Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 2550
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. November 2016, Az. 4a O 10/16
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000‚ ersatzweise Ordnungshaft, oder einer festzusetzenden Ordnungshaft, wobei die einzelne Ordnungshaft bis zu sechs Monaten und die Ordnungshaft insgesamt bis zu zwei Jahren betragen kann und an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland
a) Schnellwechseldorne für Werkzeuge umfassend: einen Längskörper mit einem Antriebsende und einem Werkzeugende; Mittel zum Befestigen des Werkzeugs, welche Befestigungsmittel von dem Längskörper verschieblich lösbar sind und versehen sind mit: einem mittigen Loch, welches das Verschieben der Befestigungsmittel über den Längskörper gestattet, und Mitteln zum verdrehsicheren und axialen Verriegeln der Befestigungsmittel an dem Längskörper, wobei die axial verriegelnden Mittel umfassen: erste axial verriegelnde Mittel, die als Klinke, insbesondere als Querklinke, vorgesehen an den Befestigungsmitteln ausgebildet sind, und zweite axial verriegelnde Mittel, die als Kerbe, insbesondere als Querkerbe, vorgesehen an dem Längskörper zum Verriegeln der Klinke darin ausgebildet sind,
anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und/ oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/ oder zu besitzen,
b) Befestigungsmittel zum Befestigen eines Werkzeugs, welche Befestigungsmittel verschieblich lösbar von einem Längskörper sind und versehen sind mit: einem zentralen Loch, das ein Schieben der Befestigungsmittel über den Längskörper gestattet, und Mitteln zum verdrehsicheren und axialen Verriegeln der Befestigungsmittel an dem Längskörper, wobei dass die axial verriegelnden Mittel umfassen: erste axial verriegelnde Mittel, die als Klinke, insbesondere als Querklinke, vorgesehen an den Befestigungsmitteln ausgebildet sind, und zweite axial verriegelnde Mittel, die als Kerbe, insbesondere als Querkerbe, vorgesehen an dem Längskörper zum Verriegeln der Klinke darin ausgebildet sind,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen und/ oder zu gebrauchen und/ oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/ oder zu besitzen,
und/oder
c) Längskörper mit einem Antriebsende und einem Werkzeugende sowie zweite axial verrielnde Mittel, die als Kerbe, insbesondere als Querkerbe, vorgesehen an dem Längskörper zum Verriegeln der Klinke darin ausgebildet sind,
welche dazu geeignet sind, mit Mitteln zum Befestigen eines Werkzeugs, welche Befestigungsmittel von dem Längskörper verschieblich lösbar sind und versehen sind mit: einem mittigen Loch, welches das Verschieben der Befestigungsmittel über den Längskörper gestattet, und Mitteln zum verdrehsicheren und axialen Verriegeln der Befestigungsmittel an dem Längskörper, wobei die axial verriegelnden Mittel umfassen: erste axial verriegelnde Mittel, die als Klinke, insbesondere als Querklinke, vorgesehen an den Befestigungsmitteln ausgebildet sind, und vorgenannte zweite axial verriegelnde Mittel, einen Schnellwechseldorn für ein Werkzeug zu bilden,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/ oder zu liefern;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter 1. genannten Handlungen seit dem 19. August 2009 begangen hat, und zwar unter Angabe,
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Mengen der erhaltenen, ausgelieferten und/ oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für sie bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Einzelheiten außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter 1. genannten Handlungen seit dem 19. September 2009 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines geordneten, nach Kalendervierteljahren und Artikelnummern aufgeschlüsselten Verzeichnisses mit Angaben über
a) die jeweiligen Herstellungsmengen und -zeiten,
b) die einzelnen Auslieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, Artikelnummern sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, Artikelnummern sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhen, Verbreitungszeiträume und -gebiete,
e) die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn;
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. die vorstehend unter 1. a), b) genannten, seit dem 19. August 2009 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf ihren gerichtlich (unter Bezugnahme auf das vorliegende Urteil) festgestellten patentverletzenden Zustand und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie Kosten der Rückgabe wie für Verpackung, Transport oder Lagerung zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse in der Bundesrepublik Deutschland wieder an sich zu nehmen;
5. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen oder im Wege des Rückrufs nach Ausspruch 4. gelangenden, vorstehend unter 1. a), b) genannten Erzeugnisse selbst oder durch Dritte und auf Kosten der Beklagten zu vernichten.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter I. 1. genannten, seit dem 19. September 2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 625.000 vorläufig vollstreckbar. Daneben ist das Urteil hinsichtlich der Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. I. 2., I. 3. des Urteils) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 93.750,00 und hinsichtlich des Kostenpunkts gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages gesondert vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 827 XXX (im Folgenden: Klagepatent), als dessen Inhaberin die A (im Folgenden: Patentinhaberin) eingetragen ist (vgl. DPMA-Registerauszug des deutschen Teils, Anlage GDM 2D), auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
Die Anmeldung des Klagepatents erfolgte am 10.12.2004 (internationale Anmeldenr.: PCT/NL/2004/000XXX, veröffentlicht als WO 2006/062XXX A1), eine Offenlegung derselben am 05.09.2007. Am 19.08.2009 wurde die Patenterteilung veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.
Das Klagepatent betrifft einen Schnellwechseldorn für ein Werkzeug sowie Befestigungsmittel zum Befestigen eines Werkzeugs. Die hier geltend gemachten Hauptansprüche 1 und 17 des Klagepatents sind in der angemeldeten englischen Verfahrenssprache wie folgt gefasst:
„1. A quick-change arbor (1) for a tool (2) comprising:
a longitudinal body (3) having a drive end (4) and a tool end (5);
means for attaching (6) the tool (2), which attachment means (6) are slidably releasable from the longitudinal body (3) and are provided with:
a central hole (7) allowing a sliding of the attachment means (6) over the longitudinal body (3), and
means for rotationally (8; 8-1, 8-2) and axially (9; 9-1, 9-2) locking the attachment means (6) to the longitudinal body (3),
characterized in that the axially locking means (9) comprise:
first axially locking means (9-1) embodied by a latch, in particular a transverse latch, provided on the attachment means (6), and
second axially locking means (9-2) embodied by a notch, in particular a transverse notch, provided on the longitudinal body (3) for locking the latch (9-1) therein.”
„17. Attachment means (6) for attaching a tool (2), which attachment means (6) are slidably releasable from a longitudinal body (3) and are provided with:
a central hole (7) allowing a sliding of the attachment means (6) over the longitudinal body (3), and
means for rotationally (8; 8-1, 8-2) and axially (9; 9-1, 9-2) locking the attachment means (6) to the longitudinal body (3),
characterized in that the axially locking means (9) comprise:
first axially locking means (9-1) embodied by a latch, in particular a transverse latch, providedon the attachment means (6), and
second axially locking means (9-2) embodied by a notch, in particular a transverse notch, provided on the longitudinal body (3) for locking the latch (9-1) therein.”
Eine deutsche Übersetzung des Anspruchs lautet wie folgt:
„1. Schnellwechseldorn (1) für ein Werkzeug (2), umfassend:
einen Längskörper (3) mit einem Antriebsende (4) und einem Werkzeugende (5);
Mittel zum Befestigen (6) des Werkzeugs (2), wobei die Befestigungsmittel (6) von dem Längskörper (3) verschieblich lösbar sind mit:
einem mittigen Loch (7), welches das Verschieben der Befestigungsmittel (6) über den Längskörper (3) gestattet, und
Mittel zum verdrehsicheren (8; 8-1 8-2) und axialen (9; 9-1, 9-2) Verriegeln der Befestigungsmittel (6) an dem Längskörper (3),
dadurch gekennzeichnet, dass die axial verriegelnden Mittel (9) umfassen:
erste axial verriegelnde Mittel (9-1), die als Klinke, insbesondere als Querklinke, vorgesehen an den Befestigungsmitteln (6) ausgebildet sind, und
zweite axiale verriegelnde Mittel (9-2), die als Kerbe, insbesondere als Querkerbe, vorgesehen an dem Längskörper(3) zum Verriegeln der Klinke (9-1) darin ausgebildet sind.“
„17. Befestigungsmittel (6) zum Befestigen eines Werkzeugs (2), wobei die Befestigungsmittel (6) von einem Längskörper (3) verschieblich lösbar sind und versehen sind mit:
einem mittigen Loch (7) welches ein Verschieben der Befestigungsmittel (6) über den Längskörper (3) gestattet, und
Mittel zum verdrehsicheren (8; 8-1, 8-2) und axialen (9; 9-1, 9-2) Verriegeln der Befestigungsmittel (6) an dem Längskörper (3),
dadurch gekennzeichnet, dass die axial verriegelnden Mittel (9) umfassen:
erste axial verriegelnde Mittel (9-1), die als Klinke, insbesondere als Querklinke, vorgesehen an den Befestigungsmitteln (6) ausgebildet sind, und
zweite axiale verriegelnde Mittel (9-2), die als Kerbe, insbesondere als Querkerbe, vorgesehen an dem Längskörper (3) zum Verriegeln der Klinke (9-1) darin ausgebildet sind.“
Wegen der weiteren in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Ansprüchen wird auf die Klagepatentschrift (Anlage GDM 1) sowie deren deutsche Übersetzung (Anlage GDM 1T) verwiesen.
Eine Explosionsansicht einer klagepatentgemäßen Ausführungsform wird durch die nachfolgend verkleinert abgebildete Fig. 1 dargestellt:
Der dargestellte Schnellwechseldorn 1 umfasst einen Längskörper (3) mit einem Antriebsende (4) und einem Werkzeugende (5), ein Befestigungsmittel 6 und einen Führungsbohrer 14. Ein Werkzeug, mit welchem der Schnellwechseldorn gekoppelt wird, wird in der Abbildung durch eine Lochsäge 2 repräsentiert. Das Befestigungsmittel 6 ist mit einem mittig durchgehenden Loch 7 versehen, durch das der Längskörper 3 geschoben werden kann. Darüber hinaus ist das Befestigungsmittel 6 mit Mitteln 8 und 9 ausgestaltet, die für eine verdrehsichere und axiale Fixierung des Befestigungsmittels an dem Längskörper sorgen.
Die Beklagte ist Inhaberin eines Gebrauchsmusters, DE 20 2013 102 XXX U1 (im Folgenden: DE ‘XXX), mit der Bezeichnung „Schnelldemontagestruktur einer Lochsäge“.
Hauptanspruch 1 des Gebrauchsmusters DE ‘XXX ist wie folgt gefasst:
„ Schnelldemontagestruktur einer Lochsäge, die eine Bohrkrone, einen Längskörper und eine Schnelldemontagevorrichtung umfasst,
wobei die Bohrkrone eine Gewindebohrung, eine Verschlussfläche sowie Verbindungsbohrungen umfasst, und
wobei der Längskörper ein Antriebsglied, ein Werkzeugsglied und ein Festklemmglied beinhaltet,
wobei das Festklemmglied ermöglicht einem, mithilfe der Schnelldemontagevorrichtung den Längskörper zu verriegeln,
dadurch gekennzeichnet, dass die Schnelldemontagevorrichtung eine Verriegelungskomponente und eine Positionierungskomponente umfasst,
wobei die Verriegelungskomponente aus dem ersten Element und dem zweiten Element besteht,
wobei das erste Element mit einem Aufsetzglied ausgestattet ist,
wobei seitlich auf dem Aufsetzglied Kugelbohrungen auf den beiden Seiten vorgesehen sind und in die Schließbohrungen sich Positionierungskugeln einsetzen lassen, und
wobei anhand der axialen Verschiebung der zweiten Komponente die Positionierungskugeln entweder nach unten eingedrückt oder losgelassen werden, um den Längskörper zu verriegeln bzw. zu entriegeln, und
wobei die Positionierungskomponente mit zwei Arretierungsdornen ausgestattet ist, mit deren Hilfe die Positionierungskomponente sich axial verschieben lässt, sodass die Schnelldemontagevorrichtung an die Bohrkrone angeschlossen bzw. von der Bohrkrone abgetrennt werden kann.“
Die nachfolgende Figur 1 (verkleinert) ist eine Explosionszeichnung einer gebrauchsmustergemäßen Schnelldemontagevorrichtung:
Zu erkennen ist eine Bohrkrone 1, die über die Schnellmontagevorrichtung 3 mit dem Längskörper 2 verbunden wird. Die Schnellmontagevorrichtung 3 umfasst eine Positionierungskomponente 31 und eine Verriegelungskomponente 3‘, die wiederum ein erstes Element 33 und ein zweites Element 34 hat, wobei es sich bei letzterem um eine axial verschiebbare Verriegelungsstruktur handelt. Wie die nachfolgend eingeblendete Figur 2 (verkleinert) des Gebrauchsmusters erkennen lässt,
ist das erste Element 33 mit einem Aufsatzelement 334 ausgestattet, in dem sich auf beiden Seiten Kugelbohrungen 333a befinden, in die Positionierungskugeln 8a und 8b eingesetzt werden können.
Die axiale Verriegelung des Längskörpers wird – wie die nachfolgend abgebildete Fig. 6 des Gebrauchsmusters DE ‘XXX, welche den Längskörper in seiner verriegelten Position darstellt, erkennen lässt –
dadurch herbeigeführt, dass der Längskörper 2 durch die Achsenbohrung 335 des ersten Elements 33 der Schnelldemontagevorrichtung 3 in axialer Richtung auf das Werkzeug zubewegt wird, bis dessen Festklemmglied 21 (vgl. Fig. 1) an den Kugelbohrungen 333a und 333b angelangt ist. Gleichzeitig, während der beschriebenen Bewegung des Längskörpers 2, wird das zweite Element 34 in die entgegengesetzte Richtung, weg von dem zu koppelnden Werkzeug („rückwärts“), verschoben. Es wird losgelassen, wenn das Festklemmglied 21 die Kugelbohrungen erreicht hat. Durch die Verbindungsstangen 5a und 5b in den Spiralfedern 61a und 61b wird das zweite Element 34 auf seine ursprüngliche Position zurückgesetzt. Dadurch stemmt sich das gekrümmte Schrägprofil 344 des zweiten Elements 34 gegen die Positionierungskugeln 8a und 8b und drückt diese in das Festklemmglied 21 (vgl. zu diesem beschriebenen Vorgang insgesamt Abs. [0037] der Gebrauchsmusterschrift DE ‘XXX).
Ein Lösen des Längskörpers erfolgt dadurch, dass das zweite Element 34 in axialer Richtung wieder rückwärts bewegt wird, und der Druck des gekrümmten Schrägprofils 344 auf die Positionierungskugel gelöst wird. Dadurch werden die Positionierungskugeln 8a und 8b aus dem Festklemmglied 21 herausgequetscht und stärker in die Kugelbohrungen 333a und 333b hineingedrückt, so dass der Längskörper nicht mehr festgehalten wird (vgl. zu diesem Vorgang Abs. [0038] und Fig. 5 der Gebrauchsmusterschrift DE ‘XXX).
Die in B ansässige Beklagte bietet auf ihrer Internetseite mit der Adresse www.C.com unter der Bezeichnung „D“ einen Schnellwechseldorn mit dem folgenden Aussehen an:
Wegen des konkreten Angebots wird auf den als Anlage GDM 9 vorgelegten screenshot von der Internetseite der Beklagten Bezug genommen. Über ihren europäischen Geschäftspartner, die schwedische E, bot die Beklagte die angegriffene Ausführungsform außerdem verschiedenen deutschen Händlern, unter anderem der Keil Werkzeugfabrik F GmbH und der G GmbH, an. Die Beklagte selbst versandte ein die angegriffene Ausführungsform betreffendes Angebotsschreiben an die H GmbH mit Sitz in I. Des Weiteren stellte die Beklagte die angegriffene Ausführungsform vom 06.03. – 08.03. 2016 auf der Eisenwarenmesse in J aus.
Der Längskörper der angegriffenen Ausführungsform, der auch getrennt von dem Schnellwechseldorn erworben werden kann (vgl. S. 2 Anlage GDM 9), weist eine Sechskantform auf. Die angegriffene Ausführungsform weist eine Kugelverrastung wie in dem Gebrauchsmuster DE ‘XXX beschrieben auf, die eine axiale Verriegelung bewirken.
Zwischen der Patentinhaberin und der Beklagten ist eine Klage bei dem Landgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 2-06 O 224/15 anhängig, mit welcher die Beklagte die Feststellung begehrt, dass sie durch das Klagepatent an wirtschaftlichen Nutzungshandlungen im Zusammenhang mit der angegriffenen Ausführungsform nicht gehindert ist. Wegen des genauen Klagebegehrens der Beklagten in dem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt wird auf ihre Klageschrift (Anlage GDM 6) Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, sie sei die Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz zur Nutzung des Klagepatents.
Sie habe mit der Patentinhaberin am 10.06.2004 eine mündliche Vereinbarung getroffen, deren Inhalt in der Niederschrift vom 25.06.2004 (Anlage GDM 4; deutsche Übersetzung: Anlage GDM 4T) festgelegt sei und deren Ziffern 2.1, 2.2 und 3.1 wie folgt lauten:
„2.1 Diese Lizenz für K versteht sich exklusiv für Europa für die in Anlage II beschriebenen Abmessungen.
2.2 A gewährleistet, dass neben K nur ein A-Marken-Hersteller als Lizenznehmer in Europa eingesetzt wird, und zwar mit der Einschränkung, dass dieser Lizenznehmer in Europa nur dazu berechtigt sein wird, die Lochsäge, die Halterung und die Accessoires unter seiner eigenen A-Marke auf den Markt zu bringen, und dass er an eine einzige Abmessung gebunden sein wird, sodass die von K gelieferten Produkte nicht auf die von anderen Lizenznehmern gelieferten Produkte nicht auf die von anderen Lizenznehmern gelieferten Produkten und umgekehrt passen oder dagegen austauschbar sind (Säge mit dieser Halterung in anderen Größe und umgekehrt).
3.1 A gewährt mit dieser Lizenz K das Recht, die Produkte in Europa zu verkaufen oder verkaufen zu lassen, zu diesem Zweck die Produkte herzustellen oder herstellen zu lassen, und zwar in Europa oder außerhalb von Europa, diese zu ändern oder zu modifizieren, vorausgesetzt die Abmessungen, für die die Lizenz gilt, werden beachtet.“
Das Vertragswerk selbst definiert „Produkte“ als
„ […] Lochsäge, Halterung (den Parteien auch bekannt als Slug Ejection Arbor) und das dazu entwickelte oder noch zu entwickelnde Zubehör […] sowie alle „Spin-offs“, […]; wobei dieser Vertrag nur die in Anlage II festgelegte(n) Abmessung(en) der Verbindung zwischen Halterung und Lochsäge betrifft.“ (vgl. S. 1 d. Vertrags unter „Definitionen“, 3. Pkt.).
Weiter heißt es zu dem Vertragsgegenstand:
„Unter „Lochsäge, Halterung und Zubehör“ wird die Entwicklung verstanden, beschrieben in dem [gemeint ist wohl „der“] PCT-Anmeldung, der [gemeint ist wohl „die“] als Anlage I diesem Vertrag beiliegt, dazu das entwickelte oder noch zu entwickelnde Zubehör.“
(vgl. S. 1 d. Vertrages unter „Definitionen“, 4. Pkt.)
Wegen des weiteren Inhalts des Vertrags wird auf diesen verwiesen.
Entgegen der Ziff. 2.1 der Vereinbarung des Vertrages aus Juni 2004 sei eine Anlage II mit Abmessungen, auf die die Lizenz der Klägerin zunächst beschränkt sein sollte, nie erstellt worden. Vielmehr haben die Vertragsparteien zunächst abwarten wollen, an welchen konkreten Abmessungen ein etwaiger A-Marken-Hersteller Interesse hat. In Abhängigkeit dazu, habe man dann erst die Abmessungen für die Klägerin festlegen wollen. Es sei jedoch in der Folgezeit zu keiner Lizenzeinräumung an einen A-Marken-Hersteller gekommen, weshalb die Klägerin eine Nutzungsberechtigung ohne Beschränkung auf konkrete Abmessungen habe erhalten sollen.
Mit Datum vom 13.05.2009 habe man deshalb eine als „Nachtrag zu dem Vertrag A – K BV“ (Anlage GDM 5; deutsche Übersetzung: Anlage GDM 5T) bezeichnete Abrede getroffen. Diese sei als die für die Lizenzeinräumung maßgebliche Vereinbarung zu betrachten. Unter Ziff. 5. dieser Vereinbarung, auf die wegen ihres gesamten Inhalts Bezug genommen wird, heißt es wie folgt:
„Nur sofern die unter 3a genannten Mindesttantiemen auch tatsächlich von K rechtzeitig an A gezahlt wurden, sagt A zu, die Möglichkeit, einen A-Marken-Hersteller neben K einzusetzen, nicht zu nutzen. Unter nicht rechtzeitiger Zahlung wird verstanden, dass auch nach per Einschreiben verschickter Inverzugsetzung innerhalb von drei Monaten keine Zahlung erfolgt ist.“
Die Klägerin ist weiter der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze den Hauptanspruch 1 des Klagepatents und das Befestigungsmittel der angegriffenen Ausführungsform den Klagepatentanspruch 17 unmittelbar wortsinngemäß. Daneben stelle sich der Längskörper der angegriffenen Ausführungsform als mittelbare wortsinngemäße Verletzung des Anspruchs 1 des Klagepatents dar.
Insbesondere habe die angegriffene Ausführungsform klagepatentgemäße axial verriegelnde Mittel in Form einer Klinke und einer Kerbe.
Der Fachmann erkenne, dass die klagepatentgemäße Klinke so ausgestaltet sein müsse, dass sie in eine Kerbe hinein fallen könne, mithin ihre Verriegelungsposition selbsttätig einnehmen könne, jedoch zum Lösen der Verriegelungsposition das Aufwenden von Kraft erforderlich sei. Dieses Verständnis entspreche demjenigen, welches der Fachmann auch aufgrund seines allgemeinen Fachwissens von einer Klinke habe. Dieses komme beispielhaft in dem als Anlage GDM 13 beigefügten Auszug aus A. S. Hornby, „Oxford Advances Learner’s Dictionary of Current English“ zum Ausdruck, bei dem die Schwerkraft für das Hineinfallen ausgenutzt werde. Bei anderen von dem allgemeinen Verständnis des Fachmannes erfassten Ausgestaltungen werde eine Vorspannung mittels einer Feder genutzt, um ein Hineinfallen der Klinke zu veranlassen, beispielhaft dargestellt in dem als Anlage GDM 14 vorgelegten Auszug aus N. Sclater, „Mechanisms and Mechanical Devices“ (deutsche Übersetzung: Anlage GDM 14).
Da die Positionierungskugeln der angegriffenen Ausführungsform automatisch in ihre Verriegelungsposition fallen, handele es sich um Klinken nach der Lehre des Klagepatents.
Die Klägerin beantragt:
wie erkannt;
sowie in Ergänzung des Unterlassungsantrags Ziff. I. 1. c) wie folgt:
hilfsweise:
ohne
– im Fall des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Längskörper nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 1 827 XXX mit vorgenannten Befestigungsmitteln als Schnellwechseldorne für ein Werkzeug verwendet werden dürfen;
– im Fall des Lieferns den Abnehmern unter Auferlegung einer an den Patentinhaber zu zahlenden Vertragsstrafe von 5.000 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch 250 € pro Längskörper, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Längskörper nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers mit vorgenannten Befestigungsmitteln als Schnellwechseldorne für ein Werkzeug zu verwenden;
weiter hilfsweise:
ohne
– im Fall des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Längskörper nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 1 827 XXX mit vorgenannten Befestigungsmitteln als Schnellwechseldorne für ein Werkzeug verwendet werden dürfen;
– im Fall des Lieferns die Bedienungsanleitung mit einem ausdrücklichen und unübersehbaren Warnhinweis des Inhalts zu versehen, dass die Längskörper nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 1 827 XXX mit vorgenannten Befestigungsmitteln als Schnellwechseldorne für ein Werkzeug verwendet werden dürfen.
Wegen der weiteren, in Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Anträge wird auf den Schriftsatz vom 26.08.2016 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise:
ihr für den Fall des Unterliegens zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.
Die Beklagte bestreitet die Lizenzinhaberschaft der Klägerin mit Nichtwissen. Die vorgelegten Verträge (Anlage GMD 4 und Anlage GMD 5) würden schon eine Bezugnahme auf das Klagepatent nicht erkennen lassen. Zudem ergebe sich auch aus den vorgelegten Vereinbarungen keine Erteilung einer ausschließlichen Lizenz, weil diese sich nach der Vereinbarung aus Juni 2004 (Anlage GDM 4) lediglich auf bestimmte Abmessungen erstrecke und der Patentinhaber weitere Lizenzen erteilen darf. Die als Anlage GDM5 vorgelegte Vereinbarung vom 13.05.2009 könne auch nicht als eigenständige, neue Vereinbarung betrachtet werden. Sie baue im Hinblick auf den Umfang der erteilten Lizenz vielmehr auf der früheren Vereinbarung auf.
Des Weiteren ist die Beklagte der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht.
Der angegriffenen Ausführungsform fehle es an klagepatentgemäßen Mitteln zur Befestigung des Werkzeugs, weil der maßgebliche englische Originalwortlaut verlange, dass eine Mehrzahl von Befestigungsmitteln vorliege.
Die angegriffene Ausführungsform weise kein axial verriegelndes Mittel in der Form einer Klinke auf. Insbesondere stelle die Kugelverrastung der angegriffenen Ausführungsform keine Klinke im Sinne des Klagepatents dar. Denn darunter verstehe der Fachmann ein um einen Zapfen drehbar gelagerten, kurzen Hebel, der die Bewegung eines anderen Teils versperrt, wobei er Hebel in diesem Sinne als einen starren Körper begreife, der um einen Drehpunkt drehbar ist. Auch fehle es an einem axial verriegelnden Mittel in der Form einer Kerbe, da diese bei der angegriffenen Ausführungsform – anders als die Lehre des Klagepatents dies erfordere – nicht Bestandteil des Befestigungsmittels und des Längskörpers sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 13.10.2016 Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Insbesondere besteht die Zulässigkeit der Klage auch nach Änderung des Unterlassungsantrags wie mit Schriftsatz vom 26.08.2016.
Ob es sich – wie die Beklagte meint – bei der Aufnahme des Passus, dass die Handlungen „in Deutschland“ unterlassen werden sollen, um eine Klagerücknahme handelt – kann unter Zulässigkeitsgesichtspunkten dahinstehen. Denn einer Einwilligung der Beklagten in die Klagerücknahme nach § 269 Abs.1 ZPO bedarf es nicht, weil eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat.
Soweit die Klägerin mit der modifizierten Fassung ihres Unterlassungsantrags zusätzlich eine unmittelbare Verletzung des Anspruchs 17 (Antrag Ziff. I. 1. b)) und eine mittelbare Verletzung des Anspruchs 1 (Antrag Ziff. I. 1. c)) geltend macht, liegt eine Klageänderung in Form einer Klageerweiterung vor. Diese ist trotz des Widerspruchs der Beklagten gem. § 263, 2. Alt. ZPO zulässig, weil sie sachdienlich ist. Insbesondere ist der bisherige Prozessstoff auch im Zusammenhang mit der Verletzung des Klagepatentanspruchs 17 verwertbar, weil die von dem Anspruch geschützten Befestigungsmittel auch Teil des nach Anspruch 1 geschützten Schnellwechseldorns sind, sich mithin insoweit vergleichbare Fragestellungen ergeben.
II.
Die Klage ist auch begründet.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach zu, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 2, 140a Abs. 1, 3, 140b Abs. 1, 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Zur Geltendmachung patentrechtlicher Verletzungsansprüche ist neben dem Patentinhaber auch der ausschließliche Lizenznehmer materiell berechtigt (Grabsinki/ Zülch, in: Benkard, PatG, Kommentar, § 139, Rn. 17). Gegenstand einer Lizenz können nach § 15 Abs. 1, 2 PatG i. V. m. Art. 64 EPÜ das Recht auf das Patent, der Anspruch auf Erteilung des Patents und das Recht aus dem Patent sein. Ausschließlicher Lizenznehmer ist derjenige, der das Patent „ausschließlich“, das heißt unter Ausschluss jeglicher Dritter benutzen darf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.09.2015, Az.: I-2 U 30/15, Rn. 5), wobei anerkannt ist, dass das eingeräumte Nutzungsrecht in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht oder nach der Art der Nutzung beschränkt sein kann (Ullmann/ Deichfuß, ebd., § 15, Rn. 94).
Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Klägerin jedenfalls durch die Vereinbarung vom 13.05.2009 (Anlage GDM 5) eine ausschließliche Lizenz in diesem Sinne hinsichtlich des Klagepatents für den europäischen Raum eingeräumt worden ist.
a)
Die Klägerin hat im Rahmen der Vereinbarung vom 13.05.2009 und unter Berücksichtigung der diese Vereinbarung begleitenden Umstände das Recht erhalten, Lochsägen, Halterungen und Zubehör unter Ausschluss Dritter zu vertreiben und sie zu diesem Zweck herzustellen.
Zunächst ist von der Existenz einer wirksamen Vereinbarung vom 13.05.2009 auszugehen. Die Beklagte hat sich im Rahmen ihres Prozessvortrags zu keinen Tatsachen des Vertragsschlusses verhalten, die sie – was ihr gem. § 138 Abs. 4 ZPO grundsätzlich möglich ist – mit Nichtwissen bestreitet. Sie tritt lediglich rechtlichen Wertungen, wie der ausschließlichen Rechteeinräumung und der Aktivlegitimation der Klägerin als solcher, entgegen. Soweit die Beklagte die „Existenz“ der Vereinbarung in Frage stellt, ergeben sich daraus insbesondere unter Berücksichtigung des als Kopie vorgelegten Vertragsdokuments (Anlage GDM 5), welches als substantiierter Parteivortrag zu würdigen ist, keine konkreten Zweifel hinsichtlich der Vertragsunterzeichnung als solcher, der Übereinstimmung der Kopien mit den Originalen und der Berechtigung zur Abgabe von Erklärungen durch die Unterzeichnenden.
Des Weiteren ist der Klägerin durch die Vereinbarung vom 13.05.2009 (Anlage GMD 5) die Stellung einer ausschließlichen Lizenznehmerin eingeräumt worden.
Grundlegend für den Inhalt einer vertraglichen Vereinbarung ist gem. §§ 133, 157 BGB das von den vertragsschließenden Parteien Gewollte (BGH, NJW-RR 2000, 1002, (1003). Dies ist neben dem Wortsinn des Vereinbarten auch anhand außerhalb des Erklärungsaktes liegender Begleitumstände zu ermitteln, soweit diese einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (Ellenberger, in: Palandt, BGB, Kommentar, 74. Auflage, 2015, § 133, Rn. 8). In diesem Zusammenhang können insbesondere auch frühere Geschäfte und Vorverhandlungen der Vertragsparteien Anhaltspunkte für ihren tatsächlichen Willen geben (ebd., § 133, Rn. 16). Obwohl der für die Auslegung maßgebliche Zeitpunkt derjenige des Vertragsschlusses ist, kann auch das nachträgliche Verhalten der Parteien eine Indizwirkung für einen bestimmten Erklärungsgehalt zu diesem Zeitpunkt entfalten (ebd., § 133, Rn. 6a, 17). Dass nachdem hier maßgeblichem niederländischem Recht andere Auslegungsgrundsätze gelten haben die Prozessparteien nicht vorgetragen und ist auch somit nicht ersichtlich.
Mit der Vereinbarung vom 13.05.2009 (die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die deutsche Übersetzung der Vereinbarung, Anlage GDM 5T) sollen, wie sich bereits aus deren Überschrift („Nachtrag zu dem Vertrag A – K BV“) und deren einleitendem Teil („Dieser Nachtrag konkretisiert und verdeutlicht Vereinbarungen zwischen den folgenden Parteien [… wie zuvor niedergelegt in dem am 26.06.2004 unterschriebenen Originalvertrag […]“) ergibt, Regelungen zur näheren Ausgestaltung und Modifikation der früheren Vereinbarung von Juni 2004 (die nachfolgenden Ausführungen nehmen auf die deutsche Übersetzung der Niederschrift der Vereinbarung Bezug, Anlage GDM 4T) getroffen werden. Mit der früheren Vereinbarung, insbesondere deren Ziff. 1.1 und Ziff. 2.1, deren wirksamen Abschluss die Kammer aus den bereits im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 13.05.2009 dargelegten Umständen annimmt, sollten der Klägerin lediglich auf bestimmte Abmessungen von Werkzeugen beschränkte Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Sofern die Klägerin vorgetragen hat, die Parteien hätten von einer solchen – inhaltlich beschränkten – Lizenzeinräumung bei der späteren Vereinbarung vom 13.05.2009 Abstand genommen, so findet dieser Wille der Vertragsschließenden in Ziff. 5 der Vereinbarung vom 13.05.2009 einen Ausdruck. Denn – anders als noch in der Abrede aus dem Jahre 2004 – ist die Berechtigung der Patentinhaberin zu Einräumung einer weiteren Lizenz an einen A-Marken-Hersteller dort unter eine allein von dem Verhalten der Klägerin abhängige aufschiebende Bedingung gestellt. Die Möglichkeit einer Lizenzeinräumung an einen Dritten soll der Patentinhaberin danach nämlich nur dann gewährt werden, wenn die Klägerin die Mindesttantiemen für die Lizenzeinräumung trotz Inverzugsetzung durch die Patentinhaberin nicht binnen drei Monaten zahlt. Soweit die Beklagte, die im Hinblick auf den Bedingungseintritt als für sie günstige Tatsache grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast trägt, lediglich die Tatsache mit Nichtwissen bestritten hat, dass die Klägerin die Mindesttantiemen gezahlt hat, reicht die bloße Nichtzahlung der Mindesttantiemen ausweislich Ziff. 5. Satz 2 als Bedingungseintritt allein gerade nicht aus.
b)
Die Vereinbarung vom 13.05.2009 erstreckt sich inhaltlich auch auf Lochsägen, Halterungen und Zubehörteile, die der Lehre des Klagepatents unterfallen.
Zwar lässt die Niederschrift der Vereinbarung aus dem Jahre 2004 (Anlage GDM 4) keinen ausdrücklichen Bezug zu dem Klagepatent erkennen. Insbesondere hat die Klägerin die PCT-Anmeldung, auf die in der Vereinbarung unter dem Punkt „Definitionen“ (4. Punkt) zur Bestimmung der von dem Vertrag erfassten Lochsägen usw. Bezug genommen wird und die als Anlage I Bestandteil der Niederschrift sein sollte, nicht vorgelegt, weil diese nicht mehr vorhanden ist. Jedoch wird in Ziff. 2. und Ziff. 10. der hier maßgeblichen Vereinbarung vom 13.05.2009 (Anlage GDM 5) die PCT-Anmeldung/NL/2004/000XXX, mithin das das Klagepatent betreffende Dokument, ausdrücklich benannt. Es ist keine Erklärung erkennbar, weshalb die Vertragslaufzeit von der Patentlaufzeit auf der Grundlage der PCT-Anmeldung des Klagepatents abhängig gemacht werden sollte (Ziff. 2.) und die Klägerin die Kosten für die Fortführung von Patentanmeldungen, die auf ebendieser PCT-Anmeldung basieren, übernehmen sollte, wenn die Lizenzeinräumung nicht unter den Schutzbereich dieser Patente fallende Vorrichtungen erfassen soll.
2.
Es liegen auch Verletzungshandlungen der Beklagten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG und Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 10 PatG vor.
Die angegriffene Ausführungsform, insbesondere der von der Beklagten vertriebene Schnellwechseldorn, aber auch die von diesem getrennt vertriebenen Befestigungsmittel, verletzten das Klagepatent, insbesondere Anspruch 1 bzw. 17, unmittelbar wortsinngemäß. Der Längskörper der angegriffenen Ausführungsform, den die Beklagte ebenfalls separat von der angegriffenen Ausführungsform anbietet, verletzt die Lehre des Klagepatents (Anspruch 1) darüber hinaus mittelbar wortsinngemäß.
a)
Das Klagepatent hat einen Schnellwechseldorn für ein Werkzeug sowie Befestigungsmittel für ein Werkzeug und Befestigungsmittel zur Anwendung am Schnellwechseldorn zum Gegenstand.
Ein Befestigungsmittel für ein Werkzeug ist, dem Klagepatent zufolge, bereits aus der WO 2004/011179 bekannt (Abs. [0001] des Klagepatents; Abschnitte ohne Angabe sind im Folgenden solche des Klagepatents).
Die Druckschrift offenbart ein Befestigungsmittel wie nachfolgend mit der verkleinerten Figur 1 gezeigt:
Das zu befestigende Werkzeug ist in der Abbildung durch eine Lochsäge 108 dargestellt. Sie ist zum einen durch eine Gewindeverbindung am Längskörper 101 befestigt, und zum anderen durch ein Schubteil 102, welches rechtsseitig Vorsprünge hat, die in Löcher in der Rückwand der Lochsäge 108 eingesetzt werden können. Bei einem Lösen der Lochsäge 108 von dem Längskörper 101 – wie es etwa erforderlich ist, um einen beim Sägen entstandenen Bohrkern zu entfernen – muss das Schubteil 102 zunächst in der Bildebene nach links bewegt werden, damit sich die Vorsprünge aus den Löchern lösen. Sodann kann die Lochsäge 108 über die Gewindeverbindung von dem Längskörper 101 abgeschraubt werden.
Auch ein Dorn ist nach der Einleitung des Klagepatents aus der WO 01/38028 bereits bekannt (Abs. [0003], [0004]). Eine darin offenbarte Ausführungsform wird nachfolgend verkleinert abgebildet:
Bei der Vorrichtung aus Fig. 2 wird die Verbindung zwischen der Lochsäge 32 und dem Längskörper 34 durch eine Bajonett-Verbindung hergestellt. Zu diesem Zweck sind an dem Längskörper 34 Rippen 66, 71 ausgebildet und an dem den Zähnen der Lochsäge 32 abgeneigten Ende 38 befindet sich ein Loch mit Vorsprüngen 46 und Vertiefungen 44. Zum Einsetzen der Säge ist die Hülse 68 („gelb“) an dem Längskörper 68 axial zum oberen Ende des Längskörpers verschiebbar. Eine Position der verschiebbaren Hülse 68 ist dadurch gekennzeichnet, dass der Raum („Einkerbung“) zwischen den Rippen 66 und 71 des Längskörpers 34 freigelegt wird (vgl. auch Fig. 6 und Fig. 10B). Der Längskörper wird dann in Richtung des offenen Endes 38 der Säge 32 bewegt und die Lochsäge 32 so im oder gegen den Uhrzeigersinn gedreht, dass die Vorsprünge 46 in den freigegebenen Raum zwischen den Rippen 66 und 71 eingreifen können (FIG. 8 und 10C). Dadurch wird die Lochsäge 32 an dem Längskörper 34 axial gehalten. Eine rotierende Bewegung des mit der Lochsäge 32 verbundenen Längskörpers 34 wird dadurch verhindert, dass die Hülse 68 in eine Position bewegt wird, in der sie sich maximal am unteren Ende des Längskörpers befindet und zwischen den Rippen 66, 71 anliegt (Fig. 4C), so dass sie in den Vertiefungen 44 anliegt (Fig. 9, 10D und Fig. 10E). Eine Lösung der Lochsäge 32 von dem Längskörper erfolgt durch die Durchführung des umgekehrten Vorgangs.
Gemäß der WO 01/38028 wird weiter ein Pfropfen gesägten Materials aus der Lochsäge ausgeworfen, wobei die Lochsäge zunächst von dem Dorn abgekoppelt wird und von einem weiteren Werkzeug Gebrauch gemacht wird, um die Öffnung der Lochsäge zu durchstechen und das Lösen des Pfropfens zu bewirken (Abs. [0004]).
An diesem Stand der Technik kritisiert das Klagepatent, dass der bekannte Dorn komplex ist, was seine Herstellung schwierig und kostenintensiv macht (Abs. [0005]).
Vor diesem Hintergrund strebt das Klagepatent das Bereitstellen eines konstruktiv und funktional vereinfachten Dorns an, dessen Produktion einfacher und zu geringeren Kosten möglich ist (Abs. [0006]).
b)
Diese Aufgabe (technisches Problem) soll durch einen Schnellwechseldorn nach Anspruch 1 und ein Befestigungsmittel nach Anspruch 17 gelöst werden (Abs. [0006]).
Anspruch 1 lässt sich gegliedert wie folgt darstellen:
M1.0 Schnellwechseldorn (1) für ein Werkzeug (2) umfassend:
M1.1 einen Längskörper (3) mit einem Antriebsende (4) und einem Werkzeugende (5);
M1.2 Mittel zum Befestigen (6) des Werkzeugs (2), welche Befestigungsmittel (6)
M1.2.1 von dem Längskörper (3) verschieblich lösbar sind
und versehen sind mit:
M1.2.2 einem mittigen Loch (7), welches ein Verschieben des Befestigungsmittels (6) über den Längskörper (3) gestattet, und
M1.2.3 Mitteln zum verdrehsicheren (8; 8-1, 8-2) und axialen (9; 9-1, 9-2) Verriegeln der Befestigungsmittel (6) an dem Längskörper (3),
dadurch gekennzeichnet, dass die axial verriegelnden Mittel (9) umfassen:
M1.2.3.1 erste axial verriegelnde Mittel (9-1), die als Klinke, insbesondere als Querklinke, vorgesehen an den Befestigungsmitteln (6) ausgebildet sind, und
M1.2.3.2 zweite axial verriegelnde Mittel (9-2), die als Kerbe, insbesondere als Querkerbe, vorgesehen an dem Längskörper (3) zum Verriegeln der Klinke (9-1) darin ausgebildet sind.
Anspruch 17 kann wie nachfolgend wiedergegeben gegliedert werden:
M17 Befestigungsmittel (6) zum Befestigen eines Werkzeugs (2), welche Befestigungsmittel (6),
M17.1 verschieblich lösbar von einem Längskörper (3) sind
und versehen sind mit:
M17.2 einem zentralen Loch (7), das ein Schieben der Befestigungsmittel (6) über den Längskörper (3) gestattet, und
M17.3 Mitteln zum verdrehsicheren (8; 8-1, 8-2) und axialen (9; 9-1, 9-2) Verriegeln der Befestigungsmittel (6) an dem Längskörper (3),
dadurch gekennzeichnet, dass
M17.3.1 erste axial verriegelnde Mittel (9-1), die als Klinke, insbesondere als Querklinke, vorgesehen an den Befestigungsmitteln (6) ausgebildet sind, und
M17.3.2 zweite axial verriegelnde Mittel (9-2), die als Kerbe, insbesondere als Querkerbe, vorgesehen an dem Längskörper (3) zum Verriegeln der Klinke (9-1) darin ausgebildet sind.
Für die von dem Klagepatent bereitgestellte Lösung ist kennzeichnend, dass die Befestigungsmittel von dem Längskörper verschieblich lösbar sind (Abs. [0007], [0008]). Dadurch muss zum einen die Führungsbohrerspitze nicht von dem Längskörper gelöst werden. Vielmehr bildet sie einen Teil des Längskörpers, über den das Befestigungsmittel bewegt werden kann, wodurch die Anzahl gesonderter Teile des Schnellwechseldorns verringert und eine Gesamtvereinfachung herbeigeführt wird (Abs. [0008]). Zum anderen wird durch die Möglichkeit, das Befestigungsmittel an dem Längskörper zu verschieben, vermieden, dass das Werkzeug, beispielsweise eine Lochsäge, für das Entfernen eines Bohrkerns aus der Lochsäge von den Befestigungsmitteln abgekoppelt werden und ein anderes Werkzeug durch die Lochsägenöffnung geschoben werden muss (Abs. [0010]). Vielmehr kann das Werkzeugende des Längskörpers nach dem händischen Lösen des Befestigungsmittels durch das Befestigungsmittel in die Lochsägenöffnung geschoben werden (Abs. [0010]).
Um ein verschiebbares Lösen des Befestigungsmittels von dem Längskörper zu gewährleisten, ist das Befestigungsmittel 6 neben einem mittigen Loch (7) mit Mitteln ausgestattet, die einerseits ein Verdrehen des Befestigungsmittels (Mittel 8; 8-1, 8-2) und andererseits eine axiale Bewegung des Befestigungsmittels (Mittel 9; 9-1, 9-2) verhindern.
c)
Soweit die Beklagte den angegriffenen Schnellwechseldorn und dessen Befestigungsmittel (diese auch gesondert) herstellt und vertreibt, liegen Verletzungshandlungen im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG vor.
aa)
Zwischen den Parteien ist eine Verwirklichung der Merkmale 1.2, 1.2.3.1 und 1.2.3.2 des Anspruchs 1 durch die angegriffene Ausführungsform (Schnellwechseldorn) streitig. Im Übrigen steht die Verwirklichung der Anspruchsmerkmale durch die angegriffene Ausführungsform zu Recht außer Streit, weshalb weitere Ausführungen unterbleiben.
Bei dem Anspruch 17, dessen Merkmale durch die Befestigungsmittel der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht werden, handelt es sich um einen dem Anspruch 1 nebengeordneten Anspruch, der die Befestigungsmittel der Merkmalsgruppe 1.2 gesondert unter Schutz stellt. Die Merkmale 17, 17.3.1 und 17.3.2 entsprechen deshalb den Merkmalen 1.2., 1.2.3.1 und 1.2.3.2, weshalb die Ausführungen zu deren Verwirklichung für die Merkmale des Anspruchs 17 gleichermaßen gelten.
(1)
Sofern Merkmal 1.2 des Anspruchs 1 bzw. Merkmal 17.1 des Anspruchs 17,
„Mittel zum Befestigen (6) des Werkzeugs (2), welche Befestigungsmittel (6)“,
seinem Wortlaut nach eine Mehrzahl von Befestigungsmitteln benennt, rechtfertigt sich die Verwendung des Plurals bereits daraus, dass – wie die Merkmalsgruppe 1.2.3 erkennen lässt – sowohl Mittel zur verdrehsicheren als auch zur axialen Verriegelung vorgesehen sind.
Eine axiale Verriegelung der angegriffenen Ausführungsform wird durch das Zusammenspiel eines im Längskörper befindlichen Festklemmglieds – wie in Fig. 1 des Gebrauchsmusters DE ‘XXX mit der Kennziffer 21 bezeichnet – und Kugeln – in Fig. 6 der DE ‘XXX mit der Kennziffer 8a markiert – bewirkt. Die Art und Weise des Zusammenwirkens, die unter Ziff. (2), (b) detailliert dargestellt wird, ist für die Frage, ob überhaupt ein axiales Verriegelungsmittel vorhanden ist, mithin das Merkmal 1.2 verwirklicht ist, unerheblich. Die Beklagte stellt darüber hinaus auch nicht in Abrede, dass die angegriffene Ausführungsform über Mittel zur Verdrehsicherung verfügen – die Verwirklichung des Merkmals 1.2.3 durch den angegriffenen Schnellwechseldorn ist gerade unstreitig.
(2)
Die angegriffene Ausführungsform weist auch axiale Verriegelungsmittel, wie durch die Merkmale 1.2.3.1 und 1.2.3.2 des Anspruchs 1 bzw. die Merkmale 17.3.1 und 17.3.2 des Anspruchs 17 beschrieben, auf.
(aa)
Das Merkmal 1.2.3.1,
„erste axial verriegelnde Mittel (9-1), die als Klinke, insbesondere als Querklinke, vorgesehen an den Befestigungsmitteln (6) ausgebildet sind“,
und das Merkmal 1.2.3.2,
„zweite axial verriegelnde Mittel (9-2), die als Kerbe, insbesondere als Querkerbe, vorgesehen an dem Längskörper (3) zum Verriegeln der Klinke (9-1) darin ausgebildet sind“,
sind in einer Gesamtschau zu betrachten. Denn sie beschreiben gemeinsam die Mittel zur axialen Verriegelung des Befestigungsmittels.
Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent geschützt ist, ist gem. Art. 69 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche in der maßgeblichen Verfahrenssprache (Art. 70 Abs. 1 EPÜ), wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind (BGH, NJW-RR 2000, 259 (260) – Spannschraube). Für die Auslegung entscheidend ist die Sicht des in dem jeweiligen Fachgebiet tätigen Fachmanns. Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind deshalb so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH, ebd., (261)).
Orientiert an diesem Maßstab lässt die Beschreibung den Fachmann, einen Diplom-Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Schnellwechseldornen für Werkzeuge, eine räumlich-körperliche Gestaltung der axial verriegelnden Mittel derart erkennen, dass das erste Mittel als „Klinke“ und das zweite Mittel als „Kerbe“ ausgestaltet sein muss. Die sich daraus ergebende Ausgestaltung einer Klinke muss danach jedenfalls derart sein, dass ein Zusammenwirken des ersten mit dem zweiten axialen Verriegelungsmittel möglich ist, und zwar so, dass das erste axiale Verriegelungsmittel in eine in dem Längskörper befindliche Aussparung eingreifen kann („[…] for locking the latch therein“), und dadurch eine Verriegelung sowohl des ersten axialen Mittels als auch des Befestigungsmittels als solchen herbeigeführt wird. Darüber hinaus ist die Klinke an dem Befestigungsmittel und die Kerbe an dem Längskörper ausgebildet.
Aus der Beschreibung enthält der Fachmann weiter einen Hinweis darauf, welche Ausgestaltung der axialen Verriegelungsmittels das Klagepatent jedenfalls als „Klinke“ und „Kerbe“ betrachtet. Unter Bezugnahme auf die Figuren 1 – 3 heißt es in Abschnitt [0017] bei dem auf den Abbildungen zu erkennenden „hakenartig“ ausgebildeten axialen Mittel 9-1 handele es sich um eine Klinke,
„Die axial verriegelnden Mittel 9 umfassen, erste axial verriegelnde Mittel 9-1, hier einfach ausgeführt durch eine an den Befestigungsmittel [gemeint ist wohl Befestigungsmitteln] 6 vorgesehene Klinke 9-1, […]“ (Hervorhebung diesseits).
Diese Beschreibungsstelle bezieht sich zwar lediglich auf das in den Figuren 1 – 3 dargestellte Ausführungsbeispiel, auf welches die Lehre des Klagepatents grundsätzlich nicht beschränkt werden darf (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung). Der Fachmann erkennt jedoch aufgrund des identischen Wortlauts der soeben zitierten Beschreibung in Abschnitt [0017] mit dem Anspruchswortlaut, dass dieser selbst das konkrete Ausführungsbeispiel aufnimmt, mithin den Schutzbereich gerade unter Zuhilfenahme des Ausführungsbeispiels einschränkend festlegt. Das Ausführungsbeispiel selbst erstreckt dabei jedoch den Begriff der Klinke auf eine weitere Ausgestaltungsform, wenn es am Ende des Abschnitts [0017] (Hervorhebungen diesseits) heißt:
„[…] und kann sie [gemeint ist die Klinke] ebenso durch einen in ein Loch im Körper 3 fallenden Riegel ausgeführt sein. Hier ist die Klinke 9-1 in der Lage, quer in den Befestigungsmitteln 6 zu schwenken.“
Vor diesem Hintergrund ist der Schutzbereich des Klagepatents zwar nicht allein auf die ihm durch die Figuren 1 – 3 offenbarte „hakenartige“ Klinke beschränkt, jedoch erfasst er nur solche Ausführungsformen, die denjenigen Wirkmechanismus der offenbarten Klinke aufweisen. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass das Bewegen eines an dem Befestigungselement befindlichen starren Körpers in eine in dem Längskörper befindliche Aussparung zu einer Verriegelung führt, mithin gerade das Zusammenspiel von Kerbe und Klinke die Beweglichkeit des Befestigungselements hindert.
Aus dem Anspruchswortlauts in seiner Gesamtschau, insbesondere bei Kenntnisnahme des Merkmals 1.2.1,
„[welche Befestigungsmittel (6)] von dem Längskörper (3) verschieblich lösbar sind“,
leitet der Fachmann weiter ab, dass das Einbringen des starren Körpers in die Aussparung in dem Längskörper nicht mit einem Aufwand verbunden sein darf, der dem Erreichen des erfindungswesentlichen Vorteils, das Befestigungsmittel an dem Längskörper verschiebbar zu halten und so eine im Vergleich zum Stand der Technik einfachere Handhabung bei der Kopplung des Werkzeugs an dem Längskörper (Abs. [0008]) und bei dem Entfernen eines Bohrkerns aus der Lochsägenöffnung (Abs. [0009]) zu ermöglichen, entgegensteht. Als bevorzugte Ausführungsformen werden ihm in diesem Zusammenhang Ausgestaltungen beschrieben, bei denen die Klinke selbst elastisch und/ oder elastisch vorgespannt ist, sodass sie einfach heruntergedrückt oder geschaltet werden kann.“ (Abs. [0017]), oder sich die Klinke selbsttätig mit der Bewegung des Befestigungsmittels bewegt,
„Das Werkzeugende ist so gefasst, dass dann, wenn ein Schieben der Befestigungsmittel 6 beginnt, die Fase 16 initial die Klinke 9-1 gegen die Feder -oder elastische Kraft anheben wird.“ (Abs. [0022] a. E.).
Sofern die Klägerin unter einer klagepatentgemäßen Klinke weitergehend jede Vorrichtung versteht, die sich selbsttätig ohne weitere Anzieh- und Ausrichtmaßnahmen in die Kerbe bewegt, lässt diese rein funktionsorientierte Betrachtung die räumlich-körperliche Vorgabe einer in eine Kerbe eingreifende Klinke unberücksichtigt. Auch kann ein solches Verständnis aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen (Anlage GMD 13 Auszug aus einem Wörterbuch, sowie auf die Abbildungen aus „Mechanisms and Mechanical Devices von N. Sclater (Anlage GDM 14; deutsche Übersetzung: Anlage GDM 14T) nicht hergeleitet werden. Diese enthalten keine ausdrückliche Definition einer Klinke, wenngleich die dortigen Abbildungen von einer Klinke einem solchen Verständnis auch nicht entgegenstehen.
Das dargestellte Auslegungsergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu dem Unteranspruch 2 des Klagepatents,
„Schnellwechseldorn (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die verdrehsicher (8; 8-1-, 8-2) und axial (9; 9-1, 9-2) verriegelnden Mittel lösbare Verriegelungsmittel sind, beispielsweise Klammern, Bolzen, Keile, Stifte oder Schrauben.“,
bzw. der im Wesentlichen mit dem Unteranspruch 2 übereinstimmenden Beschreibung in Abschnitt [0015],
„Bei Varianten der Ausführungsform des Bohrdorns 1 sind die verdrehsicher und axial verriegelnden Mittel 8,9 lösbare Verriegelungsmittel, ausgeführt mit wohlbekannten Klammern, Bolzen, Keilen oder Schrauben, um die Befestigungsmittel 6 auf dem Körper 3 zu verriegeln.“
Da der Unteranspruch 2 auf den Anspruch 1 rückbezogen ist, versteht der Fachmann jedenfalls einen Teil der darin alternativ genannten Mittel für eine verdrehsichere und eine axiale Verriegelung auch als Konkretisierungen für axial verriegelnde Mittel. Die genannte Alternative eines „Stifts“ ordnet der Fachmann beispielsweise ohne weiteres in sein Verständnis von der räumlich-körperlichen Ausgestaltung einer Klinke ein. Denn hier sind Ausgestaltungen denkbar, bei denen, beispielsweise durch die zylindrische oder konische Form des Stifts das Einführen desselben in ein Loch zu einer Fixierung des Befestigungselements führt. Vor dem Hintergrund, dass in dem Unteranspruch 2 bzw. in dem Abschnitt [0015] auch Konkretisierungen für verdrehsicher verriegelnde Mittel genannt sind, welche durch das Klagepatent keine nähere Einschränkung erfahren, steht es dem Auslegungsergebnis auch nicht entgegen, dass sich nicht sämtliche der in dem Unteranspruch 2 genannten Mittel in das klagepatentgemäße Verständnis von einer Klinke einordnen lassen. So kann zum Beispiel die dort genannte „Klammer“ nicht als eine Klinke betrachtet werden, weil eine Fixierung in diesem Fall durch ein Festklemmen des Längskörpers und nicht durch das Platzieren eines Körpers des Befestigungsmittels in einer Aussparung des Längskörpers bewirkt wird.
Sofern die Beklagte ihr Verständnis von der klagepatentgemäßen Lehre aus der Erteilungshistorie herleitet, ergibt sich daraus kein entscheidungserheblicher Vortrag. Die Erteilungsakte ist grundsätzlich bei der Auslegung der technischen Lehre des Patents unbeachtlich. Die Frage, ob – wie die Beklagte meint – dies vorliegend anders sei, kann dahinstehen.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass der ursprüngliche Wortlaut des Anspruchs 1, wie er sich aus der internationale Anmeldung des Klagepatents (WO 2006/062XXX A1, deutsche Übersetzung vorgelegt als Anlage B 3) ergibt,
„Schnellwechseldorn für ein Werkzeug, umfassend:
einen Längskörper mit einem Antriebsende und einem Werkzeugende;
Mittel zum Befestigen des Werkzeugs, die versehen sind mit:
einem mittigen Loch, welches ein Verschieben der Befestigungsmittel über den Längskörper gestattet,
und Mittel zum verdrehsicheren und axialen Verriegeln der Befestigungsmittel an dem Längskörper,
dadurch gekennzeichnet, dass die Befestigungsmittel vom Längskörper verschieblich lösbar sind.“,
eine Beschreibung der axialen Verriegelungsmittel nicht enthielt. Diese sind, wie das Schreiben des Europäischen Patentamtes vom 19.05.2008 (Anlage B4, enthält auch deutsche Übersetzung) erkennen lässt, vielmehr zur Abgrenzung der technischen Lehre des Klagepatents zum vorbekannten Stand der Technik eingefügt worden (vgl. insbesondere S. 4, 5 der Übersetzung). Daraus leitet die Beklagte ab, dass die Klägerin eine Auswahlentscheidung auf axiale Verriegelungsmittel in Form einer Kerbe und einer Klinke getroffen habe. Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich – wie dargestellt – bereits bei Berücksichtigung des Anspruchswortlauts und der Beschreibung, wie sie Abschnitt [0017] zu entnehmen ist. Sollte die Beklagte aus der Erteilungsakte eine weitergehende Beschränkung auf die konkret offenbarte Klinken-Kerben-Kombination ableiten wollen, ergibt sich eine solche Einschränkung auch aus der vorgetragenen Erfindungshistorie nicht. Denn der im Rahmen des Erteilungsverfahrens modifizierte Anspruchswortlaut lässt eine auf eine ganz bestimmte Klinke beschränkte Auswahlentscheidung schon nicht erkennen.
Auch soweit die Beklagte das klagepatentgemäße Verständnis einer Klinke unter Verweis auf das allgemeine Fachverständnis auf Ausführungsformen beschränken möchte, bei denen der starre Körper um einen Drehpunkt drehbar gelagert ist, lässt sich nicht erkennen, dass der Fachmann, selbst dann, wenn es sich dabei um allgemeines Fachwissen handelt, die klagepatentgemäße Klinke in diesem Sinne versteht. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass der klagepatentgemäße Klinkenmechanismus nur durch eine Vorrichtung ausführbar ist, die eine Vorzugserstreckung aufweist. Vielmehr kann die nach der Lehre des Klagepatents beabsichtigte sperrende Wirkung auch durch einen runden oder quadratischen Gegenstand, der in die Kerbe eingebracht wird, herbeigeführt werden. Funktionstechnische Erwägungen, die diesem Verständnis entgegenstehen, ergeben sich nach dem Inhalt der Klagepatentschrift für den Fachmann nicht.
Durch die Ausgestaltung des ersten axialen Verriegelungsmittels, der Klinke, wird auch die Ausgestaltung des zweiten axialen Verriegelungsmittels, der Kerbe, an dem Längskörper vorbestimmt. Das die klagepatentgemäße Kerbe kennzeichnende Element liegt danach in einer Ausgestaltung eines Teils des Längskörpers, in den die Klinke aufgenommen werden kann. Abschnitt [0017] nennt in diesem Zusammenhang insbesondere eine Ringnut oder ein Loch in dem Längskörper als in den Schutzbereich des Klagepatents fallende Ausführungsformen.
(bb)
Orientiert an diesem Verständnis weist die angegriffene Ausführungsform axial verriegelnde Mittel im Sinne einer klagepatentgemäßen Klinke und einer klagepatentgemäßen Kerbe auf.
Bei der angegriffenen Ausführungsform, die im Hinblick auf ihren axialen Verriegelungsmechanismus dem in der Gebrauchsmusterschrift DE ‚XXX U1 offenbarten Mechanismus entspricht, wird eine Fixierung des Befestigungsmittels an dem Längskörper dadurch bewirkt, dass die Positionierungskugeln 8a, 8b (Bezifferung orientiert sich im Folgenden an der Fig. 6 der DE ‘XXX U1, vgl. auch S. 10 des Urteilstatbestandes) jeweils in das Festklemmglied 21 des Längskörpers 2 eingebracht werden.
Die Kugel fungieren dabei jeweils als klagepatentgemäße Klinken im Sinne des Merkmals 1.2.3.1 des Anspruchs 1 (bzw. im Sinne des Merkmals 17.3.1 des Anspruchs 17). Durch den Druck, den die gekrümmten Schrägprofile 344 des zweiten Elements 34 jeweils auf die Kugeln ausüben, vollziehen diese selbsttätig eine einfache Vorschubbewegung in das Festklemmglied 21, welches auf jeder Seite jeweils als Nut ausgestaltet ist. Auf die Form der Vorrichtung, die in die Klinke eingebracht wird, kommt es – wie unter lit. (aa) ausgeführt – nicht an. Es ist auch davon auszugehen, dass die in axialer Richtung verriegelnde Wirkung gerade dadurch entsteht, dass die Kugeln in das Festklemmglied eingebracht werden. Dagegen, dass die Kugeln die axiale Verriegelung dadurch herbeiführen, dass der Längskörper gegen den Widerstand der jeweils anderen Kugel festgeklemmt wird, spricht schon, dass für eine solche klammerartige Wirkung die Nut (Festklemmglied 21) nicht erforderlich wäre. Schließlich führt es auch aus der Lehre des Klagepatents nicht heraus, dass bei der angegriffenen Ausführungsform zwei Klinkenmechanismen, nämlich auf jeder Seite des Längskörpers, zur Anwendung gelangen. Denn die konkrete Ausgestaltung des Klinkenmechanismus ist in das Belieben des Fachmannes gestellt.
Auf der Grundlage der vorherigen Ausführungen handelt es sich bei dem Festklemmglied der angegriffenen Ausführungsform auch um eine Kerbe im Sinne des Merkmals 1.2.3.2 des Anspruchs 1 (bzw. im Sinne des Merkmals 17.3.2 des Anspruchs 17). Das Festklemmglied ist in der Form von Aussparung auf jeder Seite in den Längskörper 2 ausgestaltet, so dass zumindest ein Teil der als Klinken zu begreifenden Kugeln zum Zwecke der axialen Verriegelung des Längskörpers in diese aufgenommen werden kann.
bb)
Es liegen auch Verletzungshandlungen der Beklagten im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG vor.
Die Beklagte hat den Schnellwechseldorn im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland angeboten. Dies berücksichtigend erweist sich ihr Bestreiten, dass kein tatsächlicher Vertrieb in Form eines Produktabsatzes bzw. eines Inverkehrbringens vorliege, als widersprüchlich. Eine festgestellte Benutzungsform, z. B. ein festgestelltes Angebot, rechtfertigt die Verurteilung wegen aller weiteren Handlungsalternativen wie dem Inverkehrbringen, Besitzen oder Einführen, auch wenn für sie kein konkreter Nachweis erbracht worden ist, soweit die betreffende Benutzungsformen auch nach der Ausrichtung des Unternehmens als möglich in Betracht kommen (vgl, Kühnen, ebd., Rn. 1195; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.01.2009, Az.: 6 U 54/06).
Die Klägerin hat weiter auch im Hinblick auf die Befestigungsmittel unwidersprochen vorgetragen, dass diese gesondert, beispielsweise auf der Eisenwarenmesse in J vom 06.03. bis zum 08.03.2016 und im Internet (vgl. screenshot, Anlage GMD 9, S. 2), angeboten worden sind.
d)
Die Beklagte verletzt den Klagepatentanspruch 1 dadurch mittelbar, dass sie die Längskörper der angegriffenen Ausführungsform auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Dritten anbietet (§ 10 Abs. 1 PatG).
Gem. § 10 Abs. 1 PatG ist es jedem Dritten verboten, anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwertet zu werden.
Diese Voraussetzungen liegen hier durch das Angebot des Längskörpers vor.
aa)
Der als Anlage GDM 9 vorgelegte screenshot (insbesondere S. 2) rechtfertigt die Annahme, dass auch die Längskörper gesondert angeboten werden. Die Beklagte ist dem auch nicht entgegengetreten.
bb)
Bei dem Längskörper handelt es sich auch um ein wesentliches Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG.
Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler). Dabei ist die Wesentlichkeit des Elements regelmäßig bereits dann gegeben, wenn es Bestandteil des Patentanspruchs ist (BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren).
So ist es vorliegend.
Wie unter lit. aa) dargelegt, wird die Lehre des Klagepatents durch den Längskörper in Kombination mit den weiteren Bestandteilen des Schnellwechseldorns (insbesondere den Befestigungsmitteln) verwirklicht. Wie anhand des Merkmals 1.1 deutlich wird, ist der Längskörper wesentlicher Bestandteil des Wechseldorns. Er nimmt im Zusammenhang mit der patentgemäßen Lehre auch keine nur unbedeutende Rolle ein. Vielmehr werden über die Verschiebbarkeit der Befestigungsmittel über den Längskörper die erfindungswesentlichen Vorteile abgesichert.
cc)
Der Längskörper ist nach dem Handlungswillen der Abnehmer der Beklagten auch dazu bestimmt, den Längskörper im Zusammenhang mit Befestigungsmitteln als Schnellwechseldorn in patentverletzender Art und Weise zu benutzen (vgl. (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Auflage, 2016, Kap. A., Rn. 330). Diese Verwendungsbestimmung ist sowie die objektive Eignung des Längskörpers zur patentverletzenden Verwendung nach den hier vorliegenden Umständen auch offensichtlich.
Auf Seite 2 des als Anlage GMD 9 vorgelegten screenshots, zu dem sich die Beklagte nicht verhalten hat, werden die Längskörper gesondert, in unterschiedlichen Größen und als austauschbare Vorrichtungen („replaceable drill design of pilot drill“) beworben. Im unteren Seitenabschnitt (Seite 2, Anlage GMD 9) wird unter der Überschrift „related products“ zudem ein Längskörper, der mit einem Befestigungsmittel zu einem Schnellwechseldorn zusammengefügt ist, abgebildet.
3.
Die festgestellten Rechtsverletzungen rechtfertigen die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche.
a)
Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche stehen der Klägerin gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zu.
Die Klägerin kann insbesondere auch im Hinblick auf den Längsköper der angegriffenen Ausführungsform, der die Lehre des Klagepatents nur mittelbar verletzt, ein vollständiges Unterlassungsgebot erwirken.
Bei einer mittelbaren Patentverletzung ist zwar ein Schlechthinverbot nicht in jedem Fall auszusprechen. Jedoch ist aus den im Zusammenhang mit der angegriffenen Ausführungsform vorgelegten Unterlagen vorliegend keine technisch und wirtschaftlich sinnvolle patentfreie Nutzungsmöglichkeit des Längskörpers ersichtlich. Insbesondere werden die Längskörper nach dem Werbeauftritt der Beklagten (vgl. screenshot, Anlage GMD 9) allein im Zusammenhang mit den Befestigungsmitteln der angegriffenen Ausführungsform beworben. Die mit einer sekundären Darlegungslast belastete Beklagte (vgl. Kühnen, ebd., Kap. A., Rn. 345) trägt demgegenüber nicht vor, dass der Längskörper auch ohne die Befestigungsmittel, die in Kombination mit dem Längskörper einen klagepatentverletzenden Schnellwechseldorn entstehen lassen, wirtschaftlich sinnvoll patentfrei genutzt werden kann.
Es sind auch keine Tatsachen ersichtlich, aus denen sich ergibt, dass von einem Schlechthinverbot trotz fehlender patentfreier Benutzungsmöglichkeiten ausnahmsweise abzusehen wäre, weil übergeordnete rechtliche Gründe dies erfordern (Kühnen, ebd., Kap. A., Rn. 346).
b)
Der mit dem Antrag Ziff. I. 2. geltend gemachte Auskunftsanspruch steht der Klägerin gem. Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b Abs. 1 PatG zu.
Die Klägerin kann diesen (verschuldensunabhängigen) Anspruch auch für einen Zeitpunkt ab dem Tag der Bekanntmachung der Patenterteilung (19.08.2009) geltend machen (Kühnen, ebd., Kap. D., Rn. 417). Anhaltspunkte, die eine Auskunftserteilung unverhältnismäßig im Sinne von § 140b Abs. 4 PatG erscheinen lassen, hat die insoweit darlegungsbelastete Beklagte nicht vorgetragen, und sind auch nicht erkennbar.
c)
Der mit dem Antrag Ziff. I. 3. geltend gemachte Anspruch auf Rechnungslegung steht der Klägerin gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.
Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Tatsachen, die die Annahme der Unverhältnismäßigkeit einer Auskunftserteilung rechtfertigen, sind weder erkennbar noch vorgetragen.
d)
Der Anspruch auf Rückruf, den die Klägerin auf den Schnellwechseldorn und die Befestigungsmittel beschränkt, steht ihr nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3, der – ebenfalls beschränkte – Vernichtungsanspruch nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 PatG zu.
Die Beklagte macht zwar geltend, dass eine Rückrufverpflichtung nur insoweit bestehen könne, wie sie zumutbar sei, trägt aber, obwohl sie insoweit mit einer sekundären Darlegungslast belastet ist, keine Tatsachen vor, die eine Verurteilung zur Rückrufverpflichtung unverhältnismäßig im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG erscheinen lassen.
e)
Die Beklagte ist der Klägerin gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG dem Grunde nach zu Erstattung des ihr entstandenen und zukünftig noch entstehenden Schadens verpflichtet.
Als Fachunternehmen hätte es der Beklagten oblegen, zu prüfen, ob die angebotenen und gelieferten Produkte bei ihren Abnehmern im Rahmen des durch das Klagepatent beanspruchen Verfahrens angewendet werden. Bei einer entsprechenden Überprüfung wäre dies für sie auch ohne weiteres zu erkennen gewesen. Indem sie eine entsprechende Prüfung unterließ, hat die Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet, § 276 Abs. 2 BGB.
Die Klägerin hat an der begehrten Feststellung auch das erforderliche rechtliche Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Die Entstehung eines Schadens auf Seiten der Klägerin ist hinreichend wahrscheinlich. Eine Bezifferung dieses Schadens ist ihr nicht möglich, weil sie ohne Verschulden über die Informationen, die sie mit den Klageanträgen Ziff. I. 2. und Ziff. I. 3. begehrt, in Unkenntnis ist.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Kosten waren der Klägerin auch nicht gem. § 269 Abs. 3 Satz 2, 1. HS ZPO insoweit aufzuerlegen, wie sie den mit Schriftsatz vom 26.08.2016 modifizierten Unterlassungsantrag ausdrücklich auf Nutzungshandlungen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt hat. Eine Klagerücknahme liegt in diesem Zusammenhang nicht vor. Denn bereits dem Unterlassungsbegehren wie es in der Klageschrift vom 10.02.2016 bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont analog §§ 133, 157 BGB zum Ausdruck kommt, ist eine Beschränkung auf Nutzungshandlungen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen. So heißt es insbesondere auf Seite 4 der Klageschrift: „Die Beklagte verletzt den deutschen Teil des europäischen Patents […] durch den Vertrieb von Werkzeugbefestigungen im Inland.“
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht mit Ausnahme der gesonderten Vollstreckbarkeit wegen der Kosten, insoweit ist die Entscheidung auf § 709 Satz 1, 2 ZPO gestützt, auf § 709 Satz 1 ZPO.
IV.
Der Beklagten muss nicht gestattet werden, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden. Sie hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr durch die Vollstreckung eines stattgebenden Urteils ein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinne von § 712 Abs. 1 ZPO entstehen würde.
V.
Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG bis zum 31.08.2016 auf EUR 500.000,00, und nach Erweiterung der Klage auf Ansprüche hinsichtlich der Befestigungsmittel (unmittelbare Patentverletzung Anspruch 17) und der Längskörper (mittelbare Patentverletzung Anspruch 1) der angegriffenen Ausführungsform (01.09.2016) auf EUR 625.000,00 festgesetzt.