Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2689
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. April 2017, Az. I-15 U 41/17
I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 02.05.2017 sowie der Hilfsantrag vom 12.06.2017 werden zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e:
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig. Er hat jedoch weder in der Fassung des Hauptantrages vom 02.05.2017 noch in der Fassung des Hilfsantrages vom 12.06.2017 Erfolg.
Der Senat kann die im Tenor genannten Anträge gemäß § 937 Abs. 2 Alt. 2 ZPO durch Beschluss zurückweisen. Das ihm zustehende Ermessen (vgl. KG GRUR 1991, 944) übt der Senat dahingehend aus, dass es vor der Entscheidung keiner mündlichen Verhandlung bedarf: Denn die Sache ist jedenfalls in Bezug auf den die Zurückweisung schon allein tragenden Aspekt einer mangelnden zeitlichen Dringlichkeit ausgeschrieben. Es besteht nicht einmal eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es der Antragstellerin im Rahmen einer mündlichen Verhandlung noch gelingen könnte, die u.a. notwendige zeitliche Dringlichkeit erfolgreich zu begründen. Der Senat hat die Antragstellerin bereits mit Verfügung vom 24.05.2017 verfahrensleitend nach § 139 ZPO auf entsprechende Bedenken hingewiesen und ihr zugleich eine Antragsrücknahme nahegelegt. Die in der Folgezeit eingereichten zahlreichen Schriftsätze der Antragstellerin (zuletzt unter dem Datum des 27.06.2017) veranlassen nicht zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.
I.
Die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Düsseldorf für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag folgt aus §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 Alt. 2, 802 ZPO.
1.
Gem. § 943 Abs. 1 Alt. 2 ZPO ist das Berufungsgericht als „Gericht der Hauptsache“ i.S.v. § 937 Abs. 1 ZPO anzusehen, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist. „Hauptsache“ meint den prozessual geltend gemachten oder künftig geltend zu machenden Individualanspruch, dessen Rechtsdurchsetzung das einstweilige Rechtschutzverfahren im ordentlichen Hauptsacheverfahren einschließlich anschließender Zwangsvollstreckung sichern will (MünchKomm ZPO/Drescher, ZPO. 5. A., 2016, § 919 Rn. 5). Aus der Nichtnennung des Revisionsgerichts in § 943 Abs. 1 ZPO folgt im Umkehrschluss, dass selbiges nie Gericht der Hauptsache im vorgenannten Sinne ist (BGH Rpfleger 1976, 178). Vielmehr gilt: Hat die erste Instanz bereits ein Urteil in der Hauptsache erlassen, das mit einer Berufung angefochten worden ist, ist ab dem Zeitpunkt der Berufungseinlegung bis zur Einlegung der Revision bzw. bis zu einem rechtskräftigen Berufungsurteil das Berufungsgericht das „Gericht der Hauptsache“; nach rechtskräftigem Abschluss der Berufung bzw. mit Einlegung der Revision besteht wieder die sachliche Zuständigkeit der ersten Instanz (BGH WM 1976, 134; OLG Karlsruhe GRUR 1980, 314; OLG Köln GRUR 1977, 220; OLG Hamm, Urteil v. 27.02.2012 – 8 U 261/11, zit. nach juris; OLG Schleswig NJW-RR 1992, 317; LG Hamburg ZMR 2015, 43; MünchKomm ZPO/Drescher, 5. A., 2016, § 943 Rn. 1 mit Verweis auf § 919 Rn. 8; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 3. A., Rn. 258; Voß, in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 1. A., 2015, § 943 Rn. 5). Ist der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung einmal während eines Zeitpunktes eingegangen, zu dem die Zuständigkeit des Berufungsgerichts (noch) gegeben war, besteht sie dem allgemeinen Gedanken des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zufolge fort (vgl. OLG Karlsruhe GRUR 1980, 314).
2.)
In Anwendung vorstehender Grundsätze ist das Oberlandesgericht Düsseldorf vorliegend ausschließlich sachlich zuständig.
a)
Über die Berufung der Beklagten (= Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren) gegen das erstinstanzliche Urteil vom 03.11.2015 im Hauptsacheverfahren (LG Düsseldorf, Az. 4a O 144/14) hat der Senat mit Berufungsurteil vom 30.03.2017 (Az. I-15 U 65/15) entschieden. Das Berufungsurteil des Senats, in dem die Revision zugelassen worden ist, ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin unstreitig am 03.04.2017 zugestellt worden. Die Revisionsschrift der Antragstellerin ist – ebenso unstreitig – am 03.05.2017 beim Bundesgerichtshof eingegangen, so dass das Berufungsurteil nicht rechtskräftig ist und daher jedenfalls nicht unter diesem Aspekt (wieder) eine Zuständigkeit des Landgerichts nach §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 Alt. 1 ZPO besteht.
b)
Ferner ist die Revisionseinlegung zeitlich vor dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung erfolgt, so dass sich auch unter diesem Aspekt keine Zuständigkeit des Landgerichts für das Eilverfahren ergibt.
aa)
In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob der Antragstellerin durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des von ihr beauftragten Boten (Anlage AR eV 18) – trotz gewisser Ungereimtheiten – die Glaubhaftmachung gelungen ist, dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung bereits am 02.05.2017 beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangen sei. Diese in tatsächlicher Hinsicht zwischen den Parteien streitige Frage bedarf keiner Vertiefung, weil sich unabhängig davon mit der gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. § 294 ZPO) tatrichterlich feststellen lässt, dass die Einlegung der Revision beim Bundesgerichtshof erst nach Eingang des hier zu bescheidenden Antrages auf Erlass der einstweiligen Verfügung beim Oberlandesgericht Düsseldorf erfolgt ist:
Die Antragstellerin hat nämlich durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts Dr. A (Anlage AR eV 21) glaubhaft gemacht, dass die Revisionsschrift am 03.05.2017 jedenfalls erst nach 11.15 Uhr beim Bundesgerichtshof eingegangen sein kann. Ferner lässt sich tatrichterlich feststellen, dass der hier zu bescheidende Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 03.05.2017 schon vor 8.45 Uhr beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangen sein muss. Dies ergibt sich aus der dienstlichen Stellungnahme der Justizbeschäftigen (JBe) B vom 22.05.2017 (Blatt 45 GA), zu der die Parteien rechtliches Gehör erhalten haben: Anlässlich ihres Dienstantrittes am betreffenden Tag gegen 8.45 Uhr hat die JBe B die Antragsschrift bereits auf ihrem Schreibtisch vorgefunden. Demnach ist ein Eingang beim Oberlandesgericht Düsseldorf vor der Revisionseinlegung unabhängig davon zu konstatieren, ob der Bote der Antragstellerin selbige wirklich noch am 02.05.2017 in den Nachtbriefkasten eingeworfen oder ob er sie erst am 03.05.2017 (irgendwann vor 8.45 Uhr – mithin in jedem Falle vor 11.15 Uhr) persönlich auf der Geschäftsstelle des Senats abgeliefert hat.
bb)
Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, der Zeitpunkt der Revisionseinlegung und der Zeitpunkt der Anhängigkeit des einstweiligen Verfügungsverfahrens seien bloß nach Kalendertagen zu vergleichen, weshalb es insoweit nicht auf Stunden / Minuten innerhalb desselben Tages ankommen dürfe. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gilt vielmehr uneingeschränkt das Prioritätsprinzip mit der Folge, dass die genauen Zeitpunkte der Anhängigkeit des Verfügungsantrages einerseits und der Revisionseinlegung andererseits maßgeblich sind. Entscheidend ist, wann das jeweilige Gericht Verfügungsgewalt über die betreffende Antrags- bzw. Revisionsschrift erhalten hat:
Die einschlägigen Regelungen in §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO wollen erkennbar eine Akzessorietät von Hauptsache und einstweiligem Verfügungsverfahren sicherstellen (ähnlich MünchKomm/Drescher, a.a.O., § 937 Rn. 1). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass dasjenige Gericht, bei dem die Hauptsache (noch) an- bzw. rechtshängig ist, aufgrund seiner unmittelbaren Vorbefassung auch das später anhängig gewordene einstweilige Verfügungsverfahren effizienter und schneller bearbeiten kann. Das entsprechend austarierte Zuständigkeitssystem beruht demnach u.a. auf dem Gedanken der Prozessökonomie (vgl. auch OLG Hamm, Urteil v. 27.02.2012 – I-8 U 261/11, zit. nach juris). Ferner soll der Gefahr divergierender Entscheidungen vorgebeugt werden (Berneke/Schüttpelz, a.a.O., Rn. 252). Vor diesem Hintergrund vermag es nicht einzuleuchten, warum die Eilrechtszuständigkeit des Berufungsgerichts bereits immer dann entfallen sollte, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch nur am selben Kalendertag wie die Revisionseinlegung erfolgt, während selbige im Fall, dass das Berufungsurteil (später) mangels Revisionseinlegung rechtskräftig wird, noch bis zum Ablauf der Revisionsfrist fortbesteht. Aus den vorgenannten Gründen muss es dem Revisionsführer, der parallel einstweiligen Rechtsschutz begehrt, daher gestattet sein, sich mittels einer entsprechenden zeitlichen Koordinierung beider Verfahren die Zuständigkeit des Berufungsgerichts für das Eilverfahren zu erhalten. Die akzessorische Entscheidungszuständigkeit des Berufungsgerichts wird nur dann (mit der Konsequenz einer wieder auflebenden Zuständigkeit der ersten Instanz) durchbrochen, wenn die Revisionseinlegung nicht bloß am selben Kalendertag, sondern (im engeren zeitlichen Sinne) vor Anhängigkeit des parallelen Verfügungsverfahrens erfolgt.
Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, eine Erfassung der exakten Eingangszeiten innerhalb eines Kalendertages nähmen die Gerichte gar nicht vor, weshalb ein entsprechender Vergleich schon nicht praktikabel sei, gilt: Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung von Prozessvoraussetzungen, zu denen u.a. die (sachliche) Zuständigkeit des Gerichts gehört, kann – und zwar zutreffender Auffassung nach auch ohne Zustimmung der Parteien i.S.v. § 284 S. 2 ZPO – im sog. Freibeweisverfahren erfolgen (BGH NJW 2008, 1531 Rn. 20; BeckOK ZPO/Bacher, 24. Ed., § 284 Rn. 14; Rinken, in: Cepl/Voß, a.a.O., § 284 Rn. 89; a.A: Zöller/Greger, ZPO, 30. A:, § 284 Rn. 1; ebenfalls kritisch MünchKomm ZPO/Prütting, a.a.O. § 284 Rn. 28 und Musielak/Foerste, ZPO, § 284 Rn. 5). Im Rahmen des Freibeweisverfahrens darf das Gericht ohne Beschränkung auf die gesetzlichen (Streng-)Beweismittel jedes ihm geeignet erscheinende Beweismittel heranziehen und es ist insbesondere nicht von einem entsprechenden Beweisantritt der Parteien abhängig (BGH NJW 2007, 1457 Rn. 8). Lässt sich daher – wie hier – trotz nicht zum Einsatz kommender Zeitstempel der Zeitpunkt der jeweiligen Anhängigkeit mittels anderer geeigneter (Frei-)Beweismittel (wie etwa dienstlicher Stellungnahmen von Mitarbeitern des Gerichts zu Boteneingängen) tatrichterlich feststellen, dass die erforderliche zeitliche Priorität des einstweiligen Verfügungsverfahrens gewahrt ist, besteht die Zuständigkeit des Berufungsgerichts nach §§ 937 Abs. 1, 943 Alt. 2, 802 ZPO fort.
Zwar ist das Beweismaß im Freibeweisverfahren grundsätzlich nicht reduziert (BGH NJW 2003, 1123 (1124)). Jedoch gilt dies nicht, wenn die maßgebliche (Zuständigkeits-)Prüfung – wie hier – innerhalb eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu erfolgen hat. Denn in diesem Falle ergibt sich das gegenüber § 286 ZPO auf eine bloß „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ reduzierte Beweismaß unmittelbar aus § 936 ZPO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Eine entsprechende überwiegende Wahrscheinlichkeit für die frühere Anhängigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung steht hier mit Blick auf die oben bereits genannte eidesstattliche Versicherung des BGH-Anwalts Dr. A sowie die ebenfalls bereits erwähnte dienstliche Stellungnahme der JBe B außer Frage.
II.
Dem Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Unterlassungsverfügung ist in der Sache allerdings nicht zu entsprechen, weil es jedenfalls an der u.a. für den notwendigen Verfügungsgrund erforderlichen zeitlichen Dringlichkeit mangelt. Vorstehendes gilt sowohl für den Hauptantrag vom 02.05.2017 als auch für den Hilfsantrag vom 12.06.2017 (dort S. 5 – S. 7).
1.)
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt gemäß §§ 935, 940 ZPO voraus, dass sie notwendig ist, um die Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung zu verhindern oder wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Anders als in Wettbewerbssachen wird der Verfügungsgrund in Patentsachen nicht widerleglich vermutet; die gesetzliche Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist hier nicht – auch nicht analog – anwendbar (OLG Düsseldorf GRUR 2008, 1077 – Olanzapin; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2009, 442 – Vorläufiger Rechtsschutz; Voß in: Cepl/Voß, a.a.O., § 940 Rn. 72 m. w. N). Daher sind die besonderen Umstände, die eine Eilmaßnahme rechtfertigen sollen, positiv festzustellen, wobei der Antragsteller dafür nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast trägt.
a)
Entscheidend für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist, ob es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, ein Hauptsacheverfahren durchzuführen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Dies ist zu bejahen, wenn sein Begehren dringlich ist, der Rechtsbestand des Patents hinreichend gesichert ist und die Abwägung der (übrigen) schutzwürdigen Interessen der Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände zugunsten des Antragstellers ausfällt (OLG Düsseldorf InstGE 10, 124 – Inhalator; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2009, 442 – Vorläufiger Rechtsschutz; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz; OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 03306 – Ballonexpandierbare Stents; s. zum Ganzen auch Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. A., Kap. G. Rn. 71 ff.).
Dringlichkeit erfordert, dass der Antragsteller mit der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht ungebührlich lange zugewartet und hierdurch zu erkennen gegeben hat, dass er seine Rechte nur zögerlich verfolgt und eines umgehenden Verbots tatsächlich nicht bedarf (BGH GRUR 2000, 151 – Späte Urteilsbegründung; OLG München WRP 2008, 972; OLG Düsseldorf GRUR 2008, 1077 – Olanzapin; OLG Hamburg GRUR-RR 2010, 57 – EMEA; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2013, 236 – Flurpirtin-Maleat; OLG Köln GRUR-RR 2014, 127 – Haarverstärker: OLG Köln BeckRS 2016, 09601). Wann Dringlichkeit zu verneinen ist, lässt sich nicht anhand fester Fristen, sondern nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles bestimmen (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 01174), was je nach konkreter Sachlage zu einem kürzeren oder längeren Zeitraum führen kann. Sobald der Antragsteller positive Kenntnis von den Umständen der Schutzrechtsverletzung erlangt hat, ist er regelmäßig gehalten, seine Ansprüche zügig und ohne Nachlässigkeit zu verfolgen. Diese Kenntnis ist vorhanden, wenn ihm sämtliche Tatsachen, die eine Schutzrechtsverletzung begründen, und die Person des Verantwortlichen zuverlässig bekannt sind (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 01174; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz).
Vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung an hat sich der Antragsteller unverzüglich darüber klar zu werden, ob er gegen den Verletzungstatbestand vorgehen will, und im Anschluss daran ohne zeitliche Verzögerung alles Notwendige zu tun, um den Sachverhalt in einer solchen Weise aufzuklären und aufzubereiten, dass er mit Aussicht auf Erfolg ein gerichtliches Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz anstrengen kann (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 01174; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz). Dabei steht der Zeitraum, den der Antragsteller zur Vorbereitung eines erfolgversprechenden Verfügungsantrags für die sorgfältige Ermittlung des Sachverhalts und die Beschaffung geeigneter Glaubhaftmachungsmittel benötigt, der Dringlichkeit nicht entgegen, solange er die erforderlichen Schritte jeweils zielstrebig in die Wege leitet und zu Ende führt (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz; OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 03306 – Ballonexpandierbare Stents).
b)
Geht es – wie hier – um die Durchsetzung eines Verfügungspatents, in Bezug auf welches der Antragsteller gegenüber einer Standardisierungsorganisation eine sog. FRAND-Erklärung abgegeben und sich folglich mit selbiger verpflichtet hat, Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen („fair, reasonable and non-discriminatory“) zu erteilen, ist die Erfüllung des Dringlichkeitserfordernisses im Vergleich zur oben geschilderten allgemeinen Rechtslage noch an zusätzliche Bedingungen geknüpft:
Wie der Senat bereits im Berufungsurteil vom 30.03.2017 (I-15 U 65/15) entschieden und im Einzelnen ausgeführt hat, hat der Patentinhaber aufgrund seiner FRAND-Zusage nämlich voranzugehen, d.h. insbesondere einem hinreichend lizenzwilligen Benutzer ein FRAND-Angebot zu unterbreiten, während der Benutzer erst im Anschluss gehalten ist, seinerseits mit einem FRAND-Gegenangebot zu reagieren und Sicherheit zu leisten. Wegen der betreffenden Details wird auf die entsprechenden Ausführungen im Berufungsurteil vom 30.03.2017 zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen. Im hier interessierenden Zusammenhang ist lediglich zu betonen: Der vom Senat im Berufungsverfahren als durchgreifend bewertete FRAND-Einwand führt nicht zu einem dauerhaften Rechtsverlust, weshalb der Senat (unter entsprechender teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils) die auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen gerichtete Klage auch explizit (lediglich) als „derzeit unbegründet“ abwies. Denn der erfolgreiche FRAND-Einwand begründet ein bloß dilatorisches Durchsetzungshindernis (vergleichbar mit einer fehlenden Fälligkeit) und keinen rechtshindernden oder rechtsaufhebenden Umstand.
Demnach ist es dem Patentinhaber nicht verwehrt (im Gegenteil: dies bleibt sogar Gegenstand seiner fortbestehenden kartell-rechtlichen Verpflichtungen), noch nach einem den Unterlassungsanspruch als derzeit unbegründet abweisenden Urteil die maßgeblichen Anforderungen zu erfüllen und so die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Durchsetzbarkeit des Unterlassungsanspruchs zu schaffen. Dies gilt erst recht, wenn das betreffende Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Ein ganz anderes Thema ist es allerdings, ob es ihm dann (noch) möglich ist, diesen Anspruch im Wege des Eilrechtsschutzes durchzusetzen. Insoweit gibt der vorliegende Fall keinen Anlass zur Klärung der grundlegenden Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen in einer FRAND-Konstellation überhaupt Raum für eine Klärung derartiger Streitigkeiten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ist. In der hier gegebenen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Unterlassungsanspruch zuvor im Hauptsacheverfahren mangels aktueller Durchsetzbarkeit abgewiesen wurde, scheitert ein entsprechendes Begehren regelmäßig am Dringlichkeitserfordernis. Dieses ist hier nämlich gegenüber „üblichen“ Fällen (d.h. solchen, die keine FRAND-Konstellation betreffen) dahingehend modifiziert, dass der Patentinhaber auch die spezifischen materiell-rechtlichen Verpflichtungen so zu erfüllen hat, dass sich der Schluss verbietet, ihm sei die Durchsetzung seines Anspruchs nicht dringlich gewesen: Das Erfordernis der Dringlichkeit schließt es hier (kumulativ zu den jenseits der FRAND-Konstellation ohnehin stets einzuhaltenden Kriterien) also ein, dass der Patentinhaber im Anschluss an die Kenntnisnahme von Verletzungshandlungen regelmäßig das Lizenzierungsprocedere soweit vorantreiben muss, wie ihm das aus eigener Macht möglich ist. Der Patentinhaber muss daher nicht nur zeitnah nach Entdecken einer Verletzungshandlung dem anderen Teil den vom EuGH etablierten Verletzungshinweis erteilen, sondern alsdann ebenso zügig auf eine daraufhin (fristgerechte) Lizenzbereitschaftserklärung des Benutzers hin mit der Abgabe eines in jeder Hinsicht ordnungsgemäßen FRAND-Angebots reagieren. Ein in dilatorischer Art und Weise unterbreitetes FRAND-Lizenzangebot steht der erforderlichen Dringlichkeit ebenso entgegen wie das Unterlassen eines (ordnungsgemäßen) Angebots überhaupt.
2.)
Nach Maßgabe dieser Grundsätze verbietet es sich, dem Begehren der Antragstellerin die notwendige zeitliche Dringlichkeit zu attestieren.
Unstreitig sind der Antragstellerin die im Hauptsacheverfahren wie auch im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Verletzungshandlungen der Antragsgegnerin bereits seit Jahren bekannt. Die Antragstellerin weiß unstreitig spätestens seit …………………………………. im Jahre 2014 von den auch hier verfahrensgegenständlichen Handlungen: Seinerzeit erwirkte die Antragstellerin unstreitig zunächst den Erlass einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin – die indes später zu Recht vom Kammergericht unter Zurückweisung des betreffenden Antrages wieder aufgehoben wurde.
Sämtliche Gründe, die die Antragstellerin zwecks Untermauerung ihrer Rechtsauffassung, wonach trotz des soeben geschilderten Zeitablaufs seit der erstmaligen Kenntnis von Verletzungshandlungen die erforderliche Dringlichkeit bejaht werden müsse, vorbringt, verfangen nicht.
a)
Kern der Argumentation der Antragstellerin ist ihr unstreitig unter dem Datum des 14.04.2017 (also nach Verkündung des Senatsurteils vom 30.03.2017 in der Hauptsache) der Antragsgegnerin unterbreitetes neues Lizenzangebot nebst Begleitschreiben (Anlagen AR eV 2a, b und c sowie Anlagen AR eV 3a, b und c), von dem sie – im Gegensatz zur Antragsgegnerin – annimmt, jedenfalls dieses sei nunmehr in jeder Hinsicht FRAND. Ob die betreffende materiell-rechtliche Bewertung ihres neuen Lizenzangebots Gefolgschaft verdient, bedarf (hier) keiner Beurteilung durch den Senat. Denn die Antragstellerin geht zumindest in der rechtlichen Einschätzung der Auswirkungen dieses neuen Angebots auf die Bewertung der Dringlichkeit fehl:
Selbst wenn das neue Angebot nämlich tatsächlich FRAND sein sollte, wäre die zeitliche Dringlichkeit keineswegs aufgrund einer (wie die Antragstellerin meint) nicht „EuGH-konformen“ Reaktion des Beklagten-Konzerns „neu entstanden“ bzw. „wieder aufgelebt“. Insbesondere führt die Antragstellerin vergeblich an, das betreffende Senatsurteil – als erstes obergerichtliches Urteil zum betreffenden Komplex – sei angesichts der rechtlich hoch umstrittenen und weitgehend ungeklärten Fragen zum „Thema FRAND“ entscheidend für die Abgabe ihres neuen Angebots im Anschluss an die Verkündung des Berufungsurteils gewesen.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Dringlichkeit könne trotz seit vielen Jahren bestehender Kenntnis vom Verletzungstatbestand nicht zweifelhaft sein, weil ein Anspruch aus Gründen des materiellen Rechts (unter Zugrundelegung der Auffassung des Senats im Hauptsacheverfahren) bislang gar nicht bestanden habe, unterliegt sie einem grundlegenden Missverständnis: Zwar können materiell-rechtliche Gründe, die der Entstehung des Verfügungsanspruchs entgegen stehen, grundsätzlich dazu führen, dass solange auch noch keine Dringlichkeitsfrist in Lauf gesetzt ist. Dabei muss es sich aber um solche Hindernisse (z.B.: bisherige Benutzungshandlungen fanden nur im Ausland statt; bislang fehlende Schutzrechtseintragung, s. zum Ganzen Ahrens/Singer, Der Wettbewerbsprozess, 7. A:, Kap. 45 Rn. 38 m.w.N.) handeln, die ihre (zurechenbare) Ursache nicht in der Sphäre des Antragstellers selbst haben. Geht es aber – wie hier – darum, dass der (vermeintliche) Verfügungsanspruch nur deshalb nicht durchsetzbar ist, weil der Antragsteller selbst gegen ihn treffende materiell-rechtliche Pflichten verstoßen hat, ist der Zeitpunkt des Beginns der Dringlichkeitsfrist grundsätzlich entsprechend früher anzusetzen, nämlich auf denjenigen Zeitpunkt, zu dem es ihm bei in jeder Hinsicht pflichtgemäßem Handeln möglich gewesen wäre, die Durchsetzbarkeit herbeizuführen. Wer sich aber entsprechend pflichtwidrig verhält (insbesondere entgegen seiner FRAND-Zusage potentielle Lizenznehmer diskriminiert), darf nicht auch noch eine „Belohnung“ in dem Sinne erwarten, dass sein nachträgliches nunmehr (vermeintlich) pflichtgemäßes Handeln zu einer „Renaissance“ der Dringlichkeit führt.
b)
Der Antragstellerin mag durchaus darin beizupflichten sein, dass sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zögerlich handelte, sondern stets darauf bedacht war, zur Verfügung stehende Rechtsbehelfe auszuschöpfen (beginnend mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor den Berliner Gerichten, gefolgt vom Hauptsacheverfahren vor den Düsseldorfer Gerichten bis hin zur nunmehr anhängigen Revision vor dem Bundesgerichtshof). Bei der Beurteilung der zeitlichen Dringlichkeit darf indes bei einer derartigen rein verfahrensrechtlichen Bewertung in Anbetracht der oben geschilderten Besonderheiten der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs aus einem mit einer FRAND-Zusage verknüpften Patent nicht halt gemacht werden, sondern es muss zwingend auch die materiell-rechtliche Ebene in den Blick genommen und folglich berücksichtigt werden, ob der jeweilige SEP-Inhaber auch seinen entsprechenden kartellrechtlichen Pflichten unter Berücksichtigung der von ihm abgegebenen FRAND-Zusage rechtzeitig genügt hat.
In diesem Kontext ist mit Nachdruck der Darstellung der Antragstellerin zu widersprechen, dass sie berechtigterweise, insbesondere mangels etablierter ober- oder gar höchstrichterlicher Rechtsprechung davon ausgegangen sei, „ihre akzeptierten Standardbedingungen“ würden auch vom Senat als FRAND-konform eingestuft werden. Zwar trat eine Zäsur, die zu einem entsprechenden Umdenken der Antragstellerin hätte führen müssen, nicht bereits Anfang des Jahres 2016 aufgrund der (teilweisen) Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil in der Hauptsache ein. Denn entscheidender Gesichtspunkt für diese – einschneidende – Maßnahme war für den Senat der Umstand, dass das Landgericht den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass sich jedenfalls die Beklagten ihrerseits nicht FRAND verhalten hätten und es deshalb das seinerzeit in Rede stehende Lizenzangebot der Klägerin (= hiesigen Antragstellerin) a priori keiner Überprüfung auf dessen FRAND-Qualität hin unterzogen hatte. Dass u.a. der Unterlassungsanspruch konkret gefährdet war, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom Senat (als derzeit unbegründet) abgewiesen zu werden, musste der Antragstellerin allerdings mit Zugang des umfänglichen Hinweisbeschlusses des Senats vom 17.11.2016 klar werden, da die bis dahin der Gegenseite unterbreiteten Angebote allesamt vom Senat als nicht FRAND eingestuft wurden.
Soweit die Antragstellerin scheinbar argumentieren möchte, erstmals durch das Senatsurteil vom 30.03.2017 die „Mitteilung“ erhalten zu haben, dass ihr in Reaktion auf den besagten Hinweisbeschluss der Gegenseite unterbreitetes Lizenzangebot vom 20.12.2016 vom Senat ebenfalls als nicht FRAND angesehen wurde, verwahrt sich der Senat gegen den damit – zumindest implizit – verbundenen Vorwurf einer „Überraschungsentscheidung“. Der Senat hat das Hauptsacheverfahren vielmehr gerade vor dem Hintergrund, dass er sich als erstes (deutsches) Obergericht vor die Aufgabe gestellt sah, in einem Hauptsacheverfahren die „ZTE/Huawei Technologies“-Grundsätze des EuGH in nationales Recht zu implementieren, zu jeder Zeit und in jeder Hinsicht transparent geführt. Verfahrensleitend sind zu allen (insbesondere zu den letztlich entscheidungserheblichen) Aspekten Hinweis- und Auflagenbeschlüsse ergangen.
Im Rahmen ihrer den tatsächlichen Prozessverlauf verzerrt wiedergebenden Ausführungen in der Antragsschrift (dort insbesondere S. 24, 2. Abs.) macht die Antragstellerin u.a. geltend, der Senat habe mit seinem Berufungsurteil „eine völlig neue Sach- bzw. Rechtslage geschaffen“, indem er nämlich angeblich entgegen der Rechtsprechung des Landgerichts Köln und des Landgerichts Mannheim angenommen habe, „einzelne Ausreißer seien stets [bei der Prüfung einer Diskriminierung] zu berücksichtigen“. Diese Ausführungen geben dem Senat in Anknüpfung an seine im Hauptsacheverfahren bereits getroffenen Erläuterungen Anlass, in Bezug auf das von der Antragstellerin erneut bemühte „Ausreißer-Argument“ nochmals Folgendes klarzustellen: Was die inhaltlichen Anforderungen des in Art. 102 AEUV verankerten Diskriminierungsverbots, die sich mit dem „AND“-Bestandteil einer FRAND-Zusage inhaltlich decken, anbelangt, haben weder das EuGH-Urteil noch das Berufungsurteil des Senats irgendwelche Erkenntnisse zutage gefördert, die zu einer „völlig neuen Sach- oder Rechtslage“ führten. Soweit die Antragstellerin scheinbar davon ausgeht, als marktbeherrschendes Unternehmen sei sie trotz Art. 102 AEUV und trotz ihrer FRAND-Zusage gegenüber der Standardisierungsorganisation D nicht gehindert, einem oder gar einigen wenigen ihrer Lizenznehmer im Vergleich zu allen anderen Vorzugskonditionen in exorbitantem Ausmaß zu gewähren, ohne dass ihr dafür (in einem hinreichenden Ausmaß) entsprechende sachliche Rechtfertigungsgründe zur Seite stehen müssten, kann dies nur erstaunen. Für die Annahme eines derartigen eine Diskriminierung gestattenden „Freischusses“ finden sich (was nicht überraschen kann) in der gesamten Rechtsprechung und Literatur zu Art. 102 AEUV keinerlei Anhaltspunkte. Dies gilt namentlich für die von der Antragstellerin angeführte Rechtsprechung der Landgerichte Köln und Mannheim, in deren Entscheidungen die Antragstellerin einen derartigen allgemeinen Rechtsgrundsatz hineinzulesen versucht. Wie der Senat im Berufungsurteil vom 30.03.2017 im Einzelnen ausgeführt hat, enthält das Diskriminierungsverbot zwar keine Meistbegünstigungsklausel, die den Marktbeherrscher verpflichtet, allen Abnehmern die gleichen – günstigen – Preise / Bedingungen einzuräumen. Jedoch sind willkürliche Ungleichbehandlungen, die das Marktgeschehen wettbewerbsverzerrend stören, untersagt (vgl. zum Ganzen nur Lübbert/Schöner, in: Wiedemann, Kartellrecht, 3. A., 2016, § 23 Rn. 137 m.w.N.). Die Interpretation der von der Antragstellerin angeführten Rechtsprechung leidet darunter, dass sie die gebotene sorgsame Differenzierung zwischen einer Ungleichbehandlung einerseits und deren Rechtfertigung andererseits ausblendet. Zwar kann ein „Ausreißer“ mit Blick auf die reine Ungleichbehandlung als solche durchaus unbedenklich sein, jedoch nur dann, wenn selbige (im Wesentlichen) durch beachtliche Rechtfertigungsgründe kompensiert wird. Nichts anderes besagen im Ergebnis die von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen, die der Senat schon in seinem Berufungsurteil berücksichtigt hat und von denen er in Bezug auf die hier maßgebliche Rechtsfrage mitnichten abgewichen ist. Vielmehr hat der Senat im Detail begründet, weshalb die von der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren angeführten Rechtfertigungsgründe beileibe nicht ausreichten, um die exorbitante Ungleichbehandlung zu legitimieren. Soweit sich die Antragstellerin als „überrascht“ geriert und geltend macht, der Hinweisbeschluss des Senats vom 17.11.2016 habe keine (näheren) Ausführungen zum Aspekt der Diskriminierung enthalten (vgl. Schriftsatz der Antragstellerin vom 12.06.2016, S. 11, 1. Abs.), ist Folgendes in Erinnerung zu rufen: Die Antragstellerin hat bis zum betreffenden Hinweisbeschluss des Senats keine Obliegenheit und erst Recht keine Verpflichtung ihrerseits gesehen, der Gegenseite und dem Senat auch nur ansatzweise ein Bild von ihrer konkret gelebten Lizenzierungspraxis zu vermitteln. Sie hat in Reaktion auf besagten Hinweisbeschluss des Senats alsdann (im Rahmen einer vom Senat zumindest befürworteten sekundären Darlegungslast) einen eher kursorischen Einblick in ihre Lizenzierungspraxis gewährt. Vor allem aber – und dies trug allein die Abweisung u.a. des Unterlassungsanspruchs – hat die Antragstellerin den zur Annahme einer Diskriminierung berechtigenden Vertrag mit C erst auf eine entsprechende Auflage des Senats nach § 142 ZPO hin erstmals im Februar 2017 vorgelegt. Es hätte im November 2016 mithin geradezu hellseherischer Fähigkeiten des Senats bedurft, wenn er die erstmals daraus resultierenden (wenn auch ex post evidenten) Bedenken bereits zum Gegenstand des besagten Hinweisbeschlusses hätte machen wollen. Der Vorwurf eines überraschenden und intransparenten Vorgehens fällt daher letztlich auf die Antragstellerin selbst zurück, da sie das Gericht und die Gegenseite über diesen wesentlichen Bestandteil ihrer Lizenzierungspraxis im Unklaren ließ und diesen entscheidungsrelevanten Vertrag erst unter entsprechender Anordnung zur Akte reichte. Der Senat hat die Vorlageanordnung unverzüglich getroffen, nachdem die Beklagten entsprechende Anknüpfungspunkte aufgezeigt hatten, die eine Diskriminierung als hinreichend wahrscheinlich erscheinen ließen. Jedenfalls mit der Vorlageanordnung war die Antragstellerin also hinreichend gewarnt und musste sie objektiv damit rechnen, dass der FRAND-Einwand jedenfalls unter dem Aspekt einer Diskriminierung Erfolg haben könnte. Die Antragstellerin zog es allerdings in der (durch den Hinweisbeschluss vom 17.11.2016 vermittelten) Kenntnis, dass sie jedenfalls nach der Rechtsauffassung des Senats gehalten war, der (nach der ihr ebenso bekannten Auffassung des Senats) lizenzbereiten Gegenseite ein FRAND-Angebot unter Berücksichtigung ihrer Lizenzvereinbarung mit C zu machen, vor, von einem neuen, konkreten schriftlichen (Pauschallizenz-)Angebot an die Beklagten abzusehen – trotz der ihr ebenfalls bekannten Neigung des Senats, neue Lizenzangebote grundsätzlich noch bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zu berücksichtigen.
Wie unhaltbar die (implizite) Rüge einer „Überraschungsentscheidung“ durch den Senat ist, erschließt sich einem unbefangenen „Prozessbeobachter“ nicht zuletzt anhand eines Blicks in das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 16.02.2017, in deren Rahmen die Öffentlichkeit auf Antrag der Klägerin/ Antragstellerin mehrfach ausgeschlossen war. Es heißt dort nämlich u.a. wörtlich (S. 3, 3. Abs.):
„Die Klägervertreter legten insbesondere anhand der in der heute überreichten Anlage AR 141 rot markierten Passagen im Einzelnen dar, weshalb ihrer Ansicht nach aufgrund besonderer Umstände die den Beklagten unterbreiteten Lizenzangebote keine Diskriminierung im Vergleich zu den ………………………. C gewährten Vertragskonditionen beinhalten.“
Weshalb die Antragstellerin gleichwohl einen Anlass für ihre „gesicherte Auffassung“ sah, in jedem Falle zu obsiegen und deshalb die Abgabe eines erneut verbesserten Lizenzangebotes bis zum Abschluss der Berufungsinstanz in der Hauptsache nicht in Erwägung ziehen zu müssen, ist nicht nachvollziehbar.
c)
Es verhilft der Antragstellerin nach alledem nicht zur Begründung der Dringlichkeit, dass sie „schon“ knapp zwei Wochen nach Zustellung des Senatsurteils das neue Angebot vom 14.04.2017 (fruchtlos) unterbreitete.
Dass man als Marktbeherrscher nicht ohne Rechtfertigungsgründe (exorbitant) ungleich behandeln, d.h. diskriminieren darf, galt und gilt ganz unabhängig von der Entscheidung sowohl des EuGH als auch des Senatsurteils. Der Senat hat in diesem im Berufungsverfahren entscheidungserheblichen Gesichtspunkt unter keinem (kartell-)rechtlichen Aspekt „Neuland“ betreten, erst recht nicht in einem Ausmaß, das Veranlassung geben könnte, hier einen Neubeginn der Dringlichkeitsfrist mit Verkündung / Zustellung des Senatsurteils anzunehmen.
d)
Die Antragstellerin konzediert – immerhin – zu Recht, dass die Bejahung einer zeitlichen Dringlichkeit bloß aufgrund einer „erstmaligen Entscheidung zur FRAND-Konformität eines Angebots im Hauptsacheverfahren“ eine durch die Verletzungsgerichte kaum zu bewältigende Flut von Verfügungsverfahren in „FRAND-Fällen“ nach sich ziehen könnte. Ohne Erfolg versucht sie sich von diesem Szenario dadurch abzugrenzen, dass sie einen hier zur Entscheidung stehenden „seltenen Sonderfall“ reklamiert: Sie macht geltend, schon eine Reihe von Gerichten hätten über den Sachverhalt entschieden, ohne sich zur FRAND-Qualität ihrer Lizenzpolitik zu äußern. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil der Senat ihrem Angebot vom 20.12.2016 zweifelsohne die „AND“-Qualität abgesprochen hat. Es ist in dieser Konstellation nicht Aufgabe eines Verletzungsgerichts, einem Marktbeherrscher, der jedenfalls den jeweiligen Beklagten evident diskriminiert und eine Behebung dieses Mangels (hier: in Form einer (im Wesentlichen) Gleichbehandlung mit C) im Hauptsacheverfahren schlicht verweigert, in einem die konkrete Gerichtsentscheidung überhaupt nicht tragenden Rechtsgutachten minutiös zu erläutern, was im konkreten Fall „FR“ („fair and reasonable“) wäre.
e)
Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist es ihr (auch unter Zugrundelegung der von ihr angeführten üblichen Dauer von Revisionsverfahren) deshalb in jeder Hinsicht zumutbar, das Ergebnis ihres gegen das Berufungsurteil eingelegten Rechtsmittels abzuwarten – und zwar unabhängig davon, ob der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs ihren neuen Vortrag (insbesondere ihr neues Lizenzangebot) im Revisionsverfahren überhaupt berücksichtigen kann und wird (vgl. allgemein zur Frage der möglichen Berücksichtigung neuer unstreitiger Tatsachen in der Revisionsinstanz: BGH, Urteil v. 02.03.2017 – Az. I ZR 273/14). Dass der Antragstellerin – wie sie anführt – im Falle eines entsprechenden Zuwartens ein erheblicher Schaden entstehen würde, der im Wesentlichen darauf beruhe, dass sie in der Zwischenzeit keine Lizenzverträge mehr werde abschließen können, wenn die Unsicherheit bei potentiellen Lizenznehmern zur FRAND-Konformität der Lizenzbedingungen bestehen bleibe, hat sie sich aus oben genannten Gründen selbst zuzuschreiben. Auch der Hinweis, dass die Laufzeit ihres Lizenzportfolios zeitlich begrenzt sei und Schadensersatzansprüche rückwirkend schwer bis gar nicht durchsetzbar seien, verfängt nicht: Es ist die Antragstellerin, die für sich die grundlegende Entscheidung getroffen hatte, jedenfalls bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens der Rechtsauffassung des Senats zu entscheidungserheblichen Rechtsfragen nicht durch Abgabe eines erneut angepassten Angebots Rechnung tragen zu wollen. Sie mag daher (was ihr gutes Recht ist) den Versuch unternehmen, den Bundesgerichtshof von ihrer Rechtsauffassung u.a. zur Einordnung / Bedeutung des Lizenzvertrages mit C zu überzeugen. Kehrseite des Ganzen ist allerdings (zumindest) eine entsprechende zeitliche Verzögerung.
f)
Abschließend weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Antragstellerin auch in der Annahme irrt, mit einer etwaigen positiven Entscheidung des Bundespatentgerichts Anfang September 2017 über den Rechtsbestand des Verfügungspatents (was in Anbetracht des Hinweisbeschlusses des BPatG nach § 83 PatG indes äußerst fernliegt) entstehe „ohnehin eine neue zeitliche Dringlichkeit“. Dem ist keineswegs so, weil die Bejahung einer Dringlichkeit hier – ganz unabhängig von der Frage des gesicherten Rechtsbestands des Verfügungspatents – ein- und für allemal aus den oben genannten Gründen ausscheidet. Die Antragstellerin hat nämlich in vorwerfbarer Weise davon abgesehen, beizeiten für die materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit ihres Unterlassungsanspruchs zu sorgen. Es besteht zwar eine (materiell-rechtliche) Nachholbarkeit; jedoch kann dies nicht mehr dazu führen, dass die Durchsetzbarkeit auch in zeitlicher Hinsicht so geschaffen wird, dass deren Funktion als einer der kumulativen Voraussetzungen für die Dringlichkeit noch gewahrt werden könnte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Entscheidung bedarf es nicht, da die Entscheidung unanfechtbar ist.
Streitwert: EUR 300.000,-