Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2666
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. Juni 2017, Az. 4c O 16/16
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder sogleich Ordnungshaft, wobei die einzelne Ordnungshaft bis zu sechs Monaten und die Ordnungshaft insgesamt bis zu zwei Jahren betragen kann und an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
a) Prüfbänke, die zur Anwendung von Verfahren zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern mit folgenden Schritten geeignet sind:
Koppeln des Abtriebs eines Kraftschraubers mit einer Welle und Betätigen des Kraftschraubers derart, dass dieser die Welle dreht;
Ausüben einer kontinuierlich zunehmenden Bremskraft auf die Welle derart, dass das vom Kraftschrauber zur Überwendung der Bremskraft ausgeübte Drehmoment kontinuierlich zunimmt;
Erfassen des auf die Welle ausgeübten Drehmoments und des Drehwinkels der Welle;
Steuern der Zunahme der Bremskraft derart, dass der Differenzenquotient zwischen der Zunahme des Drehmoments und der Zunahme des Drehwinkels einen vorgebbaren konstanten ersten Wert hat;
Umschalten der Bremskraftsteuerung bei Erreichen eines vorgebbaren Drehmoments und/oder Drehwinkels auf einen flacheren Anstieg, bei dem der Differenzenquotient einen vorgebbaren zweiten Wert hat, der kleiner als der erste Wert ist,
und/oder
b) Vorrichtungen zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern mit einer drehbar gelagerten Welle und Mitteln zum Koppeln der Welle mit dem Abtrieb eines Kraftschraubers, einer auf die Welle wirkenden Bremseinrichtung, Mitteln zum Erfassen des auf die Welle einwirkenden Drehmoments und des Drehwinkels der Welle und einer Steuereinrichtung zum Steuern der von der Bremseinrichtung ausgeübten Bremskraft gemäß einem vorgegebenen Programm, wobei das Programm so einrichtbar ist, dass es in einer ersten Phase eines Prüfvorgangs eine Zunahme der Bremskraft steuert, die einer Zunahme des Drehmoments gegenüber dem Drehwinkel gemäß einem ersten, konstanten Wert des Differenzenquotienten entspricht, und dass es bei Erreichen eines vorgegebenen Drehmoments und/oder Drehwinkels in eine zweite Phase des Prüfvorgangs umschaltet, in der eine geringere Zunahme der Bremskraft derart gesteuert wird, dass sie einer Zunahme des Drehmoments in Abhängigkeit vom Drehwinkel gemäß einem zweiten, konstanten Wert des Differenzenquotienten entspricht, der kleiner als der erste Wert ist,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter I.1. genannten Handlungen seit dem 16. August 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren unter wörtlicher, hilfsweise sinngemäßer, Zitierung sämtlicher Angaben über Eignungen und Verwendungszwecke für die Vorrichtungen von Seiten der Besteller,
b) der Mengen der ausgelieferten Erzeugnisse sowie der dafür bezahlten Preise,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Verkaufsbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Angaben außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter I.1. genannten Handlungen seit dem 16. September 2007 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines geordneten, nach Kalendervierteljahren und Artikelnummern aufgeschlüsselten Verzeichnisses mit Angaben über
a) die einzelnen Auslieferungen, und zwar aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie jeweils unter wörtlicher, hilfsweise sinngemäßer, Zitierung sämtlicher Angaben über Eignungen und Verwendungszwecke für die Vorrichtungen, die von Seiten der Beklagten oder der Abnehmer gemacht worden sind, ferner jeweils mit der Angabe, ob sie (die Beklagte) an der Inbetriebnahme mitgewirkt und/oder eine Anlaufbegleitung durchgeführt hat und ob dabei das Programm wie vorstehend unter I.1. angegeben eingerichtet worden ist,
b) die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, unter wörtlicher, hilfsweise sinngemäßer, Zitierung sämtlicher Angaben über Eignungen und Verwendungszwecke für die Vorrichtungen in den Angeboten oder vorausgegangener Anfragen oder nachfolgender Bestellungen,
c) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhen, Verbreitungsgebieten und -zeiträumen, unter Zitierung sämtlicher Angaben über Eignungen und Verwendungszwecke für die Vorrichtungen,
d) die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften von Angebotsempfängern, soweit auf diese Angebote keine Bestellungen erfolgten, statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter Ziffer I.1. genannten, seit dem 16. September 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
V. Das Urteil ist in Bezug auf Ziffer I.1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar, in Bezug auf Ziffer I.2 und Ziffer I.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 EUR und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents DE 101 63 XXX (Klagepatent), dessen eingetragene Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung der Schadener-satzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
Das Klagepatent wurde am 21.12.2001 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 3.7.2003 offengelegt. Die Veröffentlichung der Erteilung erfolgte am 16.8.2007. Das Klagepatent steht in Kraft.
Die im Klagepatent unter Schutz gestellte Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern.
Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
„Verfahren zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern, mit den Schritten:
Koppeln des Abtriebs eines Kraftschraubers mit einer Welle und Betätigen des Kraftschraubers derart, dass dieser die Welle dreht;
Ausüben einer kontinuierlich zunehmenden Bremskraft auf die Welle derart, dass das vom Kraftschrauber zur Überwindung der Bremskraft ausgeübte Drehmoment kontinuierlich zunimmt;
Erfassen des auf die Welle ausgeübten Drehmoments und des Drehwinkels der Welle;
Steuern der Zunahme der Bremskraft derart, dass der Differenzenquotient zwischen der Zunahme des Drehmoments und der Zunahme des Drehwinkels einen vorgebbaren konstanten ersten Wert hat;
Umschalten der Bremskraftsteuerung bei Erreichen eines vorgegebenen Drehmoments und/oder Drehwinkels auf einen flacheren Anstieg, bei dem der Differenzenquotient einen vorgebbaren zweiten Wert hat, der kleiner als der erste Wert ist.“
Anspruch 4 des Klagepatents lautet:
„Vorrichtung zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern, mit einer drehbar gelagerten Welle (17) und Mitteln (15) zum Koppeln der Welle (17) mit dem Abtrieb (13 ) eines Kraftschraubers (9); einer auf die Welle (17) wirkenden Bremseinrichtung (21, 23); Mitteln (27) zum Erfassen des auf die Welle (17) einwirkenden Drehmomentes und des Drehwinkels der Welle; und einer Steuereinrichtung (31, 35, 37) zum Steuern der von der Bremseinrichtung (21, 23) ausgeübten Bremskraft gemäß einem vorgegebenen Programm, wobei das Programm so eingerichtet ist, dass es in einer ersten Phase eines Prüfvorgangs eine Zunahme der Bremskraft steuert, die einer Zunahme des Drehmoments (M) über den Drehwinkel (φ) gemäß einem ersten, konstanten Wert des Differenzenquotienten (∆M/∆φ) entspricht, und dass es bei Erreichen eines vorgegebenen Drehmoments (MS) und/oder Drehwinkels (φS) in eine zweite Phase des Prüfvorganges umschaltet, in der eine geringere Zunahme der Bremskraft derart gesteuert wird, dass sie einer Zunahme des Drehmoments (M) in Abhängigkeit vom Drehwinkel (φ) gemäß einem zweiten, konstanten Wert des Differenzenquotienten (∆M2/∆φ) entspricht, der kleiner als der erste Wert ist.“
Die nachfolgend verkleinert eingeblendete Figur 1 zeigt beispielhaft in perspektivischer Darstellung die mechanischen Teile einer Vorrichtung zum Prüfen von Kraftschraubern. Figur 2 zeigt ein typisches Drehmoment-Drehwinkeldiagramm beim Anziehen einer Schraubverbindung. Figur 3 zeigt ein Drehmoment-Drehwinkeldiagramm, wie es bei Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens von der erfindungsgemäßen Prüfvorrichtung angezeigt wird.
Die Klägerin wendet sich gegen das Angebot und den Vertrieb von Prüfbänken der Baureihe „A“ (nachfolgend als angegriffene Ausführungsformen bezeichnet) der Herstellerin B. Auf der Internetseite www.B.de findet sich unter der Rubrik „Produkte“ die Rubrik „Prüfstände von B“. In dieser Rubrik sind unter anderem die angegriffenen Ausführungsformen aufgeführt. Zur den angegriffenen Ausführungsformen kann auf dieser Webseite die als Anlage GDM 10 vorgelegte Broschüre heruntergeladen werden. Auf dieser sind das Firmenlogo und der Sitz der Beklagten wie folgt abgebildet:
Wegen des weiteren Inhalts und der Gestaltung der Broschüre wird auf Anlage GDM 10 Bezug genommen.
Gegenwärtig liefert die Beklagte keine Prüfbänke mit einer Softwarefunktion gemäß des Klagepatents in die Bundesrepublik Deutschland.
Auf der Webseite der Beklagten www.C.eu ist ausweislich der Anlage GDM 5 eine Prüfbank „D“ abgebildet.
Als Anlage GDM 8 legt die Klägerin ein „user manual“ mit der Überschrift „A“ in englischer Sprache vor, die einer mittels eines Testkaufs erworbenen angegriffenen Ausführungsform, in elektronischer Form auf einem USB-Stick, beilag.
Die Klägerin behauptet, bei der auf der Webseite der Beklagten abgebildeten Prüfbank „D“ handele es sich um eine angegriffene Ausführungsform der Baureihe „A“.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß mittelbar Gebrauch. Insbesondere sei die Verwendungsbestimmung zu bejahen. Dem vorgelegten Werbematerial sei eine Empfehlung der Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen in klagepatentgemäßer Form zu entnehmen, die der Beklagten zuzurechnen sei.
In Bezug auf den durchgeführten Testkauf ist die Klägerin der Auffassung, den von Beklagtenseite vorgelegten Unterlagen sei zu entnehmen, dass die mittels des Testkaufs erworbene Prüfbank nach Deutschland geliefert worden sei.
Mit Schriftsatz vom 24.4.2017 hat die Klägerin ihre Umwandlung von der E AG in die E GmbH mitgeteilt.
Die Klägerin hat zunächst in der Klageschrift ihre Ansprüche auf den Vorrichtungsanspruch 4 des Klagepatents gestützt und im Unterschied zum Wortlaut des Klagepatentanspruchs sowohl im Klageantrag als auch in der Klageschrift statt des Begriffs „Abtrieb“ den Begriff „Antrieb“ verwendet. Mit Schriftsatz vom 1.12.2016 hat die Klägerin die Klage auf den Klagepatentanspruch 1 erstreckt und eine Begriffskorrektur vorgenommen. Sie beantragt nunmehr,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder sogleich Ordnungshaft, wobei die einzelne Ordnungshaft bis zu sechs Monaten und die Ordnungshaft insgesamt bis zu zwei Jahren betragen kann und an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
a) Prüfbänke, die zur Anwendung von Verfahren zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern mit folgenden Schritten geeignet sind:
Koppeln des Abtriebs eines Kraftschraubers mit einer Welle und Betätigen des Kraftschraubers derart, dass dieser die Welle dreht;
Ausüben einer kontinuierlich zunehmenden Bremskraft auf die Welle derart, dass das vom Kraftschrauber zur Überwendung der Bremskraft ausgeübte Drehmoment kontinuierlich zunimmt;
Erfassen des auf die Welle ausgeübten Drehmoments und des Drehwinkels der Welle;
Steuern der Zunahme der Bremskraft derart, dass der Differenzenquotient zwischen der Zunahme des Drehmoments und der Zunahme des Drehwinkels einen vorgebbaren konstanten ersten Wert hat;
Umschalten der Bremskraftsteuerung bei Erreichen eines vorgebbaren Drehmoments und/oder Drehwinkels auf einen flacheren Anstieg, bei dem der Differenzenquotient einen vorgebbaren zweiten Wert hat, der kleiner als der erste Wert ist,
insbesondere wenn
das Abschaltdrehmoment und/oder der Abschaltwinkel in einem Rechner ermittelt und der Schraubsimulationsfall mittels Anzeige dargestellt werden kann,
und/oder
der zweite Wert des Differenzenquotienten zwischen 30 und 70% des ersten Wertes betragen kann,
und/oder
b) Vorrichtungen zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern mit einer drehbar gelagerten Welle und Mitteln zum Koppeln der Welle mit dem Abtrieb eines Kraftschraubers, einer auf die Welle wirkenden Bremseinrichtung, Mitteln zum Erfassen des auf die Welle einwirkenden Drehmoments und des Drehwinkels der Welle und einer Steuereinrichtung zum Steuern der von der Bremseinrichtung ausgeübten Bremskraft gemäß einem vorgegebenen Programm, wobei das Programm so einrichtbar ist, dass es in einer ersten Phase eines Prüfvorgangs eine Zunahme der Bremskraft steuert, die einer Zunahme des Drehmoments gegenüber dem Drehwinkel gemäß einem ersten, konstanten Wert des Differenzenquotienten entspricht, und dass es bei Erreichen eines vorgegebenen Drehmoments und/oder Drehwinkels in eine zweite Phase des Prüfvorgangs umschaltet, in der eine geringere Zunahme der Bremskraft derart gesteuert wird, dass sie einer Zunahme des Drehmoments in Abhängigkeit vom Drehwinkel gemäß einem zweiten, konstanten Wert des Differenzenquotienten entspricht, der kleiner als der erste Wert ist,
insbesondere wenn
der zweite Wert des Differenzenquotienten beliebig vorgebbar ist,
und/oder
das Abschaltdrehmoment und/oder der Abschaltwinkel in einem Rechner ermittelt und der Schraubsimulationsfall mittels Anzeige dargestellt werden kann,
und/oder
der zweite Wert des Differenzenquotienten zwischen 30 und 70% des ersten Wertes betragen kann,
Abnehmerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern;
hilfsweise:
im Fall des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass das Programm nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Patents 101 63 XXX in der vorstehend beschriebenen Weise eingerichtet werden darf, und im Fall der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Patentinhaberin zu zahlenden Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung, deren Höhe von der Patentinhaberin nach billigem Ermessen festzusetzen und im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfen ist, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, das Programm nicht ohne Zustimmung der Patentinhaberin in der vorstehend beschriebenen Weise einzurichten,
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter I.1. genannten Handlungen seit dem 16. August 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren unter wörtlicher, hilfsweise sinngemäßer, Zitierung sämtlicher Angaben über Eignungen und Verwendungszwecke für die Vorrichtungen von Seiten der Besteller,
b) der Mengen der ausgelieferten Erzeugnisse sowie der dafür bezahlten Preise, wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Verkaufsbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Angaben außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter I.1. genannten Handlungen seit dem 16. September 2007 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines geordneten, nach Kalendervierteljahren und Artikelnummern aufgeschlüsselten Verzeichnisses mit Angaben über
a) die Herstellungsmengen und –zeiten,
b) die einzelnen Auslieferungen, und zwar aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie jeweils unter wörtlicher, hilfsweise sinngemäßer, Zitierung sämtlicher Angaben über Eignungen und Verwendungszwecke für die Vorrichtungen, die von Seiten der Beklagten oder der Abnehmer gemacht worden sind, ferner jeweils mit der Angabe, ob sie (die Beklagte) an der Inbetriebnahme mitgewirkt und/oder eine Anlaufbegleitung durchgeführt hat und ob dabei das Programm wie vorstehend unter I.1. angegeben eingerichtet worden ist,
b) die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -Zeiten und -preisen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, unter wörtlicher, hilfsweise sinngemäßer, Zitierung sämtlicher Angaben über Eignungen und Verwendungszwecke für die Vorrichtungen in den Angeboten oder vorausgegangener Anfragen oder nachfolgender Bestellungen,
c) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhen, Verbreitungsgebiete und -Zeiträume, unter Zitierung sämtlicher Angaben über Eignungen und Verwendungszwecke für die Vorrichtungen,
d) die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften von Angebotsempfängern, soweit auf diese Angebote keine Bestellungen erfolgten, statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter Ziffer I.1. genannten, seit dem 16. September 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Nichtigkeitsverfahren bezüglich des Klagepatents auszusetzen.
Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf. Die Klägerin habe keine Angebotshandlung im hiesigen Gerichtsbezirk schlüssig dargetan. Insbesondere „puzzele“ sie sich eine Angebotshandlung aus verschiedenen Vorrichtungen zusammen, wie schon der Unterschied in der äußeren Gestaltung sowie in der Bezeichnung der in Anlage GDM 5 abgebildeten Prüfbänke im Vergleich zu den Prüfbänken, welche in den Anlagen GDM 6 ff. abgebildet seien, zeige.
Bei der Korrektur des Begriffs „Antrieb“ in „Abtrieb“ handele es sich um eine unzulässige Klageänderung. Falls diese sachdienlich sei, seien der Klägerin die entsprechenden Kosten aufzuerlegen.
Bei der Erstreckung der Klage auf den Verfahrensanspruch 1 des Klagepatents handele es sich um eine unzulässige Klageerweiterung. Die Verwendung der „insbesondere“-Anträge führe zu einer Unbestimmtheit der Klage.
Sie meint, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Auch hier fehle schlüssiger Vortrag der Klägerin. Es sei nicht ersichtlich, dass es sich bei dem in Anlage GDM 10 abgebildeten Werkzeug um einen streckgrenzgesteuerten Kraftschrauber im Sinne des Klagepatents handele. In Bezug auf die von der Klägerin untersuchte, aus dem Testkauf stammende angegriffene Ausführungsform behauptet sie, dass es sich um eine für die USA bestimmte Prüfbank gehandelt habe. Sie sei davon ausgegangen, dass die Testkäuferin lediglich als Zwischenhändlerin fungiere.
Ferner sei es technisch nicht zwingend, dass die angegriffenen Ausführungsformen Mittel zum Erfassen des auf die Welle wirkenden Drehmoments und des Drehwinkels vorsehen. Schließlich veranlasse sie, die Beklagte, die Abnehmer nicht dazu, die im Klagepatentanspruch vorgesehene Programmierung der Prüfphasen in der klagepatentgemäßen Reihenfolge vorzunehmen. Das von Klägerseite geforderte Schlechthinverbot sei unverhältnismäßig. Es sei überwiegend ein Einsatz der angegriffenen Ausführungsformen in nicht patentverletzender Form zu erwarten.
Hilfsweise sei der Rechtsstreit auszusetzen. Die von ihr, der Beklagten, erhobene Nichtigkeitsklage werde zur vollständigen Vernichtung des Klagepatents führen. Die geltend gemachten Klagepatentansprüche seien unzulässig erweitert. Ferner fehle dem Klagepatent in Bezug auf die im Prüfungsverfahren nicht berücksichtigte Entgegenhaltung WO 98/010XXX (Anlage N8, in deutscher Übersetzung als Anlage N8a vorgelegt), insbesondere wegen der in Figur 16 offenbarten Messkurve, die Neuheit. Dem Klagepatent fehle es ausgehend von der bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten Schrift DE 30 05 XXX C2 (Anlage N4) in Kombination mit der Schrift GB 2 270 XXX A (Anlage N8) an erfinderischer Tätigkeit. Gleiches gelte für eine Kombination der N4 mit der ebenfalls im Erteilungsverfahren berücksichtigten Schrift DE 34 22 XXX A (Anlage N6). Schließlich fehle es dem Klagepatent an erfinderischer Tätigkeit in Bezug auf die behauptete offenkundige Vorbenutzung der Prüfbank des Unternehmens BLM, von der sie Abbildungen im Anlagenkonvolut N10 vorlegt, in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen. In dieser Prüfbank seien die Merkmale des Oberbegriffs des Klagepatentanspruchs 4 verwirklicht. Der Fachmann würde den zweistufigen Prüfverlauf in Merkmalsgruppe 4 ohne erfinderische Tätigkeit „mitdenken“, da es in dem Programm der Prüfbank nur drei Möglichkeiten der Programmierung gegeben habe, nämlich, nach der ersten Phase des Prüfvorgangs mit einem ersten konstanten Wert in einer zweiten Phase einen Differenzenquotienten festzulegen, der größer, kleiner oder gleich null sei.
Die Klägerin bestreitet eine offenkundige Vorbenutzung. Darüber hinaus habe das Unternehmen F im Jahr 1996 im Hinblick auf das Patent DE 33 05 XXX bereits die als Anlage GDM 13 vorgelegte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend Bezug genommen auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Hauptverhandlung vom 18.5.2017 (Bl. 95 f. GA).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Der Rechtsstreit ist nicht nach § 148 ZPO auszusetzen.
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Das Landgericht Düsseldorf ist örtlich zuständig nach § 32 ZPO. Hiernach ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk eine rechtswidrige Handlung stattgefunden hat. Bei Bestreiten des Beklagten genügt zur Begründung der Zuständigkeit der schlüssige Vortrag des Klägers, dass im hiesigen Bezirk eine patentverletzende Handlung stattgefunden habe (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Auflage, Abschnitt D, Rn 20).
In der Darstellung der angegriffenen Ausführungsformen in der als Anlage GDM 10 vorgelegten, im Internet abzurufenden Broschüre liegt ein der Beklagten zuzurechnendes Angebot im Sinne von §10 Abs. 1 PatG.
Der Begriff des Angebots in § 10 PatG ist entsprechend dem Benutzungstatbestand des § 9 PatG auszulegen (OLG Karlsruhe GRUR 2014, 59 – MP2-Geräte). Das Anbieten ist nicht nur eine dem Herstellen, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen oder Besitzen vorausgehende Vorbereitungshandlung, sondern eine eigenstände Benutzungsart neben diesen Handlungen, die selbstständig zu beurteilen und für sich allein anspruchsbegründend ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte; GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; GRUR 2007, 221, 222 – Simvastin; OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417, 419 – Cholesterinspiegelsenker; Urt. v. 20.12.2012 – I-2 U 89/07, BeckRS 2013, 11856; Urt. v. 30.10.2014 – I-2 U 3/14, BeckRS 2014, 21755). Es ist daher unerheblich, ob der Anbietende den Gegenstand selbst herstellt oder ob er ihn von dritter Seite bezieht (BGH, GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.10.2014 – I-2 U 3/14). Es ist auch nicht erforderlich, dass das angebotene Erzeugnis bereits fertiggestellt ist oder sich im räumlichen Geltungsbereich des verletzten Schutzrechtes befindet (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Aufl., Abschnitt A, Rn 224 m. w. Nachw.). Nach geltendem Recht ist Voraussetzung für ein Anbieten auch nicht das tatsächliche Bestehen einer Herstellungs- und/oder Lieferbereitschaft des Anbietenden (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für elektrische Geräte; OLG Düsseldorf, InstGE 2, 125 128 f. – Kamerakupplung II; Urt. v. 20.12.2012 – I-2 U 89/07; Urt. v. 30.10.2014 – I-2 U 3/14; OLG Karlsruhe, GRUR 2014, 59 – MP2-Geräte). Auch kommt es für eine Patentverletzung nicht darauf an, ob das Angebot Erfolg hat, es also zu einem Inverkehrbringen führt (OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417, 418 – Cholesterinspiegelsenker; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.10.2014 – I-2 U 3/14). Im Interesse eines nach dem Gesetzeszweck gebotenen effektiven Rechtschutzes für den Schutzrechtsinhaber ist der Begriff des Anbietens im wirtschaftlichen Sinn zu verstehen. Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet ist, das beworbene Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; GRUR 1970, 358 – Heißläuferdetektor; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.10.2014 – I-2 U 3/14; Urt. v. 13.02.2014 – I-2 U 42/13; BeckRS 2014, 05732). Das „Angebot“ muss deshalb keine gemäß § 145 BGB rechtswirksame Vertragsofferte enthalten und setzt damit insbesondere nicht die Angabe von Preisen oder weiteren Einzelheiten voraus. Der Begriff des „Anbietens“ umfasst vielmehr auch vorbereitende Handlungen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter Schutz stehenden Gegenstand ermöglichen oder fördern sollen, das – wie beim Abschluss eines Kaufvertrages – die Benutzung dieses Gegenstands einschließt (BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259, 261 – Thermocycler). Bei Werbematerialien müssen sich aus ihr noch nicht einmal sämtliche patentgemäßen Merkmale der geschützten Lehre ergeben, sofern deren Vorliegen aus sonstigen objektiven Gesichtspunkten zuverlässig geschlossen werden kann. Dies wird jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn der fragliche Gegenstand bereits existiert oder für die angesprochenen Verkehrskreise z.B. an Hand einer Typenbezeichnung ermittelbar ist (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Auflage, Abschnitt A, Rn 229).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze handelt es sich bei der als Anlage GDM 10 vorgelegten Broschüre um ein solches Angebot. Hierbei ist es unerheblich, dass die Broschüre keine Preise für die angegriffenen Prüfbänke benennt. In der Broschüre werden die Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile der angegriffenen Ausführungsformen detailreich beschrieben. Die Broschüre zielt nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt darauf ab, einen späteren Geschäftsabschluss in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen zu fördern. Dies ergibt sich auch aus dem Gesamtkontext, in welchen die Broschüre eingebunden ist. Die gesamte Webseite ist auf den Vertrieb der Waren ausgerichtet. Dies folgt unter anderem aus der Auflistung der Vertriebspartner in der Rubrik „Kontakt“. Unerheblich ist, dass sich aus der Broschüre nicht sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 4 ergeben. Denn durch die Benennung der Typenbezeichnungen in der Tabelle auf der ersten Seite der Broschüre (A 2, A 10, A 100;…) sind die konkreten angegriffenen Ausführungsformen für die angesprochenen Verkehrskreise ermittelbar.
Es handelt sich im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten in der Zurschaustellung der angegriffenen Ausführungsformen in Anlage GDM 10 nicht um eine reine Leistungsschau. Bei einer sogenannten Leistungsschau wird dem Fachpublikum und der breiten Öffentlichkeit ein Überblick über den internationalen Stand der Technik, teilweise auf einem bestimmten Gebiet, gegeben (BGH, GRUR 1970, 358 – Heißläuferdetektor). Ein Beispiel für eine Leistungsschau ist die Weltausstellung. Ein solcher Überblickscharakter fehlt der streitgegenständlichen Webseite, die gezielt auf den Vertrieb der Produkte eines einzelnen Herstellers ausgerichtet ist. Aber auch dem Internet in seiner Gesamtheit kann kein Charakter einer Leistungsschau zugesprochen werden. Denn es ist dem Nutzer zwar durchaus möglich, sich dort durch Suchanfragen einen Überblick über den Stand der Technik auf dem Gebiet der Prüfbänke zu verschaffen. Es fehlt allerdings die Zielgerichtetheit auf die Überblicksverschaffung, die einer Leistungsschau innewohnt.
Die Beklagte zeichnet sich nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB) für den Inhalt der Broschüre verantwortlich. Ihre Kontaktdaten sind neben den Daten der Herstellerin in gleicher Größe abgebildet, so dass der Eindruck einer Mitverantwortlichkeit entsteht. Hieran ändert der Umstand, dass unterhalb des Logos der Beklagten ein freies Feld mit der Überschrift „Ihr Vertriebspartner“ aufgedruckt ist, nichts. Zum einen zeigt die Nennung der Rechtsvorgängerin der Beklagten in den Kontakten auf der Webseite, dass sie in den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen involviert ist und mithin nach dem objektiven Empfängerhorizont auch ihren eigenen Absatz fördern will. Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, ob der Anbietende mit seiner Offerte eigene Geschäftsabschlüsse forcieren will oder ob das Angebot einem Dritten zugutekommen soll, für dessen Produkt mit dem Angebot eine zu befriedigende Nachfrage geschaffen wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.02.2014 – I-2 U 42/13). In dem einen wie in dem anderen Fall ist die Rechtsposition des Schutzrechtsinhabers in gleichem Maße beeinträchtigt, weil eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die das Ausschließlichkeitsrecht aus dem Patent schmälert. Insofern entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass zur Gewährleistung eines wirksamen Patentschutzes nur von Belang ist, ob mit der fraglichen Handlung für einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird. Wer das angebotene Erzeugnis später zur Verfügung stellt, hat keine Bedeutung. Bezweckt das Angebot den Geschäftsabschluss mit einem Dritten, so ist es deswegen unerheblich, ob der Anbietende von dem Dritten beauftragt oder bevollmächtigt ist (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Selbst wenn es hieran fehlt, bleibt es dabei, dass mit dem drittbegünstigenden Angebot eine Nachfrage für das Verletzungsprodukt generiert wird, die in das Monopolrecht des Patentinhabers eingreift. Vom Schutzbedürfnis des Patents her betrachtet macht es ersichtlich keinen Unterschied, ob Verletzungsgegenstände deshalb nachgefragt werden, weil der spätere Lieferant selbst sich zu ihrer Lieferung bereit erklärt hat, oder ob derselbe Eingriffstatbestand dadurch geschaffen wird, dass ein Dritter das Verletzungsprodukt zugunsten des Lieferanten beworben hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.02.2014 – I-2 U 42/13). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt jedenfalls eine Werbung der Beklagten für einen späteren Vertriebspartner vor und damit ein Angebot im patentrechtlichen Sinne.
2.
Die Klageerweiterung der Klägerin im Schriftsatz vom 1.12.2016 ist zulässig. Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch nunmehr kumulativ auf den Vorrichtungs- und den Verfahrensanspruch des Klagepatents. Hierin ist eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO zu sehen. Diese ist nach Eintritt der Rechtshängigkeit und – wie hier – fehlender Zustimmung der Beklagten lediglich bei Sachdienlichkeit zulässig. Sachdienlich ist eine Klageänderung dann, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen altem und neuen Anspruch besteht und ein weiterer Prozess vermieden werden kann (MüKo ZPO, § 263 Rn 32 f.). Dies ist hier der Fall. Der sachliche Zusammenhang folgt schon aus dem Umstand, dass es sich lediglich um zwei unterschiedliche Ansprüche desselben Klagepatents handelt.
3.
In der Änderung des Begriffs „Antrieb“ in „Abtrieb“ im Rahmen der Antragsstellung liegt hingegen keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, sondern eine zulässige Berichtigung im Sinne des § 264 Nr. 1 ZPO. Die Klägerin hat frühzeitig, nämlich bereits in ihrer Replik klargestellt, dass es sich lediglich um einen Schreibfehler gehandelt hat.
II.
Die Erfindung des Klagepatents betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Prüfen vom streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern.
Das Klagepatent beschreibt einleitend, dass von Kraftschraubern, d.h. Druckluft- oder Elektroschraubern, die in der Fertigungsindustrie Verwendung finden, gefordert wird, dass sie Schraubverbindungen auf ein vorgegebenes, zuverlässig reproduzierbares Anzugsdrehmoment festziehen. Vor dem Einsatz von neuen bzw. reparierten Kraftschraubern muss geprüft werden, inwieweit und mit welcher Genauigkeit bzw. Wiederholbarkeit das Verhalten des Kraftschraubers beim tatsächlichen Anziehen einer Schraubverbindung den Sollwerten entspricht, und ob der Kraftschrauber nachjustiert oder repariert werden muss.
Das Klagepatent nennt als Stand der Technik die Schrift DE 33 05 XXX C2, welche eine derartige Prüfung von Kraftschraubern ermögliche. Dabei wird eine an den Schrauber gekoppelte Welle mit gesteuert zunehmender Bremskraft gebremst und dadurch der Widerstand einer realen Schraubverbindung gegen das Festdrehen simuliert, und zwar im elastischen Bereich der Verformung der Schraubverbindung, in welchem die auf die Schraube wirkende Zugkraft (die dem ausgeübten Drehmoment entspricht) proportional ist zur Dehnung der Schraube (die ihrerseits proportional zum Drehwinkel ist). Durch Vorgabe unterschiedlicher Werte des Differenzenquotienten aus Drehmoment und Drehwinkel können unterschiedliche Arten von Schraubfällen simuliert werden, insbesondere Schraubverbindungen unterschiedlicher Härte. Es kann daher geprüft werden, ob der Kraftschrauber harte und weiche Schraubverbindungen, d.h. solche mit kurzem oder langem Schraubweg, zuverlässig auf das gleiche Enddrehmoment festzieht. Damit wird eine realitätsgerechte Prüfung des Schraubers ermöglicht.
Das Klagepatent nennt neben Kraftschraubern, die einen Schraubvorgang beenden, wenn ein vorgegebenes Anziehdrehmoment erreicht ist, auch sog. streckgrenzgesteuerte Kraftschrauber. Diese schalten dann ab, wenn die sog. Streckgrenze erreicht ist, d.h. am Ende des elastischen Verformungsbereichs der Schraubverbindung bzw. beim Übergang in den plastischen Verformungsbereich. An diesem Punkt bringt die Schraube ihre höchste Vorspannkraft auf, ohne dass die Bruchgefahr bereits erhöht ist. Eine exakt bis zur Streckgrenze festgezogene Schraube ist für viele Montagefälle optimal festgezogen. Um ein Abschaltsignal bei Erreichen der Streckgrenze zu erzeugen, ist der Kraftschrauber in der Regel mit Mitteln zum Erfassen des Drehmoments und des Drehwinkels und zum Ermitteln der Steigung der Drehmoment-Drehwinkel-Kurve versehen. Diese Kurve hat im elastischen Verformungsbereich eine konstante Steigung, bzw. einen konstanten Quotienten zwischen der Drehmomentzunahme ∆M und der Drehwinkelzunahme ∆φ. Am oberen Ende des elastischen Verformungsbereiches zeigt eine deutliche Abnahme des Quotienten ∆M/∆φ den Übergang in den plastischen Bereich, und damit das Erreichen der Streckgrenze an. In der Regel wird das Erreichen der Streckgrenze angenommen, wenn die Steigung ∆M/∆φ auf die Hälfte des Maximalwertes zurückgegangen ist, und in Abhängigkeit davon wird ein Abschaltsignal erzeugt. Das Klagepatent diskutiert im Weiteren weitere Möglichkeiten der Erzeugung des Abschaltsignals.
Nach Darstellung des Klagepatents ist für solche streckgrenzgesteuerten Kraftschrauber bisher kein zuverlässiges Prüfverfahren entwickelt worden. Das in der Schrift DE 33 05 XXX C2 beschriebene Verfahren sei lediglich in der Lage, den linearen Verlauf eines Schraubvorgangs im elastischen Bereich zu simulieren und ermögliche deshalb keine Aussage darüber, ob ein streckgrenzgesteuerter Kraftschrauber zuverlässig beim Erreichen der Streckgrenze abschaltet.
Vor diesem Hintergrund nennt es das Klagepatent als seine Aufgabe (technisches Problem), das in der Schrift DE 33 05 XXX C2 angegebene Verfahren derart weiterzuentwickeln, dass es eine Prüfung des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern ermöglicht.
Diese Aufgabe soll durch ein Verfahren, wie in Anspruch 1 offenbart, sowie durch eine Vorrichtung, wie in Anspruch 4 offenbart, gelöst werden.
Der Hauptanspruch 1 kann in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt dargestellt werden:
1. Verfahren zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern,
2. mit den Schritten
a) Koppeln des Abtriebs eines Kraftschraubers mit einer Welle und Betätigen des Kraftschraubers derart, dass dieser die Welle dreht;
b) Ausüben einer kontinuierlich zunehmenden Bremskraft auf die Welle derart, dass das vom Kraftschrauber zur Überwindung der Bremskraft ausgeübte Drehmoment kontinuierlich zunimmt;
c) Erfassen des auf die Welle ausgeübten Drehmoments und des Drehwinkels der Welle;
d) Steuern der Zunahme der Bremskraft derart, dass der Differenzenquotient zwischen der Zunahme des Drehmoments und der Zunahme des Drehwinkels einen vorgegebenen konstanten ersten Wert hat;
e) Umschalten der Bremskraftsteuerung bei Erreichen eines vorgegebenen Drehmoments und/oder Drehwinkels auf einen flacheren Anstieg, bei dem der Differenzenquotient einen vorgegebenen zweiten Wert hat, der kleiner als der erste Wert ist.
Der Hauptanspruch 4 kann in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt dargestellt werden:
4.1 Vorrichtung zum Prüfen des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern,
4.2 mit einer drehbar gelagerten Welle und
4.3 Mitteln zum Koppeln der Welle mit dem Abtrieb eines Kraftschraubers;
4.4 einer auf die Welle wirkenden Bremseinrichtung;
4.5 Mitteln zum Erfassen des auf die Welle einwirkenden Drehmomentes und des Drehwinkels der Welle;
4.6 und einer Steuereinrichtung zum Steuern der von der Bremseinrichtung ausgeübten Bremskraft gemäß einem vorgegebenen Programm, wobei das Programm so eingerichtet ist,
4.6.1 dass es in einer ersten Phase eines Prüfvorgangs eine Zunahme der Bremskraft steuert, die einer Zunahme des Drehmoments (M) über den Drehwinkel (φ) gemäß einem ersten, konstanten Wert des Differenzenquotienten (∆M/∆φ) entspricht,
4.6.2 und dass es bei Erreichen eines vorgegebenen Drehmoments (MS) und/oder Drehwinkels (φ)
4.6.3 in eine zweite Phase des Prüfvorganges umschaltet, in der eine geringere Zunahme der Bremskraft derart gesteuert wird, dass sie einer Zunahme des Drehmoments (M) in Abhängigkeit vom Drehwinkel (φ) gemäß einem zweiten, konstanten Wert des Differenzenquotienten (∆M2/∆φ) entspricht,
4.6.4 der kleiner als der erste Wert ist.
III.
Die Beklagte verletzt das Klagepatent mittelbar im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG. Hiernach ist es Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
1.
Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen.
Hierunter versteht man Mittel, welche geeignet sind, mit einem Element der Erfindung bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelzähler). Ausgeschlossen sind damit solche Mittel, die zwar zur Benutzung der Erfindung verwendet werden können, jedoch zur Verwirklichung der technischen Lehre (also zur Lösung des technischen Problems) nichts oder praktisch nichts beitragen (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettiersystem). Wesentlich ist ein Element der Erfindung hingegen regelmäßig bereits dann, wenn es Bestandteil des Patentanspruchs ist (BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das fragliche Mittel lediglich im Oberbegriff des Patentanspruchs aufscheint oder ob es im kennzeichnenden Teil erwähnt ist und somit die technische Lehre vom Stand der Technik abgrenzt (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler). Trotz Erwähnung des Gegenstands im Patentanspruch ist dann ausnahmsweise die Wesentlichkeit zu verneinen, wenn das Mittel zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis nichts beiträgt (BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren).
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen unmittelbar und wortsinngemäß die Merkmale 4.1 bis 4.6 des Klagepatentanspruchs 4 – also sämtliche Merkmale des Oberbegriffs – bzw. es kann auf ihnen das klagepatentgemäße Verfahren nach den Merkmalen 1, 2 a) bis d) des Klagepatentanspruchs 1 angewandt werden.
a)
Es handelt sich bei den angegriffenen Ausführungsformen um Prüfbänke zur Prüfung des Abschaltverhaltens von streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern im Sinne von Merkmal 4.1.
Bei dem betreffenden Merkmal handelt es sich um eine sogenannte Zweckangabe. Diese belehren den Fachmann über den möglichen Einsatz- und Gebrauchszweck der patentierten Erfindung. Sie definieren allerdings oftmals die durch das Patent geschützte Sache näher dahin, dass diese nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen muss, die der Patentanspruch explizit formuliert, sondern dass die Sache darüber hinaus so ausgebildet sein muss, dass sie geeignet ist, die im Anspruch genannte Wirkung zu erfüllen (BGH, GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze). Soweit die Sachmerkmale im Patentanspruch die technischen Voraussetzungen für den Wirkeintritt nur unvollkommen beschreiben, definiert die Zweckangabe mittelbar bestimmte weitere räumlich-körperliche oder funktionelle Anforderungen an den geschützten Gegenstand, die sich aus dem Patentanspruch noch nicht ergeben, die aber eingehalten werden müssen, damit die geschützte Sache die für sie vorgesehene Wirkung zutage bringen kann (BPatG, Mitt. 2007, 18 – Neurodermitis-Behandlungs-Gerät). Die Zweckangabe ist hingegen unerheblich für die Verletzungsprüfung, soweit der Patentanspruch im Übrigen bereits alle Bedingungen umschreibt, die aus technischer Sicht zur Erzielung der angegebenen Wirkung notwendig sind (BGH, GRUR 2006, 923 – Befestigungsvorrichtung II).
Die angegriffenen Ausführungsformen sind ohne weiteres geeignet zum Prüfen des Abschaltverhaltens streckgrenzgesteuerter Kraftschrauber. Unter Kraftschraubern versteht das Klagepatent nach der Legaldefinition in Abschnitt [0002] (Anlage GDM 1) Druckluft- oder Elektroschrauber. Bei streckgrenzgesteuerten Kraftschraubern handelt es sich nach Abschnitt [0004] des Klagepatents (Anlage GDM 1) um solche Schrauber, die automatisch abschalten, wenn die Streckgrenze einer Schraubverbindung erreicht ist, das heißt, am Ende des elastischen Verformungsbereichs der Schraubverbindung bzw. am Übergang in den plastischen Verformungsbereich. Die angegriffenen Ausführungsformen sind geeignet zum Prüfen derartiger Schrauber. Dies folgt aus der als Anlage GDM 10 vorgelegten Broschüre. Dort finden sich unter anderem die Aussagen
„ermöglicht die Prüfung von EC-Schraubern, Luftschraubern, Akkuschraubern […]“
„Die variable Simulationsmöglichkeit „Multistepverfahren“ ermöglicht die Prüfung der Originalschaubprogramme mit den unterschiedlichen Stufen: […] Streckgrenzenanzug“
Mithin ist eine Prüfung des Streckgrenzenanzugs von Akkuschraubern möglich.
Der Vortrag der Beklagten, bei der angegriffenen Ausführungsform „A“ handele es sich um eine Baureihe, die je nach Kundenwunsch unterschiedlich konfiguriert werden könne, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Die Beklagte bestreitet nämlich nicht die grundsätzliche Geeignetheit der angegriffenen Ausführungsformen zur entsprechenden Prüfung. Darüber hinaus obläge es ihr, darzulegen, inwiefern die Prüfbänke der Baureihe konfiguriert werden können und welche Typen gerade nicht zur Prüfung streckgrenzgesteuerter Kraftschrauber geeignet seien. Der nicht beweisbelasteten Partei obliegt es, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast, solche Tatsachen spezifiziert mitzuteilen, die der beweisführenden Partei nicht oder nur sehr erschwert zugänglich sind, während ihre Offenbarung für den Gegner ohne weiteres möglich und zumutbar erscheint (BGH, GRUR 2004, 268 – Blasenfreie Gummibahn II). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte ist als Lieferantin der angegriffenen Ausführungsformen in der Lage, entweder durch Durchsicht der eigenen Unterlagen oder durch Nachfrage beim mit ihr vertraglich verbundenen Hersteller herauszufinden, welche Typen nicht geeignet sind zur Prüfung streckgrenzgesteuerter Kraftschrauber.
b)
Die angegriffenen Ausführungsformen weisen eine drehbar gelagerte Welle mit Mitteln zum Koppeln dieser Welle mit dem Abtrieb eines Kraftschraubers sowie eine auf die Welle wirkende Bremseinrichtung im Sinne der Merkmale 4.1 bis 4.3 auf.
Zwar ist aus dem als Anlage GDM 10 vorgelegten Werbematerial die Verwirklichung der betreffenden Merkmale nicht unmittelbar ersichtlich. Allerdings ergibt sich aus Abschnitt 4.1 des als Anlage GDM 8 vorgelegten „A user manual“, dass die angegriffene Ausführungsform eine Bremseinrichtung aufweist. Ferner sind auf der Abbildung der angegriffenen Ausführungsform auf Seite 1 der Anlage GDM 8 mehrere aus der horizontalen Platte vertikal herausragende Vierkantstifte ersichtlich, welche Kupplungselemente zum Kuppeln des zu prüfenden Werkzeugs darstellen. Schließlich weist die per Testkauf erworbene Prüfbank mehrere vertikal angeordnete Wellen auf, welche sowohl mit dem Vierkant als auch mit der Bremseinrichtung in Verbindung stehen. Die Beklagte trägt zwar vor, die per Testkauf erworbene Prüfbank, welcher die Bedienungsanleitung (Anlage GDM 8) beilag, sei für die USA bestimmt gewesen. Allerdings ist der entsprechende Vortrag als unerheblich zu betrachten. Denn ausweislich Seite 1 der Anlage GDM 8 handelt es sich um eine Bedienungsanleitung für „A“, also für die gesamte Baureihe. Darüber hinaus entspricht die Abbildung der äußeren Gestalt der angegriffenen Ausführungsform im Werbematerial (Anlage GDM 10) der Abbildung in der Bedienungsanleitung (Anlage GDM 8, Seite 10). Angesichts dieser Umstände oblag es der Beklagten, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vorzutragen, welche abweichende innere technische Gestaltung die für den deutschen Markt vorgesehenen angegriffenen Ausführungsformen aufweisen, insbesondere, in welcher Form die Prüfung der Werkzeuge ohne das Vorsehen von Bremseinrichtungen, Kupplungselementen und mehrerer Wellen ermöglicht werden sollte. Entsprechender Vortrag fehlt.
c)
Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen ebenfalls über Mittel zum Erfassen des auf die Welle einwirkenden Drehmomentes und des Drehwinkels der Welle im Sinne von Merkmal 4.5. Die Klägerin trägt in diesem Zusammenhang vor, dass an der Welle der von ihr untersuchten, per Testkauf erworbenen Prüfbank Dehnungsmessstreifen angebracht seien, mittels derer die Torsion der Welle und damit das Drehmoment erfasst werde. Ferner verfügten die angegriffenen Ausführungsformen über einen mit der Welle rotierenden Magneten und einen stationären Magnetfeldsensor, der den Drehwinkel erfasse. Der Vortrag der Beklagten, dass es mehrere Möglichkeiten der Ermittlung des Drehwinkels und des Drehmoments gäbe und eine unmittelbare Messung nicht zwingend notwendig sei, ist angesichts des konkreten Vortrags der Klägerin zur Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen nicht hinreichend. Sie hätte zur konkreten Ausgestaltung der für den deutschen Markt bestimmten angegriffenen Ausführungsformen vortragen müssen. Mangels entsprechenden Vortrag gilt der Vortrag der Klägerin als zugestanden im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO.
d)
An einer unmittelbaren Verwirklichung der Merkmalsgruppe 4.6 fehlt es bei den angegriffenen Ausführungsformen hingegen. Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen zwar über eine Steuerungseinrichtung. Allerdings ist bei Auslieferung kein Programm derart eingerichtet, dass es die Verfahrensschritte 4.6.1 bis 4.6.3 ausführen kann.
e)
Angesichts dessen, dass, wie oben dargelegt, die angegriffenen Ausführungsformen sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Klagepatentanspruchs 4 verwirklichen, handelt es sich bei ihnen um ein wesentliches Element der Erfindung.
2.
Die Beklagte hat die angegriffenen Ausführungsformen, wie oben unter I.1 dargelegt, angeboten. Die Beklagte hat den entsprechenden Klägervortrag nicht hinreichend bestritten, sondern lediglich die fehlende Schlüssigkeit moniert. Hieran fehlt es allerdings, wie oben dargelegt, nicht. Mithin gilt der entsprechende Vortrag der Klägerin nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
3.
Die angegriffenen Ausführungsformen eignen sich objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung. Dies ist dann der Fall, wenn bei dem Einsatz des Mittels Im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG zusammen mit anderen Mitteln bzw. zur Anwendung eines Verfahrens eine unmittelbare Patentverletzung objektiv möglich ist (BGH, GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug). Es ist objektiv möglich, die angegriffenen Ausführungsformen derart zu programmieren, dass sie die Verfahrensschritte gemäß Merkmal 4.6.1 bis 4.6.4 ausführen, nämlich, dass sie in einer ersten Phase eines Prüfvorgangs eine Zunahme der Bremskraft steuern, die einer Zunahme des Drehmoments (M) über den Drehwinkel (φ) gemäß einem ersten, konstanten Wert des Differenzenquotienten (∆M/∆φ) entspricht (4.6.1), und dass sie bei Erreichen eines vorgegebenen Drehmoments (MS) und/oder Drehwinkels (φ) (4.6.2) in eine zweite Phase des Prüfvorganges umschalten, in der eine geringere Zunahme der Bremskraft derart gesteuert wird, dass sie einer Zunahme des Drehmoments (M) in Abhängigkeit vom Drehwinkel (φ) gemäß einem zweiten, konstanten Wert des Differenzenquotienten (∆M2/∆φ) entspricht (4.6.3), der kleiner als der erste Wert ist (4.6.4).
Die angegriffenen Ausführungsformen lassen sich derart programmieren, dass sie unter Festlegung des Drehwinkels und Drehmoments verschiedene Prüfphasen durchlaufen. Wie aus der von der Klägerin vorgenommenen Programmierung der untersuchten angegriffenen Ausführungsform ersichtlich, ist diese objektiv geeignet, zwei Prüfphasen zu durchlaufen, bei welchen der zweite Wert des Differenzenquotienten kleiner ist als der der ersten Prüfphase. Dies wird veranschaulicht in der auf Seite 15 der Klageschrift (Bl. 15 GA) abgebildeten, nachfolgend eingeblendeten Tabelle sowie der graphischen Darstellung und wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
3.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind ebenfalls subjektiv zur Benutzung der Erfindung bestimmt. Der Belieferte muss hierzu die ihm angebotene/gelieferte Vorrichtung so zusammenfügen bzw. herrichten wollen, dass sie patentverletzend verwendet werden kann (BGH, GRUR 2001, 228 – Luftheizgerät). Der Handlungswille des Angebotsempfängers bzw. Lieferempfängers muss im Zeitpunkt der Vornahme der mittelbaren Patentverletzung hinreichend sicher absehbar sein. Hierbei ist es nicht notwendig, dass der Abnehmer die Verwendungsbestimmung bei Zugang des Angebots bereits getroffen hat und der Anbietende dies weiß. Vielmehr genügt, dass bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Anbietenden die hinreichend sichere Erwartung besteht, dass der Abnehmer die angebotenen Mittel zum patentverletzenden Gebrauch bestimmen wird (BGH, GRUR 2006, 839 – Deckenheizung). Die subjektive Bestimmung ist regelmäßig auf Grund der Umstände offensichtlich, wenn das Mittel ausschließlich patentverletzend verwendet werden kann (BGH, GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug). Ist ein Mittel sowohl patentfrei als auch patentgemäß nutzbar, ist Offensichtlichkeit gleichwohl anzunehmen, wenn in der Gebrauchsanleitung oder dergleichen auf beide Benutzungsarten gleichermaßen, oder sogar empfehlend, hingewiesen wird (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat).
So liegt der Fall hier. Zwar können die angegriffenen Ausführungsformen auch patentfrei verwendet werden. Allerdings weist die Beklagte in dem ihr zuzurechnenden Werbematerial (Anlage GDM 10) auf die patentverletzende Benutzung hin. Laut der betreffenden Broschüre ermöglichen die angegriffenen Ausführungsformen die Prüfung der Originalschraubprogramme unter anderem in der Stufe des Streckgrenzenanzugs. Dies wird bestätigt in der auf derselben Seite der Broschüre abgebildeten, nachfolgend eingeblendeten Grafik, die einen zu simulierenden Schraubfall zeigt.
Der hier dargestellte Graph zeigt in Abschnitt C eine Zunahme des Drehmoments über einen Drehwinkel mit einem konstanten Differenzquotienten. In Abschnitt D, der unterhalb der Grafik als „Streckgrenze“ bezeichnet wird, hat der Differenzenquotient angesichts der fehlenden Steigung des Graphen einen kleineren Wert als in Abschnitt C. Hierbei ist es unerheblich, dass der Graph in Abschnitt D keine Zunahme des Drehmoments zeigt, sondern lediglich ein gleichbleibendes Drehmoment. Denn nach dem Anspruchswortlaut ist die Bremskraft so zu steuern, dass sie in der zweiten Phase der Zunahme des Drehmoments „entspricht“. Wie die Klägerin durch ihre Messungen veranschaulicht hat, führt die Bremskraft durch die Trägheit der hydraulischen Bremsen bei einer Einstellung wie in der in der Broschüre dargestellten schematischen Simulationskurve zu einem Drehmomentverlauf, bei welchem es in einer zweiten Phase zu einer konstanten Zunahme des Drehmoments mit einem kleineren Differenzenquotienten, also einer geringeren Steigung des Graphen, kommt. Dies ist dargestellt in der unten eingeblendeten, dem Schriftsatz der Klägerin vom 1.12.2016 entnommenen Simulationskurve und Messkurve (Bl. 67 GA).
Hierbei ist es unerheblich, dass die oben dargestellte Messung mit einem drehmomentgesteuerten Schrauber und nicht mit einem streckgrenzgesteuerten Schrauber mit Abschaltvorrichtung vorgenommen wurde. Denn wie von Klägerseite vorgetragen und von Beklagtenseite nicht bestritten, diente die Verwendung des drehmomentgesteuerten Schraubers lediglich der Simulation des oben dargestellten Effekts der Trägheit der Bremsen und der damit einhergehenden Drehmomentzunahme trotz entsprechender Programmierung auf einen gleich bleibenden Drehmomentwert.
Mithin wird durch Einblendung der schematischen Darstellung auf Seite 2 der Broschüre (Anlage GDM 10) eine Steuerung wie in Merkmalsgruppe 4.6 werbend herausgestellt. Durch diesen der Beklagten zuzurechnenden Hinweis ist die Bestimmung der angegriffenen Ausführungsformen zur patentverletzenden Nutzung offensichtlich.
5.
Es besteht ebenfalls ein sogenannter doppelter Inlandsbezug. Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl das Anbieten oder Liefern des Mittels als auch die patentgemäße Nutzung im Inland erfolgen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 9. Auflage, Abschnitt A, Rn 322). Wie oben dargelegt, richtet sich das Angebot in der als Anlage GDM 10 vorgelegten Broschüre bestimmungsgemäß an Kunden in der Bundesrepublik Deutschland. Auch die Nutzung der angegriffenen Ausführungsformen soll hier erfolgen. Die Beklagte trägt zwar vor, auch in das patentfreie Ausland zu liefern. Allerdings ist dies unerheblich, da aus dem Angebot nicht ersichtlich ist, dass ausschließlich ins patentfreie Ausland geliefert werden soll. Entgegen der Auffassung der Beklagten führt ihr Vortrag zum Testkauf nicht zu einer Verneinung des doppelten Inlandsbezugs. Denn selbst wenn man unterstellt, dass die per Testkauf erworbene Prüfbank zur Verwendung im patentfreien Ausland bestimmt war, ändert dies nichts an der Angebotshandlung der Beklagten durch Werbemaßnahmen im Internet. Hieraus folgt jedenfalls eine Erstbegehungsgefahr im Hinblick auf das Liefern der angegriffenen Ausführungsformen im Inland.
6.
Es besteht sowohl Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der Eignung zur patentgemäßen Nutzung der angegriffenen Ausführungsformen als auch zur Verwendungsbestimmung.
Als Wettbewerber am relevanten Markt war der Beklagten die Eignung zur patentgemäßen Benutzung bewusst, was schon daraus folgt, dass sie diese Art der Nutzung in ihrem Werbematerial empfiehlt. Aus dieser Empfehlung folgt ebenfalls der Vorsatz in Bezug auf die Verwendungsbestimmung.
V.
Aus denselben Gründen liegt eine mittelbare Verletzung des Verfahrensanspruchs 1 des Klagepatents vor.
VI.
Aus der mittelbaren Patentverletzung folgen die von der Klägerin geltend machten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach im tenorierten Umfang.
a)
Die Beklagte ist der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt. Es besteht Wiederholungsgefahr. Der Vortrag der Beklagten, sie vertreibe gegenwärtig keine klagepatentgemäßen angegriffenen Ausführungsformen, verfängt nicht. Voraussetzung der Beseitigung der Wiederholungsgefahr wäre die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Diese ist bisher nicht erfolgt.
b)
Es ist ein Schlechthinverbot zu verhängen. Zwar lautet der Grundsatz, dass bei der Möglichkeit einer auch patentfreien Nutzung des Mittels, die hier gegeben ist, nur eingeschränkte Verbote möglich sind (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler). Allerdings ist auch bei der Möglichkeit einer patentfreien Nutzung ein Schlechthinverbot auszusprechen, soweit eine patentfreie Benutzung des Mittels auf eine patentgemäße Ausgestaltung nicht angewiesen ist, weil das Mittel ohne Weiteres derart abgeändert werden kann, dass es den Vorgaben des Patents nicht mehr entspricht seine Eignung zur patentfreien Verwendung aber dennoch nicht einbüßt (OLG Düsseldorf, Urt. V. 29.03.2012 Az. I-2 U 137/10). So liegt der Fall hier. Die Beklagte trägt in ihrer Duplik vom 03.04.2017 (Bl. 80 GA) vor, dass gegenwärtig nur Prüfbänke ausgeliefert werden, die die von der Klägerin beschriebene Softwarefunktion nicht aufweisen und die Merkmalsgruppe 4.6 nicht verwirklichen. Mithin ist eine Abänderung der angegriffenen Ausführungsformen ohne Weiteres möglich und diese haben auch bei lediglich patentfreier Nutzung einen wirtschaftlichen Wert für die Beklagte.
Der Vortrag der Beklagten, dass selbst unter Verwendung der Softwarefunktion eine patentfreie Nutzung möglich sei, da auch andere Werkzeuge mittels des patentgemäßen Prüfverlaufs geprüft werden könnten, geht hingegen fehl. Denn selbst wenn andere Werkzeuge als streckgrenzgesteuerte Kraftschrauber geprüft werden würden, so läge trotz allem eine Patentverletzung vor. Bei Merkmal 4.1 handelt es sich, wie oben dargelegt, um eine Zweckbestimmung. Es genügt mithin die objektive Geeignetheit der Vorrichtung zur patentverletzenden Benutzung. Selbst die Prüfung eines anderen Werkzeugs mit dem patentierten Prüfverlauf würde eine nicht gestattete Benutzung darstellen.
c)
Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten, § 139 Abs. 2 PatG, denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
d)
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. In Bezug auf die Angaben zu Herstellungsmengen und –zeiten war die Klage hingegen abzuweisen. Die Klägerin wendet sich lediglich gegen das Angebot und die Lieferung der angegriffenen Ausführungsformen, so dass sie nur im Hinblick auf diese Handlungen Auskünfte verlangen kann.
VII.
Der Rechtsstreit ist nicht bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des BPatG über den Rechtsbestand des Klagepatents auszusetzen.
1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Eine Aussetzung ist vielmehr grundsätzlich erst dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (vgl. BGH, GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
2.
Der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung kann von der Kammer nicht festgestellt werden.
Eine unzulässige Erweiterung liegt dann vor, wenn der Gegenstand einer Anmeldung so geändert wird, dass er über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der Gegenstand der Anmeldung ist das mögliche Patentbegehren, welches der Fachmann dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung nebst Ansprüchen, Beschreibung und Zeichnungen entnimmt (Schulte/Moufang, PatG, 9. Auflage, § 38 Rn 19).
Die Kammer kann nicht erkennen, dass die Einfügung des Begriffs „zweite Phase“ über eine klarstellende Wirkung hinaus zur Erweiterung des Anspruchs führt. Bereits in der als Anlage N3 vorgelegten Offenbarungsschrift des Klagepatents wird im Patentanspruch eine erste Prüfphase genannt und dass nach Erreichen eines gewissen Drehmoments oder Drehwinkels die Umschaltung in eine geringere Bremskraft erfolgt. Auch in der Offenbarungsschrift werden also bereits zwei Prüfphasen beschrieben, die lediglich nicht ausdrücklich als solche benannt werden.
3.
Es ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das BPatG das Klagepatent wegen fehlender Neuheit in Bezug auf die Entgegenhaltung WO 98/010XXX (Anlage N8, in deutscher Übersetzung als Anlage N8a vorgelegt) vernichten wird. Die Entgegenhaltung betrifft einen Simulationsprüfstand mit variabler Drehmomentrate.
Nach dem Vortrag der Beklagten sei die Merkmalsgruppe 4.6 durch die in Figur 16 abgebildete Messkurve offenbart.
Dies ist für die technisch nicht fachkundig besetzte Kammer nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar. Die Messkurve stammt nach Abschnitt [0038] der Entgegenhaltung (Anlage N8a) von einem Impulswerkzeug. Wie in Abschnitt [0008] ausgeführt, wird bei einem Impulswerkzeug ein Energiespeicher aufgebaut, wobei während dieser Zeitdauer kein Drehmoment ausgegeben wird. Dann erfolgt eine Übertragung dieser Energie als Impuls. Während dieser Übertragung nimmt das Drehmoment zuerst auf seinen Maximalwert zu und fällt dann wieder auf null ab. Dies wird auch in der Messkurve nach Figur 16 veranschaulicht. Dort nimmt das Drehmoment in der Phase zwischen 7,6° und 11,5° zu, fällt in einer zweiten Phase bei 11,5° schlagartig ab und nimmt in einer dritten Phase ab 11,5° kontinuierlich wieder zu, allerdings mit einem geringeren Differenzenquotienten als vorher, also einer geringeren Steigung. Mithin ist in dieser Messkurve ein dreiphasiger Prüfaufbau offenbart. Es fehlt hier an einer eindeutigen Offenbarung der klagepatentgemäßen zweischrittigen Prüfung.
4.
Die Kammer kann nicht feststellen, dass das BPatG das Klagepatent wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit ausgehend von der im Erteilungsverfahren bereits berücksichtigten Entgegenhaltung DE 33 05 XXX C2 (Anlage N4) in Kombination mit der Entgegenhaltung 2 270 XXX A (Anlage N9) widerrufen wird. Jedenfalls lassen sich noch vernünftige Argumente zur Bejahung der Erfindungshöhe finden.
Die Entgegenhaltung N4 offenbart nicht die in der Merkmalsgruppe 4.6 vorgesehene zweischrittige Prüfung. Die Kammer kann nicht feststellen, dass der Fachmann zur Lösung des klagepatentgemäßen Problems, nämlich der Prüfung des Abschaltverhaltens streckgrenzgesteuerter Kraftschrauber, ausgehend von N4 auf die Lehre der N9 zurückgegriffen hätte. Denn diese befasst sich mit Drehmomentschlüsseln, die zwar auch eine Streckgrenze erfassen, denen aber eine andere Technik zu Grunde liegt. Denn die offenbarten Drehmomentschlüssel werden von Hand betrieben und schalten gerade nicht ab bei Erreichen der Streckgrenze. Vor diesem Hintergrund ist für die Kammer nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass sich der Fachmann einer Schrift zugewandt hätte, bei der es gar nicht um die Prüfung eines Abschaltverhaltens geht.
5.
Die von der Beklagten kombinierten Entgegenhaltungen N4 und DE 34 22 XXX A (Anlage N6) waren beide Gegenstand des Erteilungsverfahrens. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Aussetzung nicht angezeigt.
6.
Es ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das BPatG das Klagepatent auf Grund fehlender erfinderischer Tätigkeit ausgehend von der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung der Prüfbank des Unternehmens F in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen widerruft. Selbst wenn man davon ausginge, dass die betreffende Prüfbank wie in Anlage N10 dargestellt, vor dem Prioritätszeitpunkt des Klagepatents bereits der Öffentlichkeit zugänglich war, so fehlt es an dem Vortrag der Beklagten bezüglich einer Veranlassung des Fachmanns, diese Prüfbank klagepatentgemäß zweischrittig zu programmieren. Denn wie von Beklagtenseite vorgetragen (Bl. 83 GA), gibt es bei einer Prüfbank nahezu unendlich viele Prüfungsszenarien. Dies wird bestätigt in der als Anlage GDM 8 vorgelegten Bedienungsanleitung, die auf Seite 62 drei unterschiedliche Kurvenverläufe darstellt.
VIII.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Teilabweisung in Bezug auf einen Teil des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs hat auf Grund ihrer Geringfügigkeit keinen Einfluss auf die Kostenquote.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Weder der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 29.5.2017 noch der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 30.5.2017 gaben Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Hauptverhandlung nach § 156 ZPO.
Streitwert: 500.000,00 EUR