Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. Februar 2007, Az. 4a O 3/06
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten werden der Klägerin auferlegt. Der Streithelfer der Klägerin trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patent 1 017 xxx B 1 (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadensersatz und Entschädigung in Anspruch. Patentinhaber ist der Streithelfer der Klägerin, Herr Prof. Dr. A. Das Klagepatent wurde am 24.09.1998 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 26.09.1997 angemeldet, und seine Erteilung wurde am 20.11.2002 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Die Klägerin ist Inhaberin einer Lizenz an dem Klagepatent. Herr Prof. Dr. A unterzeichnete – ebenso wie ein Vertreter der Klägerin – eine „Abtretungserklärung“ vom 05.10.2005 (Anlage K 3), in der geregelt ist, dass Herr Prof. A die ihm zustehenden Unterlassungs-, Auskunfts-, Schadensersatz- und Vernichtungsansprüche wegen einer von der Beklagten begangenen Patentverletzung an die Klägerin zur Geltendmachung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abtrete. Mit Vereinbarung zwischen Herrn Prof. Dr. A und der Klägerin vom 25.01.2007 (Anlage K 12) ermächtigte Herr Prof. Dr. A die Klägerin, den aus dem Klagepatent resultierenden Unterlassungsanspruch im eigenen Namen geltend zu machen, falls die am 05.10.2005 erklärte Abtretung des Unterlassungsanspruchs unwirksam sein sollte.
Das Klagepatent bezieht sich auf eine Pflanzenschutzmatte, die als Bodenabdeckung oberhalb der Wurzelballen um den Stamm der Pflanze gelegt werden kann. Der von der Klägerin geltend gemachten Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, lautet wie folgt:
Patentanspruch 1
Pflanzenschutzmatte, insbesondere in Gestalt einer Lochscheibe (1), die in Gebrauchsstellung oberhalb des Wurzelballens einer Pflanze als Bodenabdeckung vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Lochscheibe (1) aus einem durch Latex verbundene Kokosfasern aufweisenden Kokosvlies geformt ist, wobei die Kokosfasern der Lochscheibe (1) einerseits über konturbildende Aussteifungsränder (5, 6) fixiert sind und andererseits im Bereich oberseitiger und unterseitiger Deckzonen (7, 8) Porenstrukturen (P, P’) mit jeweils unterschiedlicher Öffnungsweite bilden.
Wegen des Wortlauts der von der Klägerin „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 2 und 8 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift. Figur 1 zeigt eine Draufsicht auf eine erfindungsgemäße Pflanzenschutzmatte mit kreisförmiger Außenkontur. Figur 2 zeigt eine Schnittdarstellung gemäß einer Linie II-II in Figur 1.
Die Beklagte, die sich auf die Belieferung von Baumärkten mit Werkzeug und Gartenbedarf spezialisiert hat, bietet unter der Bezeichnung „X“ runde Pflanzenschutzmatten mit den Durchmessern 25 cm, 37 cm und 45 cm zum Verkauf an. Nachfolgend wird ein Lichtbild der Beklagten vertriebenen Pflanzenschutzmatte wiedergegeben.
Die von der Beklagten vertriebene Pflanzenschutzmatte besteht aus Kokosfasern, die in Wirrlage aufeinander liegend angeordnet sind. Das Material der Pflanzenschutzmatte weist um das mittlere Loch herum in radialer Richtung weisende Einschnitte auf. Auf einer der beiden Seiten der Pflanzenschutzmatte ist in einem Bereich von 1,5 mm auf der Oberfläche Latex aufgebracht. Auf dem bei Verkauf an die Pflanzenschutzmatte gehefteten Etikett sind Lichtbilder aufgedruckt, die eine Verwendung der Pflanzenschutzmatte für freistehenden Pflanzen sowie für Topfpflanzen zeigen.
Diese werden nachfolgend wiedergegeben.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten verletzten durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent. Die konturbildenden Aussteifungsränder, die in der Lehre des Klagepatents vorgesehen seien, seien bei der angegriffenen Ausführungsform darin zu sehen, dass sich an sämtlichen Einschnitträndern (am Außenrand, am Rand des inneren Loches und an den radial verlaufenden Einschnitten) Ränder befänden, in denen die Kokosfasern in einer besonderen Weise lagefixiert seien. Sie seien dort in der gesamten Höhe der Faserlage miteinander verklebt. In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter vorgetragen, zwar sei die Pflanzenschutzmatte am Außenrand nicht besonders fixiert, jedoch sei die Matte insbesondere an den inneren radialen Einschnitten und im Bereich des inneren Loches besonders verpresst. Der Fachmann wisse, dass es allein auf eine Verfestigung in diesen Bereichen ankomme.
Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
Pflanzenschutzmatten, insbesondere in Gestalt einer Lochscheibe, die in Gebrauchsstellung oberhalb des Wurzelballens einer Pflanze als Bodenabdeckung vorgesehen ist,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, einzuführen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
beI der die Lochscheibe aus einem durch Latex verbundene Kokosfasern aufweisenden Kokosvlies geformt ist, wobei die Kokosfasern der Lochscheibe einerseits über konturbildende Aussteifungsränder fixiert sind und andererseits im Bereich oberseitiger und unterseitiger Deckzonen Porenstrukturen mit jeweils unterschiedlicher Öffnungsweite bilden
insbesondere wenn
die Lochscheibe über einen die Aussteifungsränder formenden Trennvorgang aus einer Kokosvlies-Lage gebildet ist,
und/oder
– die oberseitige und die unterseitige Porenstruktur der Lochscheibe jeweils von unterschiedlichen Anteilen an Latex und/oder Kokosfasern in der Kokosvlies-Lage gebildet sind;
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.08.2000 begangen hat, und zwar unter Angabe,
a) der Herstellungsmengen und –zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen sowie der Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) sowie für die seit dem 20.12.2002 begangenen Handlungen unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und erzielten Gewinns;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. der Klägerin für die vorstehend unter Ziff. I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 12.08.2000 bis zum 19.12.2002 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der Herrn Prof. Dr. A durch die in Ziff. I. 1. bezeichneten, seit dem 20.12.2002 begangenen Handlungen entstanden sind oder noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch. Schadensersatz- und Auskunftsansprüche könne die Klägerin nur bis zum 05.10.2005 – dem Datum der Abtretungserklärung – verlangen. Es fehle bei der angegriffenen Ausführungsform an einer Aussteifung in den Randbereichen. Weiter sei keine Porenstruktur mit im Ober- und Unterbereich unterschiedlichen Öffnungsweiten vorhanden. Die Kokosfasern seien bei der angegriffenen Ausführungsform vielmehr gleichmäßig über die Mattendicke verteilt. Die Kokosfasern seien außerdem nicht durchgängig durch Latex verbunden, sondern durch eine Vernadelung miteinander verhakt. Das Latex diene somit bei der angegriffenen Ausführungsform nicht – wie im Klagepatent – als Bindemittel. Es ermögliche lediglich eine Glättung und damit leichtere Handhabung der Matte. Wegen der geringfügigen Verwendung von Latex weise die angegriffenen Ausführungsform auch keine langzeitstabile Struktur auf.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gelangten Schriftsätze einschließlich der Anlagen sowie auf tatsächliche Feststellungen in den Entscheidungsgründen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin kann den geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Wege der Prozessstandschaft geltend machen. Die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, Vor § 50 Rn. 44) liegen vor.
Der Patentinhaber Herr Prof. Dr. A hat die Klägerin zur Geltendmachung dieses Anspruchs im eigenen Namen ermächtigt. Durch die von Herrn Prof. Dr. A unterzeichnete Vereinbarung vom 25.01.2007 hat dieser deutlich gemacht, dass er mit einer Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Klägerin im eigenen Namen einverstanden ist. Nach der Vereinbarung sollte die Klägerin dieses Recht des Patentinhabers im eigenen Namen dann geltend machen, wenn der Unterlassungsanspruch durch die Erklärung vom 05.10.2005 nicht wirksam abgetreten werden konnte. Tatsächlich ist vorliegend der Unterlassungsanspruchs durch die Erklärung vom 05.10.2005 nicht wirksam auf die Klägerin abgetreten worden. Denn der Unterlassungsanspruch kann nur wirksam zusammen mit dem Patentrecht abgetreten werden (Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl. 2006, § 139 Rn. 18). Das Recht am Patent hat Herr Prof. Dr. A aber nicht an die Klägerin übertragen; vielmehr erfolgte eine deutliche Beschränkung der Abtretung auf eine in Frage stehende Rechtsverletzung durch die Beklagte und durch die B- GmbH.
Die Klägerin hat ein eigenes wirtschaftliches Interessen an der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs. Denn als Lizenznehmerin ist sie selbst zur Benutzung der patentgeschützten Erfindung berechtigt (Benkard/Ullmann, PatG, 10. Aufl. 2006, § 15 Rn. 102).
Schließlich entstehen durch die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs auch keine ungerechtfertigten Nachteile beim Prozessgegner.
II.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 2, 9 Nr. 1 PatG nicht zu, weil die angegriffene Ausführungsform die in Schutzanspruch 1 des Klagepatents benannte Lehre nicht verwirklicht.
1.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 eine Pflanzenschutzmatte, die als Bodenabdeckung oberhalb der Wurzelballen um den Stamm der Pflanze gelegt werden kann. Die Pflanzenschutzmatten dienen dem Schutz des Wurzelballens, der Vermeidung von Unkrautwuchs und der Speicherung von Wasser.
Im Stand der Technik sind nach der Beschreibung des Klagepatents Pflanzenschutzmatten bekannt, die aus zwei Lagen bestehen. Dabei werden eine Schicht aus Filz mit Jute- und Kokosfasern und eine Gewebeschicht verwendet. Der Nachteil dieser Erfindung besteht allerdings – so die Beschreibung – darin, dass die beiden Schichten durch Steppen oder Vernadeln miteinander verbunden werden müssen, was den Herstellungsaufwand erhöht. Auch die Entsorgung ist wegen der Verwendung der verschiedenen Materialien aufwändiger.
Das Klagepatent setzt sich daher zum Ziel, eine Pflanzenschutzmatte zu schaffen, die mit geringem Material- und Kostenaufwand in beliebiger Größe herstellbar ist. Weiterhin soll die Matte eine stabile Struktur aufweisen, Wasser speichern können und – zur Verhinderung von Unkrautwuchs – lichtundurchlässig sein. Dies soll durch Patentanspruch 1 erreicht werden, der folgende Merkmale aufweist:
1. Pflanzenschutzmatte, insbesondere in Gestalt einer Lochscheibe (1),
2. die Pflanzenschutzmatte ist in Gebrauchsstellung oberhalb des Wurzelballens einer Pflanze als Bodenabdeckung vorgesehen;
3. die Lochscheibe (1) ist aus einem Kokosvlies geformt;
4. der Kokosvlies weist durch Latex verbundene Kokosfasern auf;
5. die Kokosfasern der Lochscheibe (1) sind über konturbildende Aussteifungsränder (5, 6) fixiert;
6. die Kokosfasern der Lochscheibe (1) bilden im Bereich oberseitiger und unterseitiger Deckzonen (7, 8) Porenstrukturen (P, P’);
7. die Porenstrukturen in den ober- und unterseitigen Deckzonen haben jeweils unterschiedliche Öffnungsweiten.
2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht den Gegenstand von Schutzanspruch 1 des Klagepatents nicht wortsinngemäß. Dabei kann dahinstehen, ob die Merkmale 4 und 7 erfüllt sind. Denn jedenfalls fehlt es an einer Verwirklichung des Merkmals 5. Dieses Merkmal setzt voraus, dass die Kokosfasern der Lochscheibe über konturbildende Aussteifungsränder fixiert sind.
Die Klägerin hat zunächst behauptet, an sämtlichen Einschnitträndern (am Außenrand, am Rand des inneren Loches und an den radial verlaufenden Einschnitten) seien die Kokosfasern in einer besonderen Weise lagefixiert. Sie seien dort in der gesamten Höhe der Faserlage miteinander verklebt. Darin seien Aussteifungsränder zu sehen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin vorgetragen, bei der angegriffenen Ausführungsform seien die Kokosfasern zwar tatsächlich nur im Bereich des inneren Loches der Pflanzenschutzmatte und im Bereich der radialen Einschnitte besonders verpresst. Eine besondere Fixierung in diesen Bereichen sei aber nach dem Wortlaut des Klagepatents ausreichend, da für den Fachmann erkennbar sei, dass eine Formstabilität bereits erreicht werde, wenn die Fasern in diesem besonders beanspruchten Bereich besonders verpresst seien.
Dieser Einschätzung folgt die Kammer nicht. Denn eine Auslegung des Patentanspruchs 1 des Klagepatents ergibt, dass ein konturbildender Aussteifungsrand im Sinne des Merkmals 5 nur dann vorliegt, wenn zum einen die Kokosfasern in den fraglichen Bereichen über die gesamte Höhe des Querschnitts der Pflanzenschutzmatte fixiert werden und wenn zum anderen diese besondere Fixierung zumindest auch am Außenrand der Pflanzenschutzmatte vorhanden ist.
Entscheidend für die Auslegung der Patentansprüche ist, welchen Sinngehalt der von der Patentschrift angesprochene Fachmann dem Anspruchswortlaut beimisst (Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl. 2003, § 14 Rn. 44). Dabei sind die Beschreibung und die Patentzeichnungen sowie die Funktion des jeweiligen Merkmals zu berücksichtigen.
Bereits der Anspruchswortlaut „konturbildende Aussteifungsränder“ macht deutlich, welche Beschaffenheit die gemeinten Ausformungen haben sollen: es soll sich um eine „Aussteifung“ handeln, an der die Kokosfasern besonders fest und stabil sein sollen, fester also als im restlichen Bereich der Pflanzenschutzmatte. Aus der Beschreibung und der Funktion dieses Merkmals ergibt sich weiter, dass die Aussteifung derart beschaffen sein soll, dass die Kokosfasern im Bereich der Aussteifung im gesamten Querschnitt miteinander fest verbunden sein sollen. So heisst es in Spalte 1, Zeile 32f:
„Die Pflanzenschutzmatte gemäß der Erfindung ist als ein nur aus Kokosfasern und Latex bestehender Formkörper gefertigt, dessen an einem konturbildenden Aussteifungsrand fixierte Kokosfasern im Verbund mit den Latexteilen des Kokosvlieses […] Deckzonen […] bilden.“
Da das Klagepatent also darauf abstellt, dass die Kokosfasern der Pflanzenschutzmatte fixiert sind und nicht etwa einschränkend formuliert, dass nur einzelne Kokosfasern oder diese nur teilweise fixiert werden sollen, deutet dies bereits darauf hin, dass im Bereich der Ränder eine haltbare Verbindung sämtlicher dort befindlicher Kokosfasern hergestellt werden soll. Für dieses Verständnis spricht auch die im Klagepatent ausführlich beschriebene Herstellungsweise, die die Aussteifung an den Rändern bewirken soll: bei einer Stanzung sollen sich die Kokosfasern mit den zu diesem Zeitpunkt nicht ausgehärteten Latexbestandteilen unter Schnittkraftwirkung so verfestigen, dass danach diese ausgesteiften Ränder der Lochscheibe eine vorteilhafte Konturstabilität vermitteln sollen (Spalte 2, Zeile 13). Auch hier wird damit deutlich, dass der Latex jedenfalls im Randbereich alle Kokosfasern erfassen soll. Die Ränder sollen nach der Stanzung nämlich eine derart feste Struktur aufweisen, dass sie sogar der Lochscheibe insgesamt eine Stabilität vermitteln können. Hierfür wird aber – wie der Fachmann erkennt – mehr als nur eine oberflächliche Verbindung der Kokosfasern benötigt.
Weiterhin macht das Klagepatent dem Fachmann deutlich, dass die randseitigen Verfestigungen insbesondere auch an der Außenkante der Pflanzenschutzmatte und an den zum Innenloch weisenden Rändern hergestellt werden müssen.
Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff der „Konturbildung“ und der „-ränder“. Diese Begriffe implizieren, dass sich die Verfestigungen an solchen Stellen befinden müssen, die die Begrenzungen der Lochscheibe bilden. Denn eine Kontur ist bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Umriss, d.h. die Silhouette eines Körpers. Auch der Begriff der „-ränder“ legt ein solches Verständnis nahe. Dass auch das Klagepatent den Begriff der Kontur zumindest als den äußeren Umriss der Lochscheibe definiert, ergibt sich aus Spalte 2, Zeile 45 der Beschreibung. Dort wird ausgeführt, dass mit einem Arbeitshub der Stanzvorrichtung die „Kontur“ der Scheibe, das Mittelloch und der Radialschlitz erzeugt werde. Mit dem dort verwendeten Begriff der Kontur kann aufgrund des Sinnzusammenhangs nur der Außenrand gemeint sein. In dieser Bedeutung verwendet das Klagepatent den Begriff der Kontur auch weitergehend in der Beschreibung (vgl. Spalte 3, Zeile 5; Spalte 4, Zeile 7).
Diese Auslegung, nach der die klagepatentgemäße Lochscheibe zumindest an den Außenrändern eine besondere Verfestigung aufweisen muss, wird dem Fachmann zudem durch die im Klagepatent beschriebene Funktion dieses Merkmals nahe gelegt. Dort wird an mehreren Stellen ausgeführt, dass die Aussteifungsränder die Funktion erfüllen sollen, die Pflanzenschutzmatte formstabil zu halten. So heisst es in Spalte 2, Zeile 16ff (Unterstreichungen eingefügt):
„… in dessen Bereich sich die Kokosfasern und die bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgehärteten Latexbestandteilen unter Schnittkraftwirkung so verfestigen, dass danach diese ausgesteiften Ränder den Lochscheiben eine vorteilhafte Konturstabilität vermitteln.“
In Spalte 4, Zeile 32 heisst es:
„Die Mattenbestandteile sind danach randseitig nach Art einer Verklebung belastungsstabil fixiert.“
Durch diese Stellen erkennt der Fachmann, dass eine Aussteifung im Bereich der Ränder bzw. der äußeren Begrenzungen der Lochscheibe, also der Kontur, erfolgen soll. Die in der Beschreibung erwähnte Stabilität der Kontur kann nämlich nur dann erreicht werden, wenn die Scheibe an den Außenrändern stabilisiert wird, so dass die Matte nicht nach außen oder innen ausfranst. Darüber hinaus sollen – so die Beschreibung – die Aussteifungsränder verhindern, dass die Pflanzenschutzmatte nicht durch aufgenommenes Wasser zu weit aufquillt oder sogar aufreisst (Spalte 4, Zeile 36). Dafür kommt es aber entscheidend darauf an, dass der Kokosvlies zumindest an einer Seite, vorzugsweise auch an einer zweiten Seite im Bereich des mittleren Loches, stabil ist und dadurch Druck standhalten kann, der auf den gesamten Bereich der Matte nach oben und nach unten wirkt. Der Fachmann erkennt daher, dass es dem Klagepatent keineswegs nur darauf ankommt, dass die Aussteifungen gegen innenseitige Belastungen schützen soll, die vom Stamm der geschützten Pflanze ausgehen. Für eine solche eingeschränkte Funktion der Aussteifungen finden sich im Klagepatent keinerlei Anhaltspunkte, und auch die Klägerin, die sich in der mündlichen Verhandlung hierauf berufen hat, hat keine solchen Hinweise aufzuzeigen vermocht.
An weiteren Stellen der Beschreibung wird ausdrücklich erläutert, dass die besondere Verfestigung im Bereich des Innenlochs und der Außenkante hergestellt werden soll. So gibt das Klagepatent in Spalte 4, Zeile 18 vor, dass die Umfangskontur und der Lochrand gleichzeitig gestanzt werden sollen, und dass in diesen Bereichen zugleich die Aussteifungsränder gebildet werden.
Auch in den Patentzeichnungen werden die Aussteifungsränder (5, 6) ausschließlich im Bereich des Außenrandes und im Bereich des an das mittlere Loch angrenzenden Rand eingezeichnet, so dass der Fachmann in der Annahme bestärkt wird, dass das Klagepatent eine besondere Verfestigung des Kokosvlies in diesen Bereichen als für die Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe unerlässlich ansieht.
Bei der angegriffenen Ausführungsform ist weder eine Verpressung der Kokosfasern über den gesamten Querschnitt der Pflanzenschutzmatte vorhanden noch ist die Matte an den Außenrändern fixiert. Im Bereich des Außenrandes weist die angegriffene Ausführungsform keinerlei Verpressung auf. Die angegriffene Ausführungsform ist am Außenrand ebenso dick wie im restlichen Bereich. Dies ist mit dem bloßen Auge erkennbar. Darüber hinaus lässt sich feststellen – und dies wurde von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung demonstriert -, dass sich die Kokosfasern im Außenbereich ebenso leicht lösen lassen wie im restlichen Bereich der Matte.
Aber auch die Ränder der inneren radialen Einschnitte und die inneren Ränder der Lochscheibe sind nicht in der vom Klagepatent vorgesehenen Weise verpresst. Denn zwar ist zu erkennen, dass die Matte in diesen Bereichen in Richtung der Einschnitte Abrundungen aufweist, die auf einen Pressvorgang hindeuten. Allerdings ist bei näherer Betrachtung des Querschnitts an diesen Stellen ersichtlich, dass die engere Verbindung der Kokosfasern nur im oberen Bereich der Pflanzenschutzmatte gegeben ist. Im unteren Bereich liegen Kokosfasern lose auf und sind nicht lagefixiert.
Merkmal 5 ist damit nicht erfüllt.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709, 101 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO.
Streitwert: 100.000,00 Euro