2 U 68/03 – Express-Stent

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 462

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. Februar 2005, Az. 2 U 68/03

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Juni 2003 verkündete Urteil der 4 b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Der Klägerin werden auch die Kosten des Berufungsrechtszuges auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Hinterlegung oder Sicherheitsleistung eines Betrages in Höhe von € 50.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten gegen Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von € 5.500,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 1.000.000,00 festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in englischer Verfahrenssprache abgefassten und mit Wirkung u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 846 450 (Anlage L 22; Übersetzung Anlage L 22.1; nachfolgend: Klagepatent), das auf einer am 10. Juni 1998 veröffentlichen Anmeldung vom 26. Juli 1995 beruht und dessen Erteilung am 12. Dezember 2001 bekanntgemacht worden ist. Das Klagepatent steht in Kraft.

Die Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet in der erteilten Fassung wie folgt:

A stent , comprising :
a) at least odd and even alternating serpentine sections (11 o, 11 e), each ha-
ving first areas of inflection, wherein said odd serpentine section (11 o) is out
of phase from said even serpentine section (11 e) such that the first areas of
inflection on said odd serpentine section (11 o) are adjacent the first areas of
inflection on said even serpentine section (11 e), and

b) at least one flexible connector , comprising a plurality of flexible links con-
necting adjacent first areas of inflection of each adjacent even and odd serpentine
section (11 o, 11 e), wherein each flexible link has at least two portons connected
by at least one second area of inflection, and wherein the first and second areas
of inflection define first and second angles whose bisecting lines are at angles one to another.

In der Klagepatentschrift ist dieser Anspruch wie folgt ins Deutsche übersetzt worden:

Ein Stent, der aufweist:

a) mindestens ungerade und gerade sich abwechselnde Serpentinenabschnitte
(11 o, 11 e), von denen jeder erste Biegungsbereiche aufweist, wobei der un-
gerade Serpentinenabschnitt (11 o) außer Phase mit dem geraden Serpenti-
nenabschnitt (11 e) ist, derart, dass die ersten Biegungsbereiche an dem un-
geraden Serpentinenabschnitt (11 o) benachbart zu den ersten Biegungsbe-
reichen an dem ungeraden Serpentinenabschnitt (11 e) sind; und

b) mindestens einen flexiblen Verbinder, welcher eine Vielzahl von flexiblen Ver-
bindungsgliedern aufweist, welche benachbarte erste Biegungsbereiche je-
des benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitts (11 o, 11
e) verbinden, wobei jedes flexible Verbindungsglied mindestens zwei Ab-
schnitte aufweist, welche durch mindestens einen zweiten Biegungsbereich
verbunden sind, und wobei die ersten und zweiten Biegungsbereiche erste
und zweite Winkel definieren, deren Winkelhalbierende einen Winkel zuein-
ander bilden.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 bis 5 B der Klagepatentschrift verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand eines ersten bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Gegen die Erteilung des Klagepatents haben die Beklagte zu 1) und die B GmbH Einspruch eingelegt. Nach der im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Entscheidung des Landgerichts vom 24. Juni 2003 hat die Einspruchsabteilung des EPA nach einer mündlichen Anhörung vom 11. März 2004 die als Anlage B 15 vorliegende Entscheidung vom 21. Mai 2004 getroffen, deren Gründe auch in einer Übersetzung gemäß Anlage L 49 vorliegen. Nach dieser Entscheidung ist der Patentanspruch 1 nur in einer Fassung entsprechend einem von der Patentinhaberin hilfsweise geltend gemachten und in der mündlichen Anhörung vom 11. März 2004 eingereichten Anspruch 1 aufrechterhalten worden. Dagegen ist der erteilte Patentanspruch 1 als durch EP-A- 540290 (Anlage L 44) neuheitsschädlich vorweggenommen angesehen worden. (vgl. Anlage B 15, Seite 7 unten/ Anlage L 49 Blatt 10).

Der nach dieser Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA aufrechterhaltene Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

A stent , comprising :

a) at least odd and even alternating serpentine sections (11 o, 11 e) in the cir-
cumferential direction , each having first areas of inflection, wherein said odd
serpentine section (11 o) is out of phase from said even serpentine section
(11 e) such that the first areas of inflection on said odd serpentine section (11
o) are adjacent the first areas of inflection on said even serpentine section (11
e), and

b) at least one flexible connector , comprising a plurality of flexible links con-
necting adjacent first areas of inflection of each adjacent even and odd ser-
pentine section (11 o, 11 e), wherein each flexible link has at least two porti-
ons connected by at least one second area of inflection, and wherein the first
and second angles whose bisecting lines are at angles one to another.

Dieser aufrechterhaltene Patentanspruch 1 des Klagepatents läßt sich wie folgt ins Deutsche übersetzen:

Ein Stent, der aufweist:

a) mindestens ungerade und gerade sich abwechselnde Serpentinenabschnitte
(11 o, 11 e) in Umfangsrichtung, von denen jeder erste Biegungsbereiche
aufweist, wobei der ungerade Serpentinenabschnitt (11 o) außer Phase mit
dem geraden Serpentinenabschnitt (11 e) ist, derart, dass die ersten Bie-
gungsbereiche an dem ungeraden Serpentinenabschnitt (11 o) benachbart zu
den ersten Biegungsbereichen an dem geraden Serpentinenabschnitt (11 e)
sind; und

b) mindestens einen flexiblen Verbinder, welcher eine Vielzahl von flexiblen Ver-
bindungsgliedern aufweist, welche benachbarte erste Biegungsbereiche je-
des benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitts (11 o , 11
e) verbinden, wobei jedes flexible Verbindungsglied mindestens zwei Ab-
schnitte aufweist, welche durch mindestens einen zweiten Biegungsbereich
verbunden sind, und wobei die ersten und zweiten Biegungsbereiche erste
und zweite Winkel definieren, deren Winkelhalbierende einen Winkel zuein-
ander bilden.

Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA haben sowohl die Patentinhaberin (Anlage L 52) als auch die Einsprechenden Beschwerde eingelegt, über die die Technische Beschwerdekammer des EPA bisher noch nicht entschieden hat.

Die Technische Beschwerdekammer des EPA hat jedoch inzwischen ein zum Klagepatent „paralleles“ europäisches Patent, nämlich das europäische Patent 0 762 856, welches wie das Klagepatent aus der internationalen Patentanmeldung PCT/US 95/08975 hervorgegangen ist, (vollumfänglich) widerrufen, und zwar wegen unzulässiger Erweiterung (Artikel 123 EPÜ) und wegen mangelnder Klarheit (Artikel 84 EPÜ) .

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „Express-Stent“ Stents mit der sog. Tandem-Architektur, deren äußeres Erscheinungsbild die Klägerin u. a. mit der nachfolgend nur in Schwarz-Weiß wiedergegebenen kolorierten Darstellung wie folgt gekennzeichnet hat (vgl. Anlage L 27.1).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der zuvor dargestellte und mit der Klage angegriffene Stent der Beklagten wortsinngemäß, zumindest jedoch mit äquivalenten Mitteln von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 des Klagepatents, und zwar sowohl in der erteilten Fassung als auch in der durch Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA aufrechterhaltenen Fassung, Gebrauch mache.

Mit Versäumnisurteil des Landgerichts vom 11. Juli 2002 sind die Beklagten u.a. wegen Verletzung des Patentanspruches 1 Klagepatents in der erteilten Fassung (vgl. Ausspruch zu C ) antragsgemäß zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt worden und ist antragsgemäß ihre Verpflichtung zum Schadenersatz festgestellt worden. Außerdem ist antragsgemäß die Verpflichtung der Beklagten zu 1) zur Zahlung von Entschädigung festgestellt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Versäumnisurteils (Bl. 52 – 63 GA) verwiesen. Am 15. Juli 2002 haben die Beklagten gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 11. Juli 2002 aufrechtzuer-
halten.

Die Beklagten, die u.a. geltend gemacht haben, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch mache, haben beantragt,

das Versäumnisurteil vom 11. Juli 2002 aufzuheben und
die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Ent-
scheidung des Rechtsstreits vor dem United States Dis-
trict Court for the Southern District of New York, Civil Ac-
tion No. 01 Civ. 2881 (AHK), auszusetzen;

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Ent-
scheidung über die Einsprüche gegen das Klagepatent
auszusetzen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil das Versäumnisurteil im Umfang des Ausspruches zu C und der hierauf bezogenen Kostenentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Merkmal D der klägerischen Merkmalsanalyse nach Anlage L 25, welches besage, dass die flexiblen Verbindungsglieder benachbarte erste Biegungsbereiche jedes benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitts verbinden, sei weder wortsinngemäß noch äquivalent verwirklicht. Dieses Merkmal gewährleiste, dass in Längsrichtung überhaupt ein röhrenförmiger Stent gebildet werde. Hierin erschöpfe sich das Merkmal jedoch nicht. Es sehe vielmehr eine ganz bestimmte Geometrie der Verbindung vor, nämlich die Verbindung über die ersten Biegungsbereiche. Dabei sollten zudem nicht irgendwelche beliebigen Biegungsbereiche entlang der benachbarten Serpentinenabschnitte, sondern benachbarte erste Biegungsbereiche verbunden werden. Was unter benachbarten ersten Biegungsbereichen der ungeraden und geraden Serpentinenabschnitte zu verstehen sei, entnehme der Fachmann unmittelbar Merkmal B der klägerischen Merkmalsanalyse nach Anlage L 25. Danach kennzeichne das Benachbartsein den Umstand, dass die ungeraden Serpentinenabschnitte außer Phase mit den geraden Serpentinenabschnitten stünden. Außer Phase stünden benachbarte Serpentinenabschnitte, wenn deren jeweilige Biegungsbereiche bzw. nach der Diktion der Patentbeschreibung deren Schlaufen sich – in einer gedachten Längsachse des Stents betrachtet – nicht in die gleiche, sondern in die entgegengesetzte Richtung öffneten. Benachbarte erste Biegungsbereiche seien bei der gebotenen technischen Betrachtung damit solche Biegungsbereiche, die sich – in der Längsachse des Stents gesehen – unmittelbar gegenüber lägen und sich in entgegengesetzter Richtung öffneten. Biegungsbereiche, die sich nicht gegenüber lägen, die vielmehr zueinander versetzt seien, seien von vornherein ungeeignet, die Phasenverschiebung der geraden und ungeraden Serpentinenabschnitte zu kennzeichnen, und könnten daher nicht als benachbart angesehen werden. Bei der angegriffenen Ausführungsform seien jedoch nicht jeweils gegenüberliegende Biegungsbereiche der Serpentinen verbunden. Bei ihr könne allenfalls davon gesprochen werden, dass versetzt zueinander liegende Biegungsbereiche, also solche Biegungsbereiche bzw. Schlaufen, die gerade nicht benachbart seien und die Phasenverschiebung kennzeichneten, in Verbindung stünden. Eine derartige geometrische Anordnung werde vom Klagepatent jedoch nicht gelehrt. Es sei auch nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, von der beanspruchten Verbindungsgeometrie abzuweichen. Die Sichtweise der Klägerin hätte zur Konsequenz, dass unter das Klagepatent jede beliebige Verbindung zwischen ersten Biegungsbereichen benachbarter Serpentinenabschnitte fallen würde, ohne dass für den Fachmann erkennbar wäre, welche Verbindungsanordnung überhaupt noch die Aufgabenstellung des Klagepatents erfüllen könne.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.

Die Klägerin, die ihrem Begehren nunmehr die von den Einspruchsabteilung des EPA aufrechterhaltene Fassung des Patentanspruches 1 des Klagepatents zugrundelegt, macht mit ihrer Berufung schriftsätzlich geltend, das Landgericht habe die technische Lehre des Klagepatents verkannt und sei daher zu dem unzutreffenden Ergebnis gekommen, dass die angegriffene Ausführungsform diese technische Lehre nicht verwirkliche. Dem Klagepatent lasse sich nicht entnehmen, dass jeweils nur ein ganz bestimmter selektierter erster Biegungsbereich im Verhältnis zu dem jeweils direkt gegenüberliegenden ersten Biegungsbereich als „benachbart“ gelten solle. Dies habe das Landgericht – in Außerachtlassung des fachmännischen Verständnisses – verkannt. Vielmehr beziehe sich das „Benachbartsein“ auf die ersten Biegungsbereiche in ihrer Gesamtheit, wie sie dies in ihren Anlagen L 45.1, 45. 2 und 45.3 verdeutlicht habe. Vor diesem Hintergrund gehe es dem Klagepatent mit dem Merkmal D darum, nicht jeweils Wellental mit Wellental bzw. Wellenberg mit Wellenberg zu verbinden, sondern stattdessen Wellenberge eines Serpentinenabschnitts mit Wellentälern des benachbarten Serpentinenabschnitts zu verbinden. Damit verlasse die Erfindung das vom Stand der Technik vorgegebene Design und eröffne sich für den Stent neue Gestaltungsmöglichkeiten, die für den Stent vorteilhaft seien. Gleichzeitig gewährleiste das Merkmal D auf diese Weise, dass die Schrumpfung des Stents in Längsrichtung bei der Expansion kompensiert werde. Die flexiblen Verbindungsglieder mit ihren zweiten Biegungsbereichen weiteten sich nämlich auf, wenn die Serpentinenabschnitte durch ihre Streckung in Umfangsrichtung gleichzeitig longitudinal verkürzt würden. Diese Verkürzung werde von der Ausdehnung der flexiblen Verbindungsglieder aufgefangen. Bei der sich so dem Fachmann darstellenden Lehre mache die angegriffene Ausführungsform von ihr Gebrauch. Hilfsweise berufe sie sich auf Äquivalenz. Auf ein Benutzungsrecht könnten die Beklagten sich nicht mit Erfolg berufen.

Die Klägerin beantragt,

auf ihre Berufung das Urteil der 4b. Zivilkammer des Land-
gerichts Düsseldorf vom 24. Juni 2003 abzuändern und das
Versäumnisurteil der Kammer vom 11. Juli 2002 mit der
Maßgabe wiederherzustellen,

dass auf Seite 7 unter C.I.a) in der zweiten Zeile nach dem
Begriff „Serpentinenabschnitte“ die Worte „in der Umfangs-
richtung“ eingefügt würden,

und

die beiden hilfsweise gestellten Aussetzungsanträge der
Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entschei-
dung des Rechtsstreits vor dem United States District Court
Southern District of New York. Civil Action No. 01 Civ. 2881
(AHK) auszusetzen,
weiter hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen
Entscheidung über die Einspruchsbeschwerde zum Klage-
patent auszusetzen.

Die Beklagten verteidigen gegenüber der Berufungsbegründung der Klägerin das landgerichtliche Urteil als zutreffend und machen geltend, dass auch keine äquivalente Verwirklichung des Merkmals D gegeben sei. Es fehle bereits an einer Gleichwirkung. Bei der angegriffenen Ausführungsform erfolge die Öffnung wie bei dem Stand der Technik gemäß Anlage L 44. Die Klägerin selbst trage aber vor, dass sich der Öffnungsmechanismus nach dem Stand der Technik gemäß Anlage L 44 von dem des Klagepatents unterscheide. Die Differenzierung, die die Klägerin zwischen der angegriffenen Ausführungsform und dem Stand der Technik gemäß Anlage L 44 insoweit vornehme, sei unzutreffend. Im übrigen habe die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform als gleichwirkend und gleichwertig für den Fachmann bei einer Orientierung an der Erfindung auch nicht nahegelegen. Auch das Merkmal D.2 der klägerischen Merkmalsanalyse (Anlage L 50.1 bzw. L 25) sei, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, nicht verwirklicht. Im übrigen seien sie, wie ebenfalls bereits erstinstanzlich dargetan, zur Benutzung des Klagepatents berechtigt. Schließlich sei das Klagepatent auch nicht rechtsbeständig. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA werde keinen Bestand haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und des Senats verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist sachlich nicht gerechtfertigt. Der mit der Klage angegriffene Stent der Beklagten macht schon deshalb von der Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents in der durch Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA aufrechterhaltenen Fassung keinen Gebrauch, weil er das Merkmal D der klägerischen Merkmalsanalyse nach Anlage L 50.1 nicht verwirklicht, so dass es dahingestellt bleiben kann, ob bei ihm auch das Merkmal D. 2 der vorgenannten Merkmalsanalyse nicht verwirklicht ist.

1.
Die technische Lehre des Klagepatents (Anlage L 22) in der Fassung, die dieses durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA gemäß Anlage B 15 (Übersetzung Anlage L 49) erhalten hat, bezieht sich auf Stents zum Implantieren in einen lebenden Körper (Sp. 1, Z. 5,6).

Die Klagepatentschrift spricht einleitend davon, dass im Stand der Technik vielfältige Stents bekannt seien. Nach der vorliegenden Erfindung kennzeichne dabei der Begriff „Stent“ eine Vorrichtung, welche aus einem körper-kompatiblen Material bestehe, welches zum Aufweiten eines Blutgefäßes oder einer anderen Öffnung im Körper und zum Aufrechterhalten der resultierenden Größe des Lumens (Hohlraums) verwendet werde. Typischerweise werde der Stent an den gewünschten Ort im Körper mittels eines aufblasbaren Ballons zugeführt, und, wenn der Ballon aufgeblasen werde, dehne sich der Stent aus, wodurch sich die Öffnung erweitere. Andere mechanische Vorrichtungen, welche eine Ausdehnung des Stents bewirkten, würden ebenfalls angewendet (Sp. 1, Z. 10 – 19).

Die Klagepatentschrift verweist in diesem Zusammenhang auf US-Patente, die Stents zum Gegenstand haben, die aus Draht gebildet sind (vgl. Sp. 1, Z.20 – 24). Sie verweist überdies auf weitere Druckschriften, die Stents zum Gegenstand haben, die aus geschnittenem handelsüblichem Metall gebildet sind, wobei sie insoweit u.a. auch die US-Patentschriften 5 102 417 und 5 195 984 nennt (vgl. Sp. 1, Z. 24 – 28), auf die sie in der Folge näher eingeht (vgl. Sp. 1, Z. 29– 46).

Die aus der US-PS 5 102 417 (Anlage L 23) bekannten Stents beschreibt sie dahin, dass sie ausdehnbare röhrenförmige Implantate darstellten, welche mittels eines flexiblen Verbinders verbunden seien. Die Implantate seien aus einer Vielzahl von Schlitzen gebildet, welche parallel zur Längsachse der Röhre angeordnet seien. Die flexiblen Verbinder seien schraubenförmige Verbinder (Sp. 1, Z. 29 – 34).
Der durch die Klagepatentschrift angesprochene Fachmann, der in diese Druckschrift schaut, sieht diesen Sachverhalt im Wesentlichen ohne weiteres bereits durch die Figuren 1 A und 1 B dieser US-Patentschrift verdeutlicht.

Die Klagepatentschrift würdigt diese Stents als nachteilig, weil sie bei ihrer radialen Ausdehnung in Längsrichtung schrumpften und weil die schraubenförmigen flexiblen Verbinder sich dabei verdrehten. Die Verdrehbewegung wird als höchstwahrscheinlich schädlich für das Blutgefäß bezeichnet (vgl. Sp. 1, Z. 37 – 41).

Die aus der US- PS 5 195 984 (Anlage L 24 ) bekannten Stents charakterisiert die Klagepatentschrift als zu den vorgenannten Stents ähnliche Stents, die jedoch mit einem geraden Verbinder, parallel zur Längsachse der röhrenförmigen Implantate, zwischen den röhrenförmigen Implantaten ausgestattet seien (Sp. 1, Z. 42-45). Der Fachmann findet diesen Sachverhalt durch einen Blick auf die Figuren 7 und 8 dieser Druckschrift im Wesentlichen bestätigt.

Die Klagepatentschrift würdigt diese Stents dahin, dass bei ihnen mit dem geraden Element die Verdrehbewegung beseitigt werde, das gerade Element jedoch kein sehr fester Verbinder sei (Sp. 1, Z. 45,46).

Die Klagepatentschrift befasst sich in Sp. 1, Zeilen 47 – 50 des weiteren mit dem Stent gemäß der WO-A 95/31945, welche als ein Dokument bezeichnet wird, das unter Art. 54 Abs. 3 EPÜ falle. Sie spricht davon, dass das vorgenannte Dokument einen Stent mit Umfangsbändern aus geschlossenen Zellen mit einer Rautenkonfiguration nach Ausdehnung offenbare.

Schließlich geht die Klagepatentschrift noch auf die EP-A-540 290 (Anlage L 44) ein, von der es heißt, dass sie einen Stent mit Serpentinenabschnitten offenbare, welche an einigen Punkten durch gerade Elemente verbunden seien (Sp. 1, Z. 51 – 53). Aus der das Klagepatent beschränkenden und nicht lediglich klarstellenden Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA , die, jedenfalls soweit es um diese Beschränkung geht, zur Auslegung des Inhalts der Klagepatentschrift vom Durchschnittsfachmann mit heranzuziehen ist, entnimmt der Durchschnittsfachmann, dass diese Druckschrift (Anlage L 44) in der Ausführungsform von Figur 5 einen Stent offenbart, der die Kombination der im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Merkmale neuheitsschädlich vorwegnimmt (vgl. Anlage L 49 Bl. 10), dass dies jedoch für den aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 nicht gilt (vgl. Anlage L 49 Bl. 13).

Die Klagepatentschrift nennt vor diesem Hintergrund des Standes der Technik als Ziel bzw. Aufgabe der Erfindung, einen flexiblen Stent zur Verfügung zu stellen, welcher während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft (Sp. 1, Z. 57 – Sp. 2, Z. 1).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in der durch Entscheidung des EPA beschränkt aufrechterhaltenen Fassung des Patentanspruches 1 einen Stent vor, der sich merkmalsmäßig gegliedert wie folgt darstellt:

Stent, der aufweist,

1. mindestens ungerade und gerade sich abwechselnde Serpentinenabschnitte (11 o, 11 e) in Umfangsrichtung,
a) von denen jeder erste Biegungsbereiche aufweist, wobei
b) der ungerade Serpentinenabschnitt (11 o) außer Phase mit dem geraden Ser-
pentinenabschnitt (11 e) ist, derart, dass
c) die ersten Biegungsbereiche an dem ungeraden Serpentinenabschnitt (11 o) benachbart zu den ersten Biegungsbereichen an dem geraden Serpentinenabschnitt (11 e) sind; und

2. mindestens einen flexiblen Verbinder, welcher
a) eine Vielzahl von flexiblen Verbindungsgliedern aufweist, welche
b) benachbarte erste Biegungsbereiche jedes benachbarten geraden und unge-
raden Serpentinenabschnitts (11 o, 11 e) verbinden, wobei
c) jedes flexible Verbindungsglied mindestens zwei Abschnitte aufweist, welche
d) durch mindestens einen zweiten Biegungsbereich verbunden sind, und wobei
e) die ersten und zweiten Biegungsbereiche erste und zweite Winkel definieren,
deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden.

Die Klagepatentschrift verdeutlicht diese Erfindung an Hand von drei Ausführungsbeispielen, die in den Figuren 1 – 5 B (1. Ausführungsbeispiel) , Figur 6 (2. Ausführungsbeispiel) und Figuren 7 und 8 (3. Ausführungsbeispiel) gezeigt und in der Beschreibung näher erläutert werden.

Gemäß dem Ausführungsbeispiel 1 nach den Figuren 1 – 5 B ist der Stent eine Röhre, deren Seiten als eine Vielzahl von jeweils zwei orthogonalen Mäandermustern ausgebildet sind, wobei die Muster miteinander verschlungen sind. Die zwei Mäandermuster sind mit 11 und 12 bezeichnet. Das Mäandermuster 11 wird in der Klagepatentschrift als eine vertikale Sinusform mit einer vertikalen Mittellinie 9 (vgl. Figur 2) beschrieben. Das Mäandermuster 11 besitzt zwei Schlaufen 14 und 16 pro Periode, wobei sich die Schlaufen 14 nach rechts öffnen, während sich die Schlaufen 16 nach links öffnen. Die Schlaufen 14 und 16 teilen sich gemeinsame Elemente 15 und 17, wobei das Element 17 sich von einer Schlaufe 14 zu einer nachfolgenden Schlaufe 16 verbindet und sich das Element 15 von einer Schlaufe 16 zu einer nachfolgenden Schlaufe 14 verbindet (vgl. Sp. 2, Z. 41 – 58).

Das Mäandermuster 12 ist ein horizontales Muster mit einer horizontalen Mittellinie 13. Das Mäandermuster 12 besitzt ebenfalls Schlaufen, welche mit 18 und 20 bezeichnet sind, zwischen Schlaufen einer Periode liegt jedoch ein ausgedehnter gerader Abschnitt, welcher mit 22 bezeichnet ist. Schlaufen 18 öffnen sich nach unten, und Schlaufen 20 öffnen sich nach oben. Das vertikale Mäandermuster 11 ist in ungerade und gerade (o und e) Versionen unterteilt, welche 180° außer Phase zueinander sind. Somit liegt jeder nach links sich öffnenden Schlaufe 16 des Mäandermusters 11 o eine nach rechts sich öffnende Schlaufe 14 des Mäandermusters 11 e gegenüber, und einer nach rechts sich öffnenden Schlaufe 14 des Mäandermusters 11 o liegt eine nach links sich öffnende Schlaufe 16 des Mäandermusters 11 e gegenüber (Sp. 3, Z. 1 – 11).

Das horizontale Mäandermuster 12 ist ebenfalls in ungeraden und geraden Formen vorgesehen. Die geraden Abschnitte 22 (vgl. Fig. 1) des horizontalen Mäandermusters 12 e schneiden sich mit jedem dritten gemeinsamen Element 17 des vertikalen Mäandermusters 11 e. Die geraden Abschnitte 22 des horizontalen Mäandermuster 12 o schneiden sich mit jedem dritten gemeinsamen Element 15 des vertikalen Mäandermusters 11 e, beginnend mit dem gemeinsamen Element 15, zwei nach einem geschnittenen gemeinsamen Element 17. Das Ergebnis ist eine volle Schlaufe 14 zwischen den Mäandermustern 12 e und 12 o und eine volle Schlaufe 16 zwischen den Mäandermustern12 o und 12 e (Sp. 3, Z. 12 – 22).

Infolge der zwei Mäandermuster ist der Stent, wenn er über einem Katheterballon angebracht ist, flexibel und kann demzufolge leicht durch gekrümmte Blutgefäße gezogen werden, wobei die Fig.3 einen solchen gekrümmten Stent zeigt. Man sieht, dass sich während des Krümmens bzw. Biegens die Schlaufen 14 bis 10 rechts von dem Punkt A ändern, um die Differenzen zwischen der Innenkrümmung und der Außenkrümmung auszugleichen (Sp. 3, Z. 23 – 39).

Aus der Figur 4, die den ausgedehnten Stent zeigt, ist ersichtlich, dass sich die beiden Mäandermuster 11 und 12 ausdehnen und alle Schlaufen 14 bis 20 sich öffnen. Der ausgedehnte Stent besitzt einen großen Raum 42 zwischen den Mäandermustern 12 o und 12 e und einen kleinen Raum 44 zwischen den Mäandermustern 12 e und 12 o. Der große Raum 42 besitzt zwei Schlaufen 14 an seiner linken Seite und zwei Schlaufen 16 an seiner rechten Seite. Die großen Räume zwischen den vertikalen Mäandermustern 11 e und 11 o , welche mit 42 a bezeichnet sind, besitzen Schlaufen 18 an ihren Oberseiten und Unterseiten, während die großen Räume zwischen den vertikalen Mäandermustern 11 e und 11 o, welche mit 42 b bezeichnet sind, Schlaufen 20 an ihren Oberseiten und Unterseiten aufweisen. Gleiches gilt für die Räume 44 a und 44 b (Sp. 3, Z. 50 – Sp. 4 , Z. 6).

In Sp. 4, Z. 7 ff der Klagepatentschrift wird festgestellt, dass der Stent gemäß Fig. 1 infolge der orthogonalen Mäandermuster 11 und 12 während der Ausdehnung nicht signifikant schrumpfe, wobei dies im Detail in den Figuren 5 A und 5 B veranschaulicht sei.

Die sich nach dem Inhalt der Klagepatentschrift so darstellende technische Lehre des Klagepatents bedarf zum einen angesichts der sprachlichen Unterschiede zwischen Beschreibung und Anspruchsfassung und zum anderen angesichts der Streitpunkte der Parteien noch einiger Erläuterungen.

Dabei ist zunächst auf den im Anspruch 1 des Klagepatents benutzten Begriff „Serpentinenabschnitt“ einzugehen, der als solcher in der Beschreibung überhaupt nicht benutzt wird, sondern für den diese den Begriff „Mäandermuster“ benutzt, den sie in Sp. 2 , Zeilen 45 – 48 definiert: Ein erfindungsgemäßes Mäandermuster ist ein periodisches Muster um eine Mittellinie, wobei „orthogonale Mäandermuster“ Muster sind, deren Mittellinien orthogonal sind.

Wie der Fachmann im einzelnen das Muster ausgestaltet, bleibt ihm überlassen, sofern er sich an die Vorgaben der weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1 des Klagepatents hält.

Ob und inwieweit der Begriff „Serpentinenabschnitt“ breiter (= umfassender) angelegt ist als der Begriff „Mäandermuster“ (vgl. Anlage L 49 Bl. 7), kann hier dahinstehen.

Für den allein im Patentanspruch aufscheinenden Begriff „Biegungsbereich“ („area of inflection“) wird in der Beschreibung durchgehend der Begriff „Schlaufe“ („loop“) benutzt. Der Begriff „Biegungsbereich“ stellt sich so für den Durchschnittsfachmann als eine Verallgemeinerung des Begriffs „Schlaufe“ dar (vgl. auch Anlage L 49 Bl. 7)

Nach Merkmalen 1 b) und c) der obigen Merkmalsanalyse soll der ungerade Serpentinenabschnitt außer Phase mit dem geraden Serpentinenabschnitt derart sein, dass die ersten Biegungsbereiche an dem ungeraden Serpentinenabschnitt benachbart zu den ersten Biegungsbereichen an dem geraden Serpentinenabschnitt sind. Die insoweit beschriebene Geometrie des geschützten Stents, die deutlich macht, was mit „benachbart“ (= „adjacent“) im Sinne des Anspruches 1 des Klagepatents gemeint ist, erschließt sich dem Durchschnittsfachmann aus der Beschreibung in Sp. 3, Z. 6 – 11, die er nicht als die Beschreibung einer bloßen Besonderheit des Ausführungsbeispiels ansieht, sondern als das, was mit dem Anspruch ganz allgemein zum Ausdruck gebracht werden soll. Danach ist das vertikale Mäandermuster 11 in ungeraden und geraden (o und e) Versionen vorgesehen, welche 180° außer Phase zueinander sind, so dass jeder nach links sich öffnenden Schlaufe 16 des Mäandermusters 11 o eine nach rechts sich öffnende Schlaufe 14 des Mäandermusters 11 e gegenüberliegt, und einer nach rechts sich öffnenden Schlaufe 14 des Mäandermusters 11 o eine nach links sich öffnende Schlaufe 16 des Mäandermusters 11 e gegenüberliegt (vgl. z. B. auch Fig. 2 der Klagepatentschrift). Für den durch die Klagepatentschrift angesprochenen Durchschnittsfachmann kennzeichnet daher, wie bereits das Landgericht im angefochtenen Urteil völlig zutreffend ausgeführt hat, das Benachbartsein den Umstand, dass die ungeraden Serpentinenabschnitte außer Phase mit den geraden Serpentinenabschnitten stehen und umgekehrt, wobei als „benachbart“ Serpentinenabschnitte bzw. Mäandermuster außer Phase stehen, wenn deren jeweiligen Biegungsbereiche bzw. Schlaufen sich – in einer gedachten Längsachse des Stents gesehen – unmittelbar gegenüberliegen und sich in entgegengesetzter Richtung öffnen.

Nach Merkmal 2 b) (Merkmal D der landgerichtlichen Merkmalsanalyse und der Merkmalsanalysen nach Anlagen L 25 bzw. L 50.1) soll der Stent mit einem flexiblen Verbinder ausgestattet sein, der eine Vielzahl von flexiblen Verbindungsgliedern aufweist, welche benachbarte erste Biegungsbereiche jedes benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitts (11 o, 11 e) verbinden. Im Merkmal 2 b) wird der in den Merkmalen 1 b) und c) aufscheinende Begriff „benachbart“ (= „adjacent“), der eine räumliche Nähe der Gegenstände zueinander zum Ausdruck bringt, die mit dieser Eigenschaft beschrieben werden, mithin für den flexiblen Verbinder mit seinen flexiblen Verbindungsgliedern wieder aufgegriffen, und die flexiblen Verbindungsglieder werden u.a dahin beschrieben, dass sie „benachbarte“ erste Biegungsbereiche jedes „benachbarten“ geraden und ungeraden Serpentinenabschnitts verbinden. Die flexiblen Verbindungsglieder sollen also nach Merkmal 2 b) nicht schlicht erste Biegungsbereiche jedes benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnittes verbinden, sondern die „benachbarten“ ersten Biegungsbereiche der genannten benachbarten Serpentinenabschnitte. Sie sollen also die Biegungsbereiche der geraden und ungeraden Serpentinenabschnitte, die sich – in der Längsachse des Stents gesehen – unmittelbar gegenüberliegen und sich in entgegengesetzter Richtung öffnen, verbinden. – Der Patentanspruch gibt im Merkmal 2 b) keinerlei Hinweis darauf, es reiche aus, dass die flexiblen Verbindungsglieder erste Biegungsbereiche eines geraden Serpentinenabschnitts mit solchen eines ungeraden Serpentinenabschnitts verbänden, und zwar auch nicht insoweit, als es sich um Biegungsbereiche handelt, die sich in unterschiedlichen Richtungen öffnen, so dass es nur zu einer Verbindung „Berg“ zu „Tal“ des jeweiligen Biegungsbereiches durch die Verbindungsglieder kommt. Vielmehr spricht das Merkmal 2 b) eindeutig und unmißverständlich davon, dass die flexiblen Verbindungsglieder „benachbarte“ erste Biegungsbereiche jedes benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitts verbinden. Damit lehrt das Merkmal eine ganz bestimmte geometrische („Berg- und Tal-“) Anordnung der flexiblen Verbindungsglieder, die die nach dem Merkmal 1 vorgesehenen ungeraden und geraden sich abwechselnden Serpentinenabschnitte in Umfangsrichtung miteinander verbinden.

Mit dem vorgenannten Merkmal wird gewährleistet, wie auch die Klägerin einräumt, dass in Längsrichtung überhaupt eine durchgehender röhrenförmiger Stent entsteht (vgl. Berufungsbegründung der Klägerin Seite 10 unten – Bl. 190 GA). – Der durch die Klagepatentschrift angesprochene Durchschnittsfachmann entnimmt dem Klagepatent überdies, dass dieses Merkmal auch einen Beitrag dazu leistet, die Aufgabe des Klagepatents zu erfüllen, einen flexiblen Stent bereitzustellen, welcher während der Ausdehnung nur minimal in der Längsrichtung schrumpft (vgl. Sp. 1, Z. 57 – Sp. 2, Z. 1), und den Nachteil des Standes der Technik, der mit in Längsrichtung des Stents angeordneten Stegen arbeitet, die die jeweiligen Serpentinenabschnitte verbinden, zu vermeiden, dass bei der Ausdehnung der Serpentinenabschnitte ein beachtlicher Schrumpf in Längsrichtung eintritt. Wie sich aus den Figuren 5 A und 5 B und der dazugehörigen Beschreibung der Klagepatentschrift ergibt, wird der Längsschrumpf (d 1) , der durch die Ausdehnung der ersten Biegungsbereiche des jeweiligen Serpentinenabschnitts entsteht, durch die Ausdehnung der Biegungsbereiche des zweiten Serpentinenabschnitts kompensiert, wozu entsprechend dem Merkmal 2 b) die direkt gegenüberliegenden Biegungsbereiche der geraden und ungeraden Serpentinenabschnitte durch die zweiten Biegungsbereiche der flexiblen Verbindungsglieder verbunden werden.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents gibt dem durch die Klagepatentschrift angesprochenen Durchschnittsfachmann dagegen im Lichte der Beschreibung und der Figuren der Klagepatentschrift keinerlei Anlass zu der Annahme, dass sich das „Benachbartsein“ auf die ersten Biegungsbereiche in ihrer Gesamtheit erstrecke, wie dies die Klägerin mit den Darstellungen in ihren Anlagen L 45.1- l 45.2 sowie Anlage L 46 geltend macht, und dass demzufolge mit diesem Begriff alle Varianten der Verbindung zwischen den einander zugewandten ersten Biegungsbereichen erfasst sein sollten, und zwar unabhängig davon, ob die Biegungsbereiche der benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitte sich nun unmittelbar gegenüberliegen oder völlig fern mehr oder weniger stark versetzt gegenüberstehen. Der durch die Klagepatentschrift angesprochene Durchschnittsfachmann hat überhaupt keinen Grund, unter „benachbart“ alle ersten Biegungsbereiche innerhalb eines Paares von Serpentinenabschnitten zu verstehen, die durch die Phasenverschiebung aufeinander zu gerückt sind, so dass er die freie Wahl hätte, welche ersten Biegungsbereiche der beiden nebeneinander angeordneten Serpentinenabschnitte er mit den flexiblen Verbindungsgliedern verbindet. – Zutreffend verweist das Landgericht im angefochtenen Urteil darauf, dass bei der von der Klägerin geltend gemachten Sichtweise des Fachmanns von dem Merkmal 2 b (nahezu) jede beliebige Verbindung zwischen ersten Biegungsbereichen benachbarter Serpentinenabschnitte, seien diese Biegungsbereiche auch noch so weit voneinander entfernt, als „benachbart“ unter den Patentanspruch 1 des Klagepatents fallen würde. Ein solche Betrachtungsweise liefe jedoch dem Begriff „benachbart“ völlig zuwider und würde für den Durchschnittsfachmann nicht erkennbar machen, welche Verbindungsanordnung noch die Aufgabenstellung des Klagepatents erfüllen kann.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents setzt überdies im Merkmal 2 e) voraus, dass bei dem erfindungsgemäßen Stent, der sowohl einen nicht ausgedehnten als auch einen ausgedehnten Zustand aufweisen kann (vgl. Sp. 1, Z. 14 -19), die ersten und zweiten Biegungsbereiche erste und zweite Winkel definieren, deren Winkelhalbierende einen Winkel zueinander bilden, wobei der Patentanspruch insoweit keinerlei Beschränkung auf den bloß ausgedehnten Zustand enthält, so dass nach dem Wortsinn des Patentanspruches 1 davon auszugehen ist, dass diese Winkel bei dem erfindungsgemäßen Stent unabhängig davon vorhanden sind, in welchem Zustand er sich befindet.

2.
Von der sich so darstellenden Lehre des Klagepatents macht die angegriffene Ausführungsform weder wortsinngemäß noch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln Gebrauch. Dies gilt selbst dann, wenn der Fachmann die Gestalt des angegriffenen Stents nicht durch in Umfangsrichtung erstreckende, umlaufende Mäandermuster (grün und blau) gekennzeichnet ansehen sollte, die durch gerade Stege (rot) verbunden sind, wie dies die Beklagten mit der nachfolgend in Schwarz – Weiß wiedergegebenen Darstellung auf Seite 4 ihrer Berufungserwiderung vom 16. September 2004 (Bl. 248 GA) gekennzeichnet haben.

Denn selbst wenn man zur Kennzeichnung der angegriffenen Ausführungsform die folgende Darstellung der angegriffenen Ausführungsform zugrundelegt, die von der Klägerin als Anlage L 27.1 farbig eingereicht wurde, läßt sich nicht feststellen, dass diese den Patentanspruch 1 verwirklicht. Dies gilt allein schon wegen des Fehlens des Merkmals 2 b), so dass es letztlich dahingestellt bleiben kann, ob bei der angegriffenen Ausführungsform auch das Merkmal 2 e) nicht verwirklicht ist.

a)
Wie die Darstellung der angegriffenen Ausführungsform in Anlage L 27.1 deutlich macht, verbinden die dort rot gekennzeichneten Elemente, die nach Auffassung der Klägerin die erfindungsgemäßen flexiblen Verbindungsglieder darstellen, nicht im oben erläuterten Sinne „benachbarte“- also, in der Längsachse des Stents betrachtet, unmittelbar gegenüberliegende – erste Biegungsbereiche jedes benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitts, sondern vielmehr Biegungsbereiche, die weit versetzt und entfernt zueinander liegen und damit nicht im Sinne der obigen Erläuterungen „benachbart“ sind.

b)
Nach alledem kann von einer wortsinngemäßen Verwirklichung der technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents bei dem mit der Klage angegriffenen Stent der Beklagten keine Rede sein. Bei dem Klagepatent als einem europäischen Patent ist allerdings eine Bemessung des Schutzbereiches über den Anspruchswortlaut hinaus auf Abwandlungen der in dem Patentanspruch beschriebenen Erfindung aufgrund der Regelungen in Art. 69 Abs. 1 EPÜ und des Protokolls über seine Auslegung erlaubt (vgl. BGH GRUR 1986, 803, 805 – Formstein). Abwandlungen fallen dann in den Schutzbereich eines europäischen Patents, wenn das durch die Erfindung gelöste technische Problem mit Mitteln gelöst wird, die den patentgemäßen Mitteln hinreichend gleichwirkend sind, und wenn der Durchschnittsfachmann diese gleichwirkenden Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse und aufgrund von Überlegungen auffinden konnte, die sich an der in den Ansprüchen umschriebenen Erfindung orientieren (vgl. BGH GRUR 1986, 803, 805 – Formstein; 1988, 896,899 – Ionenanalyse; 1989, 205, 208 – Schwermetallloxidationskatalysator; 1989, 903,904 – Batteriekastenschnur; 1991, 436, 439 – Befestigungsvorrichtung II; 1994, 597, 599 – Zerlegvorrichtung), wobei der Fachmann die abweichende Ausführungsform mit ihren abgewandelten Mitteln als der patentgemäßen gleichwertige Lösung in Betracht ziehen muss (vgl. BGH Mitt. 2002, 216, 218 – Schneidmesser II).

Diese Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz liegen hier im Hinblick auf das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal 2 b), wonach flexible Verbindungsglieder „benachbarte erste Biegungsbereiche“ jedes benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitts verbinden, nicht vor. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der hier angesprochene Durchschnittsfachmann mit Hilfe seiner Fachkenntnisse und aufgrund von Überlegungen, die sich an der in den Ansprüchen umschriebenen Erfindung orientieren, einen Stent mit einer Geometrie, bei der die flexiblen Verbindungsglieder nicht die benachbarten ersten Biegungsbereiche jedes benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnittes verbinden, sondern wie bei der angegriffenen Ausführungsform weit versetzt voneinander liegende erste Biegungsbereiche der benachbarten geraden und ungeraden Serpentinenabschnitte verbinden, als zur erfindungsgemäßen Lösung gleichwirkend auffinden und als der patentgemäßen Lösung gleichwertig in Betracht ziehen konnte. Zur näheren Begründung wird auf die obigen Ausführungen zu Ziffer II.1. dieser Gründe und ergänzend auf die Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil verwiesen, die sich der Senat zu eigen macht.

Nach alledem hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs 1 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand kein Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht ersichtlich ist, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Vors. Ri.a.OLG R1 R2 R4