2 U 50/00 – Spitzer für Weichminenstifte

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 134 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 17. Januar 2002, Az. 2 U 50/00 

1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. März 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 40.000 DM (20.500 €) abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können jeweils durch die Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder öffentlichen Sparkasse geleistet werden.

4.
Beschwer der Klägerin und Streitwert für das Berufungsverfahren: 51.02 DM (23.61 €).

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin des deutschen Patents 38 24 883 (im folgenden: Klagepatent), das auf einer am 22. Juli 1988 eingegangenen und am 1. Februar 1990 offengelegten Anmeldung beruht. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 3. Januar 1991.

Der einzige Anspruch des Klagepatents lautet:

Spitzer für Weichminenstifte, insbesondere für Kosmetikstifte, mit einem tangential zum konischen Spitzerkanal des Spitzergehäuses angestellten Spitzermesser und einem quer in den Spitzerkanal hineinreichenden Fassonmesser mit einer bogenförmigen Schneide, wobei der Spitzerkanal im Bereich des Fassonmessers oben und unten offen ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Fassonmesser ein einstückig an den seitlichen Begrenzungswänden (6) des offenen Spitzerkanalendes (5) angeformtes Teil (7) des Spitzergehäuses (1) ist, dass das Fassonmesser durch einen querschnittlich dreieckigen Steg (7) gebildet ist und dass der Steg (7) so gebogen ist, dass die Seelenachse etwa im Scheitelpunkt schneidet und die Schneide (8) entsprechend dem Minenradius anliegt.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren aus der Klagepatentschrift zeigen: Figur 1 eine perspektivische Ansicht eines erfindungsgemäßen Kosmetikstiftspitzers, Figur 2 eine Aufsicht auf den Spitzer nach Figur 1, Figur 3 eine perspektivische, um etwa 180° gegenüber der Abbildung gemäß Figur 1 versetzte und teilweise geschnittene Ansicht des Spitzers bei abgenommenem Spitzermesser und Figur 4 einen vergrößerten Längsschnitt durch einen erfindungsgemäßen Spitzer (wiederum ohne Spitzermesser):

Die Beklagte stellt her und vertreibt Kosmetikstiftspitzer, u.a. die Modelle „K1 Art.-Nr. 9005“ (Einzelspitzer) und „K1 Art.-Nr. 9020“ (Doppelspitzer), wegen deren Ausgestaltung auf die von der Klägerin als Anl. K 7.1 und K 7.2 sowie von der Beklagten als Anl. BD 2 und BD 3 überreichten Musterstücke Bezug genommen wird. Die allgemeine Ausgestaltung dieser Spitzer ergibt sich auch aus den von der Klägerin als Anl. K 8 und K 9 sowie von der Beklagten als Anl. BD 4/1, BD 4/2, BD 4/3 sowie BD 5 überreichten Abbildungen, von denen die gemäß der Anl. BD 5 nachstehend wiedergegeben ist:

Die Klägerin hat geltend gemacht: Die genannten Spitzer der Beklagten, bei denen die (von der Beklagten so bezeichnete) „Schaberippe“ in ihrem beim Spitzvorgang mit der Mine des anzuspitzenden Kosmetikstiftes in Kontakt kommenden Teil im Querschnitt dreieckig sei und dort eine bogenförmige Schneide bilde, machten wortsinngemäß von der Lehre des Klagepatents Gebrauch.

Die Klägerin hat beantragt,

I.
die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Spitzer für Weichminenstifte, insbesondere für Kosmetikstifte, mit einem
tangential zum konischen Spitzerkanal des Spitzergehäuses angestell-
ten Spitzermesser und einem quer in den Spitzerkanal hineinreichenden
Fassonmesser mit einer bogenförmigen Schneide und einem im Bereich
des Fassonmessers oben und unten offenen Spitzerkanal

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder
zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen das Fassonmesser ein einstückig an den seitlichen Begren-
zungswänden des offenen Spitzerkanalendes angeformtes Teil des
Spitzergehäuses ist, das Fassonmesser durch einen im Bereich
der Schneide querschnittlich dreieckigen Steg gebildet ist und der
Steg so gebogen ist, dass die Seelenachse etwa im Scheitelpunkt
schneidet und die Schneide entsprechend dem Minenradius anliegt;

2. ihr – der Klägerin – darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie
– die Beklagte – die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 3. Februar
1991 begangen habe, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und
Anschriften der jeweiligen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und
Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Ge-
stehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem
1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf solche im Gebiet der Bundes-
republik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden
Grenzen beschränke;

II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr – der Klägerin – allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 3. Februar 1991 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde, wobei sich die Verpflichtung zum Schadensersatz für die vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf solche im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränke.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und eingewendet: Die angegriffenen Spitzer verletzten das Klagepatent nicht, weil sie kein stegartiges Fassonmesser mit einer bogenförmigen Schneide hätten; die dort vorhandene gekrümmte Platte schneide die Mine des anzuspitzenden Kosmetikstiftes nicht, sondern schabe sie ab; sie sei auch nicht so gebogen, dass die Seelenachse des Stiftes etwa im Scheitelpunkt schneide. Schließlich sei entgegen der Lehre des Klagepatents bei den angegriffenen Spitzern der Spitzerkanal an seinem Ende nach hinten nicht offen, sondern geschlossen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf das Urteil vom 9. März 2000 wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt und hilfsweise beantragt,

die Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur Entscheidung über die von ihr im März 2001 gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung und des Aussetzungsantrages.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage, weil die Beklagte mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Weichminenspitzer das Klagepatent nicht verletzt.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Spitzer für Weichminenstifte, insbesondere für Kosmetikstifte, der einen konischen Spitzerkanal, ein tangential dazu angestelltes Spitzermesser und ein quer in den Spitzerkanal hineinreichendes Fassonmesser mit einer bogenförmigen Schneide aufweist, wobei der Spitzerkanal im Bereich des Fassonmessers oben und unten offen ist.

Bei Stiften der genannten Art, insbesondere bei Kosmetikstiften, die z.B. als Augenbrauenstifte eingesetzt werden, ist es im Gegensatz zu Blei- und Buntstiften wünschenswert, dass sie an ihrem vorderen Ende nicht spitz, sondern stumpf zulaufen, dass sie also beim Spitzvorgang nicht nur – wie Bleistifte – tangential zum konisch verlaufenden Spitzerkanal des Spitzergehäuses abgeschält, sondern zugleich an ihrem Ende abgerundet werden. Zu diesem Zweck weisen Spitzer für derartige Stifte neben dem Spitzermesser, das tangential zum konischen Spitzerkanal angestellt ist, ein weiteres Messer, nämlich ein sogenanntes Fassonmesser auf, das quer in den Spitzerkanal hineinreicht. Die Minen solcher Stifte sind nicht nur deutlich weicher als die von Bleistiften, sondern bestehen – vor allem bei Kosmetikstiften – häufig aus einem ziemlich fettigen Material; deshalb ist die Abführung der beim Spitzen entstehenden Abfälle verhältnismäßig schwierig, weil diese, vor allem, soweit sie von der Mine des Spitzers stammen, nicht einfach aus dem Spitzer herausfallen, sondern wegen ihrer fettigen Konsistenz das Bestreben haben, am Messer oder an anderen Teilen des Spitzers anzuhaften, was die Gefahr von Verschmierungen mit sich bringt.

Die Klagepatentschrift führt aus (Spalte 1 Zeilen 10-12), Spitzer für Weichminenstifte mit einem zusätzlichen Fassonmesser seien bereits in den verschiedensten Ausführungsformen bekannt geworden.

Sie erwähnt dann (Spalte 1 Zeilen 12-21) zunächst einen Spitzer gemäß der
DE-AS 12 68 019 (Anl. K 2 zur Klageschrift, deren Figuren 1-6 nachstehend wiedergegeben werden:

Der dort gezeigte Spitzer ist sowohl für harte als auch für weiche Minen geeignet (Anl. K 2, Spalte 1 Zeilen 11-15); bei ihm ist das Fassonmesser quer zur Achse des Spitzerkanals gerichtet, was, wie der Durchschnittsfachmann der genannten Auslegeschrift (Spalte 1 Zeilen 26-40) entnimmt, zur Aufnahme von Querkräften dient.

Die oben wiedergegebenen Figuren aus dieser Auslegeschrift zeigen ein aus Metall bestehendes Fassonmesser (1), das entweder in Führungen (4 a, 4 b) im Spitzergehäuse hineingeschoben oder bei der Spritzgießfertigung des Spitzergehäuses mitumspritzt wird und das mit seiner Schneidkante (2) die Minenspitze abrundet. Zur Abfuhr der Spitzerabfälle, vor allem der, die unterhalb des Spitzermessers anfallen, ist ein Auswerfloch (8) an der Unterseite des Spitzergehäuses vorgesehen.

Die Klagepatentschrift kritisiert an diesem Spitzer, sein Aufbau sei relativ kompliziert und arbeitsaufwendig; darüber hinaus sei das Herausfallen der leicht zum Verschmieren neigenden Spitzerabfälle nicht sicher gewährleistet. Dem vom Klagepatent angesprochenen Durchschnittsfachmann ist klar, dass sich die zuletzt genannte Kritik des Klagepatents nicht auf die Abfuhr der Holzspäne bezieht, die ohnehin an der Oberfläche des Spitzermessers abtransportiert werden. Mit den „zum Verschmieren neigenden Spitzerabfällen“ sind vor allem Bestandteile der Mine selbst gemeint, und zwar insbesondere solche, die mittels des Fassonmessers von der Spitze der Mine abgeschält werden und die Eigenschaft besitzen, im Bereich des Spitzerkanals haften zu bleiben, wenn nicht besondere Vorkehrungen getroffen werden. Kein Problem stellen die Minenbestandteile wiederum dar, soweit sie zusammen mit den Holzspänen auf die Oberfläche des Spitzermessers gelangen. Auch wenn sie klebrig sind, können sie dort einfach abgewischt werden. Die Entfernung der genannten Abfälle ist aber schwierig, wenn das Fassonmesser im Inneren des Gehäuses des Spitzerkanals liegt und sich in seiner Nähe flächige Gehäuseteile befinden, an denen sich die klebrigen Minenbestandteile festsetzen können, und wenn schließlich nur verhältnismäßig kleine Öffnungen für eine „Ausfuhr“ der zum Verschmieren neigenden Spitzerabfälle zur Verfügung stehen. In der Tat erscheint das Auswerfloch (8) des Spitzers nach der DE-AS 12 68 019 (vgl. Anl. K 2, Spalte 2 Zeilen 42-44 sowie Figuren 2 und 4 der genannten Auslegeschrift) so klein und von flächigen Gehäuseteilen umgeben, dass die Kritik des Klagepatents durchaus nachvollziehbar ist.

Die Klagepatentschrift führt sodann in Spalte 1, Zeilen 22 ff aus, eine derartige Spitzerabfallausfuhr sei bei einem in der DE-OS 31 45 536 (Anl. K 4) beschriebenen Kosmetikstiftspitzer „besser“. In den Zeilen 25, 26 wird auch gleich die Erklärung geliefert, warum dieser vorbekannte Spitzer in bezug auf die Beseitigung der störenden Spitzerabfälle „besser“ ist: Der Spitzerkanal ist nämlich im Bereich des Fassonmessers oben und unten offen. Wie die Figuren 1, 2, 4 und 5 der genannten Offenlegungsschrift zeigen, von denen die Figuren 1 und 2 nachfolgend teilweise wiedergegeben werden,

eröffnet sich im Grundkörper (14) des Spitzers neben dem Spitzermesser ein breiter „Spitzspalt“ (42), der den gesamten Grundkörper durchdringt. Offenbar sind in der Nähe des Fassonmessers, über dessen genaue Ausbildung allerdings in der genannten Offenlegungsschrift nichts gesagt wird, wie die Klagepatentschrift zutreffend hervorhebt, keine größeren Flächen vorhanden, an denen klebrige Minenreste haften bleiben können, und außerdem eröffnet der durchgehende Spitzspalt ohne weiteres die Möglichkeit einer Reinigung z.B. durch Reinigungsstäbchen, wie dies auf Seite 11 Zeilen 13-19 der genannten Offenlegungsschrift auch dargelegt wird.

Die Klagepatentschrift weist dann (Spalte 1 Zeilen 31-39) auf die deutsche Gebrauchsmusterschrift 70 27 544 (Anl. K 5) hin, in welcher bereits der Vorschlag gemacht worden sei, das Fassonmesser als eine im Spitzerkanal liegende Kante des Spitzerkörpers auszubilden. Wie sich aus den nachstehend wiedergegebenen Figuren 3 und 4 der genannten Gebrauchsmusterschrift ergibt,

weist der dort genannte Spitzer im Bereich des Spitzermessers einen Längsschlitz (9) auf, dessen in den Spitzerkanal eingreifende Seitenwand (11) am Ende (7) des Kanals eine bogenförmig verlaufende Kante (12) bildet, die als Fassonmesser wirkt und die Spitze der Mine eines in Figur 4 strichpunktiert dargestellten Stiftes (13) bogenförmig abrundet.

Die Klagepatentschrift nennt es nachteilig, dass die dort getroffene Ausbildung nicht zu einem echten Schneiden des Fassonmessers führe, dass dort vielmehr die Mine lediglich abgeschabt werde, was bei weichen Kosmetikstiften wegen der hohen Verschmierungsgefahr unbedingt vermieden werden solle.

Die Klagepatentschrift bezeichnet es sodann (Spalte 1 Zeilen 40-43) als Aufgabe der Erfindung, einen Spitzer der eingangs genannten Art so auszugestalten, dass er bei einfacher Herstellung ein verbessertes Spitzen auch besonders weicher Minen gewährleiste.

Auf dem Hintergrund der Kritik des Klagepatents an dem von ihm genannten Stand der Technik wird mit dem in der Aufgabenformulierung genannten Ziel, ein verbessertes Spitzen auch besonders weicher Minen zu gewährleisten, nach dem Verständnis des vom Klagepatent angesprochenen Durchschnittsfachmanns nicht nur die Funktion des Fassonmessers als schneidendes Messer – im Gegensatz zum bloß schabenden Messer des DE-GM 70 27 544 (Anl. K 5) – angesprochen, sondern selbstverständlich auch der Gesichtspunkt einer Spitzerabfallausfuhr, die es zumindest gegenüber dem aus der DE-AS 12 68 019 bekannten Spitzer zu verbessern gilt.

Die Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden technischen Problems besteht in einer Vorrichtung mit folgenden Merkmalen:

1. Spitzer für Weichminenstifte, insbesondere Kosmetikstifte, mit einem
konisch verlaufenden Spitzerkanal;

2. tangential zum Spitzerkanal ist ein Spitzermesser angestellt;

3. quer in den Spitzerkanal reicht ein Fassonmesser mit einer bogenför-
migen Schneide hinein;

4. der Spitzerkanal ist im Bereich des Fassonmessers oben und unten
offen.

– Oberbegriff –

5. Das Fassonmesser ist

a) ein Teil (7) des Spitzergehäuses (1),

b) das einstückig an den seitlichen Begrenzungswänden (6) des offenen
Spitzerkanalendes (5) angeformt

c) und durch einen im Querschnitt dreieckigen Steg (7) gebildet ist.

6. Der Steg (7) ist so gebogen,

a) dass die Seelenachse etwa im Scheitelpunkt schneidet

b) und die Schneide (8) entsprechend dem Minenradius anliegt.

– Kennzeichen –

Wie der Durchschnittsfachmann erkennt, befassen sich die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs mit einer besonderen Ausgestaltung des Fassonmessers, durch die gleichsam mit einem Schlag alle aufgezeigten Probleme gelöst werden. Das Fertigungsproblem wird dadurch gelöst, dass das Fassonmesser ein integraler Teil des Spitzergehäuses ist, der einstückig an den seitlichen Begrenzungswänden des offenen – und zwar im Sinne von Merkmal 4, also nach oben und unten offenen – Spitzerkanalendes angeformt wird. Dabei ist die offene Ausgestaltung des Spitzerkanalendes nicht nur, wie Spalte 1 Zeilen 22-26 der Klagepatentschrift dem Durchschnittsfachmann offenbaren, für die Spitzerabfallausfuhr von Bedeutung, sondern sie ermöglicht bei der Herstellung auch den leichten Zugang von Formwerkzeugen, wie dies in Spalte 1, Zeilen 59-65 beschrieben wird. Die in Merkmalsgruppe 6 und in Merkmal 5 c beschriebene besondere Formgebung des Fassonmessers verhindert das bloße Abschaben der Mine und ermöglicht ein schneidendes Abschälen (vgl. Spalte 1, Zeilen 65-68) an der vorderen Spitze der Mine, so dass sich die gewüschte runde Spitzenform ergibt (vgl. Spalte 2, Zeilen 34-38).

Für den Durchschnittsfachmann ist jedoch ersichtlich, dass die Merkmale 5 c und 6 nicht allein die Funktion eines schneidenden Messers betreffen, sondern dass mit dem Begriff „Steg“ eine weitere Funktion angesprochen wird:

Ein Steg ist schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein relativ schmales, brückenähnliches Gebilde. Der Durchschnittsfachmann wird sich fragen, ob der Klagepatentschrift ein davon abweichendes technisches Begriffsverständnis zugrundeliegt. Wenn er in den Merkmalen 5 b und 5 c liest, dass das durch einen im Querschnitt dreieckigen Steg gebildete Fassonmesser einstückig an den seitlichen Begrenzungswänden des Spitzerkanalendes angeformt sein soll, so hat er durchaus die Vorstellung eines relativ schmalen Gebildes, das den Zwischenraum zwischen den Begrenzungswänden überbrückt, eine Vorstellung, die durch die Darstellung in den Figuren 2 und 3 des Klagepatents bestärkt wird. Der Durchschnittsfachmann hat auch durchaus Anlaß, die Beschreibung in Spalte 2 Zeilen 29-34 in Verbindung mit der Figurendarstellung nicht als bloße Besonderheit des Ausführungsbeispiels zu werten, sondern den Begriff „Steg“ wortwörtlich zu nehmen. Es ist ihm nämlich durchaus klar, dass ein relativ schmaler, querschnittlich im wesentlichen dreieckförmiger Steg, von dem eine der Dreiecksspitzen die Messerschneide bildet, in hervorragender Weise das Problem der Spitzerabfallausfuhr auch bei klebrigen Minenbestandteilen zu lösen vermag. Zum einen ist ein schmaler dreieckiger Steg von so kleiner Fläche, dass die beim Abschälen der Minenspitze entstehenden zum Verschmieren neigenden Abfälle kaum Platz zum Anhaften haben, anders als dann, wenn die Messerschneide Bestandteil eines flächigen, plattenartigen Gebildes ist. Zum anderen ist es ohne größeren Aufwand möglich, etwa an dem Steg anhaftende Rückstände leicht zu entfernen, eben weil die Fläche klein ist und wenig Platz zum Anhaften der Rückstände bietet.

II.

Von der vorstehend dargestellten Lehre des Klagepatents machen die angegriffenen Spitzer der Beklagten keinen Gebrauch. Denn bei ihnen besteht das Fassonmesser in Abweichung von Merkmal 5 c nicht aus einem im Querschnitt dreieckigen Steg und ist auch nicht, wie es Merkmal 5 b lehrt, (nur) an den seitlichen Begrenzungswänden des offenen Spitzerkanalendes angeformt, vielmehr dient hier als Fassonmesser eine gekrümmte Platte, die einen erheblichen Teil des Spitzerkanalendes einnimmt und die nicht nur an den seitlichen Begrenzungswänden des Spitzerkanals angeformt ist, sondern auch an seinem Ende, und an deren Rand sich eine Art Rippe befindet, die während des Spitzvorgangs die Mine an ihrem vorderen Ende durch Abtrennen von Material abrundet, wobei, wie Versuche mit den angegriffenen Spitzern der Beklagten ergeben, das abgetrennte Minenmaterial – vor allem bei Minen mit eher fettiger Konsistenz – auch dann ziemlich fest an der unteren Seite der Platte anhaftet, wenn man den Spitzer bei der Benutzung so hält, dass diese Seite nach unten zeigt. Das anhaftende Material läßt sich dann nur verhältnismäßig mühsam aus dem Spitzergehäuse entfernen, wobei man oft mit dem von der Beklagten am Spitzer angebrachten Reinigungsstäbchen allein nicht auskommt, sondern zusätzliche Hilfsmittel, z.B. ein Papiertaschentuch oder dergleichen, benötigt.

Das bei den angegriffenen Spitzern vorhandene, nicht dem Wortsinn der Merkmale 5 b und 5 c entsprechende Fassonmesser erzielt wegen des dargestellten Anhaftens des größten Teils des vom Fassonmesser abgetrennten Materials der Mine auch nicht die Wirkung, die das Klagepatent mit den Merkmalen 5 b und 5 c erreichen will, so dass die genannten Merkmale bei den angegriffenen Ausführungsformen auch nicht äquivalent verwirklicht sind.

III.

Die Klage war daher unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen, ohne dass es noch eines Eingehens auf die Frage bedurft hätte, ob das Klagepatent in dem anhängigen Nichtigkeitsverfahren Bestand haben wird oder nicht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

S3 K4 R2