I-15 U 4/17 – Gewebebehandlungssystem

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2686

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 29. Juni 2017, Az. I-15 U 4/17

Vorinstanz: 4a O 103/16

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 22.12.2016, Az. 4a O 103/16, abgeändert.

Die einstweilige Verfügung vom 10.10.2016 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen,

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

G r ü n d e:
A.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
B.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die zulässige Anschlussberufung ist nicht begründet.
I.
Die Verfügungsklägerin kann etwaige aus einer Verletzung des Verfügungspatents folgende Ansprüche nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen, weil sie einen Verfügungsgrund nicht gemäß §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.

1.
Das Verfügungspatent betrifft ein vakuumgestütztes Behandlungssystem, das die Heilung offener Wunden fördert.

Wie in der Verfügungspatentschrift einleitend dargestellt, ist das vakuumindizierte Heilen offener Wunden aus mehreren US-amerikanischen Patenten bekannt (Absatz [0002]). Die Anwendung von Unterdruck auf eine Wunde fördert demnach den Wundschluss und die Heilung vieler Wunden, die vormals als nicht behandelbar angesehen wurden, indem sie zu einer mechanischen Kontraktion der Wunde bei gleichzeitigem Ausstoß von überflüssigem Fluid führt. Auf diese Weise verstärkt die Therapie den körpereigenen Entzündungsprozess und schwächt zahlreiche der bekannten intrinsischen Nebenwirkungen, wie etwa die Bildung von Ödemen ab (Absatz [0003]).

Die Verfügungspatentschrift legt in Absatz [0004] weiter dar, dass die Häufigkeit, mit der Unterdruck auf die Wunde aufgebracht wird, sowie die Häufigkeit des Druckwechsels über ein gewisses Zeitintervall direkte Auswirkungen auf die Geschwindigkeit der Wundheilung haben. Ebenso kann demzufolge eine schnelle Rückkehr des Patienten zu normalen Aktivitäten die Geschwindigkeit der Wundheilung erhöhen, weil physische Aktivität auch die Gefäßzirkulation anregt und dies wiederum den Blutfluss im Wundbereich verbessert. Das Verfügungspatent sieht bei den vorbekannten vakuumunterstützten Behandlungsgeräten als Nachteil an, dass sie eine Veränderung des Druckwechsels, welche die Geschwindigkeit der Wundheilung signifikant erhöht, nicht zur Verfügung stellen und die beschränkte Lebensdauer der Batterie, die das Wundbehandlungssystem antreibt, ein Hindernis für die Rückkehr zu normalen Aktivitäten darstellt. Zudem ist eine häufige Untersuchung der Wundstelle erforderlich, um sicher zu stellen, dass sich die Wunde nicht entzündet hat. Andererseits darf eine Rückkehr zu normalen Aktivitäten nicht dazu führen, dass diejenigen Vorkehrungen unterbleiben, die getroffen werden, um unabsichtlichen Austritt von Wundexsudat aus dem Kanister oder Eintritt von Wundexsudat in den Pumpenmechanismus zu verhindern.

Weiter kritisiert das Verfügungspatent am Stand der Technik, dass sich beim Einsatz von oszillierenden Pumpen mit fester Frequenz, die typischerweise nur für beschränkte Einsatzbedingungen konstruiert sind, Einschränkungen aus der Größe der Pumpe, die erforderlich ist, um den gewünschten Unterdruck an der Wundstelle aufrechtzuerhalten und/oder aus einer Verringerung der Lebensdauer der Batterie aufgrund der Energie ergeben, die zum Betrieb der oszillierenden Pumpen erforderlich ist. Um etwa die Niedrigdruckflussrate bei einer festen Frequenz zu maximieren wird regelmäßig die Masse und/ oder die Steifheit verschiedener Komponenten verändert und so die mitschwingende Frequenz der Pumpe unter den jeweiligen Einsatzbedingungen angepasst. Wenn der Druck in der Pumpe steigt, wird die Steifheit des Systems durch den Gegendruck über die Membran der Schwingpumpe erhöht. Infolgedessen verändert sich die mitschwingende Frequenz der Pumpe und der Antrieb mit fester Frequenz treibt die Pumpe nicht mit optimaler Frequenz an. Als Ergebnis sinkt die Durchflussgeschwindigkeit schnell und die Kapazität der Pumpe, Luft mit hohem Druck zu fördern, wird beschränkt. Um beim Einsatz einer oszillierenden Pumpe mit fester Frequenz eine erhöhte Durchflussgeschwindigkeit bei höherem Druck zu erreichen, muss daher entweder eine Verringerung der Durchflussrate bei niedrigerem Druck in Kauf genommen werden, oder es ist eine Pumpe mit erheblich größeren Maßen erforderlich (Absatz [0005]).

Davon ausgehend formuliert die Verfügungspatentschrift die Aufgabe, ein vakuumunterstütztes Wundbehandlungssystem bereitzustellen, das über ein Zeitintervall hinweg zu einer Veränderung des Drucks in der Lage ist und dem Patienten ein höheres Maß an Mobilität erlaubt, während gleichzeitig das Risiko eines Exsudataustritts oder einer Verunreinigung der Pumpe reduziert wird (Absätze [0007] und [0008]).

2.
Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt Anspruch 1 des Verfügungspatents in der durch die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 01.06.2016 geänderten Fassung ein System mit den folgenden Merkmalen vor:

1. System (10) zur Stimulierung der Heilung von Gewebe, das umfasst
2. ein poröses Kissen (11),
3. einen luftdichten Verband (13),
4. ein Mittel zum Verbinden eines distalen Endes (16b) einer Leitung (16) durch den Verband (13),
5. ein Mittel (14) zum Beaufschlagen eines Unterdrucks an der Wundstelle,
6. ein Mittel zum Variieren des Unterdrucks über ein Zeitintervall,
7. einen Kanister (18),
7.1. der mit einem proximalen Ende (16a) der Leitung (16) lösbar verbunden ist,
8. einen hydrophoben Filter (20),
8.1. der zwischen dem Kanister (18) und dem Mittel (14) zum Beaufschlagen eines Unterdrucks positioniert ist und
8.2. der einen integralen Bestandteil des Kanisters (18) bildet,
9. einen weiteren hydrophoben Filter (22),
9.1. der zwischen dem hydrophoben Filter (20) und dem Mittel (14) zum Beaufschlagen eines Unterdrucks positioniert ist und
9.2. der einen integralen Bestandteil des Kanisters (18) bildet,
10. einen Geruchs-/Dampffilter (23),
10.1. der zwischen dem ersten hydrophoben Filter (20) und dem zweiten hydrophoben Filter (22) angeordnet ist.

3.
Es kann dahinstehen, ob das von der Verfügungsbeklagten in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „B“ vertriebene System für die Unterdruckwundtherapie, das aus einem Gerät, einem Kanister in der Größe 300 ml oder 800 ml und einem Wundverbandset besteht (nachfolgend angegriffene Ausführungsform), das Verfügungspatent verletzt und insbesondere die in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien allein noch streitigen Merkmale 4 und 8 verwirklicht.

Dem Verfügungsantrag ist unabhängig davon bereits deswegen nicht zu entsprechen, weil kein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht worden ist. Auch wenn der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert ist, ist die Verfügungsklägerin für die Rechtsdurchsetzung auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, da es an der gebotenen Dringlichkeit fehlt.

a)
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt gemäß §§ 935, 940 ZPO voraus, dass sie notwendig ist, um die Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung zu verhindern oder wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Anders als in Wettbewerbssachen wird der Verfügungsgrund in Patentsachen nicht widerleglich vermutet; § 12 Abs. 2 UWG ist nicht – auch nicht analog – anwendbar (OLG Düsseldorf, GRUR 2008, 1077 – Olanzapin; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009, 442; Voß in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2015, § 940 Rn. 72 m. w. N.). Daher sind die besonderen Umstände, die eine Eilmaßnahme rechtfertigen sollen, positiv festzustellen, wobei der Antragsteller dafür nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast trägt.

Entscheidend für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist, ob es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, ein Hauptsacheverfahren durchzuführen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Dies ist zu bejahen, wenn sein Begehren dringlich, der Rechtsbestand des Patents hinreichend gesichert ist und die Abwägung der (übrigen) schutzwürdigen Interessen der Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände zugunsten des Antragstellers ausfällt (OLG Düsseldorf, InstGE 10, 124 – Inhalator; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009, 442 – Vorläufiger Rechtsschutz; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2016 – 2 U 48/15, BeckRS 2016, 03306 – Ballonexpandierbare Stents; Grabinski/Zülch in: Benkard, Patentgesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 139 PatG Rn. 153a m. w. N.).

Dringlichkeit erfordert, dass der Antragsteller mit der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht ungebührlich lange zugewartet und hierdurch zu erkennen gegeben hat, dass er seine Rechte nur zögerlich verfolgt und eines umgehenden Verbots tatsächlich nicht bedarf (BGH, GRUR 2000, 151 – Späte Urteilsbegründung; OLG München, WRP 2008, 972; OLG Düsseldorf, GRUR 2008, 1077 – Olanzapin; OLG Hamburg, GRUR-RR 2010, 57 – EMEA; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flurpirtin-Maleat; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 127 – Haarverstärker: OLG Köln, Urteil vom 10.07.2015 – 6 U 195/14, BeckRS 2016, 09601). Wann Dringlichkeit zu verneinen ist, lässt sich nicht anhand fester Fristen, sondern nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles bestimmen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.2012 – 2 U 12/12, BeckRS 2014, 01174), was je nach konkreter Sachlage zu einem kürzeren oder längeren Zeitraum führen kann. Sobald der Antragsteller positive Kenntnis von den Umständen der Schutzrechtsverletzung erlangt hat, ist er gehalten, seine Ansprüche zügig und ohne Nachlässigkeit zu verfolgen. Diese Kenntnis ist vorhanden, wenn ihm sämtliche Tatsachen, die eine Schutzrechtsverletzung begründen, und die Person des Verantwortlichen zuverlässig bekannt sind (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 01174; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz). Bloß fahrlässige Unkenntnis schadet nicht. Hat der Patentinhaber allerdings greifbare Hinweise auf rechtsverletzende Handlungen, darf er sich ihnen nicht verschließen, sondern hat ihnen nachzugehen. Versäumt er dies in einer Weise, dass seine Untätigkeit bei objektiver Betrachtung darauf schließen lässt, er habe es mit der Verfolgung der eigenen rechtlichen Interessen nicht eilig, fehlt es somit an der Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Untersagungsverfügung. So liegt es etwa, wenn er trotz Kenntnis einer vermeintlichen Patentrechtsverletzung durch eine Ausführungsform untätig bleibt (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 01174).

Vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung an hat sich der Antragsteller unverzüglich darüber klar zu werden, ob er gegen den Verletzungstatbestand vorgehen will, und im Anschluss daran ohne zeitliche Verzögerung alles Notwendige zu tun, um den Sachverhalt in einer solchen Weise aufzuklären und aufzubereiten, dass er mit Aussicht auf Erfolg ein gerichtliches Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz anstrengen kann (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 01174; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz). Dabei steht der Zeitraum, den der Antragsteller zur Vorbereitung eines erfolgversprechenden Verfügungsantrags für die sorgfältige Ermittlung des Sachverhalts und die Beschaffung geeigneter Glaubhaftmachungsmittel benötigt, der Dringlichkeit nicht entgegen, solange er die erforderlichen Schritte jeweils zielstrebig in die Wege leitet und zu Ende führt (OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz; vgl. auch OLG Düsseldorf GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat). Er muss daher den Verfügungsantrag erst anbringen, wenn er sowohl über zuverlässige Kenntnis sämtlicher Tatsachen als auch über geeignete Glaubhaftmachungsmittel verfügt, die verlässlich eine aussichtsreiche Rechtsverfolgung ermöglichen (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flurpitin-Maleat; Senat, Beschluss vom 12.02.2015 – 15 U 143/14; OLG Köln WRP 2014, 1085 – L-Thyrox; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.08.2015 – 2 U 21/15, BeckRS 2016, 03691; OLG Düsseldorf, BeckRS 2016, 03306 – Ballonexpandierbare Stents). Ausgehend hiervon darf er insbesondere die erforderlichen Untersuchungen vornehmen, wenn sich die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform und/oder die Benutzung des Schutzrechtes nicht ohne weiteres feststellen lässt (OLG Düsseldorf, Mitt. 1982, 230 – Warmhaltekanne; OLG Hamburg, GRUR 1987, 899 – Verbandsmaterial; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flupirtin-Maleat; OLG Frankfurt, GRUR-RS 2016, 08579 – Product Keys). Allerdings muss er dem Eilcharakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens entsprechend alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um der angegriffenen Ausführungsform so schnell wie möglich habhaft zu werden und, sobald er die angegriffene Ausführungsform in Händen hält, diese mit der gebotenen Zielstrebigkeit untersuchen (lassen).

Die Frage, ob sich der Antragsteller dringlichkeitsschädlich verhalten hat, ist anhand seines tatsächlichen Vorgehens zu beurteilen. Maßnahmen, die er nicht ergriffen und/oder deren Vornahme er im Falle eines Bestreitens nicht glaubhaft gemacht hat, sind nicht zu berücksichtigen. Sie können ein längeres Zuwarten auch dann nicht rechtfertigen, wenn er sie ohne negative Folgen für die Dringlichkeit hätte durchführen können. Dies folgt daraus, dass es im Rahmen der Dringlichkeit maßgeblich darauf ankommt, ob dem Antragsteller subjektiv der Vorwurf einer zögerlichen Rechtsverfolgung zu machen ist. Nicht durchgeführte Maßnahmen geben dafür indes nichts her, weil sie tatsächlich für sein Zuwarten ohne Bedeutung gewesen sind. Der Antragsteller gibt vielmehr sogar durch die Nichtvornahme zu verstehen, dass er weitere Maßnahmen nicht für notwendig erachtet, um mit Aussicht auf Erfolg einen Verfügungsantrag anzubringen. Daran muss er sich festhalten lassen, so dass sie nicht im Nachhinein einen hinreichenden Grund für ein längeres Zuwarten abgeben können.

b)
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist nicht festzustellen, dass das Begehren der Verfügungsklägerin dringlich ist, weil sie dafür zu lange mit der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens gewartet hat.

aa)
Die Verfügungsklägerin durfte den Verfügungsantrag nach Verkündung der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des EPA vom 01.06.2016 nicht bis zur Veröffentlichung der Gründe zurückstellen.

(1)
Der Antragsteller muss allerdings den Verfügungsantrag erst zu einem Zeitpunkt anbringen, in welchem sowohl die Verletzungs- als auch die Rechtsbestandsfrage hinreichend geklärt sind.

Daher steht es der Dringlichkeit in Patentsachen nicht entgegen, wenn er bei einem Streit über den Rechtsbestand des Verfügungspatents zunächst die erstinstanzliche Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung abwartet. Dies folgt schon daraus, dass ein Verfügungsgrund regelmäßig nur gegeben ist, nachdem das Verfügungspatent einem erstinstanzlichen kontradiktorischen Rechtsbestandsverfahren standgehalten hat, mithin für ein vor der aufrechterhaltenden Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung eingereichtes Verfügungsbegehren mutmaßlich keine Erfolgsaussicht besteht (vgl. nur OLG Düsseldorf, InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 – Ausrüstungssatz).

Darüber hinaus kann es nach den Umständen des Einzelfalls gerechtfertigt sein, die schriftlichen Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung oder auch die Einspruchsbeschwerde- oder Nichtigkeitsberufungsentscheidung abzuwarten (OLG Düsseldorf, BeckRS 2016, 03306 – Ballonexpandierbare Stents m. w. N.). Dies ist etwa anzunehmen, wenn berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der zugunsten des Patentinhabers getroffenen und vom Gegner angefochtenen Einspruchs- bzw. Nichtigkeitsentscheidung bestehen. Die Unsicherheit kann auf neuen Einwendungen gegen den Rechtsbestand beruhen, sie kann sich bei unverändertem Sach- und Streitstand aber auch daraus ergeben, dass sich die erstinstanzliche Rechtsbestandsentscheidung als unrichtig herausstellt. Fehlende Dringlichkeit kann dem Antragsteller erst recht nicht vorgeworfen werden, wenn das Verfügungspatent im Einspruchsbeschwerde- oder Nichtigkeitsberufungsverfahren tatsächlich (weiter) eingeschränkt wurde und insbesondere wenn davon ein Merkmal betroffen ist, dessen Benutzung durch die angegriffene Ausführungsform ernsthaft streitig ist (OLG Düsseldorf, BeckRS 2016, 03306 – Ballonexpandierbare Stents). Ein Abwarten der Entscheidungsgründe kann zudem berechtigt sein, sofern sich erst mit deren Vorliegen zuverlässig beurteilen lässt, ob der Rechtsbestand hinreichend gesichert ist und ob auf Grundlage der Auslegung der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz das Verfügungspatent verletzt wird (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.11.2008 – 2 U 48/08, BeckRS 2011, 16625). Dem Patentinhaber kann daher eine nachlässige Rechtsverfolgung nicht vorgeworfen werden, wenn das Verfügungspatent nur in beschränktem Umfang aufrechterhalten wird und beispielsweise die Auslegung von Änderungen im Patentanspruch objektiv unklar erscheint und/oder davon technisch komplexe Merkmale betroffen sind, so dass er mit Recht davon ausgehen darf, in der Begründung Erläuterungen vorzufinden, die für die Beurteilung der Rechtsbestands relevant sind. Das gilt ebenso für die Verletzung, auch wenn diese vom Verletzungsgericht eigenständig zu beurteilen ist, da Ausführungen in der Rechtsbestandsentscheidung zur Patentauslegung gewichtige sachverständige Stellungnahmen darstellen, die vom Verletzungsgericht zu beachten sind (BGH, GRUR 1998, 895 – Regenbecken), und die der Patentinhaber daher im einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich als Glaubhaftmachungsmittel verwenden kann.

Des Weiteren mag es im Einzelfall sogar gerechtfertigt sein, aus den oben dargestellten Erwägungen die Gründe einer nicht mehr anfechtbaren Rechtsmittelentscheidung im Rechtsbestandsverfahren abzuwarten.

Bei alledem ist andererseits zu beachten, dass der Patentinhaber nicht etwa stets unabhängig von den Umständen des Einzelfalles die Einspruchsbeschwerde- oder Nichtigkeitsberufungsentscheidung und/oder die schriftliche Begründung der erst- oder zweitinstanzlichen Entscheidung im Rechtsbestandsverfahren abwarten darf. Vielmehr ist jeweils anhand des dargelegten Maßstabs zu beurteilen, ob im Streitfall die Rechtsbestands- und/oder Verletzungsfrage noch nicht in einer Weise geklärt sind, dass er den Verfügungsantrag mit Aussicht auf Erfolg stellen kann. Es muss mithin ein triftiger Grund für das Abwarten vorliegen. Maßgebend dafür ist eine objektive Betrachtung aus der damaligen Sicht des Patentinhabers („ex ante“) anhand der ihm seinerzeit bekannten Umstände. Daher rechtfertigt insbesondere die immer bestehende Möglichkeit, dass in den Entscheidungsgründen relevante Ausführungen zur Auslegung des Patentanspruchs enthalten sein könnten, es als solches noch nicht, den Verfügungsantrag bis zu deren Veröffentlichung zurückzustellen. Vielmehr ist dies nur zu bejahen, wenn der Patentinhaber aufgrund konkreter Umstände, wie etwa aufgrund des Inhalts einer mündlichen Verhandlung im Rechtsbestandsverfahren, die begründete Erwartung hegt, dass die schriftlichen Gründe zu einer hinreichenden Klärung der – bislang noch unklaren – Verletzungsfrage beitragen werden. Andernfalls würde es darauf hinauslaufen, dass er praktisch in jedem Fall erfolgreich anführen könnte, bis zur Veröffentlichung der Gründe einer nicht mehr anfechtbaren Entscheidung im Rechtsbestandsverfahren warten zu dürfen.

(2)
Im vorliegenden Fall ist kein triftiger Grund dafür ersichtlich und von der Verfügungsklägerin auch nicht vorgebracht worden, warum sie für einen erfolgversprechenden Verfügungsantrag auf die schriftlichen Entscheidungsgründe der Technischen Beschwerdekammer des EPA (Anlage OLS 6, Übersetzung Anlage OLS 7) angewiesen gewesen wäre und diesen daher bis zu deren Veröffentlichung hätte zurückstellen dürfen. Tatsächlich hat sie darauf auch gar nicht gewartet.

(a)
Nach der zweitinstanzlichen Entscheidung im Einspruchsverfahren vom 01.06.2016, mit der das Verfügungspatent in der im vorliegenden Verfahren allein geltend gemachten, leicht geänderten Fassung aufrechterhalten wurde, gab es keinen Zweifel (mehr) am Rechtsbestand des Verfügungspatents.

Die Vorlage von vier neuen Druckschriften mit der Beschwerdebegründung gegen die erstinstanzliche Einspruchsentscheidung, aus denen die Beschwerdeführerin eine mangelnde erfinderische Tätigkeit herleitete, gab der Verfügungsklägerin objektiv keinen Anlass dazu, die schriftlichen Entscheidungsgründe abzuwarten, weil mit der Verkündung der Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vor der Technischen Beschwerdekammer des EPA am 01.06.2016 bereits feststand, dass die neuen Entgegenhaltungen und weiteren Einwendungen gegen den Rechtsbestand (praktisch) nicht erfolgreich waren. Mit der Entscheidung vom 01.06.2016 war überdies gesichert, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt das Verfügungspatent Bestand hat. Ein ordentliches Rechtsmittel dagegen war nicht mehr möglich. Zudem war eine (erneute) Änderung mangels eines weiteren Rechtsbestandsangriffs nicht zu erwarten.

Die Verfügungsklägerin führt Zweifel bezüglich der Rechtsbestandsfrage auch gar nicht als Grund für ein Zuwarten an. Sie beruft sich vielmehr in der Antragsschrift vom 07.10.2016, die ausweislich der Passage im ersten Absatz auf Seite 36 offenbar bereits vor Veröffentlichung der schriftlichen Entscheidungsgründe am 05.10.2016 abgefasst worden war, sogar selbst darauf, dass sie sich auch ohne Vorliegen dieser Gründe auf einen hinreichend gesicherten Rechtsbestand des Verfügungspatents stützen könne.

(b)
Im Hinblick auf die Verletzungsfrage bestand ebenfalls kein Anlass, den Verfügungsantrag erst nach Kenntnis der schriftlichen Gründe der Beschwerdeentscheidung anzubringen und die Verfügungsklägerin hat ihn auch nicht mit Blick darauf zurückgestellt.
(aa)
Anspruch 1 des Verfügungspatents hat durch diese Entscheidung nur geringe Änderungen in den (jetzigen) Merkmalen 8.2, 9.2 und 10.1 erfahren. Demnach ist zum einen der Geruchs-/ Dampffilter (23) zwischen dem hydrophoben Filter (20) und – statt dem Mittel (14) zum Beaufschlagen von Unterdruck – dem zweiten hydrophoben Filter (22) positioniert. Zum anderen bilden beide Filter einen integralen Bestandteil des Kanisters (18), während das durch die Einspruchsentscheidung aufgenommene Merkmal, wonach der hydrophobe Filter (20) an dem Kanister, der Geruchs-/Dampffilter (23) an dem hydrophoben Filter (20) und der weitere hydrophobe Filter (22) an dem Geruchs-/Dampffilter befestigt ist, wieder gestrichen wurde.

Diese neu in den Patentanspruch 1 des Verfügungspatents aufgenommenen Merkmale sind technisch nicht komplex, sondern verhalten sich lediglich über die räumlich-körperliche Position der genannten Bestandteile, und die geänderte Anspruchsfassung wirft insoweit auch keine Unklarheiten oder Probleme auf. Infolgedessen lässt sich die Verwirklichung der Merkmale anhand einer Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform – nach einer zerstörenden Öffnung des Kanisters – leicht feststellen.

(bb)
Soweit die Verfügungsbeklagte erstinstanzlich unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Technischen Beschwerdekammer des EPA in den Entscheidungsgründen eine Verwirklichung des Merkmals 10 bestritten hat, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung.

Zum einen hat die Verfügungsklägerin den Inhalt der Begründung selbst nicht zum Anlass genommen, weitere Untersuchungen an der angegriffenen Ausführungsform vorzunehmen oder gar die Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens weiter hinauszuschieben. Zum anderen weckt der Inhalt der Entscheidungsgründe objektiv keinen Zweifel daran, dass bei der angegriffenen Ausführungsform Merkmal 10 erfüllt ist, weshalb die Verfügungsbeklagte dies mit der Berufung auch nicht mehr in Abrede stellt. Die Technische Beschwerdekammer des EPA hat dort zwar dem Geruchs-/Dampffilter die weitere Funktion zugeschrieben, eine Kontaminierung der Vakuumpumpe zu verhindern. Sie hat jedoch weiter ausgeführt, dass sich dieser technische Effekt „direkt aus der Natur des Filters“ ergebe (Anlage OLS 6, Übersetzung Anlage OLS 7 Seite 39, Abs. 3). Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, ist dies so zu verstehen, dass sich die genannte Wirkung unmittelbar aufgrund seiner anspruchsgemäßen Lage zwischen beiden hydrophoben Filtern einstellt, weshalb zusätzliche Anforderungen an die Ausgestaltung des Geruchs-/Dampffilters, die über die im Anspruchswortlaut gelehrte Positionierung hinausgehen, damit nicht verbunden sind. Damit ergibt sich ein zusätzlicher Schutz der Vakuumpumpe vor Kontaminierung bei der angegriffenen Ausführungsform ebenfalls allein daraus, dass sich zwischen beiden hydrophoben Filtern ein Geruchs-/Dampffilter befindet. Aufgrund dessen ist aber eine Verwirklichung des Merkmals 10 in der geänderten, beschränkt aufrechterhaltenen Fassung ohne weiteres gegeben und leicht festzustellen.

Dies war vor Veröffentlichung der Entscheidungsgründe nicht anders. Der Inhalt von Anspruch 1 des Verfügungspatents in der gemäß Beschwerdeentscheidung vom 01.06.2016 beschränkt aufrechterhaltenen Fassung warf auch hier aufgrund der Geringfügigkeit der Änderung und der Eindeutigkeit des Anspruchswortlauts keine Zweifel am Vorliegen einer Patentverletzung insoweit auf. Die Verfügungsklägerin behauptet insbesondere nicht etwa, dass aufgrund des Inhalts der mündlichen Verhandlung vor der Technischen Beschwerdekammer des EPA für die Verletzungsfrage relevante Unklarheiten bei der Auslegung des Merkmals 10 bestanden hätten.

(cc)
Abgesehen davon hat die Verfügungsklägerin tatsächlich auch nicht mit Blick auf die Verletzungsfrage die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe abgewartet.

Im Gegenteil hat sie in der bereits zuvor abgefassten Antragsschrift auf Seite 37 im Rahmen der Ausführungen zum Verfügungsgrund dargelegt, dass der „technische Sachverhalt überschaubar und der Verletzungstatbestand eindeutig“ seien. Auf diese Weise hat sie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es aus ihrer maßgeblichen damaligen Sicht für die Verletzungsfrage ebenfalls nicht einer Heranziehung der schriftlichen Entscheidungsgründe bedurfte, um den Verfügungsantrag erfolgversprechend anzubringen, sondern die Auslegung des Verfügungspatents geklärt war. Das hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erneut bekräftigt, indem sie ausgeführt hat, nach Verkündung der Entscheidung vom 01.06.2016 zu keiner Zeit Zweifel an der Auslegung der einzelnen Merkmale und am Verletzungstatbestand gehabt zu haben.
bb)
Die Verfügungsklägerin macht vergeblich geltend, dass sie erstmals im September 2016 positive Kenntnis vom Verletzungstatbestand erlangt habe, indem sie von der Ausstellung der angegriffenen Ausführungsform auf dem Kongress „F“ am 03.09.2016 sowie davon erfahren habe, dass die Verfügungsbeklagte diese auf dem deutschen Markt bewerbe und anbiete sowie ab Ende September/Oktober 2016 mit der Belieferung des Klinikums Charité in Berlin beginnen werde. Tatsächlich hatte sie bereits seit Ende Juni 2016 zuverlässig Kenntnis von sämtlichen maßgeblichen Umständen der von ihr angenommenen Patentverletzung. Sie war seit Juni 2016 im Besitz von Exemplaren der angegriffenen Ausführungsform, hat noch im selben Monat eines davon untersucht und – ihrer Ansicht nach – positiv festgestellt, dass es sämtliche Merkmale von Anspruch 1 des Verfügungspatents verwirklicht. Ferner war ihr bekannt, dass die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform bereits im Mai 2016 in Bremen auf der Fachmesse I ausgestellt hatte, was eine Benutzungshandlung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG in Gestalt des Anbietens darstellte. Sie verfügte damit Ende Juni 2016 über sämtliche Informationen, um erfolgversprechend einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen.

(1)
Die Verfügungsbeklagte hat die angegriffene Ausführungsform im Mai 2016 im Inland angeboten, indem sie diese auf der Fachmesse I ausgestellt hat, die vom 11. bis 13. Mai 2016 in Bremen stattfand. Das Ausstellen war ein „Anbieten“ im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG.

(a)
Der Begriff des Anbietens ist im Patentrecht rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG – bei einem Erzeugnis – jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Karlsruhe, GRUR 2014, 59 – MP2-Geräte; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014 – 2 U 42/13, BeckRS 2014, 05732; Senat, Urteil vom 27.03.2014 – 15 U 19/14, BeckRS 2014, 16067 – Sterilcontainer; Senat, Urteil vom 17.06.2016 – 15 U 69/15, BeckRS 2016, 21061 – Vergleichsvertrag; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.10.2016 – 2 U 19/16; Scharen in: Benkard, aaO, § 9 Rn. 41 m. w. N.).

Daher ist das Ausstellen von Waren auf einer inländischen Fachmesse ein Anbieten im Sinne dieser Vorschrift (Senat, BeckRS 2014, 16067 – Sterilcontainer m. w. N. auch zur Gegenauffassung). Zweck des § 9 PatG ist es, dem Patentinhaber einerseits grundsätzlich alle wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die sich aus der Benutzung der patentierten Erfindung ergeben können, und ihm andererseits einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Daher ist nicht erforderlich, dass das Anbieten die Voraussetzungen eines rechtswirksamen und verbindlichen Vertragsangebotes im Sinne von § 145 BGB erfüllt. Ferner kommt es nicht darauf an, ob der Anbietende eigene oder fremde Geschäftsabschlüsse bezweckt und ob er bei einem Angebot zugunsten eines Dritten überhaupt von diesem beauftragt oder bevollmächtigt ist (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Maßgeblich ist vielmehr allein, ob mit der fraglichen Handlung tatsächlich eine Nachfrage nach einem schutzrechtsverletzenden Gegenstand geweckt wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 05732). Davon ausgehend werden von einem „Anbieten“ im Sinne von § 9 PatG insbesondere auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen, das die Benutzung dieses Gegenstands einschließt. Dies kann in dessen Ausbieten derart geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte). Genau dies geschieht regelmäßig auf einer Fachmesse: Die Aussteller verfolgen mit ihren Präsentationen den Zweck, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte zu verkaufen. Sie präsentieren ihre Produkte in der Erwartung, dass sie von den Messebesuchern nachgefragt werden. Das Ausstellen ist bestimmt und dazu geeignet, Interesse an den Produkten zu wecken und auf diese bezogene Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen, was für ein Anbieten gemäß § 9 PatG ausreicht (Senat, BeckRS 2014, 16067 – Sterilcontainer m. w. N.; Senat, BeckRS 2016, 21061 – Vergleichsvertrag).

So war es auch hier: Die angegriffene Ausführungsform ist – wie die Verfügungsklägerin ausdrücklich unstreitig gestellt hat (Seite 16 Schriftsatz vom 15.11.2016 unter Ziff. 2.1.5 und Seite 7 Berufungserwiderung vom 06.04.2017 unter Ziff. 3.4) – auf dem Kongress I im Mai 2016 in Bremen ausgestellt worden. Das war eine Angebotshandlung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. Im Rahmen des Kongresses fand ausweislich der Anlage VP 12 eine Fachmesse mit 167 Ausstellern statt. Die Unternehmensgruppe, der die Verfügungsbeklagte angehört, war einer der Aussteller auf dieser Fachmesse und hat die angegriffene Ausführungsform präsentiert (Anlage VP 6) sowie mit Plakaten und Flyern beworben. Auf diese Weise hat sie bei interessierten Messeteilnehmern gezielt eine Nachfrage nach dem Produkt geweckt und den Zweck verfolgt, Geschäftsbeziehungen zu knüpfen, die auf einen inländischen Vertrieb abzielen. Dies wird bestätigt durch die – auch in den Eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiter der deutschen Unternehmensgesellschaft C GmbH der Verfügungsklägerin D und E (Anlagen OLS 28 und 29) wiedergegebene – Äußerung auf der Fachmesse, die Markteinführung solle „in Kürze“ erfolgen, wobei sich dies ersichtlich (auch) auf den deutschen Markt bezog. Das Ausstellen der angegriffenen Ausführungsform auf der Fachmesse diente somit erkennbar dazu, die zeitnah bevorstehende Markteinführung zu unterstützen, indem sie im Vorfeld bereits Interesse an dem Produkt wecken und Geschäftsabschlüsse ermöglichen sollte.

Aus diesen Gründen handelte es sich nicht – wie die Verfügungsklägerin meint – um eine reine Leistungsschau. Bei der Teilnahme an einer reinen Leistungsschau kann es zwar ausnahmsweise an einem Anbieten im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG fehlen (Senat, BeckRS 2014, 16067 – Sterilcontainer). Die Verfügungsklägerin hat aber bloß pauschal das Vorliegen einer reinen Leistungsschau behauptet, ohne dafür konkrete Tatsachen vorzutragen. Im Gegenteil ergibt sich aus den bereits angeführten, unstreitig gebliebenen Umständen der Präsentation, dass es sich beim Ausstellen der angegriffenen Ausführungsform um ein Anbieten auf einer Fachmesse handelte. Es ist auch nicht recht nachvollziehbar, inwiefern ein Unterschied zur Präsentation auf dem Medizinischen Kongress „F“ am 03.09.2016 bestehen soll, bei der auch die Verfügungsklägerin ohne weiteres von einer Benutzungshandlung ausgeht.

(b)
Es handelte sich auch um ein „Anbieten“ seitens der Verfügungsbeklagten.

Die Verfügungsbeklagte, die der Verfügungsklägerin aus früheren Patentstreitigkeiten in Deutschland bekannt ist, ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der Unternehmensgruppe „G“ und daher für den inländischen Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform zuständig. Überdies war Herr H ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 27.10.2016 (Anlage VP 7, Bl. 81 GA), deren Richtigkeit die Verfügungsklägerin nicht in Abrede gestellt hat, als leitender Angestellter der Verfügungsbeklagten eine der verantwortlichen Personen für den Stand der Unternehmensgruppe auf der Messe. Infolgedessen war er dort als Vertreter der Verfügungsbeklagten tätig und ist ihr auch die – auf Deutschland bezogene – Erklärung auf der Messe, die Markteinführung solle in Kürze erfolgen, zuzurechnen.

(c)
Einem „Anbieten“ steht nicht entgegen, dass – wie die Verfügungsklägerin unwidersprochen vorgetragen und durch die eidesstattlichen Versicherungen D und E vom 14.11.2016 (Anlagen OLS 28 und 29) glaubhaft gemacht hat – die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des Verfügungspatentanspruchs anhand der ausgestellten Ausführungsform nicht festgestellt werden konnte, weil das Innenleben des Kanisters, mithin das Vorhandensein patentgemäßer hydrophober Filter und eines Geruchs-/Dampffilters sowie deren Anordnung und Beschaffenheit gemäß den Merkmalsgruppen 8, 9 und 10 von außen nicht sichtbar war.

Nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG muss dem Angebot seinem Inhalt nach ein Erzeugnis zugrunde liegen, das von der Lehre des Patents Gebrauch macht. Das ist anhand einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu prüfen und nur zu bejahen, wenn diese eine verlässliche Aussage über Gestalt und Beschaffenheit des Erzeugnisses ermöglichen (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte). Zeigt die in Rede stehende Handlung, wie etwa ein Werbeprospekt nicht sämtliche Merkmale des Patentanspruchs, so ist erforderlich, dass aus sonstigen objektiven Umständen zuverlässig auf die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre geschlossen werden kann (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; BGH, GRUR 2005, 665 – Radschützer). Das ist regelmäßig nur gegeben, wenn das fragliche Erzeugnis bereits existiert und den von dem Angebot angesprochenen Verkehrskreisen entweder bekannt oder für diese ermittelbar ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2011 – 2 U 103/06, BeckRS 2012, 08123; OLG Karlsruhe, InstGE 12, 299; Scharen in: Benkard, aaO, § 9 PatG Rn. 42 m. w. N.). Auf die konkreten subjektiven Vorstellungen bestimmter Adressaten kommt es somit nicht an (BGH, GRUR 2005, 665 – Radschützer).

Die vorstehenden Grundsätze gelten indes nur, wenn es, wie bei der bildlichen Darstellung eines Erzeugnisses, an einem unmittelbaren Bezug zu einem körperlichen Gegenstand fehlt (vgl. BGH, GRUR 2005, 665 – Radschützer). Nur in diesem Fall können daher sonstige objektive Gegebenheiten und das Verständnis der Adressaten Bedeutung erlangen. Wird das Erzeugnis ausgestellt oder in anderer Weise „körperlich“ präsentiert, kommt es hingegen auf derartige weitere Umstände nicht an, weil die Gestalt und Beschaffenheit aufgrund seiner gegenständlichen Verkörperung objektiv feststehen und dem Beweis zugänglich sind. Ein auf einer Fachmesse tatsächlich ausgestelltes Erzeugnis ist in diesem Sinne körperlich existent und wird somit gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG angeboten. So war es auch auf dem Kongress I vom 11. bis 13. Mai 2016 in Bremen hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform.

(2)
Die Verfügungsklägerin hat ferner spätestens Ende Juni 2016 positiv festgestellt, dass die angegriffene Ausführungsform das Verfügungspatent verletzt.

(a)
Sie hat zwar durch die eidesstattlichen Versicherungen der Herren J, D und E (Anlagen OLS 26 bis 29) glaubhaft gemacht, dass sie im Mai 2016, d. h. als die angegriffene Ausführungsform im Inland angeboten wurde, noch keine Kenntnis vom Verletzungstatbestand besaß.

Für den Besitz eines Exemplars der angegriffenen Ausführungsform zu diesem Zeitpunkt bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Anhand einer bloßen Inaugenscheinnahme lässt sich eine Verwirklichung sämtlicher Merkmale nicht feststellen, weil die integralen Bestandteile des Kanisters (hydrophober Filter, weiterer hydrophober Filter und Geruchs-/Dampffilter) und ihre konkrete Positionierung nicht von außen sichtbar sind. Daher muss der Kanister zur Feststellung einer Patentverletzung aufgebrochen werden.

(b)
Das erforderliche Wissen hat die Verfügungsklägerin indes spätestens Ende Juni 2016 erlangt, indem sie am 08. bzw. am 13.06.2016 Exemplare der angegriffenen Ausführungsform in Großbritannien erworben und diese unstreitig noch im Laufe desselben Monats untersucht hat. Dabei hat sie mittels Öffnung des Kanisters und durchgeführter Tests mit der angegriffenen Ausführungsform, die in der eidesstattlichen Versicherung von Herrn K (Anlage OLS 15, Übersetzung OLS 16) wiedergegeben sind, eine Verwirklichung sämtlicher Merkmale von Anspruch 1 des Verfügungspatents positiv festgestellt.

(c)
In Verbindung mit der inländischen Benutzungshandlung durch Anbieten im Mai 2016 waren ihr damit seit Ende Juni 2016 sämtliche Umstände bekannt, die eine Patentverletzung begründeten und infolgedessen die erfolgversprechende Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ermöglichten.

Denn die Verfügungsklägerin erlangte zeitnah auch Kenntnis von der Angebotshandlung der Verfügungsbeklagten auf der Fachmesse im Mai 2016. Ihre deutsche Unternehmensgesellschaft C GmbH war dort mit einem eigenen Stand vertreten. Die Mitarbeiter dieser Gesellschaft D und E nahmen dort ausweislich ihrer eidesstattlichen Versicherungen vom 14.11.2016 die angegriffene Ausführungsform in Augenschein und erhielten die Auskunft, dass die Markteinführung in Kürze erfolgen werde (vgl. Anlagen OLS 28 und 29). Die dort gewonnenen Erkenntnisse gaben sie sodann an die Verfügungsklägerin weiter. Letzteres ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung von Herrn L J vom 14.11.2016 (Anlage OLS 26, Übersetzung Anlage OLS 27), indem es dort unter Ziffer 2.2 heißt, dass „M von der Existenz des B Produkts auf verschiedenen Kongressen in Europa zwischen Februar und Mai 2016 wusste“. Diese Erklärung schließt die Fachmesse in Bremen ein, weil sie als Antwort auf fünf eidesstattliche Versicherungen abgegeben wurde, welche die Verfügungsbeklagte mit der erstinstanzlichen Antragserwiderung als Anlagen VP 2-5, 7 vorgelegt hat, wobei sich die eidesstattliche Versicherung von Herrn H vom 27.10.2016 (Anlage VP 7) über den Kongress vom 11. bis 13.05.2016 in Bremen verhielt.

(d)
Die Verfügungsklägerin wendet dagegen vergeblich ein, sie habe nicht wissen können, ob die in Großbritannien erworbenen Exemplare mit der zuvor in Bremen ausgestellten angegriffenen Ausführungsform identisch gewesen seien.

Grundsätzlich ist zwar nicht auszuschließen, dass in verschiedenen Ländern oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten voneinander abweichende technische Ausführungen eines Produkts vertrieben werden. Hier gab es dafür jedoch Ende Juni 2016 auf Grundlage der der Verfügungsklägerin bekannten Tatsachen keinerlei Anhaltspunkt. Die Bezeichnung der beiden Produkte war mit „B“ identisch. Die Verfügungsklägerin erwarb die Exemplare in Großbritannien nur etwa einen Monat nach der Präsentation in Bremen, wobei das Herstellungsdatum des untersuchten Exemplars mit Januar 2016 sogar noch davor lag. Während des somit in Rede stehenden kurzen Zeitraums ist jedoch eine technische Änderung, insbesondere bei einem Produkt, das bald erstmals auf den Markt gebracht werden soll, fernliegend. Das gilt umso mehr, als konstruktive Änderungen die Durchführung eines zweiten CE-Kennzeichen-Prüfverfahrens erfordert hätten und dies nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Verfügungsbeklagten praktisch ausgeschlossen ist. In diesem Sinne hat die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt, nicht von Unterschieden bei den Produkten aus Großbritannien und Deutschland ausgegangen zu sein.

Dies zugrunde gelegt, kann sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe mangels Öffnung des Kanisters des in Bremen ausgestellten Produkts kein sicheres positives Wissen darüber gehabt, weil sie in der Folgezeit das einstweilige Verfügungsverfahren einleitete, ohne anhand einer angegriffenen Ausführungsform aus Deutschland ihre Annahme bestehender Produktidentität zu verifizieren. Grundsätzlich beginnt zwar „die Uhr für den Antragsteller erst zu ticken“, sobald er zuverlässige Kenntnis von sämtlichen Tatsachen erlangt hat, die eine Patentverletzung begründen (siehe oben). Wenn er durch sein eigenes Verhalten zum Ausdruck bringt, dass ihm das bisher vorhandene Wissen für eine Antragstellung genügt, so ist es ihm allerdings verwehrt, ein Zuwarten im Nachhinein damit zu rechtfertigen, seine Kenntnis sei nicht hinreichend zuverlässig gewesen. So ist es hier, da die Verfügungsklägerin im vorliegenden Verfahren den Verletzungsvorwurf nicht etwa auf eine ab September 2016 in Deutschland vertriebene angegriffene Ausführungsform, sondern auf eines der in Großbritannien erworbenen Exemplare und den daran vorgenommenen Untersuchungen stützt. Das ist umso mehr bemerkenswert, als sie auch nicht etwa eines der in Deutschland angebotenen und/oder vertriebenen Exemplare vollständig durch Öffnung des Kanisters untersucht und mit dem zuvor untersuchten Exemplar aus Großbritannien verglichen hat. Wenn sie demzufolge jedoch im Oktober 2016 ohne nähere Überprüfung von Produktidentität ausging und auf dieser Grundlage einen Verfügungsantrag anbrachte, so ist nicht nachvollziehbar, warum ihr Wissen Ende Juni 2016 bezogen auf die in Bremen ausgestellte angegriffene Ausführungsform nicht ausreichend für eine Antragstellung gewesen sein soll. Ihr damaliger Kenntnisstand unterschied sich nicht von demjenigen im Oktober 2016, sondern war gleich. Hatte sie auf dieser Grundlage bei Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens keine Zweifel an einer erfolgversprechenden Rechtsverfolgung, waren theoretisch denkbare Abweichungen zwischen britischen und deutschen Produkten mithin auch schon Ende Juni 2016 kein triftiger Grund, mangels hinreichend zuverlässiger Kenntnis von einer Patentverletzung in Deutschland den Verfügungsantrag noch zurückzustellen.

c)
Die Verfügungsklägerin hätte wegen ihrer hinreichenden Kenntnis von sämtlichen Umständen einer Patentverletzung Ende Juni 2016 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung jedenfalls nicht erst mehr als drei Monate später anbringen dürfen. Indem sie mit der Antragstellung bis zum 10.10.2016 (Eingang bei Gericht) gewartet hat, hat sie ihre Rechte nur zögerlich verfolgt und sich daher dringlichkeitsschädlich verhalten. Die von ihr zur Rechtfertigung der Verzögerung um mehrere Monate angeführten Gründe greifen nicht durch.

(1)
Die Verfügungsklägerin kann nicht damit gehört werden, dass sie davon ausgegangen sei, die Verfügungsbeklagte werde nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des EPA vom 01.06.2017 die Ausgestaltung des Produkts ändern und eine patentfreie Umgehungslösung in Deutschland anbieten und vertreiben.

(a)
Ihr Vorbringen ist bereits aus rechtlichen Gründen problematisch, weil mit dem Ausstellen der angegriffenen Ausführungsform auf der Fachmesse I im Mai 2016 in Bremen eine rechtswidrige Benutzungshandlung im Inland vorlag, die Wiederholungsgefahr im Hinblick auf weitere Angebote und zumindest Erstbegehungsgefahr für die übrigen Benutzungshandlungen, insbesondere ein Inverkehrbringen begründete. Regelmäßig kann die Wiederholungsgefahr indes nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung und die Erstbegehungsgefahr durch ein entgegengesetztes Verhalten (actus contrarius) beseitigt werden (Grabinski/Zülch in: Benkard, aaO, § 139 PatG Rn. 28, 30). Beides ist hier nicht gegeben.

Der Vergleich der Verfügungsklägerin, eine Einspruchsbeschwerdeentscheidung stelle im Hinblick auf das Vorliegen von Erstbegehungsgefahr eine ähnlich einschneidende Zäsur wie die Patenterteilung dar, überzeugt nicht. Handlungen vor der Erteilung eines Schutzrechts sind rechtmäßig und begründen daher als solche noch keine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr, da sich aus ihnen nicht der Schluss ziehen lässt, dass die Benutzung nach Patenterteilung rechtswidrig fortgesetzt werden wird (LG Düsseldorf, InstGE 7, 1 – Sterilisationsverfahren; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Kap. D. Rn. 251). Damit ist die Situation vor und nach einer das Patent aufrechterhaltenden Rechtsbestandsentscheidung nicht vergleichbar. Während Handlungen vor Erteilung des Patents stets rechtmäßig sind, sind Verletzungshandlungen nach dessen Erteilung grundsätzlich rechtswidrig, sofern das Patent in Kraft bleibt, und zwar unabhängig von der Durchführung eines Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens oder der dort ergangenen, das Patent aufrechterhaltenden Entscheidungen. Der entscheidende Unterschied zur von der Verfügungsklägerin herangezogenen Konstellation besteht somit darin, dass das rechtswidrige Anbieten der angegriffenen Ausführungsform im Mai 2016 in Bremen – anders als ein Anbieten vor Patenterteilung – im beschriebenen Umfang Begehungsgefahr begründete. Davon ausgehend stellt die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 01.06.2017 jedoch keine „Zäsur“ dar und ist auch ansonsten nicht geeignet, die einmal entstandene Begehungsgefahr zu beseitigen. Davor und danach vorgenommene Benutzungshandlungen bleiben vielmehr unverändert rechtswidrig, zumal das Verfügungspatent im Wesentlichen aufrechterhalten und nur in geringem, im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform unbedeutendem Umfang geändert worden ist. Die Verfügungsklägerin hätte daher allein auf Grundlage der Angebotshandlung vom Mai 2016 in Bremen erfolgversprechend einen Verfügungsantrag anbringen können.

(b)
Ungeachtet dessen mag es im Einzelfall durchaus so liegen, dass gegen einen Antragsteller, der vor Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zunächst noch abwartet, ob der (vermeintliche) Verletzer auf eine den Rechtsbestand des Patents bestätigende Entscheidung reagiert, indem er das Produkt patentfrei umgestaltet, der Vorwurf einer zögerlichen Rechtsverfolgung nicht erhoben werden kann. Dies lässt sich jedoch im Streitfall nicht feststellen.

(aa)
Auch wenn sämtliche Voraussetzungen einer Patentverletzung gegeben und dem Antragsteller bekannt sind, kann es sich um eine vernünftige, nicht als nachlässiges Vorgehen zu qualifizierende Erwägung handeln, bei einer freiwilligen Rückkehr des Verletzers zu einem rechtstreuen Verhalten von einer gerichtlichen Auseinandersetzung abzusehen. Das ist insbesondere denkbar, wenn – wie hier – Vertriebshandlungen im Inland noch nicht stattgefunden haben und die patentverletzende Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform auf dem Markt bislang nicht bekannt ist.

Dies setzt allerdings voraus, dass der Antragsteller die begründete Erwartung hegt, der Verletzer werde sein Produkt unter Berücksichtigung der das Patent aufrechterhaltenden Rechtsbestandsentscheidung entsprechend abändern, und er zielstrebig die ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreift, um zügig aufzuklären, ob dies tatsächlich auch geschieht. Die Tatsachen, auf die er seine Erwartung stützt, und die ergriffenen Maßnahmen hat er konkret darzulegen und glaubhaft zu machen.

Die bloße Hoffnung, der Antragsgegner werde sich zukünftig rechtstreu verhalten, kann demgegenüber kein ausreichender Grund sein, einen Verfügungsantrag zunächst zu unterlassen und diesen erst zu stellen, nachdem sie sich zerschlagen und sich der Antragsgegner erneut rechtswidrig verhalten hat. Ein solches Vorgehen ist im Gegenteil typisch für einen Patentinhaber, der nicht dringend auf vorläufigen Rechtsschutz angewiesen ist und dem es somit gerade nicht maßgeblich auf eine möglichst zügige Durchsetzung seiner Interessen ankommt.

(bb)
Den geschilderten Anforderungen an ein (möglicherweise) gerechtfertigtes, nicht mit dem Vorwurf der Nachlässigkeit behaftetes Zuwarten genügt das Vorbringen der Verfügungsklägerin nicht.

Dies folgt zunächst daraus, dass sie nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine konkreten Anhaltspunkte hatte, auf die sie im Juni 2016 die Erwartung stützen konnte, die Verfügungsbeklagte werde nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des EPA vom 01.06.2016 keine (weiteren) rechtswidrigen Benutzungshandlungen mehr vornehmen. Die Verfügungsbeklagte hat in keiner Weise verlautbart, das Produkt in Anbetracht der für sie ungünstigen Einspruchsbeschwerdeentscheidung ändern zu wollen. Nachdem bereits die erstinstanzliche Entscheidung der Einspruchsabteilung sie nicht davon abgehalten hat, patentverletzende Produkte anzubieten, war dies auch nicht ohne weiteres zu erwarten. Die Verfügungsklägerin hätte vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass die Verfügungsbeklagte – wie tatsächlich auch geschehen – eine Verletzung des Verfügungspatents durch die angegriffene Ausführungsform bestreitet.

Des Weiteren ist nicht feststellbar, dass die Verfügungsklägerin in dem gebotenen Maße überprüft hat, ob sich die von ihr behauptete Erwartung einer patentfreien Produktumgestaltung durch die Verfügungsbeklagte bewahrheitet. Die Nachfrage von Anfang Juli 2016 bei der deutschen Unternehmensgesellschaft C GmbH, ob das Produkt in Deutschland erhältlich sei, genügte dafür ebenso wenig wie die Anweisungen, durch deren Außendienstmitarbeiter den inländischen Markt zu beobachten sowie die Homepage der Verfügungsbeklagten laufend zu überprüfen. Erforderlich gewesen wären vielmehr intensive und – in Anbetracht der Ankündigung einer baldigen Markteinführung (siehe oben) – zügige Bemühungen ab Anfang Juli 2016, im Inland einer angegriffenen Ausführungsform habhaft zu werden, wobei belegte erfolglose Versuche von Testkäufen ggf. auch zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens hätten dienen können, entgegen der Behauptung der Verfügungsbeklagten sei diese nicht bereits ab Juni 2016 auf dem deutschen Markt erhältlich gewesen, sondern frühestens im September 2016. Insoweit hat die Verfügungsklägerin jedoch lediglich vorgetragen, dass sie den Geschäftsführer der C GmbH angewiesen habe, den Versuch zu unternehmen, in Deutschland – im Wege eines Testkaufs – eine angegriffene Ausführungsform zu erwerben, und dies nicht gelungen sei. Dies genügt nicht den Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag, weil sie nicht konkret dargelegt hat, welche Maßnahmen sie ab Juni 2016 konkret ergriffen hat, um im Inland in den Besitz einer angegriffenen Ausführungsform zu gelangen, und sie erklärtermaßen dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch keine näheren Angaben machen konnte. Zudem hat sie erfolglose Versuche eines Testkaufs nicht glaubhaft gemacht, obwohl die Verfügungsbeklagte ihr Vorbringen in zulässiger Weise gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestritten hat.

Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass sich die Verfügungsklägerin bei ihrem abwartenden Vorgehen nach der Entscheidung vom 01.06.2016 tatsächlich von der behaupteten Erwartung leiten ließ, die Verfügungsbeklagte werde ihr Produkt so umgestalten, dass es nicht mehr in den Schutzbereich des Verfügungspatents fällt. Denn auch nachdem sie im September 2016 Kenntnis vom Inverkehrbringen in Deutschland erlangt hatte, hat sie eine im Inland vertriebene angegriffene Ausführungsform weder im Wege eines Testkaufs erworben noch untersucht. Infolgedessen hat sie indes gar nicht zuverlässig feststellen können, ob das Produkt vor seiner Markteinführung in Deutschland infolge der Rechtsbestandsentscheidung geändert worden ist. Nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie vielmehr allein anhand der Angaben zu einem in der Berliner Charité in Augenschein genommenen Produkt im Benutzerhandbuch für Ärzte (Anlage OLS 11), aus denen sich ergab, dass es sich um die gleiche Version wie bei dem Exemplar aus Großbritannien handelte, eine fehlende Änderung seit Mai/Juni 2016 angenommen. Davon ausgehend ist sie erklärtermaßen mit dem Verfügungsantrag ein Risiko eingegangen, indem sie keine positive Kenntnis darüber besaß, dass die in Deutschland vertriebenen Produkte mit dem im Juni 2016 erworbenen Exemplar aus Großbritannien identisch sind, auf dessen Untersuchung sie den Verletzungsvorwurf im Verfügungsantrag allein gestützt hat. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dem britischen Produkt ausweislich des Herstellungsdatums Januar 2016 um ein „altes“ Produkt handelte, bezog sich dieses Risiko insbesondere auch auf die Frage einer Produktänderung nach der Einspruchsbeschwerdeentscheidung vom 01.06.2016. Deshalb ist aus dem Vorgehen der Verfügungsklägerin zu schließen, dass es ihr für das Begehren um vorläufigen Rechtsschutz tatsächlich nicht auf die konkrete Feststellung ankam, ob die Beklagte nachträglich ihr Produkt ändert, weil sie dies vor Antragstellung überhaupt nicht geprüft hat. Da sie im Oktober 2016 das Risiko der Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf sich nahm, ohne positiv zu wissen, ob das Produkt im Vergleich zum untersuchten („Alt-„) Exemplar unverändert geblieben ist, ist nicht nachvollziehbar, dass sie in der Zwischenzeit von Juli bis September 2016 tatsächlich abgewartet hat, ob die Verfügungsbeklagte das Produkt patentfrei umgestaltet. Schließlich hätte sie bei gleichem Risiko den Verfügungsantrag schon ab Anfang Juli 2016 stellen können.

(2)
Die Verfügungsklägerin macht schließlich vergeblich geltend, dass im September 2016 wesentliche neue Umstände eingetreten seien.

Die Dringlichkeit kann allerdings neu entstehen, wenn die Umstände, wie etwa der Umfang und/oder die Intensität der Verletzungshandlungen, später eine derartige Veränderung erfahren, dass in Bezug auf die Veranlassung zum Einschreiten ein qualitativ anderer Sachverhalt anzunehmen ist (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 01174; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2014, 82 – Qualitätssprung). Das ist etwa bejaht worden, wenn nach einem zunächst nur singulären oder an unscheinbarer Stelle platzierten Angebot zu einem flächendeckenden und/oder prominenten Vertrieb übergegangen wird (Kühnen, aaO, Kap. G Rn. 115) oder wenn nach einem Vertrieb zunächst nur im Ausland ohne konkrete Ankündigung eines Produktvertriebs in Deutschland in einen inländischen Vertrieb eingetreten wird (OLG Köln, Urteil vom 04.04.2003 – 6 U 190/02, BeckRS 2003, 30314866). Eine wesentliche Änderung der Umstände ist nach zutreffender Ansicht, der sich der Senat anschließt, demgegenüber nicht gegeben, wenn das beanstandete Verhalten ernsthaft angedroht war, der Antragsteller den sich aus der Berühmung ergebenden Unterlassungsanspruch wegen Erstbegehungsgefahr längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Antragsgegner sich später tatsächlich in der angedrohten Weise verhält (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2014, 82 – Qualitätssprung; Kühnen, aaO, Kap. G Rn. 115; Köhler in: Köhler/Bornkamm, Kommentar zum UWG, 35. Aufl., § 12 UWG Rn. 3.19 m. w. N.; a. A. OLG München, Mitt. 1999, 223; Berneke/Schüttpelz, 3. Aufl., Rn. 183 m. w. N.). Denn wer keinen Anlass sieht, eine unmittelbar drohende konkrete Gefahr abzuwehren, kann nicht längere Zeit später glaubhaft machen, die Realisierung eben dieser Gefahr sei dringlich (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2014, 82 – Qualitätssprung m. w. N.).

Davon ausgehend haben sich im vorliegenden Fall die Umstände gegenüber Mai/Juni 2016 nicht wesentlich geändert und ist daher im September 2016 keine neue Dringlichkeit entstanden. Der Verfügungsklägerin ist zwar darin Recht zu geben, dass die Verletzungshandlungen umfangreicher und intensiver geworden sind, indem sie sich nicht allein auf eine Präsentation und Bewerbung der angegriffenen Ausführungsform auf Fachmessen beschränkten, sondern diese bestimmten Abnehmern angeboten wurde und überdies ein Vertrieb in Gestalt einer Belieferung des Klinikums Charité in Berlin unmittelbar bevorstand. Diese Verletzungshandlungen haben indes gegenüber dem Sachverhalt, welcher der Verfügungsklägerin bereits im Mai/Juni 2016 bekannt war, deswegen keine neue Qualität, weil sie genau dem entsprachen, was die Verfügungsbeklagte damals schon angekündigt hatte. Angebote gegenüber bestimmten Abnehmern, etwa im Rahmen von Ausschreibungen, und der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland stellen lediglich die Umsetzung der gemäß ihrer Erklärung auf der Fachmesse in Bremen „in Kürze beabsichtigten Markteinführung“ dar. Dabei ist sogar diese Ankündigung für sich betrachtet schon ausreichend und geeignet gewesen, Erstbegehungsgefahr für eine Patentverletzung zu begründen, da mit ihr konkrete Tatsachen vorlagen, aus denen sich greifbar ergab, dass die Gefahr einer Patentverletzung ernstlich drohte und unmittelbar bevorstand (vgl. Voß/Kühnen in: Schulte, PatG mit EPÜ, Kommentar, § 139 Rn. 67 m. w. N.). Die Verfügungsklägerin hätte daher allein auf Grundlage dieser Ankündigung erfolgversprechend einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung anbringen können. Dies zeigt, dass die Umsetzung der Ankündigung dem Sachverhalt keine wesentlich neue Qualität verleiht und sich die Verfügungsklägerin somit dringlichkeitsschädlich verhielt, als sie die tatsächliche Einführung der angegriffenen Ausführungsform auf dem deutschen Markt abwartete.
II.
Im Hinblick auf den Anspruch auf Drittauskunft aus § 140b Abs. 1 und 3 i. V. m. Abs. 7 PatG ist die einstweilige Verfügung abgesehen von einem fehlenden Verfügungsgrund auch deshalb aufzuheben, weil die Verfügungsklägerin sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen hat.

Zur Begründung wird in vollem Umfang auf den Beschluss des Senats in diesem Verfahren vom 06.04.2017 verwiesen. Anhaltspunkte, die zu einer davon abweichenden rechtlichen Beurteilung führen, hat die Verfügungsklägerin nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
III.
Die gemäß § 524 ZPO zulässige Anschlussberufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.
Die Anschlussberufung ist zulässig; entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten fehlt es nicht an der erforderlichen Beschwer.

Eine Beschwer ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Anschlussberufung. Sie kann daher etwa mit dem alleinigen Ziel eingelegt werden, die Klage zu ändern oder zu erweitern (Zöller/Heßler, Kommentar zur ZPO, 31. Aufl., § 524 Rn. 31; Cassardt in Cepl/Voß, aaO, § 524 Rn. 17). Voraussetzung für die Zulässigkeit der Anschlussberufung ist nur, dass eine Abänderung des angefochtenen Urteils zugunsten des Anschlussberufungsführers mindestens möglich ist und sein Begehren über das hinausgeht, was ihm bereits zugesprochen worden ist (BGH, NJW-RR 1988, 185; BGH, MDR 1996, 522). Daher kann Anschlussberufung gegen die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im erstinstanzlichen Urteil (OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 305; Zöller/Heßler, aaO, § 524 Rn. 36) und gegen eine Anordnung nach § 921 ZPO eingelegt werden. Dementsprechend strebt die Verfügungsklägerin mit der Anschlussberufung eine Abänderung der Entscheidung über die weitere Vollziehung der einstweiligen Verfügung zu ihren Gunsten an, indem diese nicht mehr von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden soll.

2.
Die Anschlussberufung ist nicht begründet, da die einstweilige Verfügung vom 10.10.2016 mangels eines Verfügungsgrundes aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, womit die Grundlage für eine Vollziehung, sei es mit oder ohne Sicherheitsleistung, entfällt.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil wird unmittelbar mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 542 Abs. 2 ZPO), so dass es keiner Entscheidung über seine vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird im Einklang mit der nicht angegriffenen Festsetzung des Landgerichts auf 2.500.000,- Euro festgesetzt.