, liegt regelmäßig keine Neuherstellung, sondern ein bestimmungsgemäßer Gebrauch. Denn der Erwerber der Gesamtvorrichtung darf regelmäßig erwarten, dass das System für einen dauerhaften Gebrauch ausgelegt ist und nicht als Wegwerfartikel zu benutzen ist (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem).

Gleichwohl wird in einem solchen Fall ausnahmsweise die Interessenabwägung zu Gunsten des Patentinhabers ausfallen, wenn die technischen Wirkungen der Erfindung gerade in dem ausgewechselten Teil zu Tage treten und deshalb durch den Austausch dieses Teils der technische oder wirtschaftliche Vorteil der Erfindung erneut verwirklicht wird (BGH, aaO.). Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn sich die Vorteile der Erfindung in dem ausgetauschten Teil derart niederschlagen, dass sie die Funktionsweise oder Lebensdauer des Austauschteils positiv beeinflussen (BGH, aaO.). Verkörpern gerade die Verschleißteile wesentliche Teile des Erfindungsgedankens, so durfte der Erwerber der Gesamtvorrichtung zwar erwarten, diese nicht nur zum Einmalgebrauch zu erhalten. Er durfte aber nicht notwendigerweise erwarten, die benötigten Verschleißteile selbst herstellen oder aus beliebiger Quelle beziehen zu können (BGH, aaO.).

b)
Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich beim Austausch der angegriffenen Ausführungsform nicht um einen zulässigen bestimmungsgemäßen Gebrauch.

Die Klägerin bietet sowohl die streitgegenständlichen Forstmulcher in ihrer Gesamtheit als auch entsprechende Werkzeug-Ersatzteile an. Es besteht mithin grundsätzlich die Möglichkeit, dass sie sich durch Inverkehrbringen der Forstmulcher ihrer Rechte an den entsprechenden Werkzeugen begeben hat.

Sowohl die Verkäufer als auch die Erwerber der streitgegenständlichen Forstmulcher gehen davon aus, dass es sich bei derart hochpreisigen Großgeräten nicht um Einmalartikel handelt, die nach Verschleiß der an ihnen montierten Werkzeuge entsorgt werden. Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich also um ein Verschleißteil, welches während der Lebensdauer der Forstmulcher mehrfach ausgewechselt wird. Mithin läge grundsätzlich im Austausch der entsprechenden Werkzeuge ein bestimmungsgemäßer Gebrauch des Erwerbers vor.

Allerdings greift hier die oben dargestellte Ausnahme. Die technischen Wirkungen der klagegebrauchsmustergemäßen Erfindung treten in der angegriffenen Ausführungsform in Form einer Beeinflussung ihrer Funktion und Lebensdauer zu Tage. Dies führt dazu, dass der Austausch als unzulässige Neuherstellung zu bewerten ist.

Das Klagegebrauchsmuster beschreibt es in Abschnitt [0017] als seine Aufgabe, ein optimales Kopplungssystem von Werkzeug und Werkzeughalter zu schaffen, bei welchem die in den vorigen Abschnitten genannten Nachteile aus dem Stand der Technik beseitigt werden. Die erfindungsgemäßen Ziele werden in den Abschnitten [0018] ff. im Detail aufgeführt. Abschnitt [0018] nennt als erfindungsgemäßes Ziel die Bereitstellung eines Kopplungssystems, welches eine stabile und starre Fixierung des Werkzeugs bei gleichzeitiger einfacher und schneller Montagemöglichkeit bietet. Nach Abschnitt [0020] besteht ein weiteres Ziel der Erfindung darin, Verlagerungen des Werkzeugs relativ zum Rotor auszuschließen. Außerdem sollen nach Abschnitt [0021] mögliche Brüche am Werkzeug und Werkzeughalter dadurch vermieden werden, dass die beiden Elemente nicht unter Spannung gesetzt werden. Dies soll ebenfalls durch eine Verringerung der Oberflächen-Diskontinuität erreicht werden.

Die vorgenannten erfindungsgemäßen Ziele beeinflussen die Funktion des klagegebrauchsmustermäßigen Werkzeugs positiv. Die Funktion des Werkzeugs besteht nach den Abschnitten [0004] ff. des Klagegebrauchsmusters darin, das zu fräsende Material zu zerkleinern. Hierzu weist das Werkzeug Schneidelemente auf. Eine Verlagerung des Werkzeugs durch koaxiale Verdrehung am Rotor führt nach Abschnitt [0006] zu einer Verschlechterung der Leistung des Arbeitsgeräts. Durch die Verlagerung des Werkzeugs wird dieses also in seiner Funktion – der Zerkleinerung des Materials – negativ beeinträchtigt. Mithin beeinflusst das erfindungsgemäße Ziel der Vermeidung von koaxialen Verlagerungen des Werkzeugs dieses positiv in seiner Funktionsfähigkeit.

Die Lebensdauer des Werkzeugs wird durch die erfindungsgemäßen Vorteile ebenfalls positiv beeinflusst. Denn das Klagegebrauchsmuster möchte das Entstehen von Brüchen im Werkzeug verhindern. Diese Brüche haben Auswirkungen auf den Verschleiß des Werkzeugs und damit auf dessen Lebensdauer.

Angesichts dessen führt der weitere, im Klagegebrauchsmuster genannte Vorteil der einfachen Montage/Demontage nicht zu einer abweichenden Entscheidung. Zwar betrifft dieser erfindungsgemäße Vorteil nicht das Werkzeug selbst. Allerdings handelt es sich, wie oben dargestellt, bei der einfachen Montage/Demontage lediglich um einen von mehreren Vorteilen, so dass die oben zitierte Entscheidung „Pipettensystem“ des Bundesgerichtshofs auf Grund des abweichenden Sachverhalts in ihrem Ergebnis, nämlich der Annahme einer Erschöpfung, nicht übertragbar ist.

III.
Es kann dahinstehen, ob, wie nach übereinstimmender Ansicht der Parteien, eine unmittelbare Benutzung des Klagegebrauchsmusteranspruchs 9 in seiner beschränkt geltend gemachten Fassung durch die angegriffene Ausführungsform vorliegt. Denn jedenfalls sind hieraus resultierende Ansprüche der Klägerin mangels Schutzfähigkeit des betreffenden Klagegebrauchsmusteranspruchs nicht entstanden.

Bei Gebrauchsmustern haben, da es sich um ungeprüfte Schutzrechte handelt, auch die Verletzungsgerichte die Kompetenz, die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters im vom Kläger geltend gemachten Umfang zu überprüfen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Auflage, E 671).

Es kann offen bleiben, ob die Beschränkung des Anspruchs in der von der Klägerin geltend gemachten Form zulässig ist. Denn die Kammer kann eine Schutzfähigkeit des geltend gemachten Anspruchs nicht feststellen.

Die Kammer kann nicht feststellen, dass der Gegenstand gemäß Anspruch 9 in beschränkt geltend gemachter Fassung erfinderisch ist. Für die Beurteilung des erfinderischen Schritts im Sinne von § 1 GebrMG kann unter Berücksichtigung der Unterschiede in der Bestimmung des Stands der Technik (§ 3 GebrMG) auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (BGH, GRUR 2006, 842 – Demonstrationsschrank). Hiernach fehlt es an Erfindungshöhe, soweit sich die im Anspruch offenbarte Erfindung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Dies ist hier der Fall.

1.
In seiner unbeschränkten Fassung fehlt es dem betreffenden Anspruch an Erfindungshöhe.
Dies hat der Prüfer im Erteilungsverfahren des Parallelpatents In seinem Prüfungsbescheid vom 10.12.2015 festgestellt. Er hat zu dem gleichlautenden Anspruch im Parallelpatent das Folgende ausgeführt:

“The applicant has been already informed in the national phase that the technical effects mentioned in the application appear only present when the tool is mounted in the tool holder. Claim 8 defines solely the tool holder whereas claim 9 defines solely the tool. […] for which reason these claims cannot be considered as inventive even if the novelty of these claims will be achieved by amendments.”

Auf deutsch:

„Der Anmelderin wurde in der nationalen Phase bereits mitgeteilt, dass die in der Anmeldung angegebenen technischen Wirkungen nur dann gegeben zu sein scheinen, wenn das Werkzeug auf dem Werkzeughalter montiert ist. Anspruch 8 betrifft nur den Werkzeughalter, während Anspruch 9 nur das Werkzeug betrifft. […] und daher die Ansprüche aus diesen Gründen nicht als erfinderisch erachtet werden könne, auch wenn durch Änderungen der Ansprüche die Neuheit erreicht werden kann.“

Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Prüfers in vollem Umfang an. Die erfindungsgemäßen Wirkungen, wie in den Abschnitten [0017] bis [0021] der Klagegebrauchsmusterschrift aufgeführt, betreffen die Einheit aus Werkzeug und Werkzeughalter. Das Ziel der starren und stabilen Fixierung unter gleichzeitig einfacher Montage-/Demontagemöglichkeit wird erst durch die Einheit und nicht durch das Werkzeug selbst erreicht. Gleiches gilt für die Vermeidung von Belastungen auf die Verbindungsschraube, die Vermeidung von Brüchen und die Vermeidung von Verlagerungen des Werkzeugs im montierten Zustand am Rotor.

Wie oben unter II. dargelegt, beeinflussen die erfindungsgemäßen Wirkungen zwar die Funktion des Werkzeugs, allerdings erst in montiertem Zustand und immer in Abhängigkeit vom Werkzeughalter. Dies deckt sich mit der weiteren Beschreibung des Klagegebrauchsmusters, in welcher durchgehend auf das Kopplungssystem als solches Bezug genommen wird und das Werkzeug lediglich als Teil des Systems beschrieben wird. Schließlich findet nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters zur Erreichung der technischen Ziele schwerpunktmäßig eine Veränderung der Ausgestaltung des Werkzeughalters statt. Die Ausformung einer „Lippe“ im unteren Bereich des Werkzeughalters führt zu der stabileren Verankerung des Werkzeugs. Dieses wird lediglich in seiner äußeren Form in geringem Maße an die veränderte Gestalt des Werkzeughalters angepasst. Dies wird ersichtlich aus der unten eingeblendeten Gegenüberstellung der Figur 1 (Stand der Technik) und der Figur 15 des Klagegebrauchsmusters, in welcher die „Lippe“ mit der Ordnungsziffer 56 bezeichnet ist.
2.
Sie gelten in gleicher Weise für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch in seiner beschränkten Fassung.

Die in den Anspruch aufgenommenen beschränkenden Merkmale betreffen die Ausgestaltung der Aufnahme für die Befestigungsschraube am Werkzeug und die Ausgestaltung der Verbindungsschraube. Zur Verwirklichung der erfindungsgemäßen Wirkungen trägt die Schraube allerdings nicht in einem Maße bei, welches das Vorhandensein des Werkzeughalters im Anspruch ersetzt. Die Wirkungen werden wiederum erst durch die Werkzeug-Werkzeughalter-Einheit erzielt.

Zwar trägt die Klägerin vor, dass der beschränkt geltend gemachte Anspruch in dieser Form vor dem kanadischen Patentamt Bestand hatte und eingetragen worden ist. Sie legt hierzu allerdings weder Teile der entsprechenden Erteilungsakte noch sonstige Schriftstücke vor, aus denen folgt, welche Erwägungen zur Erteilung dieses Anspruchs geführt haben. Darüber hinaus ist nicht klar, welche Anforderungen das kanadische Recht an die Erfindungshöhe eines Patents stellt. Angesichts dessen verbleibt es bei den oben dargestellten Erwägungen zur fehlenden Schutzfähigkeit.

3.
In Bezug auf den Insbesondere-Antrag gilt das zu 1) und 2) Gesagte entsprechend. Zwar wird nunmehr auch der Werkzeughalter benannt. Es findet allerdings weiterhin keine unmittelbare Verknüpfung statt, Die vom Prüfer geäußerten Bedenken gelten entsprechend, da auch in der eingeschränkten Fassung weiterhin nur das Werkzeug und nicht die Einheit beansprucht sind.

IV.

Die Klägerin stehen gegen die Beklagte die Ansprüche im tenorierten Umfang zu.

1.
Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung angeboten und damit widerrechtlich von der Lehre des Klagegebrauchsmusters im Sinne von § 11 Abs. 2 GebrMG Gebrauch gemacht.

a)
Die Beklagte ist der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt.

b)
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten (24 Abs. 2 GebrMG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Gebrauchsmusterverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

Allerdings ist der Beklagten ein Monat Karenzzeit ab Eintragung des Klagegebrauchsmusters einzuräumen.

c)
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ebenfalls ein Anspruch auf Rech-nungslegung aus §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Die einmonatige Karenzzeit gilt entsprechend.

V.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Streitwert: 250.000,00 EUR