4a O 220/09 – Türlagerwinkel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1432

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. April 2010, Az. 4a O 220/09

Rechtsmittelinstanz: 2 U 68/10

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es zu unterlassen,

schrankartige Haushaltsgeräte mit einem Türlagerwinkel, der einen Trägerarm und einen von dem Trägerarm in einer ersten Richtung abstehenden Lagerzapfen aufweist,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen der Lagerzapfen mit dem Trägerarm über einen auf einen Endabschnitt des Trägerarms aufschiebbaren und an diesem verrastbaren Steckschuh verbunden ist, wobei der Lagerzapfen hohl zum Aufnehmen des Stiftteils eines Fußes ausgelegt ist;

2. der Klägerin in einem geordneten, nach Kalenderjahren aufgeteilten Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.03.2009 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie unter Angabe der Namen und Anschriften der Empfänger unter Vorlage von Belegen in Form von Rechnungen,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, sowie unter Angabe der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung der Schaltungszeiträume sowie der Suchmaschinen, bei denen die Seiten unmittelbar oder über ein Gesamtangebot angemeldet waren,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger sowie der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen und seit dem 01.09.2008 in Verkehr gelangten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE 203 21 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Beklagte die Vernichtung der Erzeugnisse beim jeweiligen Besitzer veranlasst;

4. an die Klägerin 3.110,57 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2009 zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 12.03.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Widerklage wird abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

VI. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das in Ziffer I. 1. ausgesprochene Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu insgesamt 2 Jahren, angedroht, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 203 21 XXX (nachfolgend: Klagegebrauchsmuster; Anlage K2), das am 13.05.2003 angemeldet und am 08.01.2009 eingetragen wurde. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte am 12.02.2009. Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17.08.2009 (Anlage B4) ein Löschungsverfahren eingeleitet, über das noch nicht entschieden ist.

Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen Türlagerwinkel für ein schrankartiges Haushaltsgerät. Der im Löschungsverfahren verteidigte und mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Schutzanspruch 1 – der mit Ausnahme der Ersetzung des Begriffs „Steckschutz“ durch „Steckschuh“ eine Kombination der eingetragenen Ansprüche 1 und 2 darstellt – lautet wie folgt:

Schrankartiges Haushaltsgerät mit einem Türlagerwinkel, der einen Trägerarm (1) und einen von dem Trägerarm (1) in einer ersten Richtung abstehenden Lagerzapfen (3) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Lagerzapfen (3) mit dem Trägerarm (1) über einen auf einen Endabschnitt des Trägerarms (1) aufschiebbaren und an diesem verrastbaren Steckschuh (2) verbunden ist und dass der Lagerzapfen (3) hohl zum Aufnehmen des Stiftteils eines Fußes (4) ausgelegt ist.

Hinsichtlich des Wortlauts der lediglich in Form von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten eingetragenen Unteransprüche 3 bis 5 (in der neuen, im Löschungsverfahren eingereichten Anspruchsfassung mit den Ziffern 2 bis 4 bezeichnet) wird auf den Inhalt der Klagegebrauchsmusterschrift verwiesen.

Die erfindungsgemäße Lehre wird anhand der nachfolgend wiedergegebenen, aus dem Klagegebrauchsmuster stammenden zeichnerischen Darstellungen einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung veranschaulicht. Figur 1 zeigt die perspektivische Ansicht eines erfindungsgemäßen Türlagerwinkels mit Trägerarm (1), Lagerzapfen (3), verstellbarem Fuß (4) und Steckschuh (2). In Figur 4 sind der Steckschuh (2) und der Lagerzapfen (3) in Längsrichtung des Trägerarms aufgeschnitten dargestellt.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Kühlgeräte, insbesondere Kühlschränke (nachfolgend: Angegriffene Ausführungsformen), die mit den nachfolgend wiedergegebenen Türlagerwinkeln ausgestattet sind (vgl. Abbildungen 1 und 2 der Anlage K5):
Nachdem die Klägerin unter dem 17.03.2009 eine Berechtigungsanfrage an die Beklagte gerichtet hatte (Anlage B7), mahnte sie die Beklagte nach weitergehender, nunmehr auch rechtsanwaltlicher Prüfung durch Schreiben vom 10.07.2009 wegen einer Verletzung des europäischen Patents 1 506 XXX (Streitwert: 200.000,00 €) und des Klagegebrauchsmusters (Streitwert: 150.000,00 €) formell ab (Anlage B13). Hierfür entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von insgesamt 7.258,00 €, die sich aus jeweils einer 1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 350.000,00 € (= 3.609,00 €) und einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € zusammensetzen. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Erstattung des auf das Klagegebrauchsmuster entfallenden Anteils von 3/7, d.h. einen Betrag in Höhe von 3.110,57 €.

Die Beklagte ließ den Vorwurf der Gebrauchsmusterverletzung nach rechts- und patentanwaltlicher Prüfung durch Schreiben vom 14.08.2009 (Anlage B14) zurückweisen. Diesbezüglich macht sie mit ihrer Widerklage unter Zugrundelegung jeweils einer 1,8 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 350.000,00 € (= 4.330,80 €) und einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € rechts- und patentanwaltliche Kosten in Höhe von 3.729,26 € (3/7 von 8.701,60 €) geltend.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch machen. Der Steckschuh habe ausweislich des Klagegebrauchsmusters zwei Funktionen. Zum einen diene er als Sichtschutz für den Trägerarm, zum anderen schütze er die Verbindung des Trägerarms mit dem Lagerzapfen. Der Steckschuh müsse hierbei nicht die primäre Stabilisierung des Lagerzapfens am Trägerarm übernehmen. Ausreichend sei vielmehr, dass der Steckschuh zu der Verbindung zwischen dem Trägerarm und dem Lagerzapfen in irgendeiner Weise beitrage. Dies sei bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall, da der Steckschuh das die Gewindebohrung aufnehmende Teil am Lagerzapfen so in der Öffnung im Trägerarm festlege, dass es einerseits beim Transport nicht verloren gehen könne und andererseits ein Wackeln oder Verkanten verhindert werde.

Mit ihrer Klage, die der Beklagten am 28.09.2009 zugestellt wurde, beantragt die Klägerin,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über den gegen das Klagegebrauchsmuster gerichteten Löschungsantrag (Az. DPMA: Gbm 203 21 713, Lö I XXX/XX) auszusetzen.

Widerklagend beantragt die Beklagte mit ihrer am 11.01.2010 zugestellten Widerklage,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 3.729,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Im Übrigen tritt sie dem Aussetzungsantrag der Beklagten entgegen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch machen. Der Lagerzapfen sei mit dem Trägerarm nicht in erfindungsgemäßer Weise über einen Steckschuh verbunden. Denn das verwendete Kunststoff-Steckelement sei kein verbindendes Zwischenstück zwischen dem Lagerzapfen und dem Trägerarm. Vielmehr werde der Lagerzapfen direkt in die Ausnehmung des Trägerarms eingesetzt. Das Kunststoff-Steckelement sorge lediglich dafür, dass der Lagerzapfen in unbelastetem Zustand nicht aus dem Trägerarm herausfalle.

Im Übrigen sei das Klagegebrauchsmuster nicht schutzfähig. Seine vermeintliche technische Lehre sei vom Fachmann nicht ausführbar, da nicht ersichtlich sei, wie der erfindungsgemäße Steckschuh die Aufgabe einer verbesserten Standfestigkeit des Haushaltsgerätes erfüllen solle. Zudem sei das Klagegebrauchsmuster gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen unzulässig erweitert, da der im eingetragenen Anspruch 1 beanspruchte Steckschutz dort an keiner Stelle offenbart sei. Vielmehr sei ausschließlich von einem Steckschuh die Rede. Auch sei in dem ursprünglichen Anspruch 7 in den Anmeldungsunterlagen von einer festen Verbindung zwischen dem Lagerzapfen und dem Steckschuh die Rede gewesen. Dieses zwingende Merkmal sei im abgezweigten Klagegebrauchsmuster entfallen. Außerdem sei der Oberbegriff des eingetragenen Anspruchs 1 unzulässig erweitert. Denn im Gegensatz zu Anspruch 10 der Anmeldeunterlagen beziehe er sich schlicht auf ein „schrankartiges Haushaltsgerät“ und nicht mehr auf ein „Haushaltsgerät mit einem schrankartigen Gehäuse und einer Tür“.

Das Klagegebrauchsmuster sei darüber hinaus wegen fehlender Neuheit und Erfindungshöhe löschungsreif. Der eingetragene Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters werde durch die DE 36 26 XXX (Anlage B5 / Anlage D1 zum Löschungsantrag) vollständig offenbart. Der eingetragene Schutzanspruch 2 sei durch eine Kombination der DE 36 26 XXX mit der JP 09-033XXX (Anlage D2 / D3 zum Löschungsantrag) nahegelegt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Widerklage hingegen ist zwar zulässig, aber unbegründet.

A.
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Schadensersatz sowie Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen gemäß §§ 24 Abs. 1 u. 2, 24a Abs. 2, 24b Abs. 1 u. 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB.

I.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen Türlagerwinkel für die drehbare Aufhängung einer Tür eines schrankartigen Haushaltsgerätes, beispielsweise eines Kühlschrankes oder Gefrierschrankes (Anlage K2 Abs. [0001]).

Die Klagegebrauchsmusterschrift beschreibt einleitend die aus dem Stand der Technik bekannten Türlagerwinkel, die neben einem Trägerarm einen von diesem im Wesentlichen vertikal abstehenden Lagerzapfen aufweisen, der in eine Bohrung der Gehäusetür eingesteckt werden kann. Solchermaßen wird eine vertikale Schwenkachse für die Tür definiert (Anlage K2 Abs. [0002]).

Als nachteilig an den vorbekannten Türlagerwinkeln beschreibt es die Klagegebrauchsmusterschrift, dass die Standfestigkeit des Haushaltsgerätes nicht in ausreichendem Maße gewährleistet werden kann. Da die Tür eines Kühlgerätes, die beispielsweise an der Innenseite mit Getränkeflaschen oder ähnlichem bestückt ist, ein erhebliches Gewicht aufweisen kann, während die Gehäuse entsprechender Geräte mit zunehmendem technischen Fortschritt immer leichter geworden sind, können die Geräte im Extremfall beim Öffnen der Tür dazu neigen, nach vorne zu kippen. (Anlage K2 Abs. [0003])

Vor diesem Hintergrund benennt die Klagegebrauchsmusterschrift die Aufgabe, einen Türlagerwinkel für ein schrankartiges Haushaltsgerät zu schaffen, der dem Haushaltsgerät eine verbesserte Standfestigkeit verleiht (Anlage K2 Abs. [0004]).

Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in seiner im Löschungsverfahren verteidigten Fassung schützt eine besondere Ausgestaltung des Türlagerwinkels, wie er durch die nachfolgende Merkmalsgliederung beschrieben wird:

1. Schrankartiges Haushaltsgerät mit einem Türlagerwinkel.

2. Der Türlagerwinkel weist auf
2.1 einen Trägerarm (1) und
2.2 einen Lagerzapfen (3).

3. Der Lagerzapfen (3)
3.1 steht in einer ersten Richtung von dem Trägerarm (1) ab und
3.2 ist hohl zum Aufnehmen des Stiftteils eines Fußes (4) ausgelegt.

4. Der Lagerzapfen (3) ist mit dem Trägerarm (1) über einen Steckschuh verbunden, der
a. auf einen Endabschnitt des Trägerarms aufschiebbar und
b. an diesem verrastbar ist.

II.
Ein Anspruch auf Löschung des Klagegebrauchsmusters nach § 15 GebrMG besteht nicht. Denn der im Löschungsverfahren verteidigte neue Schutzantrag 1 ist schutzfähig (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 1-3 GebrMG) und geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG).

1.
Die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – ohne weiteres ausführbar. Der Fachmann erkennt, dass die dem eingetragenen Schutzanspruch 1 zugrunde liegende Aufgabe darin besteht, den Lagerzapfen mit dem Trägerarm zu verbinden und zugleich eine Verkleidung des Endabschnitts des Trägerarms zur Verfügung zu stellen (vgl. Anlage K2 Abs. [0011]). Dies wird durch den Steckschuh verwirklicht, der auf einen Endabschnitt des Trägerarms aufschiebbar und an diesem verrastbar ist. Der Fachmann ist durch diese Beschreibung ohne weiteres in der Lage, einen entsprechenden Steckschuh nachzuarbeiten. Gleiches gilt für den Lagerzapfen, der hohl ausgebildet ist, um den Stiftteil eines Fußes aufnehmen zu können. Hierdurch kann auf einen entsprechenden Hohlraum im Gehäuse des Kältegerätes selbst verzichtet werden (vgl. Anlage K2 Abs. [0007]).

2.
Das Klagegebrauchsmuster ist gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht unzulässig erweitert.

a)
Die Klägerin hat im Löschungsverfahren den Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in der Weise verteidigt, dass es statt „Steckschutz“ „Steckschuh“ heißen soll. Der Begriff des Steckschuhs ist in den Anmeldungsunterlagen hinreichend offenbart (vgl. Anlage K2 Abs. [0011], [0021], [0029]).

b)
Die Merkmalsgruppe 4 der vorstehend wiedergegebenen Merkmalsgliederung ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – vollständig in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart. Zwar verlangt Unteranspruch 7 der Anmeldung eine feste, insbesondere einteilige, Verbindung des Lagerzapfens mit dem Steckschuh, der Offenbarungsgehalt der Anmeldungsunterlagen beschränkt sich aber nicht auf die dort formulierten Ansprüche. Vielmehr ist auch die Beschreibung heranzuziehen, in der es lediglich heißt, dass der Lagerzapfen mit dem Trägerarm über einen auf einen Endabschnitt des Trägerarms aufschiebbaren und an diesem verrastbaren Steckschuh verbunden ist. Der im Löschungsverfahren verteidigte Anspruch 1 greift exakt diesen Wortlaut auf.

c)
Eine unzulässige Erweiterung liegt auch nicht in der Verwendung des Begriffes „schrankartiges Haushaltsgerät“. Zwar betrifft der in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen enthaltene Schutzanspruch 10 ein „Haushaltsgerät … mit einem schrankartigen Gehäuse und einer Tür“, bereits in der Überschrift der Anmeldungsunterlagen heißt es aber „Türlagerwinkel für ein schrankartiges Haushaltsgerät“. Damit ist ein Türlagerwinkel für ein schrankartiges Haushaltsgerät, wie im Schutzanspruch 1 beansprucht, in den Anmeldungsunterlagen hinreichend offenbart.

3.
Die technische Lehre des im Löschungsverfahren verteidigten Schutzanspruchs 1 ist im Stand der Technik nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.

Insbesondere offenbart die DE 36 26 XXX (Anlage B5 / Anlage D1 im Löschungsverfahren) nicht sämtliche Merkmale des Schutzanspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters in seiner im Löschungsverfahren verteidigten Fassung. Die DE 36 26 XXX beschreibt eine Angelzapfenanordnung zur gelenkigen Verbindung einer Tür mit einem Korpusrahmen, die geeignet ist, die Tür mit elektrischer Energie zu beaufschlagen, um ein Beschlagen der Glasscheiben zu verhindern. Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 zeigt die Frontansicht einer Kühlvitrine mit einer erfindungsgemäßen Angelzapfenvorrichtung:

Es ist zu erkennen, dass die Tür an der oberen und unteren Ecke einer vertikalen Seitenkante gelenkig gelagert ist. Die im oberen Bereich der Tür eingreifende Angelzapfenanordnung wird in Figur 5 der Patentschrift genauer dargestellt. Figur 14 zeigt eine erfindungsgemäße Steckverbindung im Detail. Beide Figuren werden nachfolgend zur Veranschaulichung wiedergegeben:

Die Angelzapfenanordnung gemäß der DE 36 26 XXX weist keinen Trägerarm im Sinne des Merkmals 2.1 auf. Insbesondere übernehmen – entgegen der Auffassung der Beklagten – weder der Steckverbinder (90) noch die Aufnahmeteile (80, 180) die den Trägerarm kennzeichnende tragende Funktion im Hinblick auf die Gerätetür. Dies ergibt sich schon daraus, dass der über die Steckeranordnung (30) an dem Steckverbinder (90) und dem Aufnahmeteil (80) gehaltene Angelzapfen (36) von oben in ein Lagerauge der Gerätetür eingreift. Die vertikalen Belastungen, d.h. insbesondere das Gewicht der Tür, hat hingegen allein das untere Gelenk aufzunehmen (vgl. Anlage B5, Sp. 9 Z. 58-67).

Im Übrigen wird die Steckeranordnung (30) auch nicht im Sinne des Merkmals 4.1 auf einen Endabschnitt des Steckverbinders (90) oder des Aufnahmeteils (80, 180) – soweit man diese als Trägerarme ansehen wollte – aufgeschoben. Vielmehr greift die Steckeranordnung (30) in den rahmenseitigen Steckverbinder (90) und das korpusseitige Aufnahmeteil (80) ein (vgl. Anlage B5, Sp. 12 Z. 33-36). Eine Verkleidungsfunktion kann die Steckeranordnung (30) damit im Hinblick auf den Trägerarm nicht übernehmen.

Schließlich ist ein erfindungsgemäßer Lagerzapfen, der entsprechend Merkmal 3.2 zum Aufnehmen des Stiftteils eines Fußes hohl ist, in der DE 36 26 XXX in keiner Weise offenbart. Dies trägt auch die Beklagte nicht vor. Soweit sie diesbezüglich auf die JP 09-033XXX (Anlage D1 / D2 zum Löschungsantrag) verweist, zeigt diese zwar einen Lagerzapfen, der hohl ist und solchermaßen das Stiftteil eines Fußes aufnehmen kann, unstreitig ist aber ein der Merkmalsgruppe 4 entsprechender Steckschuh dort nicht offenbart.

d)
Die technische Lehre des Schutzanspruchs 1 in seiner im Löschungsverfahren verteidigten Fassung stellt sich auch als erfinderisch dar. Insbesondere ist sie nicht durch eine Kombination der DE 36 26 XXX mit der JP 09-033XXX nahegelegt.

Allein die JP 09-033XXX befasst sich mit dem Problem der Standsicherheit des Gerätes. Der DE 36 26 XXX liegt hingegen – wie vorstehend ausgeführt – eine grundsätzlich andere Aufgabenstellung zugrunde. Es ist daher schon nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, diese beiden Schriften zu kombinieren. Dies würde ihn im Übrigen auch vor nicht unerhebliche technische Schwierigkeiten stellen.

Ausgehend von der DE 36 26 XXX müsste der Fachmann die dort dargestellte Angelzapfenvorrichtung um 180° drehen, so dass der Angelzapfen von unten in ein Lagerauge der Gerätetür eingreifen kann. Wenn nun der in der JP 09-033XXX dargestellte Fuß so angebracht werden soll, dass dessen Stiftteil in erfindungsgemäßer Weise in dem Hohlraum des Angelzapfens angeordnet ist, findet sich der Fachmann dem Problem ausgesetzt, dass sich unter dem Angelzapfen das Verstärkungselement (30), die Steckeranordnung (34) und das Aufnahmeteil (80) befinden, die den Zugriff auf den unteren Teil des Angelzapfens versperren. Um also den Stiftteil des Fußes im Hohlraum des Angelzapfens unterbringen zu können, müsste der Fachmann den gesamten Aufbau der Angelzapfenvorrichtung verändern und insbesondere die Steckeranordnung umkonstruieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es fernliegend, die DE 36 26 XXX mit der JP 09-033XXX zu kombinieren.

Dies gilt in gleicher Weise, wenn man von der JP 09-033XXX ausgeht. Es ist kein Anlass für den Fachmann ersichtlich, anstelle der dort vorgesehenen Schweißverbindung zwischen Lagerzapfen (12) und Befestigungsplatte (7) eine Verbindung mittels Steckschuh zu wählen. Soweit die DE 36 26 XXX eine Steckverbindung zwischen dem Steckverbinder (90) und der Steckeranordnung (30) zeigt, dient diese ersichtlich zur Weiterleitung elektrischer Energie. Der Fachmann erkennt vor diesem Hintergrund nicht ohne weiteres, dass eine Steckverbindung auch im Rahmen eines mechanischen Kraftflusses von Vorteil sein könnte. Zudem besteht für ihn kein unmittelbarer Anlass, statt einer in den Trägerarm einsteckbaren eine auf diesen aufschiebbare Steckverbindung vorzusehen.

III.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Schutzanspruchs 1 in seiner im Löschungsverfahren verteidigten Fassung wortsinngemäß Gebrauch.

Die in Anlage K5 abgebildeten Türlagerwinkel werden unstreitig in schrankartigen Haushaltsgeräten gemäß Merkmal 1 eingesetzt und weisen einen Trägerarm und einen Lagerzapfen im Sinne der Merkmalsgruppe 2 auf. Dabei ist der Lagerzapfen entsprechend der Merkmalsgruppe 3 so ausgebildet, dass er in einer ersten Richtung vom Trägerarm absteht und zum Aufnehmen des Stiftteils eines Fußes hohl ist.

Streitig ist zwischen den Parteien allein die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 4. Hiernach ist der Lagerzapfen mit dem Trägerarm über einen Steckschuh verbunden, wobei der Steckschuh auf einen Endabschnitt des Trägerarms aufschiebbar und an diesem verrastbar ist. Nach dem Wortlaut vermittelt der Steckschuh zwar die Verbindung zwischen dem Trägerarm und dem Lagerzapfen, es bleibt aber offen, welcher Art diese Verbindung sein soll. Insbesondere bedeutet die Formulierung „über einen Steckschuh“ – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht, dass der Steckschuh ein verbindendes Zwischenstück zwischen dem Trägerarm und dem Lagerzapfen darstellen muss. Vielmehr wird durch die Merkmale 4.1 und 4.2 lediglich klargestellt, dass die Verbindung zum Trägerarm durch Aufschieben und Verrasten des Steckschuhs bewirkt wird. Inwiefern hingegen eine Verbindung zum Lagerzapfen herbeigeführt wird, bleibt offen. Der Wortlaut des Schutzanspruchs 1 erfasst sowohl unmittelbare als auch mittelbare Verbindungen zwischen Lagerzapfen und Trägerarm über den Steckschuh. Eine Beschränkung des Schutzumfangs ergibt sich auch nicht aus der Gebrauchsmusterbeschreibung. Hiernach dient der Steckschuh zum einen der Verbindung von Trägerarm und Lagerzapfen, zum anderen der Verkleidung des Endabschnitts des Trägerarms (Anlage K2 Abs. [0011]). In funktionaler Hinsicht trägt der Steckschuh, insbesondere durch die Verrastung am Trägerarm, dazu bei, die Verbindung zwischen dem Trägerarm und dem Lagerzapfen sicher festzulegen. Soweit in den Ausführungsbeispielen (vgl. insbesondere Figur 4 der Klagegebrauchsmusterschrift) eine Verbindung zwischen Trägerarm und Lagerzapfen gezeigt wird, bei der der Steckschuh das verbindende Zwischenstück darstellt, vermag dies den Sinngehalt des Schutzanspruchs 1 nicht einzuschränken. Denn eine Auslegung unterhalb des Wortlauts der Schutzansprüche ist generell nicht zulässig (BGH, GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport). Dies gilt vorliegend umso mehr, weil der Beschreibung eine Schutzbegrenzung auf die in den Figuren dargestellten Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist.

Die angegriffenen Ausführungsformen weisen nach den vorstehenden Ausführungen einen erfindungsgemäßen Steckschuh im Sinne der Merkmalsgruppe 4 auf. Denn erst durch das Aufschieben und Verrasten des Kunststoff-Steckelementes wird der Lagerzapfen in der Ausnehmung des Trägerarms so festgelegt, dass er zum einen nicht mehr herausfallen kann und zum anderen auch bei einem Verschieben oder Anheben des Kühlgerätes ein Wackeln oder Verkanten des Lagerzapfens in der Ausnehmung des Trägerarms verhindert wird. Dass der Steckschuh bei den angegriffenen Ausführungsformen zudem auch einen gewissen Verkleidungsbeitrag leistet, ist anhand der vorgelegten Abbildungen (Anlage K5) offenkundig.

Da der die Gewindebohrung aufnehmende Bereich einstückig mit dem Lagerzapfen ausgebildet ist, wird mit dem Aufstecken des Steckschuhs der Lagerzapfen über den Steckschuh mit dem Trägerarm verbunden. Für diese Art der Verbindung stellt der die Gewindebohrung aufnehmende Bereich bei der gebotenen technisch-funktionalen Betrachtung einen verlängerten Teil des Lagerzapfens dar. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man aber auch dann nicht, wenn man den die Gewindebohrung aufnehmenden Bereich funktional als Teil des Trägerarms ansieht, da das Klagegebrauchsmuster eine mittelbare Verbindung über den Steckschuh – wie vorstehend ausgeführt – nicht ausschließt.

IV.
Da die angegriffenen Ausführungsformen alle Merkmale des geltend gemachten Schutzanspruchs 1 in seiner im Löschungsverfahren verteidigten Fassung verwirklichen, stehen der Klägerin die nachstehenden Ansprüche zu.

1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG einen Anspruch auf Unterlassung des weiteren Vertriebs der angegriffenen Ausführungsformen. Denn die Beklagten machen mit den angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre des Schutzanspruchs 1 in unberechtigter Weise Gebrauch.

2.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 24 Abs. 1 und 2 GebrMG dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Beklagte handelte schuldhaft, da sie als Fachunternehmen die Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, § 276 BGB.

Im Hinblick auf die vorprozessualen Rechts- und Patentanwaltskosten lässt sich der infolge der Schutzrechtsverletzung entstandene Schaden bereits beziffern. Gegen die Abrechnung jeweils einer 1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gesamtstreitwert von 350.000,00 € sowie jeweils einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € für die patent- und rechtsanwaltliche Tätigkeit bestehen insofern keine Bedenken. Da mit der Abmahnung der Klägerin vom 10.07.2009 (Anlage B13) neben einer Verletzung des Klagegebrauchsmusters (Streitwert: 150.000,00 €) auch eine Verletzung des EP 1 506 XXX (Streitwert: 200.000,00 €) geltend gemacht wurde, sind der Klägerin in diesem Verfahren – wie beantragt – nur 3/7 der Gesamtkosten in Höhe von 7.258,00 €, d.h. ein Betrag von 3.110,57 € zu erstatten. Der entsprechende Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Im Übrigen ist die Klägerin derzeit nicht in der Lage, die Höhe des ihr entstandenen Schadens zu beziffern. Da ihr ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung ihrer Ansprüche droht, ist das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrages erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen.

3.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 24b Abs. 1 u. 3 GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Erst durch die Auskunft und Rechnungslegung wird die Klägerin in die Lage versetzt, die ihr zustehenden Schadensersatzansprüche beziffern zu können. Für die Beklagte ist die Auskunftserteilung nicht unzumutbar.

4.
Schließlich hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der streitgegenständlichen Haushaltsgeräte und Entfernung derselben aus den Vertriebswegen gemäß § 24a Abs. 2 GebrMG. Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 24a Abs. 3 GebrMG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

B.
Die zulässige Widerklage ist unbegründet, da die Abmahnung der Klägerin vom 10.07.2009 (Anlage B13) berechtigt war, so dass es an den Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 BGB fehlt.

C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 150.000,00 Euro festgesetzt.