4b O 37/17 – Dentalprothesenelementsatz

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2682

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 04. August 2017, Az. 4b O 37/17

I.

Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen, Dritten in der Bundesrepublik Deutschland
eine Software, geeignet für ein System zur Herstellung einer dentalen Prothese oder eines Elementesatzes zur Verwendung bei der Herstellung einer dentalen Prothese, insbesondere einer Krone, einer Brücke, eines Inlays oder eines Onlays, umfassend: ein Gerüst und ein oder mehrere Modellteile zur Definition von Teilen der Außenkontur einer Verblendung für das Gerüst wobei das oder die Modellteile auf das Gerüst so aufsetzbar sind, dass gleichzeitig (i) zwischen dem oder den Modellteilen und dem Gerüst ein Spalt verbleibt und (ii) das oder die Modellteile Teile der Außenkontur definieren,
wobei das oder die Modellteile bei einer Temperatur ausschmelzbar oder verbrennbar sind, bei der das Gerüst stabil ist,
wobei das Gerüst und das bzw. die mehreren Modellteile so ausgestaltet sind, dass zwischen ihnen zumindest abschnittsweise ein Spalt mit einer Dicke im Bereich von 0,05 bis 3 mm vorliegt, wenn das bzw. die Modellteile in vorgesehener Weise die Außenkontur der dentalen Prothese definieren,
umfassend
ein Vorbestimmungsmittel zum Vorbestimmen dreidimensionaler Geometriedaten eines Gerüstes und eines oder mehrerer Modellteile zur Definition von Teilen der Außenkontur einer Verblendung für das Gerüst und gegebenenfalls eines Gießkanals,
wobei das oder die Modellteile auf das Gerüst so aufsetzbar sind, dass gleichzeitig (i) zwischen dem oder den Modellteilen und dem Gerüst ein Spalt verbleibt und (ii) das oder die Modellteile Teile der Außenkontur definieren,
wobei das Gerüst und das bzw. die mehreren Modellteile so gestaltet sind, dass zwischen ihnen ein Spalt mit einer Dicke im Bereich von 0,05 bis 3mm vorliegt, wenn das bzw. die Modellteile in vorgesehener Weise die Außenkontur der dentalen Prothese definieren,
ein Gerüstherstellungsmittel zur Herstellung des oder der Modellteile auf Basis der dreidimensionalen Geometriedaten und
ein Modellteileherstellungsmittel zur Herstellung des oder der Modellteile auf Basis der dreidimensionalen Geometriedaten
zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern,
– ohne im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Software „A“ bzw. „A™ B“, nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des europäischen Patents EP 2 046 XXX B1 mit einem System zur Herstellung einer dentalen Prothese oder eines Elementesatzes zur Verwendung bei der Herstellung einer dentalen Prothese, insbesondere einer Krone, einer Brücke, eines Inlays oder eines Onlays, verwendet werden darf,
– im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Klägerin als Patentinhaberin zu zahlenden Vertragsstrafe von € 5.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch € 1.000,00 pro Software, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Software nicht ohne Zustimmung der Patentinhaberin für ein System zur Herstellung einer dentalen Prothese oder eines Elementesatzes zur Verwendung bei der Herstellung einer dentalen Prothese, insbesondere einer Krone, einer Brücke, eines Inlays oder eines Onlays, das mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet ist, zu verwenden.

2.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten und geordneten Aufstellung, hinsichtlich der Angaben a) und b) unter Vorlage von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, hilfsweise Quittungen, darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie die in vorstehender Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 5. November 2011 begangen hat, und zwar unter Angabe
a)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -Zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet- Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in vorstehender Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 5. November 2011 entstanden ist und noch entstehen wird.

II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 90% und die Klägerin zu 10% zu tragen.

IV.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 500.000,00 vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 046XXX B1 (Anlage KB 3; nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Die Klägerin ist Inhaberin des Klagepatents, das am 16. Mai 2007 angemeldet wurde und die Priorität der Schrift DE 10200603XXXX vom 19. November 2006 in Anspruch nimmt. Die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 5. Oktober 2011. Unter dem 19. Dezember 2016 erhob die Beklagte Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht, über die bislang noch nicht entschieden ist. Das Klagepatent steht in Kraft.
Das Klagepatent betrifft unter anderem einen Elementesatz zur Herstellung einer dentalen Prothese sowie ein System zur Herstellung einer dentalen Prothese oder eines Elementesatzes.
Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren auf den Systemanspruch 14, der wiederum rückbezogen ist auf Anspruch 1 des Klagepatents.
Die Ansprüche 1 und 14 des Klagepatents lauten wie folgt:
Anspruch 1:
„Elementesatz zur Verwendung bei der Herstellung einer dentalen Prothese (20), insbesondere einer Krone, einer Brücke, eines Inlays oder eines Onlays, umfassend:
– ein Gerüst (3) und
– ein oder mehrere Modellteile (5) zur Definition von Teilen der Außenkontur einer Verblendung (15) für das Gerüst (3)
wobei das oder die Modellteile (5) auf das Gerüst (3) so aufsetzbar sind, dass gleichzeitig
(i) zwischen dem oder den Modellteilen (5) und dem Gerüst (3) ein Spalt (7) verbleibt und
(ii) das oder die Modellteile (5) Teile der Außenkontur definieren,
wobei das oder die Modellteile (5) bei einer Temperatur ausschmelzbar oder verbrennbar sind, bei der das Gerüst stabil ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Gerüst und das bzw. die mehreren Modellteile so ausgestaltet sind, dass zwischen ihnen zumindest abschnittsweise ein Spalt mit einer Dicke im Be-reich von 0,05 bis 3 mm vorliegt, wenn das bzw. die Modellteile in vorgesehe-ner Weise die Außenkontur der dentalen Prothese definieren.“

Anspruch 14:
„System zur Herstellung einer dentalen Prothese (20) oder eines Elementesatzes nach einem der Ansprüche 1 bis 6, umfassend
– ein Vorbestimmungsmittel zum Vorbestimmen dreidimensionaler Geometriedaten eines Gerüstes (3) und eines oder mehrerer Modellteile (5) zur Definition von Teilen der Außenkontur einer Verblendung (15) für das Gerüst und gegebenenfalls eines Gießkanals (19)
wobei das oder die Modellteile (5) auf das Gerüst (3) so aufsetzbar sind, dass gleichzeitig (i) zwischen dem oder den Modellteilen (5) und dem Gerüst (3) ein Spalt (7) verbleibt und (ii) das oder die Modellteile (5) Teile der Außenkontur definieren,
wobei das Gerüst und das bzw. die mehreren Modellteile so gestaltet sind, dass zwischen ihnen ein Spalt mit einer Dicke im Bereich von 0,05 bis 3 mm vorliegt, wenn das bzw. die Modellteile in vorgesehener Weise die Außenkontur der dentalen Prothese definieren,
– ein Gerüstherstellungsmittel zur Herstellung des oder der Modellteile auf Basis der dreidimensionalen Geometriedaten und
– ein Modellteileherstellungsmittel zur Herstellung des oder der Modellteile (5) auf Basis der dreidimensionalen Geometriedaten.“

Die Beklagte bietet auf der in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite www.C.com unter anderem eine Software namens „A“ bzw. „A™ B“ an, die über die Funktion „D“ und „E D“ verfügt (vgl. Anlagen KB 13, 13; nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform ist ein CAD/CAM-System, das unter anderem CAD-Modellierung und 3D-Scannen erlaubt und in Zahntechniklaboren eingesetzt wird.
In der Zahntechnik wird das vom Arzt erstellte Gipsmodell des Patientengebisses mittels 3D-Scanner eingescannt und die Daten auf einen Computer übermittelt, auf dem eine entsprechende Software installiert ist, die in der Lage ist, ein Modell der benötigten Zahnprothese auf Grundlage des eingescannten Modells des Gebisses zu erstellen. Eine solche Software stellt die angegriffene Ausführungsform dar. Mit Hilfe der angegriffenen Ausführungsform erstellt der Zahntechniker ein exaktes virtuelles Modell der gewünschten dentalen Prothese. Die Materialien, aus denen das physische Modell hergestellt werde, stellt die angegriffene Ausführungsform im Auslieferungszustand nicht zur Verfügung. Wenn der Kunde seinen Computer mit der kostenpflichtigen Zusatzsoftware „F“ ausstattet, ist es ihm möglich, den Computer mit einem 3D-Drucker zu verbinden, der die CAD-Daten empfängt, verarbeitet, in ein Herstellungsformat umwandelt und auf dieser Basis ein Dentalprodukt oder Teile davon herstellt.
Bei den Abnehmern handelt es sich zum einen um größere industrielle Fertigungszentren mit angestellten Zahntechnikern, welche die entsprechenden Geräte zur Herstellung dentaler Prothesen vorhalten, zum anderen um Zahntechnikerlabore, die die notwendigen Geräte nicht vor Ort haben.
Die Parteien sind Vertriebspartner. Die Beklagte liefert die angegriffene Ausführungsform teilweise auch an die Klägerin zum Weitervertrieb an den Endkunden. Die Klägerin verkauft Materialien zur Herstellung des physischen Modells der Prothese, wie z.B. das Material zur Herstellung der Verblendung („G“). Daneben vertreibt die Klägerin die angegriffene Ausführungsform in sogenannten offenen und sogenannten geschlossenen Systemen. In den offenen Systemen können neben den Materialien der Klägerin auch Materialien anderer Anbieter mittels der Funktionalität „H“ in die Software eingepflegt und ausgewählt werden. In den geschlossenen Systemen können nur die Materialien der Klägerin verwendet werden. In diesem Fall sind die Geometriedaten, die von der Software ausgegeben werden, verschlüsselt und können nur von der Klägerin gelesen und genutzt werden.

Die Klägerin ist der Ansicht, der klagepatentgemäße Spalt gleiche funktional Fertigungstoleranzen aus. Der Spalt sei so bemessen, dass er größer ausfalle als mögliche Ungenauigkeiten bei der Anfertigung von Gerüst und Verblendung. Dadurch sei es möglich, das Modell der Verblendung unmittelbar auf das Gerüst aufzubringen. Eines erneuten Einscannens des Gerüstes bedürfe es nicht. Dies beschleunige den Herstellungsvorgang insgesamt. Opakerschicht und Gerüst seien verschiedene Elemente, wie Unteranspruch 3 zeige.
Die Klägerin ist ferner der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform stelle ein Mittel dar, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehe. Die Beklagte biete sie ohne Zustimmung der Klägerin an. Die angegriffene Ausführungsform sehe eine Option vor, mit der man die klagepatentgemäßen Elementensätze konstruieren könne. Ob die angegriffene Ausführungsform daneben andere Optionen vorsehe, sei für die Frage der mittelbaren Verletzung des Klagepatents unerheblich. Die Funktionalität der angegriffenen Ausführungsform sei insbesondere unabhängig von den Materialien, die der jeweilige Benutzer nur bei der Herstellung verwende, gegeben.
Insbesondere sei die angegriffene Ausführungsform in der Lage, das virtuelle Modell der Prothese so zu gestalten, dass ein Spalt zwischen dem Gerüst und der Verblendung verbleibe. So sei ein Abstand (Liner/Opaquer (Spacer)) in einer Breite von 20 mm auswählbar. Die so hergestellten Modellteile wiesen selbstverständlich den gleichen Abstand zum Gerüst auf, wenn sie auf dieses aufgesetzt würden. Die produzierten Modellteile und das Gerüst wiesen dieselben Abmessungen auf. Die Dicke der Opakerschicht könne nie exakt vorherbestimmt werden, deswegen würde der Spalt (Spacer) vorgesehen.
In ihrer Produktbeschreibung der angegriffenen Ausführungsform weise die Beklagte zudem ausdrücklich auf die Möglichkeit der klagepatentgemäßen Nutzung hin.
Ein Schlechthinverbot sei angemessen, weil die Beklagte durch eine Umprogrammierung bzw. ein Update die streitgegenständlichen Funktionen entfernen könnte, ohne dass dadurch andere patentfreie Funktionen beeinträchtigt würden.

Nachdem die Klägerin die zunächst angekündigten Anträge auf Rückruf und Vernichtung zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr,
wie erkannt mit Ausnahme der Einschränkung des Schlechthinverbotes.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbestand des Klagepatents auszusetzen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Die Klägerin habe bereits seit dem Jahr 2007 Kenntnis von der Überpressen-Funktion der angegriffenen Ausführungsform gehabt.
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der überwiegende Anteil der Abnehmer Fertigungszentren seien.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass aus dem Stand der Technik bereits das Vorsehen eines Spaltes gebildet durch eine Opakerschicht zwischen Gerüst und Verblendung bekannt sei. Sowohl das virtuelle Modell als auch das physische Modell müssten zwischen Gerüst und Verblendung einen Spalt aufweisen. Der Spalt verbleibe tatsächlich nicht, sondern werde entweder mit Opaker oder mit einem Adhäsiv ausgefüllt. Er müsse zusätzlich zum Opaker oder Adhäsiv vorhanden sein. Entscheidend sei, dass zwischen dem Gerüst und dem Modell der Verblendung im Planungsstadium sowie in der tatsächlichen, physikalischen Ausführung ein Spalt mit einer bestimmten Dicke verbleibe.
Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform nicht in der Lage ist, physische Modelle herzustellen. Die auswählbare Dicke der Opakerschicht sei kein Spalt im Sinne des Klagepatents. Opaker ebenso wie der Liner seien fest auf dem Gerüst aufgebracht und somit dessen integraler Bestandteil. Die beschriebene Funktion diene dazu die Schichtdicke der Opakerschicht oder Linerschicht zu definieren. Es bedürfe keines Sicherheitszuschlags, da die Opakerschicht sehr präzise aufgetragen werden könne. Außerdem stünde dem Anwender offen, die Schicht nachzubearbeiten oder das Gerüst nach dem Auftragen der Opakerschicht erneut zu scannen. So erlaube die angegriffene Ausführungsform die Opakerschicht und die Linerschicht in einer Dicke zu definieren, die auf 0,001 mm genau angegeben werde. Nach dem Vortrag der Klägerin trete ein etwaiger Spalt nicht vorbestimmt, sondern nur zufällig auf. Darüber hinaus verwirkliche auch die seit 2014 vorhandene Funktion des zusätzlichen Opakerabstandes nicht die klagepatentgemäße Lehre. Damit könne nur die Schichtdicke der Opakerschicht zum Rand hin ausgelaufen werden lassen, um die Passform zu verbessern. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Zementspalt, da in einem solchen Falle nicht die Überpressenfunktion zum Einsatz komme.
Weiter sei die angegriffene Ausführungsform nicht subjektiv dazu bestimmt, für die klagepatentgemäße Lehre verwendet zu werden. Die angegriffene Ausführungsform ermögliche es dem Anwender neben vielen anderen Funktionen, ein virtuelles Modell einer dentalen Prothese zu erstellen, wobei offen bleibe, mit welchem Verfahren der Anwender dann die physikalische Prothese letztlich herstelle. Das Arbeitsergebnis der angegriffenen Ausführungsform könne auch für andere Zwecke als das beanspruchte Verfahren verwendet werden, z.B. könne kein physikalisches Modell der Verblendung hergestellt werden oder solche Modelle, in denen die Modellteile der Verblendung nicht schmelzbar oder verbrennbar seien.
Es sei völlig offen, weshalb auf Seiten der Abnehmer der Beklagten die angegriffene Ausführungsform zu dem beanspruchten System mit einem Vorgabemittel, einem Gerüstvorbereitungsmittel, einem Modellerzeugungsmittel und einem Füllungsmittel kombiniert werden sollte.
Da die angegriffene Ausführungsform auch patentfrei einsetzbar sei, sei ein Schlechthinverbot unangemessen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und weit überwiegend begründet. Ein Anlass, den Rechtsstreit nach § 148 ZPO auszusetzen, besteht nicht.
Mit dem Angebot und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzen die Beklagten das Klagepatent mittelbar, Art. 64 Abs. 1, 3 EPÜ i. V. m. § 10 PatG. Sie sind den Klägerinnen deshalb zur Unterlassung, Auskunft sowie Rechnungslegung und zum Schadensersatz verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 10, 139 Abs.1 und 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB.

I.
Das Klagepatent betrifft ein System und ein Verfahren zum Erzeugen einer dentalen Prothese. Aus dem Stand der Technik sind dentale Prothesen bekannt, die beschädigte oder zerstörte Zähne nachbilden und aus Metall oder Glaskeramik hergestellt sind. Das Klagepatent erläutert, dass die besten ästhetischen Effekte erzielt werden, wenn man ein keramisches bzw. metallisches Gerüst mit einer Verblendung versieht. Das Gerüst bestimmt die wesentlichen mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Biegesteifigkeit, während die optischen Eigenschaften und die allgemeine Oberflächeneigenschaften der dentalen Prothese durch die Verblendung eingestellt werden. Vielfach – so das Klagepatent – wird das Verblendmaterial manuell, z.B. mit dem Pinsel, in verschiedenen Schichten auf das Gerüst aufgetragen. Das Klagepatent kritisiert dieses Aufbringen als zeitaufwändig und sieht einen weiteren Nachteil in dem Umstand, dass das Ergebnis abhängig von der (Kunst-)Fertigkeit des Bearbeiters von unterschiedlicher Qualität sein kann.
Das Klagepatent würdigt diverse Schriften, die sich mit Herstellungsverfahren beschäftigen und beschreibt deren Vor- und Nachteile.
Die DE 27 05 770 A1 schlägt vor, die Verblendung mittels einer Elektrophorese auf das Gerüst aufzutragen, wobei laut dem Klagepatent ein manuelles Nacharbeiten unverzichtbar bleibt.
Die US 5,092,022 sieht die Herstellung von Gerüst und Verblendung in einem Verfahren vor, bei dem die Außenkontur des Gehäuses und die Innenkontur der Verblendung standardisiert sind und nur die Innenkontur des Gerüstes und die Außenkontur der Verblendung mittels abtragenden Formens an den Einsatzzweck angepasst werden. Das Klagepatent kritisiert hier, dass standardisierte Formen sich oft nur schwierig an die speziellen Gegebenheiten des Einzelfalles anpassen. Bei maschinellem Bearbeiten müssen die Fertigungstoleranzen sehr gering sein, was nur mit entsprechend hohem Aufwand möglich ist. Bei Gussformen aus zwei Bestandteilen, wie sie in der US 5,092, 022 verwendet werden, können zudem Gießfehler auftreten, die eine erweiterte Nachbearbeitung notwendig machen.
Weiter ist bekannt, manuell ein Wachsmodell eines Verblendkeramikaufbaus zu modellieren, das Modell zusammen mit dem Gerüst einzubetten, das Wachsmodell anschließend auszubrennen und die so erzeugte Form z.B. mit einer Presskeramik aufzufüllen und so die Prothese zu fertigen. Dieses sog. „lost-wax“- Verfahren wird in der DE 199 29 441 A1 zur Herstellung vollanatomisch modellierter Kronen oder teilanatomisch modellierter Gerüste verwendet. Auch die Schriften EP 0 033 492 A1 und WO 03/017864 greifen auf diese Art von Verfahren zurück. Jedoch zeigen diese Dokumente nur die Herstellung einteiliger Prothesen, nicht aber eine Prothese bestehend aus einem Gerüst und einer Verblendung.
Die DE 199 22 870 A1 zeigt demgegenüber ein Verfahren zur Herstellung einer dentalen Prothese mit einem Gerüst und einer Verblendung. Das manuelle Auftragen von Verblendmaterial wird durch ein computerunterstütztes, automatisiertes Auftragen unter Einsatz von Beschichtungsdüsen ersetzt. Das Klagepatent kritisiert hieran, dass ein komplexer Vorrichtungsaufbau einen sinnvollen Einsatz in der Praxis verhindert.
Schließlich nennt die Klagepatentschrift die WO 2005/046502 A1, die ein System und eine Anordnung zur Herstellung einer Zahnersatzkomponente beschreibt. Diese Schrift offenbart ein Verfahren, bei dem eine Wachsform in eine Einbettmasse eingebettet und anschließend ausgebrannt wird. Als Ergebnis des Verfahrens resultiert eine dentale Krone, welche aus zwei Schichten besteht, wobei eine erste Schicht aus Porzellanmaterial besteht und eine Außenform der dentalen Krone wiedergibt und wobei eine zweite Schicht aus einem Material besteht und eine Kappe bildet, deren innere Oberfläche der Außenfläche zum Beispiel eines Zahnstumpfes entspricht.
Aus der DE 81 20 0687 ist ein aus einer rückstandslos ausschmelzbaren und/oder verbrennbaren Wachsmischung oder einem entsprechenden Kunststoff bestehender Körper zum Erstellen eines Gießmodells einer Zahnkrone bekannt. Dieser Körper ist vorgeformt und wird im Mundraum an die jeweilige Zahnsituation angepasst. Zur Reduzierung des Materialeinsatzes wird der Abstand zwischen einer Innenwand des Körpers zum Stumpf durch Überlegungen bestimmt, die aus der Beanspruchung des Körpers resultieren. Gemäß DE 81 20 687 wird eine Edelmetallzahnkrone mit dem Körper als Gussmodell hergestellt. Beim Aufsetzen der Krone wird der Spalt zwischen der Krone und dem Stumpf mit Zement verfüllt.
Die EP 1 661 529 offenbart eine Kombination aus einem Modellteil in Form eines Wachsmusters einer Krone und einem Gerüst in Form einer Substruktur, die mit einer Opakerschicht versehen ist. Das Wachsmuster der Krone wird mittels Rapid Prototyping auf der Basis eines elektronischen Modells hergestellt, welches auf ein elektronisches Modell der mit der Opakerschicht versehenen Substruktur aufsetzt. Die Kombination aus der mit einer Opakerschicht versehenen Substruktur und dem darauf aufgepressten Wachsmuster der Krone wird anschließend in eine mit einem Gießkanal versehene Einbettungsmasse eingebracht, das Wachs wird ausgebrannt und ein keramisches oder anderes Dentalmaterial eingepresst. So wird eine zweiteilige Dentalrestauration aus Substruktur und Krone erhalten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, Elementensätze zur Verwendung bei der Herstellung einer dentalen Prothese, ein Verfahren zur Herstellung einer dentalen Prothese sowie Systeme zur Herstellung einer dentalen Prothese oder eines erfindungsgemäßen Elementesatzes anzugeben, welche in einfacher Weise die Herstellung einer dentalen Prothese mit einem Gerüst und einer Verblendung ermöglichen. Die Erfindung sollte dabei insbesondere auch auf Gerüste anwendbar sein, welche Unterschneidungen aufweisen und/oder mit einer Opakerschicht versehen werden.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein System nach Anspruch 14 mit folgenden Merkmalen vor:

1.
System zur Herstellung einer dentalen Prothese oder eines Elementesatzes zur Verwendung bei der Herstellung einer dentalen Prothese, insbesondere einer Krone, einer Brücke, eines Inlays oder eines Onlays,
2.
Der Elementesatz umfasst:
2.1
ein Gerüst und ein oder mehrere Modellteile zur Definition von Teilen der Außen-kontur einer Verblendung für das Gerüst
2.2
Das oder die Modellteile sind auf das Gerüst so aufsetzbar, dass gleichzeitig
(i) zwischen dem oder den Modellteilen und dem Gerüst ein Spalt verbleibt und
(ii) das oder die Modellteile Teile der Außenkontur definieren.
2.3
Das oder die Modellteile sind bei einer Temperatur ausschmelzbar oder verbrennbar, bei der das Gerüst stabil ist.
2.4
Das Gerüst und das bzw. die mehreren Modellteile sind so ausgestaltet, dass zwischen ihnen zumindest abschnittsweise ein Spalt mit einer Dicke im Bereich von 0,05 bis 3 mm vorliegt, wenn das bzw. die Modellteile in vorgesehener Weise die Außenkontur der dentalen Prothese definieren.

3.
Das System umfasst
3.1
ein Vorbestimmungsmittel zum Vorbestimmen dreidimensionaler Geometriedaten eines Gerüstes und eines oder mehrerer Modellteile zur Definition von Teilen der Außenkontur einer Verblendung für das Gerüst und gegebenenfalls eines Gießkanals;

3.1.1
das oder die Modellteile sind so auf das Gerüst aufsetzbar, dass gleichzeitig
(i) zwischen dem oder den Modellteilen und dem Gerüst ein Spalt verbleibt und
(ii) das oder die Modellteile Teile der Außenkontur definieren.
3.1.2
Das Gerüst und das bzw. die mehreren Modellteile sind so gestaltet, dass zwischen ihnen ein Spalt mit einer Dicke im Bereich von 0,05 bis 3 mm vorliegt, wenn das bzw. die Modellteile in vorgesehener Weise die Außenkontur der dentalen Prothese definieren;
3.2
das System umfasst weiter ein Gerüstherstellungsmittel zur Herstellung des oder der Modellteile auf Basis der dreidimensionalen Geometriedaten und
3.3
ein Modellteileherstellungsmittel zur Herstellung des oder der Modellteile auf Basis der dreidimensionalen Geometriedaten.

II.
Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf der Begriff des Spalts näherer Erläuterung.
In diesem Zusammenhang ist zunächst von Bedeutung, dass das Klagepatent ein System beansprucht, dass lediglich geeignet sein muss, Elementesätze mit Gerüst und Modellteilen anhand von Geometriedaten vorzubestimmen und so herzustellen, dass ein erfindungsgemäßer Spalt besteht. Der Elementesatz selbst ist nicht Gegenstand des Anspruchs. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Merkmals 1 („System zur Herstellung […]) und der Merkmalsgruppe 3, das als Systembestandteile unter anderem das Vorbestimmungsmittel (Merkmal 3.1) nennt. Das Vorbestimmungsmittel ist wiederum geeignet, dreidimensionale Daten von Modellteilen vorzubestimmen, wobei die Modellteile so auf das Gerüst aufsetzbar sind, dass gleichzeitig zwischen den Modellteilen und dem Gerüst ein Spalt verbleibt (Merkmal 3.1.1.). Der Spalt soll eine Dicke von 0,05 mm bis hin zu 3 mm aufweisen (Merkmal 3.1.2).
Das Klagepatent versteht unter einem Spalt eine Öffnung zwischen den Modellteilen, die die Verblendung bilden, und dem Gerüst. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Dabei sagt der Anspruch nichts darüber aus, ob der Spalt in der Prothese als Ergebnis des Herstellungsvorgangs noch physisch vorliegt. Zwar äußert sich der Anspruch nicht dazu, ob die Anordnung von Gerüst und den Modellteilen der Verblendung mit Spalt in der fertigen Prothese noch vorhanden ist, dem Fachmann ist jedoch klar, dass nach Abschluss des Herstellungsprozesses die Prothese keinen Spalt mehr aufweist.
Der Anspruch definiert den Spalt näher dahingehend, dass er eine Dicke von 0,05 mm bis 3 mm aufweist (Merkmale 1.4, 2.1.2). Dabei genügt es, wenn der Spalt zumindest abschnittsweise vorhanden ist. So ist auch ein Elementesatz erfasst, der zwischen Gerüst und Verblendung zeitweise keinen Spalt aufweist und/oder Abschnitte, in denen der Spalt im Rahmen des vorgegebenen Bereichs (0,05 mm bis 3 mm) unterschiedliche Dicken aufweist.
Funktional dient der Spalt dazu, Spielraum zwischen Gerüst und Verblendung zu lassen. So erläutert das Klagepatent in Absatz [0049] des Klagepatents (nachfolgend sind Absätze ohne nähere Bezeichnung solche des Klagepatents) als Vorteil, dass die Modellteile wegen des Spaltes nicht unmittelbar am Gerüst anliegen. Hieraus resultiert, dass verfahrensbedingte Ungenauigkeiten bei der Erzeugung von Gerüst und den Modellteilen sich in der Praxis nicht bzw. nicht nennenswert auswirken. Beispielhaft führt das Klagepatent an, dass auf das Gerüst eine Opakerschicht aufgetragen wird (Absatz [0043]). Das Klagepatent erläutert, dass sich diese Art der Schichtdicke nicht genau vorherbestimmen lässt. Aufgrund des erfindungsgemäßen Spalts wirkt sich die fehlende Vorherbestimmbarkeit der Schichtdicke nicht negativ aus (Absatz [0049]). Ferner ist der Spalt bei der Verwendung von Unterschneidungen vorteilhaft (Abatz [0037]). Der Spalt dient also dazu, eine spätere Nachbearbeitung auf ein Minimum zu reduzieren. Es liegt dann kein erfindungsgemäßer Spalt mehr vor, wenn sich von vorneherein zwischen Gerüst und Modellteile gar kein Zwischenraum mehr befindet, weil er vollständig mit einer Opakerschicht oder Ähnlichem ausgefüllt ist.

III.
Die Beklagte verletzt den Klagepatentanspruch 14 dadurch mittelbar, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland an Abnehmer anbietet und an sie liefert, die zur Benutzung des durch das Klagepatent geschützten Systemanspruchs nicht berechtigt sind, § 10 Abs. 1 PatG.
Nach § 10 Abs. 1 PatG ist es Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinha-bers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder wenn es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Diese Voraussetzungen liegen vor.

1.
Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht.
a)
Ein Mittel bezieht sich in erforderlicher Weise auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens mit einem solchen Element funktional zusammenzuwirken. Von einem solchen funktionalen Zusammenwirken kann nur die Rede sein, wenn der geschützte Erfindungsgedanke durch Einsatz des Mittels tatsächlich verwirklicht wird. Dieses Kriterium schließt solche Mittel aus, die zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet werden, zur Verwirklichung der technischen Lehre der Erfindung aber nichts beitragen (BGH, GRUR 2012, 1230 – MPEG-2-Videosignalcodierung; GRUR 2007, 769 – Pipettensystem). Ein fehlender Beitrag kommt auch dann in Betracht, wenn bei einer Erfindung, die sich mit der Fortbildung einer bestimmten Funktion ein als solchen bekannten Vorrichtung befasst, in den Patentanspruch Merkmale aufgenommen worden sind, die sich mit einer anderen, von der Erfindung nicht betroffenen Funktion der Vorrichtung befassen (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem). Das Mittel muss in der Weise zur Verwirklichung der geschützten Erfindung beitragen, dass diese durch das Mittel oder mit Hilfe des Mittels vollständig verwirklicht werden kann (BGH, GRUR 2012, 1230 – MPEG-2-Videosignalcodierung). Leistet es einen solchen Beitrag, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, mit welchem Merkmal oder welchen Merkmalen des Patentanspruchs es zusammenwirkt, so dass es unerheblich ist, ob diese Merkmale durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sind oder ob sie den „Kern der Erfindung“ betreffen (vgl. BGH, GRUR 2015, 467 – Audiosignalcodierung m.w.N.). An einem Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, fehlt es, wenn es zur Verwirklichung eines Verfahrensschritts eingesetzt wird, der den im Patentanspruch eines Verfahrenspatents vorgesehenen Schritten vorausgeht. Dies gilt auch dann, wenn der vorgelagerte Schritt notwendig ist, um die im Patentanspruch vorgesehenen Schritte ausführen zu können und wenn das Mittel auf Grund seiner konkreten Ausgestaltung ausschließlich zu diesem Zweck eingesetzt werden kann (BGH, GRUR 2015, 467 – Audiosignalcodierung).

b)
Die angegriffene Ausführungsform bestimmt dreidimensionale Geometriedaten eines Gerüstes und mehrerer Modellteile zur Definition von Teilen der Außenkontur einer Verblendung vor und stellt zusammen mit einem handelsüblichen Computer ein Vorbestimmungsmittel (Merkmal 2.1 des Anspruchs 14) dar. Um auf die Funktionalitäten der angegriffenen Ausführungsform zugreifen zu können, erfolgt zwingend eine Installation auf einem Computer. Die angegriffene Ausführungsform empfängt dreidimensionale Geometriedaten eines Gebisses, die z.B. durch Scannen erzeugt werden. Auf der Grundlage dieser Daten kann ein Zahntechniker sodann mit der angegriffenen Ausführungsform die dreidimensionalen Geometriedaten der Verblendung und des Gerüstes definieren.

2.
Die angegriffene Ausführungsform ist auch objektiv geeignet zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
Die angegriffene Ausführungsform macht einen handelsüblichen Computer zu einem Vorbestimmungsmittel des klagepatentgemäßen Systems und ist damit Teil der beanspruchten Kombinationsvorrichtung. Aus dem Screenshot der Anlage KB 13 ergibt sich, dass die angegriffene Ausführungsform eine Funktion bereitstellt, in der bei der Verwendung einer Linerschicht oder einer Opakerschicht ein Abstand (Spacer) innerhalb des beanspruchten Bereichs eingestellt werden kann. Angesichts der obigen Auslegungsgrundsätze ist die angegriffene Ausführungsform als Vorbestimmungsmittel damit geeignet, Teil des beanspruchten Systems zu sein, in dem zur Herstellung des Elementensatzes die Geometriedaten der Modellteile vorbestimmt werden können, die so auf ein Gerüst aufsetzbar sind, dass zwischen den Modellteilen und dem Gerüst ein Spalt in einer möglichen Dicke von 0,05 mm bis 3 mmm verbleibt (Merkmale 1, 3.1, 3.1.1). Dabei genügt es, dass es für den Anwender möglich ist, den Opaker/Liner so zu definieren, dass ein Abstand zwischen dem Opaker/Linder verbleibt, der den klagepatentgemäßen Spalt bildet. Aus der Verletzung führt nicht heraus, dass mit dieser Funktion die Schichtdicke des Opaker/Linder definiert wird, zumal die Beklagte diese Funktion selbst als „Spacer“ also Abstandhalter bezeichnet.
Gleiches gilt für die seit 2014 eingeführte Funktion des zusätzlichen Opakerabstands zwischen Verblendkappe und Verblendstruktur (Anlage KB 13, S. 6). Abgesehen davon, dass sich ausweislich des Screenshots auf Blatt 172 der Akte ergibt, dass die oben beschriebene Funktion beibehalten wurde (mit dem Unterschied, dass Opaker auf der Benutzeroberfläche nicht mehr ausdrücklich genannt wird), handelt es sich nach dem Vortrag der Beklagten dabei um eine Ergänzung, um die Schichtdicke der Opakerschicht zur Verbesserung der Passform und der Ästhetik zum Rand der Zahnprothese hin abflachen und auslaufen zu lassen. Insofern ist es jedoch auch hier möglich diesen „Extra Liner Spacer“ einzustellen und bei dieser Einstellung einen Spalt zu lassen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Spalt bei der fertigen Prothese mit Zement oder Opaker aufgefüllt worden ist.

3.
Die Beklagte liefert auch an Abnehmer, die nicht zur Benutzung des klagepatentgemäßen Systems berechtigt sind.

a)
Die Beklagte verletzt das Klagepatent nur gegenüber anderen Abnehmern als der Klägerin selbst. Bei der Klägerin handelt es sich um die Klagepatentinhaberin, die berechtigt ist, das geschützte System zu benutzen. Sofern die Abnehmer die angegriffene Ausführungsform von der Klägerin als Zwischenhändlerin beziehen, beziehen sie von der Berechtigten. Dies gilt sowohl für das offene als auch für das geschlossene System der angegriffenen Ausführungsform.
b)
Sofern die Abnehmer die angegriffene Ausführungsform von der Beklagten beziehen, liegt jedoch keine berechtigte Nutzung vor. Anders als in der Entscheidung Rohrschweißverfahren (BGH, GRUR 2007, 773) handelt es sich vorliegend um einen Systemanspruch und nicht um einen Verfahrensanspruch, so dass die dortigen Grund-sätze auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres übertragbar sind. So kann aus der Zurverfügungstellung des Materials der Klägerin, wie beispielsweise des „I“ keine konkludente Lizenz zur Benutzung des klagepatentgemäßen Systems gefolgert werden. Dies schon deshalb nicht, weil die angegriffene Ausführungsform gerade nicht im geschlossenen System von der Beklagten vertrieben wird. In der angegriffenen Ausführungsform können über weitere/andere Plug-Ins beliebige Materialien anderer Hersteller ausgewählt werden. Es ist nicht ersichtlich, welche Einflussmöglichkeiten die Klägerin auf die Auswahl des Materials haben sollte. Vielmehr beziehen die Abnehmer lediglich Fertigungsmaterialien von der Klägerin, bei denen völlig offen bleibt, wie die Abnehmer diese nutzen werden. Insofern ist auch ein patentfreier Einsatz des klägerischen Materials denkbar.

4.
Für die Benutzungshandlung des Herstellens des klagepatentgemäßen Systems ist aufgrund der Umstände offensichtlich, dass die angegriffenen Ausführungsformen dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Dabei genügt es bereits für eine Verurteilung, dass eine der in § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Benutzungshandlungen offensichtlich ist.
a)
Offensichtlichkeit liegt regelmäßig insbesondere dann vor, wenn der Lieferung in einer Gebrauchsanweisung, Bedienungsanleitung oder dergleichen auf die Möglichkeit patentgemäßer Verwendung hinweist oder diese gerade empfiehlt (BGH, GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren; GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Dagegen kann, wenn die Gebrauchsanweisung oder Bedienungsanleitung des Dritten nicht auf einen patentgemäßen Einsatz der Mittel ausgerichtet ist, Offensichtlichkeit nur angenommen werden, wenn sich aufgrund konkreter Umstände die Gefahr aufdrängt, dass der Abnehmer nicht nach der Anweisung verfahren wird (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Es wird ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit gefordert (BGH, GRUR 2001, 228 – Luftheizgerät; GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug).
b)
Die Klägerin hat im Parallelverfahren 4b O 14/16, dessen Akte in der mündlichen Verhandlung vorlag und Gegenstand war, vorgetragen, dass neben einzelnen Zahnlaboren, die über keine eigenen Gerüst- und Modellteileherstellungsmittel verfügen, zu den Abnehmern auch größere industrielle Fertigungszentren gehören, welche die entsprechenden Geräte zur Herstellung dentaler Prothesen vorhalten. Das Bestreiten mit Nichtwissen der Beklagten hinsichtlich des Umstandes, dass der überwiegende Anteil der Abnehmer Fertigungszentren darstellen, ist unbeachtlich, da es genügt, dass nur einige Fertigungszentren beliefert wurden. Denn in den Fertigungszentren ist das System bereits hergestellt, wenn die angegriffene Ausführungsform als Komponente eingebracht wird. Wie bereits ausgeführt stellt die angegriffene Ausführungsform nach Installation auf die entsprechende Hardware ein Vorbestimmungsmittel dar, dass geeignet ist, dreidimensionale Geometriedaten eines Gerüstes oder mehrerer Modellteile zur Definition von Teilen der Außenkontur einer Verblendung für das Gerüst und gegebenenfalls eines Gießkanals vorzubestimmen (Merkmal 3.1), wobei die Modellteile so auf das Gerüst aufsetzbar sind, dass gleichzeitig zwischen den Modellteilen und dem Gerüst ein Spalt verbleibt und die Modellteile Teile der Außenkontur definieren (Merkmal 3.1.1.) und das Gerüst und die mehreren Modellteile so gestaltet sind, dass zwischen ihnen ein Spalt mit einer Dicke im Bereich von 0,05 mm bis 3 mm vorliegt, wenn die Modellteile in vorgesehener Weise die Außenkontur der dentalen Prothesen definieren (Merkmal 3.1.2; s.o.). Aus der Produktbeschreibung der angegriffenen Ausführungsform wird klar, dass die Funktion D bzw. E D vorhanden und geeignet ist, je nach Einstellung einen Spalt zwischen Verblendung und Gerüst vorzusehen. Dieses Vorbestimmungsmittel ist Teil des Systems, das ebenfalls Gerüstherstellungsmittel (Merkmal 3.2) und Modellherstellungsmittel zur Herstellung der Modellteile auf Basis der dreidimensionalen Geometriedaten (Merkmal 3.3) beinhaltet. Unstreitig befinden sich in solchen Zentren die entsprechenden Modell- und Gerüstherstellungsmittel und die Prothesen werden nach den vorbestimmten Geometriedaten vor Ort hergestellt. Für die Beklagte ist daher jedenfalls bei der Lieferung an Fertigungszentren aufgrund der Umstände offensichtlich und konkret absehbar, dass diese die angegriffene Ausführungsform in ihrem EDV-System installieren und somit das geschützte System herstellen.
c)
Hinsichtlich der Lieferung an einzelne Zahntechniker ist eine Benutzung des Systems durch Herstellung weder offensichtlich noch ist eine sonstige Verwendungsbestimmung der Abnehmer ersichtlich. Diese Zahntechniker stellen das System bereits nicht her, weil sie die Geometrie an externe Dienstleister versenden, die über die klagepatentgemäßen Herstellungsmittel verfügen.

5.
Die Ansprüche sind auch nicht verjährt, § 141 S. 1 PatG i.V.m § 195 BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Im Streitfall ist – anders als im Parallelverfahren 4b O 14/16 – nicht hinreichend konkret vorgetragen, wann die hier angegriffene Funktionalität „D“ und „E D“ bei der Software eingeführt wurde. Sofern die Klägerin im Parallelverfahren 4b O 14/16 vorgetragen hat, sie habe erst im Jahr 2008 Kenntnis erhalten, dass die Software auch an Dritte und nicht nur an sie vertrieben wurde, bezog sich diese Kenntnis auf die im dortigen Verfahren angegriffene Mehrschichtenfunktionalität, soweit sie für das Überpressen von Kronen und Brücken beworben und beliefert wurde.

IV.
Aufgrund der Patentverletzung stehen der Klägerin die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu.

1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Ange-bots- und Lieferhandlungen nach Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG in der be-gehrten Fassung.
Von einem Schlechthinverbot war im vorliegenden Falle abzusehen, weil die angegriffene Ausführungsform außerhalb eines patentgemäßen Systems patentfrei genutzt werden kann. Die hier angegriffene Funktionalität ist nur eine von mannigfaltigen Funktionen, die mit der angegriffenen Ausführungsform ausführbar sind. Insoweit ist bei den Abnehmern, bei denen es sich um zahntechnische Fachkreise handelt, zu erwarten, dass diese sich an den tenorierten Warnhinweis zur Vermeidung eines etwaigen Haftungsrisikos halten. Die Klägerin hat darüber hinaus nicht hinreichend konkret vorgetragen, wieso eine Umprogrammierung der angegriffenen Ausführungsform unproblematisch möglich sei.

2.
Es ist auf den Antrag der Klägerin hin auch die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen.
Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforder-liche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne die rechtskräftige Feststel-lung die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadenser-satz aus Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1, Abs. 2 PatG. Die Beklagte hat die Patent-verletzung schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverlet-zung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist zudem nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist.

3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte schließlich ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenser-satzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird durch die von ihr verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet.
V.
Eine Veranlassung, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen, besteht nicht. Für die Kammer lässt sich auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstands nicht die für eine Aussetzung erforderli-che hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage feststellen (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten).
Bei der Entgegenhaltung EP 1 661 529 (Anlage rop B1, N1; rop A2; nachfolgend: N1) handelt es sich um im Erteilungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik, so dass eine Aussetzung bereits aus diesem Grunde nicht in Betracht kommt. Hinzu tritt, dass die N1 keinen klagepatentgemäßen Spalt offenbart, da die gesamte Opakerschicht eingescannt wird. Dass das Vorsehen eines Spaltes eine platte Selbstverständlichkeit darstelle, stellt keinen Vortrag dar, dem die Kammer eine hinreichende Begründung zu entnehmen vermag, dass es an der erfinderischen Tätigkeit fehlt. Auch dem Verweis auf die Nichtigkeitsklage – der ausweislich der gerichtlichen Verfügung vom 18. Juli 2017 nicht ausreicht, um eine Aussetzungsentscheidung zu begründen –, und den dortigen Abschnitten 3.4 und 3.2 kann die Kammer keine überzeugende Prüfung der Erfindungshöhe entnehmen. Woher der Fachmann den Anlass hat, die N1 mit der Schrift DE 0195 02 845 (Anlage rop B3, N2) oder der Schrift EP 0 154 137 (Anlage rop B3, N3) – die entgegen des gerichtlichen Hinweises nicht übersetzt ist – zu kombinieren, ist nicht hinreichend dargetan.

VI.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

VII.
Der Streitwert wird auf € 500.000,00 festgesetzt.