Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2662
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. Juni 2017, Az. 4b O 85/15
I.
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 3. Mai 2016 wird aufrechterhalten.
II.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in englischer Sprache erteilten europäischen Patents EP 2 503 XXX B1 (Anlagen AR 2, AR 2a, im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Ferner macht sie einen Auskunftsanspruch aufgrund von Patentberühmung geltend.
Die Klägerin ist Inhaberin des Klagepatentes, das unter Inanspruchnahme der Priorität der belgischen Schrift BE 20100XXXX vom 26. Januar 2010 am 25. Januar 2011 angemeldet wurde. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 24. Juli 2013 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft und betrifft eine intraokulare Linse.
Anspruch des 1 des Klagepatents lautet:
„An intraocular lens (1) including an anterior surface (4) and a posterior surface (5) and having a substantially anteroposterior optical axis (6) wherein one of these anterior and posterior surfaces (4, 5) includes a first diffractive profile (9) forming at least one first diffractive focal point (11) of order +1 on said optical axis (6), and a second diffractive profile (10) forming a second diffractive focal point (12) of order +1 on said optical axis (6) which is distinct from the first diffractive focal point (11) of order +1,
and characterized in that
at least one portion of said second diffractive profile (10) is superposed on at least one portion of the first diffractive profile (9) so that the order +2 of the second diffractive profile (10) is added to the order +1 of the first diffractive profile (9)”
In deutscher Übersetzung lautet Anspruch 1 des Klagepatents wie folgt:
„Intraokulare Linse, umfassend eine anteriore Oberfläche (4) und eine posteriore Oberfläche (5) und mit einer im Wesentlichen anteroposterioren optischen Achse (6), wobei eine dieser anterioren und posterioren Oberflächen (4, 5) ein erstes Diffraktionsprofil (9) umfasst, dass mindestens einen ersten diffraktiven Brennpunkt (11) der Ordnung +1 auf der optischen Achse (6) bildet, und ein zweites Diffraktionsprofil (10) umfasst, das einen zweiten diffraktilen Brennpunkt (12) der Ordnung +1 auf der optischen Achse (6) bildet, der anders als der erste diffraktile Brennpunkt (11) der Ordnung +1 ist,
und dadurch gekennzeichnet, dass
mindestens ein Teil des zweiten Diffraktionsprofils (10) auf mindestens einem Teil des ersten Diffraktionsprofils (9) überlagert ist, so dass die Ordnung +2 des zweiten Diffraktionsprofils (10) zu der Ordnung +1 des ersten Diffraktionsprofils (9) hinzugefügt wird.“
Nachfolgend werden in leicht verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen abgebildet.
Figur 3 zeigt einen radialen Schnitt der anterioren Fläche der Linse von Figur 1 mit zwei überlagerten Beugungs-Profilen. Figur 4a zeigt ein erstes der zwei Beugungs-Profile von Figur 3.
Nachfolgende Figur 4b zeigt ein zweites der zwei Beugungs-Profile von Figur 3. Figur 5 zeigt die Verteilung des Lichtes auf der optischen Achse der Linse von Figur 1 für eine bestimmte Pupillen-Apertur.
Die Beklagte hat ihren Sitz in A. Sie stellt her und vertreibt Medizinprodukte aus dem Bereich der Ophthalmologie, unter anderem mono- und multifokale Linsen zur Implantation nach Kataraktoperationen. Die Beklagte bietet in Deutschland unter anderem die Multifokallinse B C D (auch als B C D E bezeichnet) in verschiedenen Stärken an (Anlage AR 5; nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Dabei bewirbt sie sie in ihren Werbematerialien mit dem *- Zusatz „Patent Pending Technology“ (Anlage AR 5, S. 3, 4 und 5).
Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die Oberflächenstruktur der angegriffenen Ausführungsform manuell in Versuchen ermittelt worden sei. Sie bestreitet ebenso mit Nichtwissen, dass die vermeintlich von der Beklagten ermittelten Summenkurven Diffraktionsprofile zeigten und dass beide diffraktiven Brennpunkte der Ordnung +1 bei 1,5 Dioptrien lägen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents Gebrauch.
Um zwei diffraktive Brennpunkte der Ordnung +1 vorweisen zu können, müsse die Linse nach den Gesetzen der Optik zwingend über zwei Diffraktionsprofile verfügen. Da die beiden Diffraktionsprofile teilweise überlagert seien, sei von außen betrachtet nur ein(e) einheitliche Oberflächenstruktur/Relief zu erkennen. Der Anspruch verlange weder eine einheitliche Oberflächenstruktur noch, dass diese berechnet werden müsse. Der Begriff des Diffraktionsprofils charakterisiere lediglich die Funktion, einen Brennpunkt der Ordnung +1 zu gewährleisten.
Die Höhe der Stufen des Profils entfalte nur Relevanz für die Lichtverteilung, nicht für die Position der Brennpunkte. Die Position der Brennpunkte eines diffraktiven Profils werde nicht beeinflusst, solange das grundsätzliche Sägezahnmuster aus steilen und flachen Flanken erhalten bleibe.
Die angegriffene Ausführungsform verfüge über drei Brennpunkte für die Fern-, Nah- und Zwischensicht, es handele sich um eine trifokale Linse. Neben dem einen refraktiven Brennpunkt, verfüge sie über zwei diffraktive Brennpunkte der Ordnung +1. Beide diffraktiven Brennpunkte seien voneinander unterscheidbar, weil sie für Intermediär- und Fernsicht genutzt würden.
Die angegriffene Ausführungsform weise ferner einen Brennpunkt der Ordnung +2 auf. Bei Diffraktionsprofilen entstünden zahlreiche Brennpunkte, auch solcher der Ordnung +2 mit unterschiedlicher Intensität, es sei denn die Stufenhöhe werde am Extrempunkt (Stufenhöhe = 1 Wellenlänge Lamda = 4,16 µm) gewählt, wo sämtliches Licht auf Ordnung +1 gelenkt werde. Letzteres treffe bei der angegriffenen Ausführungsform nicht zu, weil sie einen Brennpunkt der Ordnung 0 für die Fernsicht aufweise. Zudem hätten Messungen der Klägerin ergeben, dass die höchste Stufenhöhe lediglich 2,59 µm betrage.
Auch wenn es für die Verletzung nicht darauf ankomme, ob es sich um einen regelmäßigen Pitch handele, weil dieses Erfordernis sich nicht im Anspruch niedergeschlagen habe, weise die angegriffene Ausführungsform eine Regelmäßigkeit der Stufenabstände auf. Bei der angegriffenen Ausführungsform, bei der der verursachte Gangunterschied stets weniger als eine Wellenlänge betrage, spiele die Abweichung durch die Flankenform keine Rolle.
Die Messungen der Klägerin (Anlage AR 14) zeigten, dass beide Profile der angegriffenen Ausführungsformen jeweils einen unterschiedlichen Brennpunkt bei 3,2 Dioptrien und 1,6 Dioptrien hätten und dass sich diese Profile überlagerten und die Ordnung +2 der Ordnung +1 hinzugefügt werde. Der Nachweis durch die Messungen werde ebenfalls durch die mathematische Ermittlung der Brennpunkte bestätigt.
Die Messungen der Beklagten, bei welchem der zentrale Bereich abgedeckt sei, könnten keine akkuraten und relevanten Ergebnisse lieferten. Im Übrigen sei die Simulation der Beklagten nicht richtig, da sie offenbar auf Basis der Messkurve einschließlich aller Messfehler entstanden sei und so zu einem verzerrten Bild führe.
Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte wegen Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunft über die Patentberühmung zu verurteilen. Nach Rücknahme des Antrags auf Vernichtung hat das Landgericht Düsseldorf die Beklagte im schriftlichen Vorverfahren, nachdem die Beklagte nicht ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt hatte, mit Versäumnisurteil vom 3. Mai 2016 gemäß dem nachfolgend wiedergegebenen Tenor verurteilt:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der wiederholten Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollstrecken an dem jeweiligen Vorstand der Beklagten, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland
Intraokularlinsen, umfassend eine anteriore Oberfläche und eine posteriore Oberfläche und mit einer im Wesentlichen anteroposterioren optischen Achse, wobei eine dieser anterioren und posterioren Oberflächen
ein erstes Diffraktionsprofil umfasst, dass mindestens einen ersten diffraktiven Brennpunkt der Ordnung +1 auf der optischen Achse bildet,
und ein zweites Diffraktionsprofil umfasst, das einen zweiten diffraktilen Brennpunkt der Ordnung +1 auf der optischen Achse bildet, der anders als der erste diffraktile Brennpunkt der Ordnung +1 ist,
anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen, zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen und/oder anbieten, in Verkehr bringen, gebrauchen, zu diesen Zwecken einführen oder besitzen zu lassen,
bei denen mindestens ein Teil des zweiten Diffraktionsprofils auf mindestens einem Teil des ersten Diffraktionsprofils überlagert ist, so dass die Ordnung +2 des zweiten Diffraktionsprofils zu der Ordnung +1 des ersten Diffraktionsprofils hinzugefügt wird;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 24.07.2013 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei
zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
die Angaben in Form eines einheitlichen chronologisch geordneten Verzeichnisses zu machen sind, das auch jeweils die Summe der Mengen und die Summe der gezahlten Preise aufweist;
3. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 24.08.2013 begangen hat, und zwar unter Angabe
a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn berechtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;
4. die unter Ziffer 1. bezeichneten, seit dem 24.07.2013 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 03.05.2016) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 24.08.2013 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, auf welche Patente bzw. welche Patentanmeldungen sich die Patentberühmung „Patent Pending Technology“ als Sternchenhinweis zu dem Produkt „C D“ in der Fußnote auf Seite 3, 4 und 5 der Werbematerialien zu dem Produkt „B C D“ bezieht, die derzeit z.B. über den Link http://www.F.com/XXXXX abgerufen werden können, wobei die Auskunftsverpflichtung die Mitteilung der Aktenzeichen der entsprechenden Schutzrechte umfasst sowie, sofern es sich um noch nicht offengelegte Anmeldungen handelt, die Mitteilung der Anmelde- und Prioritätsdaten.
Die Einspruchsfrist ist im Versäumnisurteil auf drei Wochen festgesetzt worden. Das Versäumnisurteil ist am 6. Mai 2016 zum Zwecke der Zustellung an die Beklagte bei der Post aufgegeben worden. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. Juni 2016, bei Gericht am gleichen Tag vorab per Fax eingegangen, Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
das Versäumnisurteil vom 3. Mai 2016 aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 3. Mai 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht.
Das klagepatentgemäße Diffraktionsprofil, welches einen Brennpunkt der Ordnung +1 aufweise, sei ein im Querschnitt sägezahnförmiges Profil, bei welchem periodisch angeordnete Zähne an die Wellenlänge des Lichts angepasst seien. Das zweite Diffraktionsprofil habe die halbe Periodizität des ersten Diffraktionsprofils. Dies führe zu einer regelmäßigen Oberflächenstruktur.
Die angegriffene Ausführungsform weise indes kein solches erstes und zweites Diffraktionsprofil auf. Dementsprechend komme es auch nicht zu einer Überlagerung. Vielmehr seien – wie in der US-Patentschrift 5,178,636 offenbart – bei einer bekannten Fresnel-Linse mit einem diffraktiven Brennpunkt manuell die Höhe der Zähne sowie der Abstand der Zähne verändert und überprüft worden, bis das gewünschte Ergebnis – die angegriffene Ausführungsform – erreicht worden sei. Die angegriffene Ausführungsform verfüge über unregelmäßige Abstände zwischen Erhöhungen und unterschiedliche Höhen der Erhöhungen und erhalte so eine unregelmäßige Ober-flächenstruktur.
Die Oberflächenstruktur lasse sich nicht als zwei Profile im Sinne des Klagepatents darstellen. Aus dem Versuch einer Darstellung durch Summenkurven resultierten lediglich zwei angenäherte Pseudoprofile. Beide Brennprofile stellten Brennpunkte der Ordnung +1 dar und seien voneinander nicht zu unterscheiden. Es finde ebenfalls keine Überlagerung statt und keine Hinzufügung der Ordnung +2 eines zweiten Pseudoprofils zu der Ordnung +1 des ersten Pseudoprofils. Zwischen den Brennpunkten, welche das Oberflächenprofil der angegriffenen Ausführungsform bewirke, sei ein Rauschen messbar, in welchem mögliche Brennpunkte höherer Ordnung aufgehen würden, gäbe es sie denn.
Die Beklagte habe Messungen durchgeführt (vgl. Anlage B 13), die belegen würden, dass die angegriffene Ausführungsform über kein einheitliches Sägezahnprofil in gleichmäßigem Abstand verfüge. Vielmehr verfüge die angegriffene Ausführungsform über eine Struktur mit jeweils zwei Spitzen. Es existiere kein einheitlicher Pitch, sondern die einzelnen Erhebungen folgten mal in einem größeren, mal in einem kleineren Abstand. Die Simulation der Lichtverteilung zeige eine Konzentration von Licht bei der trifokalen Linse zwischen 21,75 und 23,75 Diopter.
Die Klägerin berechne die Stufenhöhe in der Triplik falsch, indem sie die Indizes von Luft anstatt von Wasser verwende. In den von den Beklagten herangezogenen Simulationen lägen alle Stufenhöhen unter der relevanten Stufenhöhe von 4,16 µm, die anhand des Verhältnisses der Brechungsindices von Luft zu Wasser heranzuziehen seien.
Um diffraktive und damit klagepatentgemäße Eigenschaften zu erfüllen, komme es auch auf die Flankenform, die Höhe und den genauen Abstand der Perioden an. Die innere Struktur der Periode sei für die Position der diffraktiven Brennpunkte ohne Bedeutung, wohl aber für die Verteilung der Lichtintensität auf die verschiedenen diffraktiven Brennpunkte. Starke Brennpunkte entstünden durch bestimmte Flankenstrukturen. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei die Flankenform so moduliert, dass die Flanken nicht mehr durch gerade Linien sondern durch spezifische Kurven gebildet würden. Außerdem sei jeder zweite Peak verschoben, was zu einer Halbierung des Pitch des Ausgangsprofils führe. Beide Veränderungen an der angegriffenen Ausführungsform führten zu einer Veränderungen der Lichtverteilung auf die beiden diffraktiven Brennpunkte der Ordnung +1 und +2. Die Menge an Lichtenergie an einem Brennpunkt bestimme nicht dessen Ordnung, nur seine relative Entfernung von den Perioden sei ausschlaggebend.
Zu einem bestimmten Profil gehöre ein bestimmter Brennpunkt abhängig nur von der Periode.
Die mathematischen Ermittlungen der Klägerin beruhten auf der falschen Voraussetzung, dass eine Periode nur aus einem Peak bestehe, sie bestehe bei der angegriffenen Ausführungsform aber aus 2 Peaks. Die Berechnungen seien nicht auf Brennpunkte bezogen, da die Klägerin ignoriert, dass nur mehrere Stufen gemeinsam das Licht auf einen Bereich beugen. Ein einzelner Zacken auf dem Profil könne keinen Brennpunkt bilden.
Schließlich beziehe sich die Werbeaussage nicht auf den deutschen Markt, sondern sei eine international verwendete Darstellung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2017 genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Durch den Einspruch ist der Prozess in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Eintritt der (vermeintlichen) Säumnis befand (vgl. § 342 ZPO).
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 3. Mai 2016 ist statthaft. Die unzutreffende Annahme der Säumnis der Beklagten steht einem Einspruch nicht entgegen. Der Einspruch stellt den allein statthaften Rechtsbehelf dar (vgl. BGH, NJW 1994, 665 m.w.N.). Es handelt sich bei dem Versäumnisurteil der Kammer um ein echtes Versäumnisurteil, wobei unerheblich ist, dass es gesetzwidrig erlassen wurde (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1985, 1034).
Der Einspruch erfolgte auch form- und fristgerecht.
B.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht nach Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 PatG, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Sie hat ebenfalls einen Anspruch auf Auskunft gem. § 146 PatG gegen die Beklagte.
I.
Das Klagepatent betrifft eine Intraokularlinse. Das Klagepatent beschreibt zunächst bekannte Ausführungen der Intraokularlinse: die Brechungslinse (refraktive Linse), die Beugungslinse (diffraktive Linse) und die Kombination aus beiden, die sog. Brechungs-Beugungslinse. Die Brechungslinse konvergiert Licht durch Brechung zu einem Brennpunkt auf der optischen Achse. Die Beugungslinse erzeugt ein Beugungsmuster, das pro Beugungsordnung einen Brennpunkt auf der optischen Achse erzeugt.
Durch altersbedingte Schwächung der Ziliarmuskulatur, die eine Anpassung des Auges für die Fern- oder Nahsicht gestattet, kann eben jene Adaptionsfähigkeit verloren gehen. Das Klagepatent erläutert, dass verschiedene Arten von bi- oder multifokalen Brechungsintraokularlinsen im Stand der Technik bekannt seien, diesem Problem gerecht zu werden. Diese Linsen verfügen über eine variable Brechkraft und somit über verschiedene Brennpunkte für den Nah- und Fernbereich. Zwei oder mehr Brennpunkte führen zu zwei oder mehreren optische Stärken. Die Brechkraft dieser Linsen nimmt üblicherweise von der Mitte der Linse in Richtung auf den Außenrand ab. Hierbei wird der Umstand ausgenutzt, das in Situationen, in denen Nahsicht benötigt wird, beispielsweise beim Lesen, normalerweise eine hohe Lichtstärke vorliegt, was laut dem Klagepatent dazu führt, dass sich die Iris schließt, wodurch der äußere Teil der Linse verdeckt wird und nur der innen liegende Bereich verbleibt, der die höchste Brechkraft hat. Alternativ kann die intraokulare Brechungslinse ein asphärisches Profil aufweisen, um eine sphärische Aberration der Cornea zu korrigieren.
Das Klagepatent kritisiert an diesen Linsen, dass ihr Effekt stark von der Größe der Pupille abhänge. Aufgrund der mehreren Brennpunkte liefern sie nur einen verringerten Kontrast und können, insbesondere bei Fernsicht, Halos mit verringerter Luminösität bilden. Als eine Alternative hierzu beschreibt das Klagepatent eine aus dem Stand der Technik bekannte Brechungs-Beugungs-Linse. Diese Linsen stellen typischerweise einen refraktiven optischen Brennpunkt nullter Ordnung für die Fernsicht und mindestens einen diffraktiven Brennpunkt erster Ordnung für die Nahsicht bereit. Bekannt sind bereits weitere Linsen, die das Licht im Wesentlichen zu gleichen Teilen zwischen diesen beiden Brennpunkten aufteilen. Ebenfalls bekannt sind schließlich Linsen, die eine asymmetrische Verteilung des Lichtes vornehmen – mehr Licht in Richtung auf den Brennpunkt für die Fernsicht als auf denjenigen für die Nahsicht –, damit für die Fernsicht der Kontrast verbessert und die Ausbildung von Halos verringert wird. Schließlich ist aus der Schrift „History and development of the apodized diffractive intraocular lens“ von J.A. Davison und M.J. Simpson (J. Cataract Refract. Surg.Vol. 32, 2006, pp.849 – 858, doi: 10.1016/j.jcrs.2006.02.006) eine Brechungs-Beugungs-Intraokularlinse bekannt, bei der das Beugungs-Profil apodisiert ist, mit einer Amplitude, die in der Richtung abnimmt, die von der optischen Achse in Richtung auf einen äußeren Rand der Linse verläuft. Diese Linse gestattet auf diese Art eine Variation der Verteilung des Lichtes zwischen den Brennpunkten für Fernsicht und Nahsicht entsprechend der Apertur der Pupille. An den vorbekannten Bre-chungs-Beugungs-Intraokularlinsen kritisiert das Klagepatent, dass sie nahezu rein bifokal sind mit einem Zwischenraum zwischen dem Brennpunkt für die Fernsicht und dem Brennpunkt für die Nahsicht, so dass sie für die mittlere Sicht unkomfortabel sein können.
Vorbekannt sind auch multifunktionale Brechungs-Beugungs-Linsen. So zeigt die WO 94/11765 eine solche Linse mit mindestens einem mittleren Brennpunkt. Laut Klagepatent gestattet die Linse jedoch nur eine im Wesentlichen gleiche Verteilung des Lichtes zwischen den drei Brennpunkten, unabhängig von der Pupillenapertur. Die in der WO 20007/092949 vorgeschlagene Intraokularlinse verfügt über eine Mehrzahl von diffraktiven Profilen, wobei jedes Profil einen unterschiedlichen Brennpunkt der Ordnung +1 aufweist. Die unterschiedlichen Profile sind auf konzentrischen Bereichen angeordnet. Die Verteilung des Lichtes zwischen den Brennpunkten hängt daher stark von der Pupillengröße ab, wie dies auch bei den refraktiven multifokalen Linsen der Fall ist.
Die aus der Schrift EP-A-0375291 bekannte diffraktive Intraokularlinse verfügt über ein erstes und zweites Beugungsprofil, wobei jedes Beugungsprofil einen anderen Brennpunkt aufweist.
An allen diesen multifokalen Beugungs- und Brechungs-Beugungs-Intraokularlinsen kritisiert das Klagepatent als nachteilig, dass ein erheblicher Anteil des Lichts in Richtung auf nicht verwendbare Brennpunkte mit einer Ordnung von größer als 1 verloren geht.
Das Klagepatent stellt sich daher unter anderem die Aufgabe, eine Intraokularlinse zur Verfügung zu stellen, die zwei nützliche Beugungs-Brennpunkte hat, mit einer Verteilung des Lichtes zwischen diesen beiden Brennpunkten, die nicht notwendigerweise von der Pupillengröße abhängt. Eine weitere Aufgabe besteht darin, eine multifokale Intraokularlinse anzugeben. Als dritte Aufgabe formuliert das Klagepatent, die Lichtverluste aufgrund der Beugungsordnungen größer als +1 zu begrenzen.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent den Anspruch 1 mit folgenden Merkmalen vor:
1.
Die Intraokulare Linse umfasst eine anteriore Oberfläche und eine posteriore Oberfläche und hat eine im Wesentlichen anteroposteriore optische Achse.
1.1.
Eine dieser anterioren und posterioren Oberflächen umfasst ein erstes Diffraktionsprofil, das mindestens einen ersten diffraktiven Brennpunkt der Ordnung +1 auf der optischen Achse bildet.
1.2.
Eine dieser anterioren und posterioren Oberflächen umfasst ein zweites Diffraktionsprofil, das einen zweiten diffraktilen Brennpunkt (12) der Ordnung +1 auf der optischen Achse bildet.
1.2.1
Der zweite Brennpunkt der Ordnung +1 ist anders als der erste diffraktile Brennpunkt der Ordnung +1.
2.
Mindestens ein Teil des zweiten Diffraktionsprofils
2.1
ist auf mindestens einem Teil des ersten Diffraktionsprofils überlagert,
2.2
so dass die Ordnung +2 des zweiten Diffraktionsprofils zu der Ordnung +1 des ersten Diffraktionsprofils hinzugefügt wird.
II.
Angesichts des Streits der Parteien bedürfen die Begriffe des ersten und zweiten Diffraktionsprofils (Merkmale 1.1, 1.2; nachfolgend unter 1.) sowie der Überlagerung von Teilen dieser Profile, die dazu führt, dass die Ordnung +2 des zweiten Diffraktionsprofils zu der Ordnung +1 des ersten Diffraktionsprofils hinzugefügt wird (Merkmalsgruppe 2; nachfolgend unter 2.), der Erläuterung.
1.
Das Klagepatent versteht unter einem ersten und zweiten Diffraktionsprofil eine bestimmte Oberflächenstruktur der Intraokularlinse, die in der Lage ist, einen ersten und zweiten Brennpunkt der Ordnung + 1 auf der optischen Achse zu bilden. Die Oberflächenstruktur wird weiter durch eine Addition von Teilen beider Profile beschrieben (Merkmalsgruppe 2).
Nach dem Wortlaut des Anspruchs umfasst die anteriore oder die posteriore Oberfläche die Diffraktionsprofile. Dies bedeutet, dass eine der Oberflächen eine bestimmte Struktur aufweist. Dabei legt sich der Anspruch – worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat – bei der Beschreibung des zweiten Diffraktionsprofils nicht auf eine bestimmte Fläche fest, sondern spricht auch dort allgemein von einer dieser anterioren und posterioren Oberfläche, aus der die Linse besteht. Eine solche diffraktive Linse beugt das Licht und führt so zu einer Aufspaltung des Lichts in ein sog. Beugungsmuster, das pro Beugungsordnung einen Brennpunkt auf der optischen Achse erzeugt (vgl. Absatz [0002] des Klagepatents; nachfolgend sind Absatzangaben ohne Zusatz solche des Klagepatents). Das Klagepatent unterscheidet zwischen diffraktiven Brennpunkten der Ordnung +1 und +2 (vgl. Absätze [0007], [0010]) sowie zwischen mehreren diffraktiven Profilen (vgl. Absatz [0013]), die bereits aus dem Stand der Technik bekannt sind. Dem Fachmann ist ebenfalls bekannt, dass sich diffraktive Profile durch sog. Stufen auszeichnen, die in bestimmten Abständen in der Oberfläche der Linse angeordnet sind.
Allgemein führt das Klagepatent zum Diffraktionsprofil aus, dass der Anteil des Lichts, der in Richtung auf die Beugungspunkte der Ordnung +1 gerichtet wird, von der Amplitude des Beugungs-Profils abhängt (vgl. Absatz [0022]). Als Beispiel nennt das Klagepatent an dieser Stelle, dass bei einer Amplitude des Beugungs-Profils von einer Wellenlänge das gesamte Licht in Richtung auf die diffraktiven Brennpunkte gerichtet wird. Dem Klagepatent lässt sich in seiner allgemeinen Beschreibung ebenfalls entnehmen, dass es Brennpunkte der Ordnung +1 als nützliche Beugungs-Brennpunkte ansieht (vgl. Absatz [0014]). So sieht das Klagepatent es gerade in Abgrenzung zum Stand der Technik als nachteilig an, dass ein erheblicher Anteil des Lichts in Richtung auf nicht verwendbare Brennpunkte mit einer Ordnung von größer als 1 verloren gehen (Absatz [0013]). Erhalten werden sollen zwei unterschiedliche, nützliche Beugungs-Brennpunkte der Ordnung +1, welche die Lichtverluste aufgrund der Beugungsordnungen größer als +1 begrenzen (vgl. Absatz [0019]). Dem Klagepatent kommt es auf eine optimierte Verteilung des Lichtes zwischen zwei Brennpunkten der Ordnung +1 an, bei der möglichst wenige Lichtverluste eintreten (vgl. Absätze [0014], [0019]). Eine solche ist in den Ausführungsbeispielen mit dem Relief 8 in Figur 3 gezeigt (vgl. Absatz [0036], wo das Klagepatent von großen und kleinen Sägezähnen spricht). Mit einer Änderung der Stufenhöhe verändert sich also die Lichtintensität im Brennpunkt. Die Parteien stimmen insoweit überein, dass die innere Struktur der Stufenabfolge für die Position der diffraktiven Brennpunkte ohne Bedeutung ist, wohl aber für die Verteilung der Lichtintensität auf die verschiedenen diffraktiven Brennpunkte. Wenn eine Stufe einen Gangunterschied einer Wellenlänge darstellt – die das Klagepatent mit der Wellenlänge Lamda = 550 nm annimmt, weil bei dieser Wellenlänge das Auge die größte Empfindlichkeit aufweist –, so wird das komplette Licht auf den diffraktiven Brennpunkt der Ordnung +1 ausgelenkt (vgl. Anlagen AR 13; Übersetzung, S 853 f.). Dies korrespondiert mit Absatz [0022] des Klagepatents, in dem es heißt, dass bei einer Brechungs-Beugungslinse mit einer Amplitude des Beugungsprofils von einer Wellenlänge das gesamte Licht in Richtung auf die diffraktiven Brennpunkte gerichtet ist. Bei Halbierung der Stufenhöhe steht demnach nur ca. 41 % der Wellenlänge des Lichts für den Brennpunkt der Ordnung +1 zur Verfügung. Der Klagepatentanspruch macht dabei keinerlei Vorgaben für die Höhe der Stufe. Die Absätze [0031] und [0033] stellen eine Grundform des Profils mit steilen Stufen und gekrümmten Flächen dar, wie sie in den Figuren 4a und 4b abgebildet sind. Dabei handelt es sich um ein Ausführungsbeispiel. Insbesondere muss nach dem Anspruch die dort gezeigte Form des Sägezahns nicht zwingend exakt eingehalten werden.
Von der Stufenhöhe zu unterscheiden sind der Stufenabstand bzw. die Positionen der Stufen zueinander. Mit dem Stufenabstand verändert sich die Brennweite und damit der Brennpunkt. Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass es für die ausreichende Fokussierung des Lichts mehrerer Stufen bedarf. Bei der Anordnung der Stufen ist daher eine gewisse Periodizität nötig, weil durch eine Stufe allein noch kein Brennpunkt geschaffen wird. Das in Figur 3 beschriebene Ausführungsbeispiel stellt dabei ein Idealprofil dar. Vom Anspruch erfasst sind jedoch auch solche Profile, die eine gewisse Gleichmäßigkeit aufweisen, aber nicht einen immer exakt linearen Abstand einhalten. Verschiebungen der Stufenabstände/-positionen, die auf die diffraktive Wirkung keinen relevanten Einfluss haben, sind vom Anspruch umfasst. Es liegt dann kein diffraktives Profil im Sinne des Klagepatents mehr vor, wenn die Abstände so unregelmäßig sind, dass kein Brennpunkt der Ordnung +1 mehr entsteht. Der Brennpunkt ist der Fokuspunkt einer relevanten Lichtmenge, die für eine bestimmte Sehschärfe verwertbar ist. Ein Brennpunkt der Ordnung +1 kann demnach nicht mehr angenommen werden, wenn der Anteil des Lichts, der fokussiert wird, nicht ausreicht, um für die Intermediär- und/oder Nahsicht verwendet zu werden (vgl. Absatz [0017]). Höhere Anforderungen stellt der Anspruch an das Diffraktionsprofil nicht. Die Zahl der Gangunterschiede – also die Stufenposition – bestimmt, ob es sich um einen Brennpunkt der Ordnung +1 oder einen Brennpunkt der Ordnung +2 handelt. Die Stufenposition, an der ein Gangunterschied einer Wellenlänge produziert wird, führt zum Brennpunkt der Ordnung +1. Durch eine leichte Verschiebung der Stufenposition wird die konstruktive Interferenz des Lichts nicht beeinträchtigt. Auch an einer leicht verschobenen Stufe findet eine Lichtbeugung statt, die nicht das gesamte Interferenzmuster ändert. Der Anspruch erfasst vielmehr jede Periodizität des Profils, wie auch immer sie im Einzelnen ausgestaltet ist, solange sie dazu geeignet ist, das Licht auf einen Brennpunkt der Ordnung +1 zu beugen.
2.
Die Merkmalsgruppe 2 erfordert, dass mindestens ein Teil des zweiten Diffraktionsprofils mindestens einen Teil des ersten Diffraktionsprofils überlagert, so dass die Ordnung +2 des zweiten Diffraktionsprofils zu der Ordnung +1 des ersten Diffraktionsprofils hinzugefügt wird.
Funktional führt die Überlagerung der beiden Diffraktionsprofile dazu, dass bei Erhalt von zwei Brennpunkten der Ordnung + 1 die Lichtverluste aufgrund der Beugungsordnungen größer als +1 begrenzt werden (vgl. Absatz [0019]), wenn der Brennpunkt der Ordnung +2 des 2. Beugungsmusters mit dem der Ordnung +1 des ersten Musters zusammenfällt.
Beide Beugungs-Profile bilden weiterhin unterschiedliche Brennpunkte der Ordnung +1 (Absatz [0016]). Der Brennpunkt der Ordnung + 1 – der nach dem Klagepatent für die Nahsicht sein kann (Absätze [0017], [0019]) – des ersten Beugungs-Profils fällt jedoch im Wesentlichen mit einem durch das zweite Beugungs-Profil gebildeten Brennpunkt der Ordnung +2 zusammen (vgl. Merkmal 2.2; Absatz [0019]). Somit ist das Licht, welches zum Brennpunkt höherer Ordnung gerichtet ist – der Ordnung +2 – nicht verloren, sondern es wird verwendet, um den Brennpunkt der Ordnung +1 des ersten Beugungsprofils für die Nahsicht zu verstärken. Auf diese Weise wird laut dem Klagepatent der Vorteil einer asymmetrischen Verteilung des Lichts zugunsten des Brennpunkts für die Nahsicht erhalten (vgl. Absatz [0020]).
Die Überlagerung der beiden Profile ist in den Ausführungsbeispielen des Klagepatents als teilweise Addition der Profile beschrieben, die zu einem Relief führt. In Figur 3 ist ein Relief auf der anterioren Fläche 4 dargestellt. Das Relief ist gebildet durch die Überlagerung eines ersten Beugungs-Profils 9, das in Figur 4a gezeigt ist, und eines zweiten Beugungs-Profils 10, das in der Figur 4b gezeigt ist (vgl. Absatz [0030]). Das Relief erzeugt ein komplexes Beugungsbild, mit einem ersten diffraktiven Brennpunkt 11 der Ordnung +1, der dem ersten Beugungsprofil 9 entspricht, und einem zweiten diffraktiven Brennpunkt 11 der Ordnung +1, der dem zweiten Beugungs-Profil 10 entspricht, auf der optischen Achse 6. Der erste diffraktive Brennpunkt 11 der Ordnung +1 ist ein Brennpunkt für die Nahsicht, während der zweite diffraktive Brennpunkt 12 der Ordnung +1 ein Brennpunkt der mittleren Sicht ist (vgl. Absatz [0030]). In Absatz [0036] erläutert das Klagepatent, dass das Relief, das aus dieser Überlagerung resultiert, näherungsweise an die Formel H(r) = H1(r) + H2(r) angepasst ist. In dem Ausführungsbeispiel ist F2 = 2 F1. Daher hat das zweite Beugungs-Profil 10 eine räumliche Frequenz, die die Hälfte derjenigen des ersten Beugungsprofils 9 beträgt. Das Relief 8 hat große Sägezähne 12, die sich aus der Addition einer Stufe des ersten Profils 9 und einer Stufe des zweiten Profils 10 ergeben, und die sich mit kleinen Sägezähnen 14 abwechseln, die jeder zweiten Stufe des ersten Profils 9 entsprechen. Ferner bildet das zweite Profil 10 auf diese Weise ein Beugungs-Profil, dessen Ordnung +2 mit dem Brennpunkt 11 der Ordnung +1 des ersten Profils 9 übereinstimmt. Auf diese Weise kann ein Teil des Lichts, welches ansonsten verloren wäre, hier für die Unterstützung der Nahsicht verwendet werden (vgl. Absatz [0036]). Das Ausführungsbeispiel zeigt eine mögliche Überlagerung der Beugungsprofile, worauf der Anspruch hingegen nicht beschränkt ist. Dies wird auch nochmals in Absatz [0043] klargestellt, wonach auch alternative Ausführungsformen mit unterschiedlichen Verhältnissen zwischen den räumlichen Perioden und Abständen der beiden überlagerten Beugungs-Profile erfasst werden. Weiter können diese Beugungsprofile auch lediglich auf einem Teil der anterioren oder posterioren Fläche der Linse überlagert sein. Letzteres folgt bereits aus dem Anspruchswortlaut, der explizit nur die Überlagerung von mindestens einem Teil der beiden unterschiedlichen Diffraktionsprofile fordert (Merkmale 2, 2.1).
III.
Gemäß diesen Auslegungsgrundsätzen macht die angegriffene Ausführungsform von der klagepatentgemäßen Lehre Gebrauch.
1.
Die angegriffene Ausführungsform macht unstreitig von der Merkmalsgruppe 1 Gebrauch, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen. So besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass die relevante Stufenhöhe von 4,16 µm, die der Wellenlänge 1 Lamda = 550 nm entspricht, bei der angegriffenen Ausführungsform nicht überschritten wird. Bereits aus diesem Grund kann nicht jegliches Licht auf einen einzelnen Brennpunkt fallen und die angegriffene Ausführungsform sich in monofokaler Art verhalten (vgl. Anlage AR 13, S. 854).
2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht jedoch auch die Merkmal 1.1, 1.2. und 1.2.1.
Ausweislich der Anlage AR 5, S. 4 beschreibt die Beklagte die angegriffene Ausführungsform unter der Überschrift „Innovative Diffraction“ und erklärt ihre Wirkungsweise unter der Bezeichnung „diffractive multifocal IOLs“. Sie verfügt jedenfalls über Diffraktionsprofile.
Aufgrund der Messungen der Klägerin (Anlage AR 14) sowie der Messungen der Beklagten (Anlage B 13) lässt sich feststellen dass es sich um Diffraktionsprofile im Sinne der Merkmale 1.1. bis 1.2.1. handelt.
Unerheblich für die Verletzung ist zunächst, ob die Beklagte die Oberflächenstruktur berechnet oder durch Versuche ermittelt hat. Bei dem hier geltend gemachten Anspruch handelt es sich um einen Erzeugnisanspruch. Solange die angegriffene Ausführungsform über zwei Diffraktionsprofile mit unterschiedlichen Brennpunkten der Ordnung +1 verfügt, macht sie von den Merkmalen des Klagepatents Gebrauch.
Angesichts obiger Auslegung führt es aus der Verletzung nicht heraus, dass die Oberflächenstruktur der angegriffenen Ausführungsform nicht genau die in dem Ausführungsbeispiel des Klagepatents gezeigte Periodizität aufweist. Aus den Messungen bzw. Simulationsergebnissen der Klägerin ergibt sich, dass sich das gemessene Profil der angegriffenen Ausführungsform in die simulierten Profile 1 und 2 zerlegen lässt, wie nachfolgend die leicht verkleinerte Darstellung aus der Triplik zeigt:
Beide simulierten Einzelprofile weisen eine gewisse Periodizität auf. Profil 1 weist einen Nahsicht-Brennpunkt der Ordnung +1 bei 3,2 Dioptrien auf. Profil 2 verfügt über einen Intermediärsicht-Brennpunkt der Ordnung + 1 bei 1,6 Dioptrien. Insofern liegen zwei verschiedene Brennpunkte der Ordnung +1 vor.
Sofern die Beklagte die Richtigkeit dieser Messungen bestreitet, verfängt dies schon deshalb nicht, weil ihre eigenen Messungen vergleichbare Ergebnisse zeigen. Nachfolgend sind die Messungen der angegriffenen Ausführungsform von Prof. G und Herrn H in leicht verkleinerter Darstellung der Anlage B 13, Figur 6, linke Seite abgebildet.
Das gemessene Profil lässt sich in einer vereinfachten Darstellung in zwei simulierte Einzelprofile zerlegen, wie sie auf der Eingabe 2 der Beklagten aus der mündlichen Verhandlung auf der letzten Seite, nachfolgend leicht verkleinert abgebildet, gezeigt sind.
Profil 1 und 2 stellen die Einzelprofile dar. Das Einzelprofil 2 lässt weniger steile Flanken und damit ebenfalls flachere Bereiche erkennen. Einzelprofil 1 weist Spitzen auf. Auch hier ist eine unterschiedliche Periodizität erkennbar. Einzelprofil 1 zeigt eine leichte Verschiebung jeder zweiten Spitze („peak“). Diese Verschiebung führt nach obiger Auslegung indes nicht dazu, dass der Brennpunkt der Ordnung +1 an eine andere Stelle rückt. Die Verschiebung der einzelnen Stufe wirkt sich nicht so stark aus, dass sich das gesamte Interferenzmuster ändert. Denn das Licht, das durch die Stufe 2, 4 und 6 etc. gebeugt wird, ist ebenso Teil des Lichts, das durch die Stufen 1, 3 und 5 etc. gebeugt wird. Die Beeinträchtigung, die von der Verschiebung ausgeht, ist angesichts der Gesamtlänge des Lichts nur minimal. Entgegen der Ansicht der Beklagten wirken sich auch die steilere Flankenform sowie die unterschiedliche Höhe nicht auf die Bestimmung des Brennpunktes aus, sondern nur auf die Lichtintensität/den Anteil des Lichts, der auf den Brennpunkt der Ordnung +1 entfällt. Die gezeigten Einzelprofile lassen eine Lichtkonzentration bei etwa 1,65 Dioptrien und bei ca. 3,3 Dioptrien erkennen. Dabei handelt es sich um verschiedene Brennpunkte der Ordnung +1 (Merkmal 1.2.1). Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der Lichtkonzentration des Profils 1 bei ca. 3,3 Dioptrien nicht um den Brennpunkt der Ordnung +2, sondern um einen zweiten diffraktiven Brennpunkt der Ordnung +1. Denn nach obiger Auslegung bleibt die zweite Spitze im Profil 1 bei der Bestimmung des Brennpunkts nicht außer Betracht, sondern ist zu berücksichtigen. Die Verschiebung bewirkt jedoch keine Verschiebung des Brennpunkts der Ordnung +1 und lässt ihn nicht zu einem Brennpunkt der Ordnung +2 werden. Letzterer ist vielmehr erst bei zwei Gangunterschieden anzunehmen. Die Verschiebung wirkt sich wie ausgeführt auf das gesamte Lichtmuster nicht nennenswert aus. So entfällt immer noch genügend Lichtkonzentration auf einen Fokuspunkt, um sie für die Intermediärsicht zu verwenden. Mithin liegt trotz anderer Höhe und anderer Position der Stufen des zweiten Diffraktionsprofils ein zweiter Brennpunkt der Ordnung +1 vor. Bestätigt wird dies ebenfalls durch die optischen Messungen des addierten Profils in Figur 8 und 9 bei Pupillenöffnungen von 3,75 mm und 4,5 mm, bei denen vor Schwärzung der Linse, eine deutliche Lichtverteilung an drei Stellen der optischen Achse zu sehen ist. Für die Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre genügt, dass die Linse vor der Schwärzung jedenfalls die erfindungsgemäßen Eigenschaften aufweist. Schließlich bestätigen diese Ergebnisse letztlich auch die Werbeaussagen der Beklagten, die ebenfalls drei deutliche Lichtverteilungen, insbesondere für Intermediär und Nahsicht, erkennen lassen (vgl. AR 5, Seite 4).
Abschließend verfängt auch der Einwand der Beklagte nicht, die Zahlen der Klägerin seien nicht belastbar, weil sie in Luft gemessen hat. Die Klägerin hat ausweislich der Anlage AR 14 die Stufenhöhe anhand des refraktiven Index des Umgebungsmediums Wasser berechnet und legt die unstreitige Zahl von 4,16 µm zugrunde. Auf die theoretischen Vergleiche mit Profilen anderer Stufenhöhen kommt es nach obiger Auslegung hingegen nicht an.
Da die Kammer bereits in der Lage ist, die Verletzung der Merkmalsgruppe 1 anhand der Messungen und Simulationen der Parteien festzustellen, kann dahinstehen, ob eine rein mathematische Ermittlung zu dem gleichen Ergebnis führen würde.
3.
Wie sich bereits aus den Ausführungen zu Merkmalsgruppe 1 ergibt, überlagern sich beide Diffraktionsprofile der angegriffenen Ausführungsform (Merkmale 2, 2. 1). Dass bei der Addition die Ordnung +2 der Ordnung +1 des ersten Diffraktionsprofils hinzugefügt wird, ergibt sich ebenfalls aus den Messungen bzw. Simulationsergebnissen der Parteien. Soweit die Beklagte die Richtigkeit der Messungen der Klägerin bestreitet, wendet sie sich lediglich gegen die Richtigkeit der Bezeichnungen der einzelnen Brennpunkte. Dies ist angesichts der obigen Auslegung hingegen unbeachtlich. Die Beklagte bestreitet gerade nicht, dass das zweite Diffraktionsprofil I profile 2 einen Brennpunkt der Ordnung +2 aufweist. Bestätigt wird dies auch durch ihre eigenen Simulationen (vgl. Anlage 2 der Beklagten aus der mündlichen Verhandlung, letzte Seite), in denen ebenso ein Brennpunkt der Ordnung +2 des Profils 2 durch deutliche Lichtakkumulation erkennbar ist, der sich an gleicher Stelle (3,3 D) wie der Brennpunkt der Ordnung +1 des Profils 1 befindet. Letzterer wird nach obiger Auslegung nur fälschlich mit 2nd anstatt 1st bezeichnet. Dies korrespondiert nicht zuletzt mit den allgemeinen Ausführungen der Beklagten in ihrer Werbebroschüre (Anlage AR5, AR5a, S. 4, rechte Spalte). So hebt die Beklagte hervor, dass der Erfolg der optischen Leistung von einer optimalen Diffraktionseffizienz abhängt und ihre einzigartigen Diffraktionszonen das Licht spalten, ohne Kompromisse hinsichtlich des Verlustes von Licht machen zu müssen. Gerade bei letzterem handelt es sich um den Vorteil, den das Klagepatent in den Absätzen [0020] und [0036] anspricht.
4.
Den wechselseitig gestellten Anträgen auf einen Schriftsatznachlass war nicht zu entsprechen. Den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 8. Mai 2017 ist der Beklagten jedenfalls per E-Mail am gleichen Tage und somit innerhalb der Wochenfrist des § 132 Abs. 1 ZPO zugegangen. Die Beklagte hat darauf im Termin mit dem Schriftsatz vom 16. Mai 2017 sowie mündlich Stellung genommen. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 16. Mai 2017 hatte auch die Klägerin Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. Entscheidend ist, dass der Kernpunkt des Streits der Parteien die Auslegung des Klagepatents und somit eine Rechtsfrage und keine (neuen) Tatsachenfragen betrifft.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 19. Mai 2017 und der Klägerin vom 12. Juni 2017 haben bei der Urteilsfindung keine Berücksichtigung gefunden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht veranlasst, §§ 156, 296a ZPO. Dies schon deshalb nicht, weil eine Verschiebung jeder zweiten Spitze solange unbeachtlich ist wie eine relevante Lichtmenge für eine bestimmte Sehschärfe (Brennpunkt) zur Verfügung steht. Dies ist wie gesehen bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.
III.
Die Verletzung des Klagepatents führt zu den nachstehenden Rechtsfolgen.
1)
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Unterlassung nach § 139 Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ gegen die Beklagte.
2)
Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 139 Abs. 1 und 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ, weil die Beklagte die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
3)
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
4)
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen, die vor Ende der Laufzeit des Klagepatents in die Vertriebswege gelangt sind, da die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform die klagepatentgemäße Erfindung im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG benutzte, ohne dazu berechtigt zu sein, § 140a Abs. 3 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ. Der Rückrufanspruch wird wegen seines zum Teil anderen Sinn- und Zwecks und Wortlauts im Vergleich zum Vernichtungsanspruch auch gegen im Ausland ansässige Verletzer zugesprochen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2014, Az. I-2 U 75/13). Für die Unverhältnismäßigkeit des Anspruchs bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte.
IV.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Auskunftsanspruch gem. § 146 PatG im bereits tenorierten Umfang.
Die Klägerin hat als Wettbewerberin ein berechtigtes Interesse zu erfahren, ob und welche Schutzrechte angeblich mit der angegriffenen Ausführungsform assoziiert sind. Der Einwand der Beklagten, die Aussage „Patent Pending Technology“ beziehe sich nicht auf den deutschen Markt, sondern sei eine international verwendete Darstellung, verfängt nicht. Eine international verwendete Darstellung ist ebenso für den deutschen Markt bestimmt. Bei der gewählten Formulierung kann der Abnehmer jedenfalls nicht ohne weiteres ausschließen, dass gegebenenfalls auch deutsche Schutzrechte erfasst werden. Hinsichtlich des Umfangs des Anspruchs bestehen keine Bedenken. Auch die Anmeldedaten sollten bei noch nicht offengelegten Patentanmeldungen erfasst werden, da der Anspruch neben der Vorbereitung von Ansprüchen aus unlauterem Wettbewerb auch dem Interesse dienen kann, die eigene Entwicklungstätigkeit so auszurichten, dass zukünftige patentrechtliche Ausei-nandersetzungen vermieden werden (vgl. BeckOK, PatR/Kircher, 4. Ed., § 146 Rn. 4).
V.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 95 ZPO. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Beklagte im Grundsatz nicht die Mehrkosten der Säumnis zu tragen hat, weil das Versäumnisurteil vom 03. Mai 2016 nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist (§ 344 ZPO). Auf die Begründung des Beschlusses der Kammer vom 29. Juli 2016 wird insoweit verwiesen. Da diese Kosten aber auch nicht der Klägerin nach § 91 ZPO aufzuerlegen sind, weil sie in der Sache obsiegt und die Säumnis ebenso wenig zu vertreten hat wie den Erlass des nicht gesetzmäßigen Versäumnisurteils, hat die Beklagte die Kosten der Säumnis mangels anderweitiger Regelung nach § 95 ZPO zu tragen (vgl. Nastansky, MDR 2017, 128 ff.).
VI.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.
VII.
Der Streitwert wird auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.