2 U 62/03 – Schmiermittel für die Züge von Posaunen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 314

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. September 2004, Az. 2 U 62/03

Vorinstanz: 4a O 234/02

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13. Mai 2003 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages von € 5.000,00 ab-
wenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 35.000 festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg, da das mit der Klage beanstandete Schmiermittel des Beklagten von der technischen Lehre des deutschen Patents 40 12 915 (Anlage K 1), auf das die Klage gestützt ist (daher nachfolgend: Klagepatent), keinen Gebrauch macht.

I.

Der Kläger ist allein verfügungsberechtigter Inhaber des Klagepatents betreffend „Schmiermittel für die Züge von Posaunen oder ähnlichen Musikinstrumenten“. Das Klagepatent beruht auf einer Anmeldung vom 23. April 1990. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 13. Juni 1991. Das Klagepatent steht in Kraft.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

„Schmiermittel für die Züge von Posaunen oder
ähnlichen Musikinstrumenten, dadurch gekenn-
zeichnet, daß es aus zwei Komponenten
a) Siliconöl und
b) wässriger Seifenlauge besteht, die in der an-
gegebenen Reihenfolge auf den entsprechen-
den Zug aufgebracht worden sind.“

Der Kläger ist ferner Inhaber des – nicht für die Bundesrepublik Deutschland geltenden – europäischen Patents 0 453 783, welches die Priorität des Klagepatents in Anspruch nimmt, das nur mit Verwendungsansprüchen erteilt ist (Anlage B 3).

Der Beklagte hat am 4. Juni 2004 und damit erst während des zweiten Rechtszuges Nichtigkeitsklage betreffend das Klagepatent bei dem Bundespatentgericht eingereicht. Die Nichtigkeitsklage ist allein auf offenkundige Vorbenutzung gestützt (vgl. Anlage B 11).

Der Beklagte vertreibt Schmiermittel für Posaunen und ähnliche Musikinstrumente, wobei sich das Mittel nach seinen Angaben (vgl. Bl. 82 GA) „in stetiger Veränderung und Abwandlung“ befindet.

Der Kläger greift ein Schmiermittel des Beklagten an, das nach seiner Darstellung im Herbst 2001 zum Preis von 15,90 DM im Musikhaus P in V gekauft worden ist. Aus der Packung, die insgesamt 30 ml enthielt, seien 20 ml entnommen und an ein Labor versandt und dort analysiert worden. Das Ergebnis der Analyse sei in seiner Anlage K 4 enthalten.

Der Kläger ist der Auffassung, das von ihm erworbene und angegriffene Schmiermittel des Beklagten verwirkliche die technische Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents wortsinngemäß, zumindest jedoch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Der Patentanspruch 1 des Klagepatents sei ein „product- by-process“-Anspruch , so dass nur wesentlich sei, dass wie bei der technischen Lehre des Klagepatents, bei der durch Auftragen der Komponenten Siliconöl und wässrige Seifenlösung, die Art des Auftragens und die anschließende Vermischung dieser Komponenten mittels der Hin- und Herbewegungen der Posaunenzüge eine Emulsion erzeugt werde, auch das angegriffene Schmiermittel eine Siliconölemulsion sei.

Das Landgericht hat in der Sache antragsgemäß wie folgt erkannt:

I.
Der Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnunghaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Schmiermittel zur Verwendung für die Züge von Posaunen oder ähnlichen Musikinstrumenten herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

welches die Komponenten Siliconöl und wässrige Seifenlösung enthält, wobei diese Komponenten in Form einer Emulsion zur Wirkung gelangen,

2.
dem Kläger darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang er die zu I.1. bezeichneten Handlungen sei dem 1. Juli 1991 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten. -preisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt;

3.
die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum des Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend vorstehend I.1. zu vernichten oder nach seiner Wahl an einen von dem Kläger zu bezeichnenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagen herauszugeben.

II.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 13. Juli 1991 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, wobei sich die Verpflichtung zum Schadensersatz für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt.

Zur Begründung des der Klage stattgebenden Urteils hat das Landgericht ausgeführt, dass zwar eine wortsinngemäße Benutzung der technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents durch das angegriffene Schmiermittel nicht anzunehmen sei, weil Patentanspruch 1 einen Zwei-Schichten-Aufbau des Mittels auf dem Posaunenzug voraussetze. Die angegriffene Emulsion stelle aber eine äquivalente Benutzung dar, zumal dem Durchschnittsfachmann klar sei, dass durch Betätigung der Posaunenzüge ohnehin eine Emulsion entstehe. Ob die angegriffene Ausführungsform neben Siliconöl und wässriger Seifenlösung noch andere Stoffe aufweise, sei unerheblich. Der vom Beklagten hilfsweise erhobene „Formstein“-Einwand greife nicht durch.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.

Der Beklagte macht weiterhin geltend, dass das angegriffene Mittel, wobei er ersichtlich zwischen diesem Mittel und einem „auf dem Markt befindlichen Schmiermittel“ (vgl.Bl. 28, 82 GA) unterscheidet und zum letzteren ausführt, dass es neben den im Patentanspruch enthaltenen Komponenten einen Lösungsvermittler, einen Stabilisator (Glyzerin) sowie einen Gleitverstärker (Paraffinöl) aufweise, die technische Lehre des Patentanspruches 1 nicht verwirkliche. „In jedem Fall“ habe das Mittel einen ganz speziellen Emulgator enthalten, der in der Analyse gemäß Anlage K 4 nicht aufgeführt sei. Emulgator sei nicht das auf Seite 3 der Anlage K 4 aufgeführte „Natriumsalz von Fettsäuren“. Bei dem Patentanspruch 1 des Klagepatents handele es sich nicht um einen „product-by-process“-Anspruch, so dass die Reihenfolge der Herstellung des Schmiermittels für die Verwirklichung des Klagepatents relevant sei. Die im Patentanspruch genannten beiden Komponenten müssten in der angegebenen Reihenfolge auf den entsprechenden Zug aufgebracht werden, was bei dem angegriffenen Mittel nicht der Fall sei. Eine äquivalente Verwirklichung der technischen Lehre des Patentanspruches 1 durch die angegriffene Ausführungsform scheide mangels Gleichwirkung und mangels Herleitbarkeit dieser Ausführungsform aus der Klagepatentschrift aus. Hilfsweise berufe er sich insoweit auf den „Formstein“-Einwand und stütze diesen auf die GB-A 2 087 914 (Anlage B 2) und die DE-PS 3 146 052 (Anlage B 8). – Im übrigen sei, wie sich aus seiner Nichtigkeitsklage ergebe, das Klagepatent nicht rechtsbeständig, so dass zumindest eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren veranlasst sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2003
abzuändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtstreit auszusetzen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung und auch den Aussetzungsantrag des
Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil als im Ergebnis zutreffend und bestreitet die von dem Beklagten behauptete offenkundige Vorbenutzung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften des Landgerichts und des Senats Bezug genommen.

II.

Wie sich aus der nachfolgenden Darstellung der technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents ergibt, macht das angegriffene Schmiermittel von ihr keinen Gebrauch.

Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft ein Schmiermittel für die Züge von Posaunen oder ähnlichen Musikinstrumenten (Sp. 1, Z. 3 – 5).

Nach der einleitenden Beschreibung der Klagepatentschrift war es im Stand der Technik bekannt, eine einwandfreie Gleitbewegung von Posaunenzügen dadurch zu erreichen, dass man diese mit Fettpräparaten auf Vaseline-Basis schmierte. Diese Schmiermittel haben jedoch nach dem Inhalt der Klagepatentschrift eine Reihe von Nachteilen. So ist die Gefahr groß, dass sich am (Posaunen-)Zug Fettnester bilden, die ein einwandfreies Laufen des Zuges behindern. Darüber hinaus bleibt die Schmierfähigkeit solcher Fettpräparate nur über einen relativ kurzen Zeitraum erhalten, so dass der sich bildende Schmierfilm häufig erneuert werden muss. Schließlich besteht bei diesen Fettpräparaten die Gefahr, dass ein sich bildender Schmierfilm bei Nichtgebrauch der Posaune relativ rasch erhärtet, so dass aufwendige Reinigungsarbeiten in relativ kurzen Zeitspannen erforderlich sind (vgl. Sp. 1, Z. 6 – 19).

Die Klagepatentschrift verweist ferner darauf, dass aus Chem. Abstr. 103 (1985) 73 683e ein Schmiermittel für Musikinstrumente, insbesondere Trompetenventile, bekannt sei, das Silicon und Glycerinmonostearat gelöst in Kerosin enthält (vgl. Sp. 1, Z. 20 – 23).

Ausgehend von dem aufgezeigten Stand der Technik und dessen Nachteilen liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Schmiermittel der angegebenen Art zu schaffen, das im aufgetragenen Zustand eine besonders lange Schmierfähigkeit besitzt und nicht zur Nesterbildung neigt (Sp. 1, Z. 24 – 27).

Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein Schmiermittel vorgeschlagen, das aus zwei Komponenten besteht, nämlich a) Siliconöl und b) wässriger Seifenlösung, wobei diese beiden Komponenten in der angegebenen Reihenfolge auf den entsprechenden Zug aufgebracht werden (vgl. Sp. 1, Z. 28 – 33).

Soweit der Patentanspruch 1 abweichend davon statt von „Seifenlösung“ von „Seifenlauge“ spricht, handelt es sich für den durch die Klagepatentschrift angesprochenen Durchschnittsfachmann ersichtlich um einen Druckfehler, zumal die auf Anspruch 1 Bezug nehmenden Unteranspruche 2, 5 und 6 nur von „Seifenlösung“ sprechen und auch in der Beschreibung durchweg nur der Begriff „Seifenlösung“ verwendet wird (vgl. Sp. 1, Z. 31, 37, 57, 61, 64, 68, Sp. 2, Z. 18, Sp. 3, Z. 9/10, 13/14).

Merkmalsmäßig gegliedert und unter Berücksichtigung der vorgenannten Korrektur stellt sich der Patentanspruch 1 wie folgt dar:

1. Schmiermittel für die Züge von Posaunen oder ähnlichen Musikinstrumenten;

2. das Schmiermittel besteht aus zwei Komponenten;

3. die Komponenten sind folgende:

a) die erste Komponente ist Siliconöl,

b) die zweite Komponente ist eine wässrige Seifenlösung,

4. die zwei Komponenten sind in der angegebenen Reihenfolge auf den entsprechenden Zug aufgebracht worden.

Der als Sach- bzw. Erzeugnisanspruch ausgebildete Patentanspruch 1 beschreibt das erfindungsgemäße Schmiermittel unter Bezugnahme auf die Züge von Posaunen oder ähnlichen Musikinstrumenten, ohne dass diese Gegenstand des Sachanspruchs sind. Dabei handelt es sich bei dem erfindungsgemäßen Schmiermittel – welches für Züge von Posaunen oder ähnlichen Musikinstrumenten geeignet und bestimmt ist – um ein Zweikomponentensystem, welches nach dem Inhalt der Klagepatentschrift seine erfindungsgemäß angestrebten Wirkungen entfaltet, wenn es in der Weise zusammengefügt wird, dass erst das Siliconöl auf den Zug (der Posaune) und erst danach die wässrige Lösung dort aufgebracht wird. Es wird nach dem Inhalt der Patentbeschreibung dann auf dem gebildeten Ölfilm ein fester Schmierfilm gebildet , dessen Gleitwirkung besonders lang erhalten bleibt und diesbezüglich dem eingangs erwähnten Stand der Technik überlegen ist. Es neigt nicht zu Nesterbildung, d.h. es entstehen keine örtlichen Ansammlungen des Mittels , die eine mögliche Bremsung des zugehörigen Zuges (der Posaune) herbeiführen können. Das erfindungsgemäße Mittel härtet auch nicht so schnell wie entsprechende Präparate auf Fett-Basis aus (vgl. Sp. 1, Z. 34 – 47). Neben den vorstehend aufgezeigten Vorteilen schreibt die Klagepatentschrift dem erfindungsgemäßen Mittel auch eine besonders gute korrosionsverhindernde Wirkung zu (vgl. Sp. 2, Z. 3 -10).

Den Umstand, dass nach der Anspruchsformulierung das Schmiermittel aus zwei namentlich benannten Komponenten besteht, diese also nicht nur „beinhaltet“
oder „umfasst“, wird der Durchschnittsfachmann nicht nur als bedeutungslosen Zufall ansehen. Vielmehr wird er annehmen, dass hierdurch zum Ausdruck gebracht werden soll, das Schmiermittel solle ausschließlich die beiden genannten Bestandteile enthalten (vgl. auch die sachkundige Äußerung des Klägers als Anmelder des europäischen Patents 0 453 783 gemäß Anlage B 2, Seite 2 oben). Dem steht auch nicht entgegen, dass in Anspruch 7 Wasser in Form eines Sprühnebels als dritte Komponente bezeichnet wird, denn der Durchschnittsfachmann entnimmt Anspruch 1, der Patentbeschreibung und Anspruch 6, dass Wasser ohnehin einen wesentlichen Bestandteil der wässrigen Seifenlösung bildet und das Hinzufügen einer weiteren Quantität von Wasser nicht kontraproduktiv zu den von der Erfindung angestrebten Zielen ist.

Andererseits umfassen die in der Patentschrift und im Patentanspruch verwendeten Begriffe „Siliconöl“ und insbesondere „wässrige Seifenlösung“ ein weites Spektrum von Substanzen. So entnimmt der Durchschnittsfachmann etwa Sp. 2, Z. 23 – 25, dass – wenn zum Beispiel Feinseifen zur Herstellung der wässrigen Seifenlösung gewählt werden – die Art der verwendeten Feinseife nicht kritisch ist und daher handelsübliche Seifen verwendet werden können. Handelsübliche Feinseifen können aber eine Fülle von Zusatzstoffen enthalten, wie zum Beispiel Glycerin und dergleichen mehr ( vgl. Anlagen K 9, K 5). Soweit also solche Zusatzstoffe in Seifen – der Anspruch ist dabei nicht auf Feinseifen beschränkt, wie auch Anspruch 5 verdeutlicht – vorhanden sind oder sein können, wird sie der Durchschnittsfachmann nicht als zusätzliche von Anspruch 1 verbotene Komponenten ansehen.

Soweit der Beklagte in seinen Schriftsätzen vom 18. Dezember 2002 Seite 6 (Bl. 28 GA) und vom 8. April 2004 Seite 2 (Bl. 82 GA) von einem „besonderen“ bzw. „speziellen“ Emulgator spricht, der in dem angegriffenen Schmiermittel enthalten sei, ist nicht dargetan, dass es sich dabei im Sinne der zuvor gemachten Ausführungen um eine weitere zusätzliche Komponente handelt, aus der das Schmiermittel besteht. Der Beklagte ist jedoch insoweit darlegungspflichtig (vgl. BGH, GRUR 2004, 268 ff – blasenfreie Gummibahn II).

Für die hier zu treffende Entscheidung ist die Auslegung des Merkmals 4 entscheidend, wonach die zwei Komponenten Siliconöl und wässrige Seifenlösung in der angegebenen Reihenfolge auf dem entsprechenden Zug aufgebracht worden sind.

Beschrieben wird durch diese Formulierung nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns kein Verfahren, sondern ein Erzeugnis, das bestimmte Eigenschaften und einen bestimmten Aufbau aufweist. Wie das Landgericht auf Seite 9 des angefochtenen Urteils – insoweit zutreffend – ausführt, entnimmt der Durchschnittsfachmann diesem Merkmal eine Anordnung für eine Art von „Schichtaufbau“ (- zwei geschlossene Schichten liegen wegen des teilweisen Abperlens der wässrigen Seifenlösung nicht vor -) auf den Zügen des Musikinstruments, wobei dieses , worauf bereits hingewiesen worden ist und wie auch der Anspruch 1 deutlich zum Ausdruck bringt, nicht Bestandteil des geschützten Erzeugnisses ist.

Die eine Schicht besteht aus Siliconöl, und die andere Schicht wird durch die wässrige Seifenlösung gebildet. Soweit in Anspruch 1 von einer Reihenfolge der Aufbringung der Schichten auf dem entsprechenden Zug gesprochen wird, mag dies die Bedeutung eines „product-by-process“-Anspruches haben. Der Schutz des mit diesem „Verfahrensmerkmal“ definierten einen Schichtaufbau aufweisenden Erzeugnisses ist absolut, d. h. er ist unabhängig davon, ob der Schichtaufbau durch Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge des Aufbringens erzielt worden ist, oder ob sich zum Beispiel ein aufgebrachtes Gemisch zu einem Schichtaufbau entmischt hat. Eindeutig ist jedenfalls für den Durchschnittsfachmann, dass Anspruch 1 einen Schichtaufbau des Schmiermittels, genauer den Aufbau des Schmiermittels durch zwei übereinanderliegende „Filme“ zwingend verlangt. Anderenfalls wäre das „product-by-process“-Merkmal (Merkmal 4) ohne jede Bedeutung; Anspruch 1 hätte sich mit der Anweisung begnügen können, Siliconöl und wässrige Seifenlösung einzusetzen.

Bestätigt in diesen Überlegungen sieht sich der Durchschnittsfachmann durch die Patentbeschreibung, die durchweg betont, dass Siliconöl und wässrige Seifenlösung getrennt voneinander und in einer bestimmten Reihenfolge auf den entsprechenden Zug aufzubringen sind (vgl. Sp. 1, Z. 34 – 38; Sp. 1, Z. 53 – 60; Sp. 1, Z. 65 – Sp. 2, Z. 2; Sp. 3, Z. 4 – 13), und dadurch zum Ausdruck bringt, dass Siliconöl und wässrige Seifenlösung nicht in Form eines Gemisches auf den Zügen vorliegen sollen: Zunächst soll das Siliconöl aufgebracht und gleichmäßig verteilt werden – beispielsweise durch Aufziehen des Außenzuges und gründliches Hin- und Herbewegen desselben. Dadurch bildet sich ein Ölflm (Sp. 1, Z. 37). Auf diesen Siliconfilm soll eine geeignete Menge wässriger Seifenlösung aufgebracht und auf diesem ebenfalls gleichmäßig verteilt werden (inbes. Sp. 1, Z. 68- Sp. 2, Z. 2) , beispielsweise wiederum durch Zugbewegungen (z. B.- Sp. 1, Z. 61, 62).

Dem Durchschnittsfachmann mit den Kenntnissen des Prioritätstages wird zwar durchaus bekannt gewesen sein, dass Seifen – zum Beispiel in Form eines Natriumsalzes von Fettsäuren (vgl. Anlage K 9, K4 S. 4) – ein gutes Emulgierverhalten für Fette und Öle auch mineralischer Art zeigen (vgl. Anlage K 9). In Kenntnis des Umstandes, dass die Emulgierung in der Regel die Einbringung mechanischer Energie zum Beispiel durch Rührwerke oder dergleichen (vgl. Anlage K 3) erfordert, mag er auch die Vorstellung haben, dass der übliche Gebrauch des Musikinstruments mit Betätigung der Züge unter bestimmten Umständen und auf einige Dauer gesehen soviel mechanische Energie zuführt, dass mit einem Emulgierverhalten der aus Siliconöl und wässriger Seifenlösung bestehenden Schichten oder Filme gerechnet werden kann.

Er wird jedoch bei einer Orientierung an der Klagepatentschrift nicht den geringsten Anlass zu der Annahme haben, zur Emulgierung komme es regelmäßig schon nach wenigen Zugbewegungen. Vielmehr wird er aufgrund der Ausführungen in Sp. 3, Z. 18 – 25 der Klagepatentschrift annehmen, Siliconölfilm und Film aus wässriger Seifenlösung blieben bis etwa 4 Stunden im Wesentlichen erhalten und könnten die ihnen zugewiesenen Funktionen erfüllen.

Indiz dafür, dass diese Überlegungen tatsächlich der Sichtweise des Durchschnittsfachmannes entsprechen, sind im Übrigen die Darlegungen des Klägers selbst in seiner an das EPA gerichteten Eingabe vom 17. März 1993 im das paralelle europäische Patent 0 453 783 betreffenden Erteilungsverfahren (Anlage B 5 Seiten 2, 3), in der – unter Bezugnahme auf eigene Versuche – ausdrücklich festgehalten wird, der erfinderische Gedanke bestehe darin, einen festen Film aus Siliconöl mit einem überlagernden Film aus wässriger Seifenlösung vorzusehen.

Es heißt dort wörtlich wie folgt:

„Ferner unterscheidet sich das anmeldungsgemäße Schmiermittel von dem der Entgegenhaltung durch die Art der Aufbringung. Während bei der Entgegenhaltung aus allen Bestandteilen ein Gemisch hergestellt wird, das dann auf die zu schmierenden Fläche aufgebracht wird, wird beim
Anmeldungsgegenstand zuerst das Silikonöl und danach die wäßrige
Seifenlösung aufgebracht. Diese Art der Aufbringung ist entscheidend für den anmeldungsgemäß gewünschten Erfolg. Die Aufbringung eines Gemisches aus Silikonöl und Seifenlösung würde nicht zu dem ge- wünschten Erfolg folgen, wie nachfolgend ausgeführt werden wird.

Im Gegensatz zur anmeldungsgemäßen Lösung macht es keinen Sinn, die Bestandteile Silikonöl und wäßrige Seifenlösung zu vermischen und dann aufzubringen, da sich das Silikonöl nicht in der wäßrigen Seifenlö- sung löst. In einem vom Anmelder durchgeführten Vergleichsversuch
wurden 10 ml Silikonöl mit 50 ml wäßriger Seifenlöschung vermischt. Nach Beendigung des Mischens trat eine Phasentrennung zwischen dem Sili- konöl und der wäßrigen Seifenlösung auf, und es bildete sich ein Silikon- film, der auf der wäßrigen Seifenlösung schwamm. Es trat keine Reaktion zwischen diesen Komponenten ein.“

III.

Ausgehend von der sich aus der Sicht des durch die Klagepatentschrift angesprochenen Durchschnittsfachmannes so darstellenden technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents hat das Landgericht im angefochtenen Urteil im Ergebnis zutreffend eine wortsinngemäße Verwirklichung des Patentanspruches 1 bei der angegriffenen Ausführungsform verneint.

Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Gemisch aus Siliconöl und wässriger Seifenlösung, nicht aber um ein Erzeugnis, welches den dargestellten patentgemäßen Schichtaufbau aufweist , der mittels Merkmal 4 beschrieben wird.

Das angegriffene Schmiermittel kann, soweit es vom Wortsinn des Patentanspruches 1 des Klagepatents abweicht, aber entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht als patentrechtlich äquivalent zum erfindungsgemäßen Erzeugnis angesehen werden. Die Annahme, eine Emulsion aus Siliconöl und wässriger Seifenlösung sei ein gleichwirkendes , gleichwertiges Ersatzmittel, ist schon deshalb verfehlt, weil sie letztlich auf eine Eliminierung des Merkmals 4 hinausläuft, welches aus der Sicht des Fachmannes keine bloße Überbestimmung darstellt, sondern – wie oben näher ausgeführt – im Gegenteil für die Erfindung von zentraler Bedeutung ist.

Zudem stellen – wie oben ebenfalls bereits im einzelnen aufgezeigt – Überlegungen, ein Gemisch aus Siliconöl und wässriger Seifenlösung auf den Posaunenzug oder dergleichen aufzutragen, in den Augen des sich an Aussagen der Klagepatentschrift orientierenden Durchschnittsfachmannes einen dem Erfindungsgedanken widersprechenden Irrweg dar.

Da es somit bereits an dem Vorliegen der Voraussetzungen patentrechtlicher
Äquivalenz fehlt und die Klage schon aus diesem Grunde abzuweisen ist, kann es dahingestellt bleiben, ob der von dem Beklagten geltend gemachte Stand der Technik einer Erstreckung des Äquivalenzbereiches auf die angegriffene Ausführungsform ohnehin entgegengestanden hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. liegen nicht vor.

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Vors. Richter am OLG Richter am OLG Richter am OLG