4a O 300/08 – Erfindungsübertragungsvertrag

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1350

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Januar 2010, Az. 4a O 300/08

I. Es wird festgestellt, dass der Erfindungsübertragungsvertrag zwischen den Parteien vom 10.04.2006 ungekündigt fortbesteht.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Fortbestand eines zwischen ihnen am 10.04.2006 geschlossenen „Erfindungsübertragungsvertrages“ betreffend ein „Brand-Schutz-System“ (BSS) und ein „Alu-Schutz-Siegel“ (ASS) in Verbindung mit der Herstellung von Kerzen. In diesem Vertrag überträgt der Beklagte der Klägerin unter anderem die Rechte an einer, im Vertrag im Einzelnen aufgeführten, Erfindung. Als Gegenleistung erhält der Beklagte bis zum 17.02.2018 für jede durch die Klägerin hergestellte Kerze, welche den Gegenstand des Vertrages betrifft, 0,2 Cent. Darüber hinaus hat die Klägerin als Erwerberin der Rechte an der Erfindung nach § 5 des „Erfindungsübertragungsvertrages“ über die Gegenleistung vierteljährlich abzurechnen, und zwar jeweils binnen eines Monats nach jeder Abrechnungsfrist. Binnen einer sich an die Monatsfrist anschließenden Frist von einem Monat hat die Klägerin sodann die fällige Gegenleistung auf das Konto des Beklagten zu überweisen. Hinsichtlich des vollständigen Vertragsinhaltes wird auf den durch die Klägerin vorgelegten Vertragstext Bezug genommen.

Der Beklagte kündigte diesen „Erfindungsübertragungsvertrag“ mit Schreiben vom 15.12.2008 fristlos. Zugleich untersagte er der Klägerin die weitere Produktion und den Verkauf von Kerzenprodukten unter Verwendung der Erfindungssysteme.

Nach Auffassung der Klägerin ist die durch den Beklagten ausgesprochene Kündigung des „Erfindungsübertragungsvertrages“ unwirksam.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Erfindungsübertragungsvertrag zwischen den Parteien vom 10.04.2006 ungekündigt fortbesteht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die durch ihn ausgesprochene Kündigung sei bereits deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin während der gesamten Vertragslaufzeit gegen ihre Obliegenheiten aus dem „Erfindungsübertragungsvertrag“ verstoßen habe, da sie bereits nicht wie vertraglich vereinbart abgerechnet habe. Stattdessen habe sich die Klägerin auf Abschlagszahlungen beschränkt, welche sie jeweils erst nach entsprechender Mahnung des Beklagten geleistet habe. Lediglich mit Schreiben vom 09.10.2008, hinsichtlich dessen Inhalts auf die Anlage B 1 verwiesen wird, habe die Klägerin dem Beklagten vor seiner Kündigungserklärung eine Abrechnung über die bis zum 30.09.2008 verkauften Kerzen übersandt, aus der jedoch weder erkennbar gewesen sei, welche Umsätze auf welches Quartal entfallen seien, noch, welche Gegenleistung daraus pro Quartal resultiere.

Darüber hinaus sei der zwischen den Parteien geschlossene „Erfindungsübertragungsvertrag“ auch sittenwidrig. Die Klägerin habe bewusst die schlechte gesundheitliche Verfassung des Beklagten sowie dessen finanzielle Zwangslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgenutzt, um ihn zum Vertragsschluss zu bewegen. Darüber hinaus sei in dem „Erfindungsübertragungsvertrag“ unzulässigerweise vereinbart worden, dass die Pflicht zur Gegenleistung im Falle des Todes des Veräußerers entfalle, wobei das Recht auf die Gegenleistung auch nicht vererbt oder veräußert werden könne.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen. Zunächst sei der zwischen den Parteien geschlossene „Erfindungsübertragungsvertrag“ nicht kündbar, da mit diesem Vertrag an die Klägerin alle Rechte an der Erfindung verkauft worden seien. Die Kündigung des Vertrages könne auch nicht in einen Rücktritt vom Vertrag umgedeutet werden, da Kündigung und Rücktritt unterschiedliche Voraussetzungen hätten und in der Folge auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würden. Im Übrigen habe die Klägerin auch vertragsgemäß abgerechnet. Soweit von dem in § 5 des „Erfindungsübertragungsvertrages“ vereinbarten Abrechnungsmodus abgewichen worden sei, sei dies einvernehmlich geschehen.

In Ergänzung dieses Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg, da der zwischen den Parteien am 10.04.2006 geschlossene „Erfindungsübertragungsvertrag“ ungekündigt fortbesteht.

I.
Der „Erfindungsübertragungsvertrag“ ist nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig,
§ 138 Abs. 1 und 2 BGB.

1.
Auf der Grundlage des Parteivorbringens lässt sich nicht erkennen, dass die Klägerin bei Abschluss des „Erfindungsübertragungsvertrages“ sittenwidrig die gesundheitliche und finanzielle Lage des Beklagten ausgenutzt hat.

Auch wenn der Beklagte – wie von ihm unter Vorlage eines ärztlichen Attests behauptet – im Zeitpunkt des Vertragsschlusses psychisch erkrankt gewesen sein sollte, genügt dies allein für die Annahme einer Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht. Vielmehr verlangt § 138 Abs. 2 BGB darüber hinaus, dass jemand sich unter Ausbeutung einer Zwangslage Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Eine einfache Äquivalenzstörung genügt hierfür grundsätzlich nicht.

Dass jedoch Leistung und Gegenleistung in dem zwischen den Parteien geschlossenen „Erfindungsübertragungsvertrag“ tatsächlich in einem auffälligen Missverhältnis stehen, ist weder hinreichend dargelegt, noch ersichtlich. Soweit sich der Beklagte insoweit darauf beruft, nicht wie vereinbart 0,2 Cent pro Kerze, sondern 0,6 Cent würden eine angemessene Abrechnungsgrundlage bilden, genügt dieses Vorbringens mangels Nachvollziehbarkeit der Berechnung ebenso wenig zur Begründung des Vorliegens eines auffälligen Missverhältnisses wie der Vortrag, die Klägerin habe auch mit Herrn Winnen einen entsprechenden „Erfindungsübertragungsvertrag“ geschlossen. Grundsätzlich sind beide Verträge gesondert zu betrachten, so dass es ausschließlich darauf ankommt, ob zwischen der Leistung des Beklagten und der durch die Klägerin vertraglich geschuldeten Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht. Ein solches auffälliges Missverhältnis lässt sich hier jedoch – wie bereits dargelegt – auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien nicht feststellen.

2.
Auch die in dem „Erfindungsübertragungsvertrag“ enthaltene Klausel, nach welcher die Pflicht zur Gegenleistung im Falle des Todes des Veräußerers entfällt und nicht vererbt oder übertragen werden kann, vermag die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nicht zu begründen. Selbst wenn diese Klausel sittenwidrig wäre, haben die Parteien jedenfalls in § 8 des Vertrages eine salvatorische Klausel aufgenommen, so dass die Nichtigkeit der durch den Beklagten beanstandeten Bestimmung nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führen würde. Dass die durch den Beklagten zur Begründung der Sittenwidrigkeit herangezogene Klausel für die Vertragsparteien eine derart hohe Bedeutung hat, dass der gesamte Vertrag mit dieser Klausel stehen und fallen soll, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.

II.
Der Beklagte hat den zwischen den Parteien am 10.04.2006 geschlossenen Vertrag auch nicht wirksam „gekündigt“.

1.
Zwar hat der Beklagte mit Schreiben vom 15.12.2008, dem er am 17.12.2008 eine weitere Begründung hinzugefügt hat, erklärt, er kündige den am 10.04.2006 geschlossenen „Erfindungsübertragungsvertrag“ fristlos. Jedoch ist dieser Vertrag mangels Vorliegens eines Dauerschuldverhältnisses nicht kündbar. Vielmehr handelt es sich dabei um einen Ratenkaufvertrag, von welchem der Beklagte allenfalls zurücktreten kann. Der Beklagte verpflichtet sich in dem „Erfindungsübertragungsvertrag“ dazu, der Klägerin eine Erfindung und damit ein Recht gegen Entgelt zu übertragen, §§ 453 Abs. 1, 433 Abs. 1 BGB. Dass das Entgelt vertraglich in Raten zu zahlen ist, steht der Einordnung des „Erfindungsübertragungsvertrages“ als Kaufvertrag nicht entgegen.

2.
Der Beklagte ist von dem Erfindungsübertragungsvertrag auch nicht wirksam zurückgetreten. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die „Kündigungserklärung“ des Beklagten zwar grundsätzlich auch als Rücktrittserklärung verstanden werden, da der Beklagte in seinem Schreiben vom 15.12.2008 deutlich zu erkennen gegeben hat, dass er die mit der Klägerin getroffene Vereinbarung auf jeden Fall beenden möchte. Jedoch hat der Beklagte die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Rücktritts trotz eines entsprechenden richterlichen Hinweises nicht hinreichend dargelegt.

a)
Insoweit kann es dahinstehen, ob die Klägerin, die selbst einräumt, zunächst nicht wie in § 5 des „Erfindungsübertragungsvertrages“ vereinbart quartalsmäßig abgerechnet zu haben, hierzu wie von ihr behauptet aufgrund einer abweichenden Vereinbarung mit dem Beklagten berechtigt war oder nicht. Jedenfalls kommt gemäß § 323 Abs. 1 BGB ein Rücktritt vom Vertrag wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine Frist zur Leistung gesetzt hat. Erforderlich ist somit eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung bei gleichzeitigem Setzen einer angemessenen Frist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Auflage 2009, § 323 Rz. 13 f.). Daran fehlt es hier. Soweit sich der Beklagte auf die in dem als Anlage B 3 vorgelegten anwaltlichen Schriftsatz vom 12.12.2008 erfolgte Fristsetzung beruft, handelt es sich dabei um keine Fristsetzung zur vertragsgemäßen Abrechnung, sondern um eine Fristsetzung zur Unterzeichnung eines weiteren Vertrages, deren erfolgloses Verstreichen einen Rücktritt von dem hier streitgegenständlichen Erfindungsübertragungsvertrag nicht zu rechtfertigen vermag. Demgegenüber hat die Klägerin den weiteren, lediglich pauschalen Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, es sei zumindest mündlich eine Fristsetzung erfolgt, bestritten. Gleichwohl hat der Beklagte sein diesbezügliches Vorbringen nicht weiter konkretisiert.

b)
Die Fristsetzung war auch nicht nach § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB), die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer gesetzten Frist nicht bewirkt wird und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder der besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Insbesondere handelt es sich vorliegend nicht um ein Fixgeschäft im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Zwar hatte die Klägerin nach § 5 des Erfindungsübertragungsvertrages vierteljährlich, und zwar jeweils binnen eines Monats nach jeder Abrechnungsfrist, abzurechnen und anschließend innerhalb einer weiteren Monatsfrist die Gegenleistung auf das Konto des Beklagten zu überweisen. Jedoch genügt es für
§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht, dass die Leistungszeit genau bestimmt ist. Der Gläubiger muss vielmehr im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden haben. Die Einhaltung der Leistungszeit muss nach dem Parteiwillen somit derart wesentlich sein, dass mit der zeitgerechten Leistung das Geschäft stehen und fallen soll (vgl. BGH NJW-RR 1989, 1373; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Auflage 2009, § 323 Rz. 20). Anhaltspunkte dafür sind jedoch weder vorgetragen, noch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen „Erfindungsübertragungsvertrag“ ersichtlich.

Im Übrigen sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen würden, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin – wie bereits ausgeführt – bei Vertragsschluss die gesundheitliche und finanzielle Lage des Beklagten ausgenutzt hat, um ihn zu dem zwischen den Parteien geschlossenen „Erfindungsübertragungsvertrag“ zu bewegen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 (1. Halbsatz) ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 S. 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 25.000,- EUR festgesetzt.