4a O 177/15 – Leistungssteuerungssystem

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2649

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 06. April 2017, Az. 4a O 177/15

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin macht als im Register (Anlage B&B5) eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Europäischen Patents 1 360 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent) gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach geltend.

Die Anmeldung des Klagepatents, welches eine Priorität vom 08.02.2001 in Anspruch nimmt, wurde am 12.11.2003 offengelegt, der Hinweis auf die Patenterteilung am 19.10.2011 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 602 41 XXX.4) steht in Kraft.

Der für das hiesige Verfahren maßgebliche Anspruch 1 ist in der englischen Sprache, in welcher das Klagepatent zur Anmeldung gelangte, wie folgt gefasst:

„A power control system for an AC electric arc furnace having an AC power source (10) for applying active AC power to an arc electrode (12) the power control system comprising:

variable reactance (16) intermediate the AC power source (10) and the electrode (12); and

variable reactor controller (28) for causing the variable reactance (16) to vary;

characterized in that the variable reactor controller (28) is adapted to monitor an impedance of the electrode (12) and cause the variable reactance (16) to vary in response to changes in the monitored electrode impedance so as to reduce variations in the active AC power provided to the electrode (12); and the variable reactor controller (28) is configured to calculate the electrode impedance, calculate a required reactance based on the calculated electrode impedance, and adjust the variable reactance (16) to the calculated reactances.”

In die deutsche Sprache übersetzt kann der Klagepatentanspruch 1 wie folgt wiedergegeben werden:

„Leistungssteuerungssystem für einen wechselstrombetriebenen elektrischen Lichtbogenofen mit einer Wechselstromquelle (10) zur Einbringung von aktivem Wechselstrom in eine Lichtbogenelektrode, umfassend:

einen variablen Blindwiderstand (16) zwischen der Wechselstromquelle (10) und der Elektrode (12); und

eine variable Reaktor-Steuerung (28) zum Auslösen einer Änderung des variablen Blindwiderstands (16)

dadurch gekennzeichnet, dass die variable Reaktor-Steuerung (28) geeignet ist, eine Impedanz der Elektrode (12) zu überwachen und eine Änderung des variablen Blindwiderstands (16) in Abhängigkeit von Änderungen in der überwachten lmpedanz der Elektrode auszulösen, um Schwankungen in der Einbringung von aktivem Wechselstrom in die Elektrode (12) zu reduzieren; und die variable Reaktor-Steuerung (28) zu einer Berechnung der lmpedanz der Elektrode (12) geeignet ist, und zu einer Berechnung eines benötigten Blindwiderstandes anhand der berechneten lmpedanz der Elektrode geeignet ist, und zu einer Anpassung des variablen Blindwiderstands (16) an den berechneten Blindwiderstand geeignet ist.“

Abbildung 1 (nachfolgend verkleinert) zeigt eine schematische Darstellung eines Elektrolichtbogenofens mit drei Elektroden, der über eine Leistungsversorgung gemäß einer klagepatentgemäßen Ausführungsform verfügt:
Der mit drei Elektroden 12 ausgestattete Ofen ist an eine lokale Stromschiene 10 angeschlossen, über die er Leistung aus einem lokalen Kraftwerk erhält. Die Elektroden 12, deren Lichtbogenenden zum Schmelzen eines Einsatzgutes in dem Ofenbehälter 24 gelagert sind, sind an die Ofenseite eines Transformators 14 angeschlossen. Die variable Blindwiderstandskomponenten 16 umfassen jeweils einen Induktor 20, der parallel zur Reihenschaltung eines Induktors 23 und eines Thyristorschalters 22 geschaltet ist.

Die nachfolgende Figur 2 (verkleinert) gibt ein Blockdiagramm eines Leistungssteuerungssystems für die Leistungsversorgung in einem Lichtbogenofen gemäß dem Klagepatent wieder:

Das Steuersystem steuert nach Abschnitt [0019] des Klagepatents (Abschnitte ohne Bezeichnung sind im Folgenden solche des Klagepatents) vorzugsweise drei Aspekte des Lichtbogenofens, nämlich den Wert der variablen Blindwiderstands-Komponente 16, die Abgreifstellen des Ofentransformators 14 und die Höheneinstellung der Elektroden 12 (in der Figur 2 nur einfach dargestellt). Die Steuerung der variablen Blindwiderstands-Komponente 28 steuert den Blindwiderstand der variablen Blindwiderstands-Komponente 16 – anhand von laufenden Strom- und Spannungsmessungen, die der erste und der zweite Spannungswandler 30, 32 und der Stromwandler 34 liefern – durch Anpassen der Zündwinkel von Thyristoren 22, wodurch der durch den Induktor 20 fließende Strom erhöht oder reduziert wird. Die Steuerung der variablen Blindwiderstands-Komponente 28 umfasst ein Impedanzberechnungsmodul 38, das den Wirkwiderstand (RL) und den Blindwiderstand (XL) auf der Ofenseite bestimmt, und diesen Wert an ein Blindwiderstandsberechnungsmodul 40 zur Bestimmung eines erforderlichen Blindwiderstandes (XREQ) weitergibt. Anhand des Wirkwiderstands, des Blindwiderstands und des erforderlichen Blindwiderstands bestimmt ein Ansteuerungswinkelberechnungsmodul 42 den geeigneten Zündwinkel der Thyristoren 22.

Aufträge zur Lieferung von Hochofentechnologien werden regelmäßig im Rahmen von Ausschreibungsverfahren vergeben, bei denen ein Konsortium (Generalunternehmer) als Bieter gegenüber dem Betreiber der Ofenanlage auftritt. Das Konsortium ist vertraglich mit einem Zulieferer verbunden, der sich jedoch auch gegenüber dem Hochofenbetreiber dazu verpflichtet, das Konsortium mit Hochofenkomponenten zu versorgen, sofern das Konsortium den Zuschlag erhält.

Die Beklagte fungiert im Rahmen von Ausschreibungsverfahren im Bereich der Hochofentechnologie als Hauptzulieferer in dem beschriebenen Sinn. Als solcher bietet sie an und vertreibt elektrische Lichtbogenöfen, unter anderem auch einen sog. „SAF-Ofen“ (=Elektroreduktionsöfen zur Gewinnung von Ferrolegierungen aus Erzen), der mit einem Steuerungssystem, einem sog. „Gradator“, ausgestattet ist (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Dieser „Gradator“ weist unter anderem ein Thyristorpaar auf, dessen Zündwinkel über einen Computer gesteuert werden können. Des Weiteren wird auf die technische Beschreibung des „Gradators“, vorgelegt als Anlage B&B17, Bezug genommen.

Die Beklagte bot nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents ein angegriffenes Steuerungssystem für eine SAF-Ofenanlage „A“ (Indonesien) an, wobei sie die Ausschreibungsunterlagen an ihrem Firmensitz in Düsseldorf anfertigte.

Die Beklagte stellt Teile des Steuerungssystems selbst her, beauftragt aber teilweise auch andere Unternehmen, Hard- und Softwarekomponenten der angegriffenen Ausführungsform nach ihren, der Beklagten, gemachten Vorgaben herzustellen, so zum Beispiel im Jahr 2012 das französische Unternehmen „B“.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

Bei dem „Gradator“ der angegriffenen Ausführungsform handele es sich um eine klagepatentgemäße variable Blindwiderstandskomponente. Insbesondere sei ein Thyristorschalterpaar nach der Lehre des Klagepatents ausreichend, um als variable Blindwiderstandskomponente zu fungieren.

Es werde bei der angegriffenen Ausführungsform auch der Scheinwiderstand überwacht und auf dieser Grundlage (orientiert an der Anlage B9) durch die als „PI-Regler“ bezeichnete Komponente ein benötigter Blindwiderstand berechnet, gerade um eine Änderung der Blindwiderstands-Komponente (Thyristor) auszulösen. Dies lasse sich insbesondere aus dem mehrachsigen Diagramm der Folie 5 der Anlage B&B20 herleiten.

Soweit die Beklagte behauptet, die angegriffene Ausführungsform regle lediglich die tatsächliche Wirkleistung auf einen Sollwert, sei dies schon technisch nicht möglich. Des Weiteren könne auch die Leistungs-Regelung (von der Beklagten auch als „Wirkleistungskreis“ bezeichnet) technisch nicht getrennt von der Impedanz-Regelung (von der Beklagten auch als „Elektrodenregelkreis“ bezeichnet) ablaufen, wie es die Beklagte unter Bezugnahme auf die Anlage B9 behauptet. Denn beide Regelungen sind – insoweit unstreitig – Teil eines Stromkreises und wirken auf dieselbe Elektrodenanordnung ein.

Die Klägerin beantragt:

I. Die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Leistungssteuerungssysteme für wechselstrombetriebene elektrische Lichtbogenöfen mit einer Wechselstromquelle zur Einbringung von Wirkleistung in eine Lichtbogenelektrode, umfassend:

eine variable Blindwiderstands-Komponente zwischen der Wechselstromquelle und der Elektrode; und eine Steuerung der variablen Blindwiderstands-Komponente zum Auslösen einer Änderung der variablen Blindwiderstands-Komponente,

dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung der variablen Blindwiderstands-Komponente geeignet ist, einen Scheinwiderstand der Elektrode zu überwachen und eine Änderung der variablen Blindwiderstands-Komponente in Abhängigkeit von Änderungen in dem überwachten Scheinwiderstand der Elektrode auszulösen, um Schwankungen in der Einbringung von Wirkleistung in die Elektrode zu reduzieren; und

die Steuerung der variablen Blindwiderstands-Komponente zu einer Berechnung des Scheinwiderstands der Elektrode geeignet ist, und zu einer Berechnung eines benötigten Blindwiderstands anhand des berechneten Scheinwiderstands der Elektrode geeignet ist, und zu einer Anpassung der variablen Blindwiderstands-Komponente an den berechneten Blindwiderstand geeignet ist,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen und von der Bundesrepublik Deutschland aus anzubieten;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 19.11.2011 begangen hat, und zwar unter Angabe:

a) der Namen und Anschriften der Hersteller und Lieferanten;

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;

c) der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, und wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, geheimhaltungsbedürftige Daten außerhalb der auskunftspflichtigen Daten zu schwärzen;

3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 19.11.2011 begangen hat, und zwar unter Angabe:

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 19.11.2011 entstanden ist und noch entstehen wird;

Die Beklagte beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletzte das Klagepatent nicht.

Bei den Elektroden der angegriffenen Ausführungsform handele es sich nicht um Lichtbogenelektroden im Sinne des Klagepatents, weil die Wirkleistung – was die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet – gerade nicht in die Elektrode als solche eingeleitet, sondern erst über den Lichtbogen und den Widerstand des einzuschmelzenden Materials in Wärme umgewandelt werde. Das Klagepatent setze aber eine Elektrode im Sinne eines Tauchsieders voraus, die sich mithin selbst erwärmt und ihre Wärme an das sie umgebende Medium abgebe.

Auch fehle es an einer variablen Blindwiderstands-Komponente im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre. Eine solche setze – in Orientierung an die einzig beschriebene und deshalb für die Auslegung des Klagepatents maßgebliche Ausführungsform – das Vorhandensein einer elektronischen Teilschaltung bestehend aus einer Drossel (Spule oder Induktor) sowie Thyristoren voraus.

Der „Gradator“ der angegriffenen Ausführungsform verstelle lediglich die Stromstärke auf der Sekundärseite der Elektrode, eine gezielte Regelung der Blindleistungsmenge und eine Berechnung eines benötigten Blindwiderstens finde darüber nicht statt. Es werde unmittelbar die Wirkleistung geändert. Dieser Kreislauf wird von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Anlage B9 auch als „Wirkleistungsregelkreis“ bezeichnet.

Bei der angegriffenen Ausführungsform werde auch kein „Scheinwiderstand der Elektrode“ überwacht und in Abhängigkeit dazu eine Veränderung der variablen Blindwiderstands-Komponente vorgenommen. Vielmehr werde der Gesamtscheinwiderstand als Summe aus den Scheinwiderständen von Elektrode, Lichtbogen, Einsatzgut und Schlacke überwacht, um auf der Grundlage des überwachten Gesamtscheinwiderstandes ein Signal für die Einstellung der vertikalen Position der Elektroden im Ofen abzuleiten. Die Beklagte bezeichnet diesen Kreislauf unter Bezugnahme auf die Anlage B9 auch als „Elektrodenregelkreis“.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017 Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1, 2, 140b Abs. 1, 3, PatG, §§ 242, 259 BGB zu, da die angegriffene Ausführungsform von der durch das Klagepatent geschützten Lehre keinen Gebrauch macht.

I.
Gegenstand des Klagepatents sind eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Leistungssteuerung von Lichtbogenöfen (Abs. [0001]).

1.
Lichtbogenöfen werden häufig eingesetzt, um Festkörper wie Metalle oder erzhaltige Materialen zu schmelzen (Abs. [0002]). In den Öfen gelangen gewöhnlich Hochleistungslichtbögen zum Einsatz, um Wärmeenergie zu erzeugen, wobei die dem Lichtbogen zugeführte elektrische Energie über eine Stromversorgung gesteuert wird (Abs. [0002]).

Lichtbögen haben die Neigung, dass sie stets in Bewegung sind, weil sie sich die Stelle suchen, an der sie an dem jeweiligen Einsatzgut auf den geringsten Widerstand treffen („nichtlineare zeitvariable Impedanz“). Dies führt dazu, dass die Spannung, der Strom und die Leistung, die von einem Lichtbogenofen aufgenommen werden, stark schwanken (Abs. [0002]). Derartige Schwankungen können zu Leistungsineffizienzen, verstärkter Geräteabnutzung, Störungen im Stromnetz und in Extremfällen sogar zu Schäden am Stromversorgungsnetz oder am Lichtbogen führen (Abs. [0002]).

Im Stand der Technik sind dem Klagepatent zufolge Möglichkeiten bekannt, um die Leistungsversorgung von Lichtbogenöfen zu regulieren.

Einige Lichtbogenöfen sahen eine nicht-variable in Reihe geschaltete Drossel vor, um die Lichtbogenstabilität geringfügig zu verbessern (Abs. [0003]). Des Weiteren gelangten Statische Watt-Kompensatoren (Static Watt Compensators, SWC) zum Einsatz, um Lastabschaltungen zu vermindern. Über Elektrodenregler, welche die Elektrodenbewegung im Lichtbogen steuern, wurde die relative Position einer Lichtbogenelektrode hier gelenkt (Abs. [0003]).

Des Weiteren sind Techniken vorbekannt, die entweder an eine Stabilisierung der Spannung oder an eine Stabilisierung des Stroms anknüpfen.

Bei dem ebenfalls vorbekannten statischen Blindleistungskompensator (SVC) handelt es sich um ein Steuerungssystem, das primär darauf ausgerichtet ist, die Spannung in einem Lichtbogenofen zu stabilisieren (Abs. [0004]). Bei der SVC-Anlage wird die gesamte Blindleistungsaufnahme (MVAR) des Lichtbogenofens dadurch gleichmäßig nahe Null gehalten, dass parallel entweder eine kapazitive oder eine induktive Blindleistung eingespeist wird. Die US 5 239 554 offenbart hingegen ein Steuerungssystem, bei dem der Lichtbogenstrom durch den Einsatz von gesteuerten Serienblindwiderständen stabilisiert wird (Abs. [0005]). Nach der US 5 991 327 wird eine Steuerung eingesetzt, bei der über den Einsatz einer mit dem Lichtbogen in Reihe geschalteten Thyristoreinheit Stromschwingungen, die zu Spannungsschwankungen führen, unterdrückt werden (Abs. [0005]).

Da Leistung das Produkt aus Spannung und Strom ist, ist im Stand der Technik bekannt, dass es bei Systemen, die an einer Steuerung entweder des Stroms oder der Spannung ansetzen, zu starken Schwankungen bei der Leistungsaufnahme des Lichtbogenofens kommen kann (Abs. [0006]). Bei rotierenden Generatoren (Dampfturbinen, Dieselkolben) können deshalb Frequenz- und Geschwindigkeitsschwankungen auftreten und – bei einem Überschreiten vorgegebener Grenzwerte – mechanische und elektrische Schäden hervorrufen (Abs. [0006]). Auch ohne diese Schäden führen anhaltende Strom- und Frequenzschwankungen zu einem erhöhten Verschleiß der Kraftwerke (Abs. [0006]). Eine Kompensation dieser Frequenzschwankungen erfolgte im Stand der Technik durch eine Überdimensionierung des Kraftwerks und durch den Einbau von Beipassventilen – wobei es sich um teure und ineffiziente Lösungen handelt (Abs. [0006]).

Die stabile und konstante Leistung in einem Elektrolichtbogenofen führt demgegenüber zu einer ausgeglichenen Leistungszufuhr zum Einsatzgut, was die Energieeffizienz des Ofens steigert (Abs. [0007]). Daraus leitet das Klagepatent das Bedürfnis für ein effizientes kostengünstiges Leistungssteuerungssytem ab (Abs. [0007]). Weiter sei ein Leistungssteuerungssystem erforderlich, welches das Ausmaß und die Häufigkeit von Leistungsschwankungen bei Lichtbogenöfen reduziere (Abs. [0007]).

Das Klagepatent nennt in den Abschnitten [0008] – [0013] unterschiedliche Druckschriften, in denen Lösungsansätze für Steuerungssysteme offenbart werden, ohne diese ausdrücklich zu kritisieren.
Dem Klagepatent kommt es weiter auf die Effizienz des Lichtbogenofens an, die wiederum von einer effizienten Übertragung der für das Schmelzen zum Einsatz kommenden Lichtbogenenergie abhängig ist (Abs. [0018]). Im Stand der Technik wird üblicherweise durch Anpassung der Materialzufuhr oder Vorschubmenge an die Lichtbogenleistung eine möglichst effiziente Energienutzung angestrebt (Abs. [0018]). Je besser das Gleichgewicht, desto besser die Energieeffizienz (Abs. [0018]). Dies erfordert für gewöhnlich einen Bedien- oder Überwachungsrechner zur Eingabe eines gewünschten Leistungssollwerts, der auf die Vorschubmenge abgestimmt ist (Abs. [0018]). Gelangen hierbei die vorbekannten Steuerungssysteme zum Einsatz, kann der tatsächliche Leistungsverbrauch dennoch stark um den gewünschten Leistungssollwert schwanken (Abs. [0018]).

Vor diesem Hintergrund strebt das Klagepatent eine Verbesserung des Gleichgewichts zwischen Lichtbogenleistung und Materialvorschub durch die Stabilisierung der Wirkleistung an (Abs. [0018]).

2.
Zur Lösung der Aufgabe (technisches Problem) sieht Anspruch 1 des Klagepatents ein System mit den folgenden Merkmalen vor:

1. Leistungssteuerungssystem

a. für einen wechselstrombetriebenen elektrischen Lichtbogenofen mit einer Wechselstromquelle (10)

b. zur Einbringung von Wirkleistung in eine Lichtbogenelektrode.

2. Das Leistungssteuersystem umfasst

a. eine variable Blindwiderstands-Komponente (16) [Beklagte: einen veränderbarer Blindwiderstand] zwischen der Wechselstromquelle (10) und der Elektrode (12),

b. eine Steuerung (28) der variablen Blindwiderstands-Komponente [Beklagte: für den veränderbaren Blindwiderstand] zum Auslösen einer Änderung der variablen Blindwiderstands-Komponente (16).

3. Die Steuerung (28) der variablen Blindwiderstands-Komponente [Beklagte: für den veränderbaren Blindwiderstand] ist dafür ausgelegt

a. einen Scheinwiderstand (Impedanz) der Elektrode (12) zu überwachen und

b. eine Änderung der variablen Blindwiderstands-Komponente (16) auszulösen, in Abhängigkeit von Änderungen in dem überwachten Scheinwiderstand der Elektrode,

1. um Schwankungen in der Einbringung von Wirkleistung in der Elektrode (12) zu reduzieren.

4. Die Steuerung (28) der variablen Blindwiderstands-Komponente ist voreingestellt [Beklagte: konfiguriert]

a. zu einer Berechnung des Scheinwiderstands der Elektrode,

b. zu einer Berechnung eines benötigten Blindwiderstands anhand des berechneten Scheinwiderstands der Elektrode;

c. zu einer Anpassung der variablen Blindwiderstands-Komponente (16) an den berechneten Blindwiderstand.

II.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 3b, 4b und 4c der klagepatentgemäßen Lehre verwirklicht, weshalb es an einer Verletzungshandlung im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG fehlt.

1.
Die zwischen den Parteien streitigen Merkmale 3b, 4b und 4c beschreiben Komponenten des klagepatentgemäßen Regelkreislaufs.

a)
Nach dem Anspruchswortlaut sieht das Klagepatent mit den Merkmalen 3a und 3b,

„ Die Steuerung der variablen Blindwiderstands-Komponente ist dafür ausgelegt

a. einen Scheinwiderstand (Impedanz) der Elektrode zu überwachen und

b. eine Änderung der varialben Blindwiderstands-Komponente auszulösen, in Abhängigkeit von Änderungen in dem überwachten Scheinwiderstand der Elektrode,“

einen zunächst grob beschriebenen Regelmechanismus vor, wonach für die Erreichung des klagepatentgemäß vorgesehenen Zwecks, die Reduzierung von Schwankungen in der Einbringung der Wirkleistung der Elektrode (Merkmal 3.b.1), ein Blindwiderstand vorgesehen (Merkmal 2a) ist, der – in Abhängigkeit zu Änderungen in dem überwachten Scheinwiderstand – veränderbar ist (Merkmal 2b).

Die Veränderung der variablen Blindwiderstandes-Komponente (= Bauteil, das einen Blindwiderstand erzeugt) führt deshalb zu einer Regulierung der Leistung (P = U* I * Leistungsfaktor; Abs. [0006]), weil dadurch eine Veränderung der Verschiebung des Phasenwinkels zwischen Strom und Spannung herbeigeführt wird, wobei der Strom der Spannung stets nacheilt. Dadurch verändert sich auch der Blindleistungsanteil.

b)
Die Merkmale der Merkmalsgruppe 4 beschreiben die Art und Weise, wie sich die Änderung der Blindwiderstandskomponente in Abhängigkeit zu Änderungen des Scheinwiderstands vollzieht, genauer.

Danach richtet sich die Änderung des Blindwiderstandes, die Merkmal 3b bereits beschreibt, nach einem Vergleich zwischen dem tatsächlichen und dem gewünschten (benötigten) Blindwiderstand (Merkmal 4c.).

Der „benötige Blindwiderstand“ wird dabei – wie Merkmal 4b,

„zu einer Berechnung eines benötigten Blindwiderstandes anhand des berechneten Scheinwiderstandes der Elektrode“,

erhellt – anhand des nach Merkmal 4a,

„zu einer Berechnung des Scheinwiderstandes der Elektrode“,

berechneten Scheinwiderstandes ermittelt. Die Steuerung (Merkmal 2b) des geschützten Leistungssteuerungssystems ist deshalb einerseits zur Berechnung des Scheinwiderstandes in der Lage. Denn dem Fachmann ist bewusst, dass der Scheinwiderstand nicht gemessen werden kann, sondern anhand von Messungen anderer Größen erst ermittelt werden muss,

„Anhand dieser Strom- und Spannungsmessungen bestimmt das Impedanzberechnungsmodul 38 den Wirkwiderstand (RL) und Blindwiderstand (XL) […]. Abweichungen beim Wirkwiderstand (RL) und Blindwiderstand (XL) auf der Ofenseite sind bezeichnend für Abweichungen bei der Elektrodenimpedanz während des Schmelzvorgangs.“ (Abs. [0023], Z. 32 – 36).

Andererseits kann die Steuerung den benötigten Blindwiderstand berechnen, wobei in die Berechnung des Blindwiderstandes auch ein Wirkungsleistungssollwert einfließt,

„Anhand dieser Eingaben [gemeint sind die Spannung (V) auf der Zufuhrseite und ein gewünschter Leistungssollwert pro Phase (Po)] bestimmt das Blindwiderstandsberechnungsmodul 40 einen erforderlichen Blindwiderstand (XREQ), den die variable Blindwiderstands-Komponente aufweisen soll, damit sich die tatsächliche Ofenleistung dem gewünschten Ofenleistungssollwert annähern kann.“ (Abs. [0023], Z. 39 – 42).

Bei Abweichungen des benötigen von dem tatsächlichen Blindwiderstand wird der Zündwinkel der Thyristoren 22 so verändert, dass der berechnete erforderliche Blindwiderstand erreicht wird,

„Anhand dieser Eingaben [gemeint sind der Blindwiderstand (XL), der erforderliche Blindwiderstand (XREQ) und der Wirkwiderstand (RL)] bestimmt das Winkelberechnungsmodul 42 den geeigneten Zündwinkel der Thyristoren 22, der für das Erreichen des berechneten erforderlichen Blindwiderstandes nötig ist.“ (Abs. [0024], Z. 60 – 5).

2.
Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich – unter Berücksichtigung des substantiierten Gegenvortrags der Beklagten – nicht, dass im Sinne des Merkmals 4b auf der Grundlage des berechneten Scheinwiderstands der Elektrode ein benötigter Blindwiderstand berechnet wird. In Folge dessen kann auch nicht festgestellt werden, dass eine Anpassung der Blindwiderstands-Komponente im Sinne der Merkmale 4c und 3b erfolgt.

a)
Die Klägerin stützt sich zur Darlegung der Merkmalsverwirklichung auf die nachfolgend wiedergegeben Skizze aus einer Power-Point-Präsentation von B (vorgelegt als Anlage B&B20, dort Folie 5):

und macht geltend, dass darin alle klagepatentgemäßen Systemkomponenten zusammengeführt werden würden, wie dies den von ihr vorgenommenen Ergänzungen der Skizze (wie in Anlagenkonvolut K68) entnommen werden könnte. Insbesondere seien darin sämtliche Wirkwiderstände R, Blindwiderstände X und Scheinwiderstände Z durch ihnen zugeordnete Spannungsabfälle R*I, X*I bzw. Z*I repräsentiert, und zeige insbesondere der mit Kennziffer „7“ markierte Schritt (vgl. Anlage B&B68, S. 1) die Berechnung eines benötigten Blindwiderstandes anhand eines in den Schritten mit den Kennziffern „1 – 6“ berechneten Scheinwiderstandes der Elektrode (Merkmal 4b), auf dessen Grundlage dann – in dem Schritt mit der Kennziffer „8“ – eine Anpassung der variablen Blindwiderstandskomponente in Form des Thyristors erfolge (Merkmale 3b/ 4c).

Die Skizze ist zur Darlegung einer Merkmalsverwirklichung im Zusammenhang mit der angegriffenen Ausführungsform grundsätzlich geeignet. Ihrer Verwendung steht nicht entgegen, dass sie einer Power-Point-Präsentation für eine B Veranstaltung entstammt, und keiner konkret verbauten angegriffenen Ausführungsform zugeordnet wird. Bei B handelt es sich unstreitig um einen Zulieferer der Beklagten. Des Weiteren ist unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform nur eine Ausgestaltung aufweist, was zusätzlich dafür spricht, dass die Skizze grundsätzlich als Indiz für die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform dienen kann.

b)
Die Kammer vermag jedoch unter Berücksichtigung des substantiierten Gegenvortrags der Beklagten keinen zwingenden Rückschluss von der Berechenbarkeit des Schein- und Blindwiderstandes (wie anhand der Skizze Folie 5, Anlage B&B20 bzw. Anlagenkonvolut B68 gezeigt) auf die tatsächliche Berechnung dieser Komponenten durch das angegriffene Steuerungssystem zu ziehen.

In diesem Zusammenhang ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Skizze ein Rechenmodell wiedergibt, welches zunächst lediglich theoretisch berechenbare Werte abbildet. In diesem Zusammenhang trägt auch die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Erstellers der Folie (vgl. Anlage B12, S. 4 unter Pkt. 4) vor, dass die Skizze lediglich die Grenzen des Steuerungssystems aufzeigen soll, nicht jedoch dessen Regelprinzip. Zum anderen ist der Aussagegehalt der von der Klägerin in Bezug genommenen Folie auch vor dem Hintergrund der skizzenhaften Darstellung des Regelungskonzept der angegriffenen Ausführungsform, wie es durch die Anlage B9 und durch den zugehörigen Vortrag der Beklagten dargelegt wird, zweifelhaft. Denn daraus ergibt sich in substantiierter Art und Weise ein alternatives Regelungssystem, welches die Lehre der angegriffenen Ausführungsform nicht beansprucht.

Die Beklagte trägt unter Bezugnahme auf die nachfolgend wiedergegebene Skizze (Anlage B9),
nachvollziehbar vor, dass das Regelungssystem der angegriffenen Ausführungsform zwar die Elektrodenimpedanz berechne (was Merkmal 4a der klagepatentgemäßen Lehre entspricht), dies jedoch um die Höhenverstellung der Elektroden zu verändern (in der Skizze bezeichnet als „Impedanz-Regelung“). Das „Gradator“-Thyristorpaar reguliere von der Elektrodenimpedanz unabhängig die Wirkleistung, indem über die Zündwinkel – wie im Stand der Technik bekannt – die Strommenge reguliert werde (in der Skizze bezeichnet als „Leistung-Regelung“). Die Ansteuerung der Zündwinkel erfolge dabei in Abhängigkeit zu einer gewünschten Wirkleistung und der insoweit bestehenden Differenz zur tatsächlichen Wirkleistung. Zur Ermittlung der tatsächlichen Wirkleistung erfolge eine Messung von Strom und Spannung, wobei für cos ᶲ immer 1 angenommen werde. Der auf dieser Grundlage erhaltene tatsächliche Leistungswert werde mit einer in dem „PI-Regler“ hinterlegten Reglerkennlinie abgeglichen, und der Stromdurchfluss über die Zündwinkel des Thyristorpaars proportional verändert. Insoweit heißt es auch in dem von der Beklagten eingeholten privaten Sachverständigengutachten, welches als substantiierter Parteivortrag zu berücksichtigen ist, dass „in der Steuerung des Gradators eine Wirkleistung berechnet und verwendet [wird].“ (Anlage B13, S. 10, Pkt. 7.). Dies berücksichtigend, können dem pauschalen Gegenvortrag der Klägerin die beschriebene Wirkleistungsregelung könne technisch nicht erfolgen, keine konkreten Anknüpfungspunkte dafür entnommen werden, weshalb die vorgetragene Regulierung vollständig scheitern muss, wenngleich die Lehre des Klagepatents eine bessere Wirkleistungsregulierung ermöglichen mag.

Es entkräftet den Vortrag der Beklagten auch nicht, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang behauptet, es gebe keinen negativen Ansteuerungswinkel für den Thyristor – wie in der von der Beklagten in der Sitzung vom 09.03.2017 überreichten Skizze (s. Anlagenband der Beklagten) mit „-α“ bezeichnet. Insoweit hat die Beklagte vorgetragen, dass diese Bezeichnung lediglich dafür genutzt worden ist, um eine Änderung in Form einer Minimierung des Zündwinkels zu beschreiben. Dieser Vortrag fügt sich auch in die von der Beklagten in der Sitzung vorgelegte Skizze ein.

Auch steht dem Vortrag der Beklagten nicht entgegen, dass die Klägerin vorträgt, die Leistungs-Regelung könne schon gar nicht technisch getrennt von der Impedanz-Regelung ablaufen, weil beide an ein- und denselben Stromkreislauf angeschlossen sind. Insoweit mag es zu Wechselwirkungen kommen, dies rechtfertigt jedoch auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in dem von der Klägerin vorgelegten Ergänzenden (privaten) Kurzgutachten des Prof. Dr.-Ing. C vom 23.02.2017 (Anlage B&B67, dort insbesondere Seite 2, Pkt. A., 1. Abs.) nicht die Annahme, dass dies zwingend in Form des klagepatentgemäßen Regelkreislaufs geschieht.

c)
Die Kammer kann auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Sachverständigengutachten des Prof. Dr.-Ing. C vom 13.01.2017 (Anlage B&B66) und dessen Ergänzendem Kurzgutachten vom 23.02.2017 (Anlage B&B67) keine weiteren Anhaltspunkte für eine Merkmalsverwirklichung durch die angegriffene Ausführungsform gewinnen. Denn insoweit schließt auch der Gutachter lediglich von der sich aus der Skizze Anlage B&B68 ergebenden Berechenbarkeit des benötigen Blindwiderstandes auf die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform,

„Sowohl Scheinwiderstand als auch Blindwiderstand lassen sich aus den Werten für Spannung und Strom bestimmen, die im System bekannt sind. Es spricht daher alles dafür, dass bei dem System der Beklagten im Block „PI Regler“ ein Blindwiderstand berechnet wird, wie in der Gleichung (2) des Klagepatents [gemeint ist wohl dort S. 5, Z. 50] ausgeführt.“ (ergänzendes Kurzgutachten vom 23.02.2017, Anlage B&B67, S. 3, oben).

d)
Schließlich kann auch auf der Grundlage der übrigen, von der Klägerin in Bezug genommenen Unterlagen eine Merkmalsverwirklichung nicht angenommen werden. Denn auch diese lassen sich auf den substantiierten Gegenvortrag der Beklagten lesen.

Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin fruchtbar gemachte Folie 6 der Power-Point-Präsentation von B (Anlage B&B20),

Dort ist die „active power control“ (Wirkleistungssteuerung) einerseits über einen Pfeil mit dem Thyristorpaar verbunden. Das deute – so die Klägerin – darauf hin, dass die Wirkleistungssteuerung Einfluss auf den Blindleistungswiderstand (= Thyristorpaar) nehme. Andererseits besteht eine Verbindung zwischen der „active power control“ (Wirkleistungssteuerung) mit der „Impedance Control“ („Steuerung der Impedanz/ des Scheinwiderstandes“), weshalb insgesamt belegt sei, dass die Steuerung des Blindwiderstandes in Abhängigkeit zu der Scheinimpedanz erfolge.

Die von der Klägerin in Bezug genommene Folie 6 der Anlage B&B20 ist jedoch auch geeignet, den Gegenvortrag der Beklagten zu belegen, wonach die Kontrolle der Scheinimpedanz der Elektroden lediglich zu dem Zweck erfolgt, um die Höhe der Elektroden zu verstellen, was in der in Bezug genommenen Skizze durch den Pfeil von „impedance control“ zu den Elektroden und weiter darin zum Ausdruck kommt, dass die neben den Elektroden befindlichen Pfeile in beide Richtungen weisen und einerseits mit der Beschriftung „up“ und andererseits mit der Beschriftung „down“ versehen sind.
Aber auch die nachfolgende wiedergegebene Monitoranzeige der Ofenanlage „D“ (Anlage B&B25a),

lässt lediglich eine Kontrolle des Scheinwiderstandes „IMPEDANCE REF.“ (= Impedance Referenz = Impedance Bezug/ „IMPEDANCE FB“ (= Impedance Feedback = Scheinwiderstand Rückführung) und eine Anpassung der Zündwinkel („FIRE ANGLE“) erkennen, die die Beklagtenals solche auch nicht bestreitet. Zu welchem Zweck die Kontrolle des Scheinwiderstandes erfolgt und auf Grund welchen Wertes eine Anpassung der Zündwinkel stattfindet lässt die Monitorabbildung nicht erkennen.

e)
Bei Berücksichtigung der Ausführungen unter lit. a) – d) kann auch das von der Klägerin beantragte gerichtliche Sachverständigengutachten auf der Grundlage theoretischer Rechenmodelle keinen Erkenntnisgewinn zur tatsächlichen Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform bringen, weshalb von der Einholung eines solchen abzusehen war.

III.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 Satz 1, 2 ZPO.

IV.
Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 750.000,- festgesetzt.