Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. November 2005, Az. 2 U 2/04
Vorinstanz: 4b O 16/03
Restitutionsklage 1: 2 U 41/08
Restitutionsklage 2: 2 U 152/09
Restitutionsklage 3: 2 U 129/10
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. November 2003 verkündete Urteil der 4. b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird, soweit nicht die Klägerin ihre Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Urteilsausspruch zu I. 1 jeweils statt „Stützelement“ heißt: „Schnapp- und Halteelement“.
2.
Die Klägerin wird der von ihr eingelegten Anschlussberufung für verlustig erklärt.
3.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Beklagten 90 % und die Klägerin 10 % zu tragen.
Von den im Berufungsverfahren bis vor der Antragstellung im Termin vom 29. September 2005 entstandenen Kosten haben die Beklagten 72 % und die Klägerin 28 % zu tragen.
Die danach entstandenen Kosten werden den Beklagten auferlegt.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 1.800.000,– € abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt:
a) bis zum 20. März 2005: 2.000.000,– €;
b) ab 21. März 2005: 2.500.000,– €; davon entfallen auf die Berufung der Beklagten 2.000.000,– € und auf die Anschlussberufung der Klägerin 500.000,– €;
c) ab 28. September 2005: 2.000.000,– €:;
d) seit der teilweisen Klagerücknahme und der darauf bezogenen Zustimmungserklärung der Beklagten im Termin vom 29. September 2005:
1.800.000,– €.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in englischer Sprache abgefassten, unter anderem auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 879 xxx (Anlage C 1, im folgenden: Klagepatent), das auf einer unter Inanspruchnahme mehrerer japanischer Prioritäten vom 24. August 1994 sowie vom 21. und 28. Februar 1995 am 23. August 1995 eingegangenen und am 25. November 1998 offengelegten Anmeldung beruht. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 6. November 2002.
Die Beklagte zu 1) hat gegen das Klagepatent Einspruch eingelegt. Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts hat daraufhin mit Beschluss vom 22. April 2005 entsprechend einem Hilfsantrag der Klägerin den Anspruch 1 des Klagepatents dahin geändert, dass es statt „supporting member“ (in der deutschen Übersetzung: „Stützelement“) nunmehr heiße: „latching and holding member“ (in der deutschen Übersetzung: „Schnapp- und Halteelement“). Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Beklagte zu 1) als auch die Klägerin Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Gemäß dem Beschluss der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 22. April 2005 lauten die Ansprüche 1 und 18 des Klagepatents in der deutschen
Übersetzung wie folgt:
Anspruch 1:
Flüssigkeitsbehälter (30; 130; 140) für ein Tintenstrahlaufzeichnungsgerät, der dazu in der Lage ist, von einem Tintenstrahlkopf zu verwendende Flüssigkeit zu enthalten, wobei der Flüssigkeitsbehälter (30; 130; 140) an einem Halter (60; 160) abnehmbar montagefähig ist, der den Tintenstrahlkopf hat, wobei der Flüssigkeitsbehälter (30; 130; 140) folgendes aufweist:
einen Hauptkörper zum Aufbewahren einer Flüssigkeit;
eine Zuführungsöffnung (32 b; 132 b; 142 bY, 142 bM, 142 bC) zum Zuführen der Flüssigkeit zu dem Tintenstrahlkopf, wobei die Zuführungsöffnung (32 b; 132 b; 142 bY, 142 bM, 142 bC) in einem Abschnitt angeordnet ist, der den Boden des Behälters im Betrieb bildet;
einen ersten Eingriffsabschnitt (32 d, 132 d, 142 d), der an einer ersten Seite des Hauptkörpers vorgesehen ist und daran angepasst ist, dass er mit einem ersten Arretierabschnitt (60 i; 160 i) des Halters (60; 160) in Eingriff gelangt, um den Flüssigkeitsbehälter während der Montage drehbar zu halten;
und
ein Schnapp- und Halteelement (32 a; 132 a; 142 a; 632 a; 732 a), das durch den Flüssigkeitsbehälter elastisch gestützt ist und sich vor einer zweiten Seite, die zu der ersten Seite entgegengesetzt ist, erstreckt und einen zweiten Eingriffsabschnitt (32 e; 132 e; 142 a) an einer Außenseite von ihm hat, die von der zweiten Seite des Hauptkörpers weggewandt ist und zu einer Bewegung von der zweiten Seite weg und zu der zweiten Seite hin in der Lage ist, wobei der zweite Eingriffsabschnitt (32 e; 132 e; 142 e) daran angepasst ist, dass er mit einem zweiten Arretierabschnitt (60 j; 167 a; 167 a‘) des Halters (60, 160; 560) in Eingriff gelangt,
wobei die Zuführungsöffnung (32 b; 132 b; 142 bY, 142 bM; 142 bC) zwischen dem ersten Eingriffsabschnitt (32 d; 132 d; 142 d) und dem zweiten Eingriffsabschnitt (32 e; 132 e; 142 e) angeordnet ist.
Anspruch 18:
Flüssigkeitsbehälter (30; 130; 140) gemäß Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Schnapp- und Halteelement (32 a; 132 a; 142 a) sich von der Nachbarschaft eines Bodenabschnittes des Hauptkörpers einstückig nach oben erstreckt und um die Nachbarschaft herum elastisch beweglich ist
und
der zweite Eingriffsabschnitt (32 e; 132 e; 142 e) zwischen der Nachbarschaft und einem Betätigungsabschnitt (32 g) angeordnet ist, der an einem freien Ende des elastischen Schnapp- und Halteelementes (32 a; 132 a; 142 a) vorgesehen ist.
Die nachstehend wiedergegebene Figur 14 aus der Klagepatentschrift zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung:
Die in der Schweiz ansässige P. H. (International) AG stellt dort Tintenpatronen für Tintenstrahldrucker her, die beim Einbau mit dem Druckkopf verbunden werden und die nach dem Text auf der Umverpackung dazu bestimmt sind, in bestimmte Tintenstrahldrucker aus der Produktion der Klägerin eingebaut zu werden. Wegen der Ausgestaltung dieser Tintenpatronen wird auf die von der Klägerin als Anlagenkonvolut C 4/K 13 bis K 25 sowie als Anlagen C 5 bis C 7 überreichten Abbildungen verwiesen.
Der nachfolgend wiedergegebenen tabellarischen Übersicht ist die Zuordnung der genannten Patronen zu den P-Artikelnummern zu entnehmen:
Zur Unternehmensgruppe P. H. gehören auch die Beklagten, und zwar die Beklagte zu 1) als das für Deutschland zuständige nationale Vertriebsunternehmen („Nationale Vertriebsleitung und europäisches Markenmanagement“) sowie die Beklagte zu 2) als „Zentrales Logistik-Zentrum und P. H. Servicecenter“ mit der Aufgabe der „zentralen Warenverteilung“ (so die Angaben der Unternehmensgruppe P. H. im Internet).
Bestellen Interessenten in Deutschland – z.B. über einen von der Unternehmensgruppe P. H. im Internet betriebenen „P Shop“ – Tintenpatronen, so werden diese vom Firmensitz der Beklagten zu 2) aus per Paketdienst an die Besteller ausgeliefert, wobei auf den Lieferscheinen die Beklagte zu 1) als deutsche Vertriebsgesellschaft und die Beklagte zu 2) als Adresse für etwaige Rücksendungen genannt werden.
Die Klägerin hat geltend gemacht:
Alle oben aufgeführten, von den Beklagten in Deutschland vermarkteten Tintenpatronen machten wortsinngemäß von der Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass die Beklagten mit ihrem Vertrieb das Klagepatent verletzten, dessen Ansprüche 1 und 18 die Klägerin in Kombination geltend macht.
Sie hat die Beklagten deswegen auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung patentverletzender Patronen sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung einer angemessenen Entschädigung und zum Schadensersatz in Anspruch genommen, während die Beklagten um Klageabweisung und hilfsweise darum gebeten
haben, die Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den von der Beklagten zu 1) gegen das Klagepatent eingelegten Einspruch auszusetzen und ihnen im Hinblick auf das Rechnungslegungsbegehren der Klägerin einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.
Sie haben eingewendet:
Die Klägerin habe weder schlüssig dargelegt, dass die angegriffenen Tintenpatronen erfindungsgemäße Halterbefestigungen aufwiesen, noch, dass die Beklagte zu 1) die angegriffenen Patronen angeboten und neben oder gemeinsam mit der Beklagten zu 2) vertrieben habe. Im übrigen werde sich das Klagepatent in dem anhängigen Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen.
Das Landgericht hat
I.
Die Beklagten verurteilt,
1.
es bei Meidung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
Flüssigkeitsbehälter für ein Tintenstrahlaufzeichnungsgerät anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wobei die Benutzungsart „Anbieten“ nur die Beklagte zu 1) betreffe, die folgende Merkmale aufwiesen:
(1)
Flüssigkeitsbehälter für ein Tintenstrahlaufzeichnungsgerät.
(2)
Der Flüssigkeitsbehälter
(a) ist dazu in der Lage, von einem Tintenstrahlkopf zu verwendende
Flüssigkeit zu enthalten,
(b) ist an einem Halter abnehmbar montagefähig,
(aa) der Halter hat den Tintenstrahlkopf,
(c) weist einen Hauptkörper zum Aufbewahren einer Flüssigkeit auf,
(d) weist eine Zuführungsöffnung zum Zuführen der Flüssigkeit zu
dem Tintenstrahlkopf auf;
(aa) die Zuführungsöffnung ist in einem Abschnitt angeordnet, der
den Boden des Behälters im Betrieb bildet,
(e) weist einen ersten Eingriffsabschnitt auf,
(f) weist ein Stützelement auf.
(3)
Der erste Eingriffsabschnitt
(a) ist an einer ersten Seite des Hauptkörpers vorgesehen,
(b) ist daran angepasst, dass er mit einem Arretierabschnitt des Halters
in Eingriff gelangt, um den Flüssigkeitsbehälter während der Montage
drehbar zu halten.
(4)
Das Stützelement
(a) ist durch den Flüssigkeitsbehälter elastisch gestützt,
(b) erstreckt sich vor einer zweiten Seite (des Hauptkörpers), die zu der
ersten Seite (des Hauptkörpers) entgegengesetzt ist,
(c) hat einen zweiten Eingriffsabschnitt an einer Außenseite von sich, die von
der zweiten Seite des Hauptkörpers weggewandt ist,
(d) ist zu einer Bewegung von der zweiten Seite (des Hauptkörpers) weg und
zu der zweiten Seite (des Hauptkörpers) hin in der Lage.
(5)
Der zweite Eingriffsabschnitt ist daran angepasst, dass er mit einem zweiten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff gelangt.
(6)
Die Zuführungsöffnung ist zwischen dem ersten Eingriffsabschnitt und dem zweiten Eingriffsabschnitt angeordnet.
(7)
Das Stützelement erstreckt sich von der Nachbarschaft eines Bodenabschnittes des Hauptkörpers einstückig nach oben und ist um die Nachbarschaft herum elastisch beweglich.
(8)
Der zweite Eingriffsabschnitt ist zwischen der Nachbarschaft und einem Betätigungsabschnitt angeordnet, der an einem freien Ende des elastischen Stützelements vorgesehen ist;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagten – die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 25. Dezember 1998 begangen hätten, und zwar unter Angabe
a)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotsdaten und Angebotspreisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 6. Dezember 2002 zu
machen seien
und
wobei den Beklagten vorbehalten bleibe, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten trügen und ihn zugleich ermächtigten, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder ein bestimmt bezeichneter Empfänger eines Angebots in der Aufstellung enthalten sei.
Außerdem hat das Landgericht
II. festgestellt,
1.
dass die Beklagten verpflichtet seien, der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 25. November 1998 bis zum 6. Dezember 2002 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2.
dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziff. I 1. bezeichneten, seit dem 7. Dezember 2002 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.
Schließlich hat das Landgericht
III.
die Beklagten verurteilt, die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Tintenpatronen und/oder Tintenbehälter nach Ziff. I. 1. auf eigene Kosten zu vernichten.
Auf das Urteil vom 20. November 2003 wird Bezug genommen.
Die Beklagten haben Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag und ihren Aussetzungsantrag weiterverfolgen, während die Klägerin um Zurückweisung des Rechtsmittels mit der Maßgabe bittet, im Unterlassungsausspruch jeweils das Wort „Stützelement“ zu ersetzen durch „Schnapp- und Halteelement“.
Die Klägerin hat im Laufe des Berufungsverfahrens ihre Klage hinsichtlich des Antrages auf Feststellung der Entschädigungspflicht sowie hinsichtlich des darauf rückbezogenen Rechnungslegungsantrages zurückgenommen; dem haben die Beklagten zu Beginn des Verhandlungstermins vom 29. September 2005 zugestimmt.
Die Klägerin hat des weiteren Anschlussberufung eingelegt, mit der sie eine Reihe weiterer Tintenpatronen angegriffen und ebenfalls Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Schadensersatzpflicht verlangt hat. Diese Anschlussberufung hat sie am 28. September 2005 zurückgenommen.
Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
II.
1.
Das Klagepatent betrifft, soweit es um seine Ansprüche 1 bis 21 geht, einen Flüssigkeitsbehälter (= Tintenpatrone) für einen Tintenstrahldrucker.
Nach den Ausführungen der Klagepatentschrift ist aus der EP – A 0 546 xxx (Anlage C 2) ein Flüssigkeitsbehälter für einen Tintenstrahldrucker bekannt, der einen Hauptkörper zur Aufnahme der Flüssigkeit (Tinte) und eine Zuführöffnung zur Zuführung der Tinte zu dem Tintenstrahlkopf aufweist. Die Zuführöffnung ist an einem Abschnitt angeordnet, der den Boden des Behälters im Betrieb einnimmt. Ein erster Eingriffsabschnitt in Form eines Kupplungsstiftes, der an einer ersten Seite des Hauptkörpers vorgesehen ist, ist daran angepasst, mit einem ersten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff zu gelangen. Ein weiterer Kupplungsstift ist daran angepasst, mit einem zweiten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff zu gelangen.
Die Klagepatentschrift kritisiert an diesem Tintenbehälter, der Vorgang zur Anordnung am Tintenstrahlkopf und zur Entfernung von ihm sei verhältnismäßig kompliziert.
Die Klagepatentschrift bezeichnet es dann als Aufgabe der Erfindung, einen Flüssigkeitsbehälter zu schaffen, der leicht montierbar sei.
Das so bezeichnete technische Problem soll gemäß den Ansprüchen 1 und 18 des Klagepatents gelöst werden durch einen
(Anspruch 1):
1. Flüssigkeitsbehälter (30) für ein Tintenstrahlaufzeichnungsgerät.
2. Der Flüssigkeitsbehälter
a) ist dazu in der Lage, von einem Tintenstrahlkopf zu verwendende Flüssig-
zu enthalten,
b) ist an einem Halter (60) abnehmbar montagefähig,
aa) der Halter hat den Tintenstrahlkopf,
c) weist einen Hauptkörper zum Aufbewahren einer Flüssigkeit auf,
d) weist eine Zuführöffnung (32 b) zum Zuführen der Flüssigkeit zu dem
Tintenstrahlkopf auf,
aa) die Zuführöffnung (32 b) ist in einem Abschnitt angeordnet, der
den Boden des Behälters (30) im Betrieb bildet,
e) weist einen ersten Eingriffsabschnitt (32 d) auf,
f) weist ein Schnapp- und Halteelement auf.
3. Der erste Eingriffsabschnitt (32 d)
a) ist an einer ersten Seite des Hauptkörpers vorgesehen,
b) ist daran angepasst, dass er mit einem ersten Arretierabschnitt (60 i)
des Halters (60) in Eingriff gelangt, um den Flüssigkeitsbehälter (30)
während der Montage drehbar zu halten.
4. Das Schnapp- und Halteelement (32 a)
a) ist durch den Flüssigkeitsbehälter (30) elastisch gestützt,
b) erstreckt sich von einer zweiten Seite (des Hauptkörpers), die zu der
ersten Seite (des Hauptkörpers) entgegengesetzt ist,
c) hat einen zweiten Eingriffsabschnitt (32 e) an einer Außenseite von sich,
die von der zweiten Seite des Hauptkörpers weggewandt ist,
d) ist zu einer Bewegung von der zweiten Seite (des Hauptkörpers) weg und
zu der zweiten Seite (des Hauptkörpers) hin in der Lage.
5. Der zweite Eingriffsabschnitt (32 e) ist daran angepasst, dass er mit einem
zweiten Arretierabschnitt (60 j) des Halters (60) in Eingriff gelangt.
6. Die Zuführöffnung (32 b) ist zwischen dem ersten Eingriffsabschnitt (32 d) und
dem zweiten Eingriffsabschnitt (32 e) angeordnet.
(Anspruch 18):
7. Das Schnapp- und Halteelement (32 a) erstreckt sich von der Nachbarschaft
eines Bodenabschnitts des Hauptkörpers einstückig nach oben und ist um die
Nachbarschaft herum elastisch beweglich.
8. Der zweite Eingriffsabschnitt (32 e) ist zwischen der Nachbarschaft und einem
Betätigungsabschnitt (32 g) angeordnet, der an einem freien Ende des elastischen Schnapp- und Halteelementes (32 a) vorgesehen ist.
Bei einer solchen Ausgestaltung braucht man zum Austauschen des Tintenbehälters lediglich das an ihm angeordnete Schnapp- und Halteelement (in Figur 14 der Klagepatentschrift mit der Bezugszahl 32a bezeichnet) an seinem oberen Ende einzudrücken, wodurch sich die Arretierung löst, so dass man dann den Tintenbehälter um einen an seiner gegenüberliegenden Seite liegenden Punkt nach oben verschwenken und aus dem Halter herausnehmen kann. Ein neuer Tintenbehälter kann dann leicht mit seiner einen ersten Eingriffsabschnitt (32 d) tragenden ersten Seite (die derjenigen gegenüberliegt, an welcher sich das Schnapp- und Halteelement befindet) schräg von oben in den Halter eingeführt und anschließend mit seiner zweiten Seite nach unten gedrückt werden, wodurch sowohl der erste Eingriffsabschnitt (32 d) als auch der an dem Schnapp- und Halteelement vorgesehene zweite Eingriffsabschnitt (32 e) mit entsprechenden Arretierabschnitten des Halters in Eingriff gelangen, so dass der Tintenbehälter sicher in einer Stellung gehalten wird, bei der die Zuführöffnung (32 b) genau über dem dazugehörigen Kopfanschluss (35) liegt.
Angesichts des Streites der Parteien bedürfen die Merkmale 2 b, 2 b aa, 3 b und 5 der o.g. Merkmalsgliederung näherer Erörterung.
Entgegen der von den Beklagten vertretenen Ansicht beziehen sich die Ansprüche 1 und 18 des Klagepatents lediglich auf einen Tintenbehälter und nicht auf eine Kombination eines solchen Behälters mit einem dazu passenden Halter. Wenn das Merkmal 2 b davon spricht, der Flüssigkeitsbehälter solle „an einem Halter abnehmbar montagefähig“ sein, und zwar (Merkmal 2 b aa) an einem solchen, „der den Tintenstrahlkopf hat“, wird damit lediglich (mittelbar) eine bestimmte Beschaffenheit des Flüssigkeitsbehälters beschrieben. Dieser soll nämlich so ausgestaltet sein, dass er zu einem an dem Tintenstrahldrucker vorhandenen Halter passt, dass man ihn also an diesen Halter montieren und ihn später wieder abnehmen kann, wobei die Merkmale 3 b und 5 (mittelbar) die Beschaffenheit des ersten und des zweiten Eingriffsabschnittes beschreiben, die nämlich so ausgestaltet („daran angepasst“) sein sollen, dass sie beim Einsetzen des Flüssigkeitsbehälters in den Halter mit an diesem vorhandenen Arretierabschnitten in Eingriff gelangen.
Das Klagepatent verlangt also nur, die von ihm geschützten Flüssigkeitsbehälter sollten so beschaffen sein, dass sie zu in bestimmter Weise ausgestalteten Haltern in Tintenstrahldruckern passen, wobei es für eine Verwirklichung der Lehre des Klagepatentes noch nicht einmal darauf ankommt, ob es Tintenstrahldrucker mit Haltern, die so beschaffen sind, wie es das Klagepatent voraussetzt, tatsächlich überhaupt gibt. Es gibt allerdings solche Geräte, nämlich diejenigen aus der Produktion der Klägerin, für die die angegriffenen Tintenpatronen ausweislich des Textes ihrer Umverpackungen bestimmt sind.
2.
Alle im vorliegenden Rechtsstreit (noch) angegriffenen Ausführungsformen von Tintenpatronen machen von der oben erläuterten Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.
Das ist hinsichtlich der Merkmale 1, 2, 2 a, 2 c, 2 d, 2 d aa, 2 e, 2 f, 3, 3 a, 4, 4 a, 4 b, 4 c, 4 d, 6, 7 und 8 nicht nur offensichtlich, sondern wird auch von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen, so dass es dazu keiner weiteren Ausführungen bedarf.
Wortsinngemäß verwirklicht sind bei allen angegriffenen Tintenpatronen aber auch die Merkmale 2 b, 2 b aa, 3 b und 5.
Unstreitig lassen sich die Tintenpatronen an einem den Tintenstrahlkopf enthaltenden Halter in bestimmten Druckern aus der Produktion der Klägerin abnehmbar montieren (Merkmale 2 b und 2 b aa), und unstreitig ist bei ihnen der zweite Eingriffsabschnitt (der sich an dem Schnapp- und Halteelement befindet) so beschaffen, dass er mit einem zweiten Arretierabschnitt des Halters bei bestimmten Tintenstrahldruckern aus der Produktion der Klägerin in Eingriff gelangt, wenn die Patrone in den Halter eingesetzt wird (Merkmal 5). Wie dargelegt, erfordert eine Verwirklichung der genannten Merkmale nicht, dass der Lieferant der Patronen auch einen dazu passenden Halter liefert.
Dass die angegriffenen Tintenpatronen (bis auf diejenigen gemäß der Anlage C 4,
K 14 bis K 16) auch das Merkmal 3 b in seiner oben dargelegten Auslegung wortsinngemäß verwirklichen, stellen die Beklagten nicht in Frage, so dass es insoweit ebenfalls keiner weiteren Ausführungen bedarf.
Entgegen der von ihnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht ist das genannte Merkmal aber auch bei den Tintenpatronen gemäß Anlage C 4, K 14 bis K 16 wortsinngemäß verwirklicht. Auch bei diesen Tintenpatronen weist der Hauptkörper an seiner im Sinne des Merkmals 3 a „ersten“ Seite eine „Nase“ auf, die beim Einsetzen in eine Ausnehmung (= erster Arretierabschnitt) des Halters eingreift und so, nachdem auch der zweite Eingriffsabschnitt mit dem für ihn bestimmten zweiten Arretierabschnitt des Halters in Eingriff gelangt ist, die Tintenpatrone sicher in der richtigen Stellung hält. Nach dem Eingriff des ersten Eingriffsabschnittes in den ersten Arretierabschnitt wird die Tintenpatrone auch im Sinne des Merkmals 3 b „drehbar“ gehalten, nämlich so, dass die Patrone sich nach einem Eindrücken des an der gegenüberliegenden („zweiten“) Seite des Hauptkörpers befindlichen Schnapp- und Halteelements zum Zwecke des Herausnehmens nach oben verschwenken lässt. Dass diese Schwenkbewegung um den Eingriffsabschnitt (32 d) als Drehpunkt erfolgen müsse, sagt das Merkmal 3 b nicht; der Durchschnittsfachmann sieht im übrigen ohne weiteres, dass auch die Tintenpatrone gemäß dem in der Klagepatentschrift gezeigten Ausführungsbeispiel (Figur 14 der Klagepatentschrift) nicht um den ersten Eingriffsabschnitt (32 d) schwenkt, sondern im wesentlichen um die obere Kante der ersten Seite des Hauptkörpers, mit der die Patrone an der Wand des Halters anliegt, also um einen Punkt oberhalb des ersten Eingriffsabschnittes. Dass die Tintenpatronen gemäß Anlage C 4, K 14 bis K 16 beim Herausnehmen aus dem Halter nicht um die an der „ersten“ Seite des Hauptkörpers vorhandene „Nase“ (nach der Terminologie des Klagepatents handelt es sich dabei um den „ersten Eingriffsabschnitt“) schwenken, sondern um einen weiter oben liegenden Punkt, führt sie daher nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus.
3.
Die Beklagten, die zu einer Benutzung der patentgeschützten Lehre nicht berechtigt sind, verletzen das Klagepatent.
a)
Die Beklagte zu 1. bietet als das für Deutschland zuständige Vertriebsunternehmen die Produkte der Unternehmensgruppe P. H. auf dem deutschen Markt an und bringt sie hier (im Zusammenwirken mit der Beklagten zu 2.) in den Verkehr. Die Beklagte zu 1. ist auf den Lieferscheinen, die bei der Auslieferung von Waren in Deutschland diesen Waren beigefügt werden, ausdrücklich als die für Deutschland zuständige Vertriebsgesellschaft bezeichnet. Dass Tintenpatronen der angegriffenen Art nicht zu ihrem Angebot gehörten und dass sie derartige Patronen auf Bestellungen hin nicht liefere bzw. durch die Beklagte zu 2. liefern lasse, behauptet die Beklagte zu 1. selbst nicht.
b)
Auch die Beklagte zu 2. bringt Tintenpatronen der angegriffenen Art im Sinne des § 9 Nr. 1 PatG in den Verkehr. Auch sie verletzt daher das Klagepatent, so dass die Klägerin mit Recht neben der Beklagten zu 1. auch sie auf Unterlassung, Vernichtung, Schadensersatz und Rechnungslegung in Anspruch nimmt (Artikel 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139, 140 a, 140 b PatG, 242, 259 BGB).
Die Beklagte zu 2. ist innerhalb der Unternehmensgruppe P. H. zentral für die Warenauslieferung zuständig, und zwar gerade auch für die Auslieferung an Kunden. Ihre Tätigkeit beschränkt sich daher nicht darauf, Tintenpatronen und andere Waren lediglich auf Lager zu nehmen und an ein anderes Unternehmen der Unternehmensgruppe P. H. (also nur unternehmensintern) auszuliefern – was für ein Inverkehrbringen noch nicht ausreichen würde, weil es dazu nämlich erforderlich ist, ein patentgeschütztes Erzeugnis tatsächlich in die Verfügungsgewalt einer anderen Person, also eines Dritten, übergehen zu lassen (vgl. dazu Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 43; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 9 Rdnr. 77; Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 785 – jeweils mit weiteren Nachweisen).
Dass die Beklagte zu 2. bei der Übergabe patentverletzender Tintenpatronen an Spediteure und Frachtführer zum Zwecke ihrer Auslieferung an Dritte, nämlich an Besteller der Waren, lediglich aufgrund von Anweisungen anderer Konzernunternehmen, z.B. der Beklagten zu 1. oder auch der P. H. (International) AG tätig wird und dass sie bei der Einlagerung kein Eigentum an den Waren erlangt, ändert nichts daran, dass (auch) sie diese Waren in den Verkehr bringt.
Denn zum einen ist es, um ein Inverkehrbringen bejahen zu können, nicht erforderlich, dass der tatsächlich handelnden Person eine rechtliche Verfügungsmacht, z.B. Eigentum, eingeräumt wird (vgl. dazu die soeben genannten Nachweise), und zum anderen beschränkt sich die Beklagte zu 2. auch nicht darauf, patentverletzende Tintenpatronen lediglich Spediteuren oder Frachtführern zu übergeben, ohne diese zugleich auch anzuweisen, die Waren an außenstehende Personen auszuhändigen – was für ein Inverkehrbringen nicht ausreichen würde (vgl. dazu die genannten Nachweise) -, sondern die Beklagte zu 2. beauftragt die Spediteure oder Frachtführer gleichzeitig damit, die ihnen ausgehändigten – wie ausgeführt, patentverletzenden – Waren Dritten, nämlich den jeweiligen Bestellern, zu übergeben. Dass die Beklagte zu 2. bei der Auslieferung der bei ihr zwischengelagerten Waren stets aufgrund von Anweisungen tätig wird, die sie von anderen Unternehmen der P. H.-Gruppe erhält, ist lediglich eine Folge der innerhalb der Gruppe vorgenommenen
Arbeitsteilung, ändert aber nichts daran, dass auch die Beklagte zu 1. als eigenständiges Unternehmen am Inverkehrbringen der Waren beteiligt ist und diese daher
ebenfalls im Rechtssinne in den Verkehr bringt.
c)
Dass und warum die Beklagten angesichts der von ihnen begangenen Patentverletzungen in dem zugesprochenen Umfang der Klägerin zur Unterlassung, zur Vernichtung, zum Schadensersatz und zur Rechnungslegung hinsichtlich der ab dem
7. Dezember 2002 begangenen (Verletzungs-)Handlungen verpflichtet sind, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Auf diese Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.
4.
Eine Aussetzung der Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagepatent anhängigen Einspruch (§ 148 ZPO) kommt nicht in Betracht.
Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Ausschließlichkeitsrecht gewährt, dessen Durchsetzung durch eine Aussetzung der Verhandlung eines Verletzungsrechtsstreits – selbst dann, wenn bereits, wie hier, ein nur gegen Sicherheitsleistung des Patentinhabers vorläufig vollstreckbares erstinstanzliches Urteil vorliegt – jedenfalls erheblich erschwert würde, kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents in dem gegen dieses Recht anhängigen Verfahren nicht nur möglich, sondern überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. dazu außer BGH, GRUR 1987, 284
– Transportfahrzeug – auch Senat, Mitt. 1997, 257 ff. – Steinknacker – sowie GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Dabei ist zwar, wie der Senat in seiner „Steinknacker“-Entscheidung ausgeführt hat, bei der Prüfung der Aussetzungsfrage im Berufungsverfahren dann ein weniger strenger Maßstab anzulegen, wenn der Schutzrechtsinhaber bereits – wie hier – über einen erstinstanzlichen Titel gegen seinen Prozessgegner verfügt, aus dem er – wenn auch nur gegen Sicherheitsleistung – vorläufig vollstrecken kann; eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Angriff auf das Klageschutzrecht ist aber auch in derartigen Fällen erforderlich. Vorliegend fehlt es jedoch an einer solchen.
Die sachkundige Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes hat die von der Beklagten zu 1. gegen das Klagepatent vorgebrachten Argumente geprüft und – abgesehen von dem Angriff auf den Begriff „supporting member“ („Stützelement“), den sie dann in „latching and holding member“ („Schnapp- und Halteelement“) abgeändert hat – nicht als patenthindernd angesehen; dass dies offensichtlich verfehlt sei, kann nicht gesagt werden. Es fehlt daher an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Klagepatent sich als nicht rechtsbeständig erweisen werde.
5.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 516 Abs. 3 ZPO; gemäß der zuletzt genannten Vorschrift war zugleich die Klägerin der von ihr eingelegten Anschlussberufung für verlustig zu erklären. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
6.
Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind: Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
R1 R2 R4