2 U 118/09 – Matratze II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1393

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. Juni 2010, Az. 2 U 118/09

I.
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 8. September 2009 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die einstweilige Verfügung desselben Gerichts vom 9. April 2009 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu tragen.

III.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,– Euro festgesetzt.

G r ü n d e :

Die Berufung der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Soweit das Landgericht die einstweilige Verfügung auf Patentanspruch 1 des Verfügungspatents (DE 10 2006 025 XXX; Anlage PBP 4) gestützt hat, kann die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung schon mangels Benutzung dieses Anspruchs keinen Bestand haben. Was den ferner geltend gemachten Patentanspruch 19 des Verfügungspatents anbelangt, kann dem Verfügungsbegehren ebenfalls nicht entsprochen werden, weil es an einem Verfügungsgrund fehlt.

Über die bereits im Verhandlungstermin erteilten Hinweise des Senats hinaus gilt im Einzelnen Folgendes:

I.

Das Verfügungspatent betrifft ein Polsterelement, insbesondere eine Matratze, mit einem Grundkörper und einer Federelementeinheit, die mit einer Vielzahl von Federelementen versehen ist. Darüber hinaus hat das Verfügungspatent auch eine derartige Federelementeinheit selbst zum Gegenstand.

Gemäß den einleitenden Angaben der Verfügungspatentschrift sind bei bekannten Federkernmatratzen in Stofftaschen eingebrachte Metallfedern als Federelemente vorgesehen. Der so gebildete Metallfederkern wird auch als Bonellfederkern oder Taschenfederkern bezeichnet. Oberhalb des Metallfederkerns wird eine aus Schaumstoff bestehende Polsterung positioniert, die in der Regel aus Blockschaum gefertigt ist und eine bestEte Elastizität aufweist. Ferner sind im Stand der Technik Schaumstoffmatratzen mit in den Schaumstoffkern eingearbeiteten Drahtfedern bekannt (vgl. Anlage PBP 4, Abs. [0002]).

Wie die Verfügungspatentschrift in ihrer Einleitung zum Stand der Technik weiter ausführt, ist außerdem aus der DE 299 18 893 (Anlage PBP 6) ein Polsterelement für Möbel und Matratzen bekannt, bei dem eine Vielzahl von Federelementen (1; Bezugszeichen gemäß Anlage PBP 6) zu einem flächigen Verbund zusammengestellt ist. Hierbei sind die Federelemente (1) aus Schafwolle gefertigt und in vorzugsweise aus Baumwolle hergestellte Taschen (3) eingefüllt, wobei die oberen Stirnseiten der Taschenfedern die spätere Lastfläche bilden. Zur Schaffung eines großflächigen Polsterelementes wird eine Vielzahl der Federelemente nebeneinander angeordnet und in einzelnen Reihen jeweils miteinander verbunden, vorzugsweise miteinander vernäht (Anlage PBP 4, Abs. [0003]).

Aus der DE 39 37 214 A1 (Anlage PBP 7), auf welche die Verfügungspatentschrift einleitend ebenfalls eingeht, ist des Weiteren ein Polsterelement zur Lagerung eines liegenden menschlichen Körpers bekannt, bei dem ein Matratzenteil aus elastischem Werkstoff, wie beispielsweise Schaumstoff, eine Vielzahl nebeneinander angeordneter Kanäle (2 – 10, 22, 30; Bezugszeichen gemäß Anlage PBP 7) aufweist. In die Kanäle sind Einsatzstücke (11, 13, 14, 15, 21, 23, 25) unterschiedlicher Elastizität eingeschoben, so dass das Matratzenteil über seine Liegefläche lokal unterschiedliche Elastizitätsbereiche aufweist. Die Einsatzstücke können aus einem elastischen Werkstoff entsprechend demjenigen des Matratzenteils bestehen (vgl. Anlage PBP 4, Abs. [0004]).

Als weiteren Stand der Technik erwähnt die Verfügungspatentschrift die
JP 08103581 A1 (Anlage PBP 8), welche eine Federelementeinheit mit mehreren Federelementen offenbart, die aus Polyolefinharzschaum bestehen und mit einer Ausnehmung versehen sind (vgl. Anlage PBP 4, Abschnitt [0005]).

Die Verfügungspatentschrift geht einleitend ferner auf die DE 195 21 910 C1 (Anlage PBP 9) ein, welche ein Polsterelement aus Latex-Schaumstoff mit einer Vielzahl von Federelementen offenbart. Die Federelementeinheit ist durch eine in Horizontalebene durchgehende Mittelschicht (1; Bezugszeichen gemäß Anlage PBP 9) und daran anschließende, sich nach oben und unten erstreckende Vorsprünge (2) definiert. Zwischen den einzelnen Vorsprüngen sind Luftkanäle (3) vorgesehen. Die konisch ausgeformten Vorsprünge stellen eine hohe Punktelastizität bereit. Vorzugsweise sind die Luftkanäle mit einem Lippenventil (5) versehen, so dass eine Luftverbindung nur dann möglich ist, wenn ein entsprechender Druck auf die Matratze ausgeübt wird. Schließlich umfassen die einzelnen Vorsprünge (2) so genannte Blindkanäle (4), die zur Erhöhung der Elastizität der konischen Vorsprünge vorgesehen und nach Art eines Sacklochs ausgebildet sind (vgl. Anlage PBP 4, Abs. [0006]).

Als weiteren Stand der Technik erwähnt die Verfügungspatentschrift die DE 78 29 649 U1 (Anlage PBP 10), welche einen elastischen Federkörper aus einem Schaumkunststoff offenbart, wobei nach einer Ausführungsform die Wandung eines rohrförmigen Federkörpers mit Öffnungen versehen ist und durch das Umbiegen eines Mantels in der Mitte des Federkörpers eine Ausnehmung entsteht (vgl. Anlage PBP 4, Abs. [0007]).

Die Verfügungspatentschrift befasst sich sodann mit der DE 103 27 258 A1 (Anlage PBP 11), die ein Polster, insbesondere eine Matratze, mit einem elastischen Polsterkern zeigt, der ganz oder teilweise als Schaumstoffkern ausgebildet ist. Weiterhin weist die Matratze nebeneinander angeordnete Schaumstoffsegmente (4, 5, 6; 27, 28; 64, 66; Bezugszeichen gemäß Anlage PBP 11) auf, die im Wesentlichen unabhängig voneinander komprimierbar sind. Bei einer Ausführungsform (Figuren 7 und 8) umfasst das Polsterelement einen Grundkörper mit einer Bodenplatte (44) und einer Zarge (45) zur Einfassung der Segmenteinlage (vgl. Anlage PBP 4, Abs. [0008]).

Wie die Verfügungspatentschrift in ihrer Einleitung weiter ausführt, offenbart die DE 43 00 414 A1 (Anlage PBP 12) einen Polsterelementenaufbau als Matratze oder Kissen mit einem Basisteil (1; Bezugszeichen gemäß Anlage PBP 12) und einem Federungsteil (2), der aus einzelnen Federkörpern (4, 4a, 4b) gebildet ist, die unabhängig voneinander und ohne sich zu beeinflussen einfedern können, wobei das Basisteil mit einer Ausnehmung versehen werden kann (vgl. Anlage PBP 4, Abs. [0009]).

Die Verfügungspatentschrift geht schließlich noch auf die DE 20 2005 015 047 U1 (Anlage PBP 13/Anlage TW 9) ein. Diese Druckschrift offenbart eine Kombinationsmatratze, die durch eine Zusammenstellung einer Vielzahl aus Latex gebildeter Federgehäuse (21 – 23; Bezugszeichen gemäß Anlage PBP 13) besteht, die jeweils eine sich über die Höhe erstreckende Aussparung (41, 42, 43) aufweisen, mit ihren äußeren Umfangsflächen aneinandergrenzen und mittels eines umlaufenden Bandes (50) gehalten werden. Um dieses Band (50) anbringen zu können, weisen die Federgehäuse etwa mittig eine Nut (37 – 39) auf. Infolge der im Durchmesser betrachtet unterschiedlich groß ausgebildeten Aussparungen der Federgehäuse werden unterschiedliche Federwirkungen bereitgestellt. Durch eine entsprechende Zusammenstellung der Federelemente (21 – 23) und anschließende Befestigung mittels des Bandes (50) kann jeder Benutzer die gewünschte Federwirkung generieren (vgl. Anlage PBP 4, Abs. [0010]).

Zur besseren Verdeutlichung dieses Standes der Technik werden nachfolgend die Figuren 1 und 2 der DE 20 2005 015 047 U1 eingeblendet.

Die Verfügungspatentschrift kritisiert an den im Stand der Technik bekannten Polsterelementen als nachteilig, dass zwischen dem Körper der Person und dem Polsterelement ein Wärme- und Feuchtigkeitsstau entstehe. Diese Problematik trete bei Matratzen in verstärktem Maße auf, da sich dort die Wärme und Feuchtigkeit infolge der Abdeckung des menschlichen Körpers mit einer Decke, insbesondere im Bereich der Liegefläche der Matratze ansammele, die mit dem menschlichen Körper in Kontakt stehe (Anlage PBP 4, Abs. [0011]).

Das Verfügungspatent hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, ein Polsterelement und eine Federelementeinheit vorzuschlagen, bei denen ein Wärme- und Feuchtigkeitsstau zwischen dem Körper und dem Polsterelement reduziert oder verhindert wird (Anlage PBP 4, Abs. [0012]).

Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 ein Polsterelement mit folgenden Merkmalen vor:

(1) Polsterelement (30), insbesondere Matratze, mit

(a) einem Grundkörper (40) und

(b) wenigstens einer Federelementeinheit (20).

(2) Der Grundkörper (40) weist wenigstens eine Aussparung (44) und eine Wandung (47) auf.

(3) Die Federelementeinheit (20)

(a) ist in der Aussparung (44) des Grundkörpers (40) aufgenommen,

(b) wird von der Wandung (47) des Grundkörpers (40) seitlich abgestützt,

(c) umfasst eine Vielzahl von Federelementen (10).

(4) Die Federelemente (10)

(a) bestehen jeweils aus einem Polyurethan-Weichschaumstoff,

(b) weisen im Querschnitt eine Mantelfläche (16) auf, die Anschlussflächen (17) und Seitenflächen (18) umfasst,

(c) sind derart nebeneinander angeordnet,

(aa) dass die Anschlussflächen (17) benachbarter Federelemente (10) aneinander grenzen,

(bb) dass im Bereich zwischen den Seitenflächen (18) benachbarter Federelemente (10) ein Freiraum (28) gebildet wird,

(d) weisen wenigstens eine Ausnehmung (12) als Luftkanal zur Ableitung von Feuchtigkeit auf,

(e) weisen eine erste Stirnfläche (14) und eine zweite Stirnfläche (15) auf,

(f) wobei sich die Ausnehmung (12) von der ersten Stirnfläche (14) durchgehend bis zur zweiten Stirnfläche (15) erstreckt.

Der von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren neben dem Patentanspruch 1 geltend gemachte Patentanspruch 19 des Verfügungspatents schlägt ferner eine Federelementeinheit mit folgenden Merkmalen vor:

(1) Federelementeinheit (20) mit einer Vielzahl von Federelementen (10) für ein Polsterelement (30) nach einem der Ansprüche 1 bis 18.

(2) Die Federelemente (10)

(a) bestehen jeweils aus einem Polyurethan-Weichschaumstoff,

(b) haben im Querschnitt eine achteckige Form,

(c) weisen eine Mantelfläche (16) auf, die Anschlussflächen (17) und Seitenflächen (18) umfasst,

(d) sind derart nebeneinander angeordnet,

(aa) dass die Anschlussflächen (17) benachbarter Federelemente (10) aneinander grenzen,

(bb) dass im Bereich zwischen den Seitenflächen (18) benachbarter Federelemente (10) ein Freiraum (28) gebildet wird,

(e) weisen wenigstens eine Ausnehmung (12) als Luftkanal zur Ableitung von Feuchtigkeit auf,

(f) weisen eine erste Stirnfläche (14) und eine zweite Stirnfläche (15) auf,

(g) wobei sich die Ausnehmung (12) von der ersten Stirnfläche (14) durchgehend bis zur zweiten Stirnfläche (15) erstreckt.

Mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 soll ein Polsterelement erhalten werden, das dank seiner Ausbildung in der Lage ist, Wärme und Feuchtigkeit von der auf dem Polsterelement befindlichen Person in Richtung auf die Polsterunterseite abzuführen, wobei die betreffende Funktion einerseits den Ausnehmungen in den Federelementen und andererseits den zwischen den Seitenflächen benachbarter Federelemente verbleibenden Freiräumen zugewiesen ist. Dies erschließt sich dem Durchschnittsfachmann einerseits anhand der Wirkungsangabe im Merkmal (2) (d) („als Luftkanal“) und andererseits anhand der Nachteilsangaben zum vorbekannten Stand der Technik (Abs. [0011]), der Aufgabenformulierung (Abs. [0012]) sowie der Vorteilsangaben zum erfindungsgemäßen Gegenstand (Abs. [0014], [0016]). An den zuletzt genannten Beschreibungsstellen hebt die Verfügungspatentschrift ausdrücklich hervor, dass die Ausnehmung im Federelement zum Abtransport von Wärme und Feuchtigkeit bzw. dazu dient, Luft in Richtung auf die Abstützfläche der Matratze strömen zu lassen (Abs. [0014]; vgl. a. Abs. [0055]), und dass der zwischen den Federelementen gebildete Freiraum ebenfalls dem Abtransport von Wärme und Feuchtigkeit dient (Abs. [0016]; vgl. a. Abs. [0057]). Entsprechendes gilt für die durch Patentanspruch 19 unter Schutz gestellte Federelementeinheit.

Erfindungsgemäß bestehen die Federelemente jeweils aus einem Polyurethan-Weichschaumstoff. Die Verfügungspatentschrift hebt hierzu hervor, dass aufgrund der Herstellung der Federelemente aus einem atmungsaktiven Weichschaumstoff der Abtransport von Wärme und Feuchtigkeit durch eine Luftströmung zur Abstützfläche zusätzlich verbessert wird (vgl. Abs. [0014]). Hinzu kommt gemäß den Vorteilsangaben der Verfügungspatentschrift, dass der Polyurethan-Weichschaumstoff auf einfache Weise mittels Formschäumen in beliebige Formen gebracht werden kann und damit Federelemente unterschiedlicher Formgebung je nach Anwendungsfall und gewünschten Materialkennwerten, wie Elastizitäts- und Durchlässigkeitswerten, gefertigt werden können (Abs. [0017]). Ferner erweist sich die Verwendung von Polyurethan-Weichschaumstoff nach den Angaben der Verfügungspatentschrift im Hinblick auf die Langzeit- bzw. Dauerbelastbarkeit als vorteilhaft (Abs. [0017]).

Dies vorausgeschickt bedürfen im Hinblick auf den Streit der Parteien die Merkmale (2) und (3) (b) von Patentanspruch 1 näherer Erläuterung.

Das erfindungsgemäße Polsterelement besteht aus einem Grundkörper und wenigstens einer Federelementeinheit (Merkmal (1)). Der Grundkörper weist wenigstens eine Aussparung auf (Merkmal (2)), in der die Federelementeinheit – welche eine Vielzahl von Federelementen umfasst – aufgenommen ist (Merkmal (3) (a)). Außerdem weist der Grundkörper eine „Wandung“ auf (Merkmal (2). Von der „Wandung“ des Grundkörpers (40) wird die Federelementeinheit seitlich abgestützt (Merkmal (3) (a)). Wie der Fachmann der Verfügungspatentbeschreibung (Abs. [0061] und [0064]) entnEt, soll die „Wandung“ des Grundkörpers einen seitlichen Halt der in der Aussparung des Grundkörpers aufgenommenen Federelementeinheit gewährleisten. Aus diesem Grunde soll die „Wandung“ die in der Aussparung des Grundkörpers aufgenommene Federelementeinheit seitlich abstützen. Abgestützt werden soll „die Federelementeinheit“, also die Federelementeinheit als solche, d. h. die gesamte Federelementeinheit und nicht nur einzelne Federelemente dieser Einheit. Die Federelementeinheit soll hierbei von der Wandung „seitlich“ abgestützt werden, womit gemeint ist, dass die Federelementeinheit an ihren Seiten abgestützt wird. Um ihre Abstützfunktion erfüllen zu können, muss die Wandung des Grundkörpers die in der Aussparung aufgenommene Federelementeinheit umgeben, weshalb in der Verfügungspatentbeschreibung in Bezug auf die „Wandung“ auch von „Umrandung“ gesprochen wird (vgl. Abs. [0061]). Zwar verlangt die Erfüllung der der Wandung zugedachten Abstützfunktion nicht notwendigerweise eine durchgehende Wandung, die die in der Aussparung aufgenommene Federelementeneinheit ohne Durchbrechungen umgibt, wie dies bei dem in der nachstehend eingeblendeten Figur 7b der Verfügungspatentschrift gezeigten bevorzugten Ausführungsbeispiel der Fall ist.

Erforderlich ist jedoch zumindest eine Art Einfassung bzw. Umrandung, die die Federelementeinheit an allen Seiten, insbesondere und gerade auch an den Längsseiten (vgl. Figuren 5b, 6b, 7b), zumindest abschnittsweise umgibt und so einen seitlichen Halt der Federelementeinheit (vgl. Abs. [0061] und [0064]) zu allen Seiten hin gewährleistet. Wollte man dementgegen z. B. das Vorhandensein nur jeweils einer Wand an den beiden Schmalseiten (Stirnenden) des Grundkörpers als „Wandung“ genügen lassen, müsste man konsequenterweise ebenso die Anordnung einer Wand an nur einer einzigen Schmalseite und sogar die Anordnung nur eines Wandabschnitts an einer Schmalseite zur Verwirklichung des Merkmals (3) (a) ausreichen lassen. Das Merkmal würde hierdurch jede Kontur und jeden technischen Sinn verlieren. Erforderlich ist deshalb eine – nicht notwendigerweise durchgehend material-geschlossene – Wandung an allen Seiten.

Soweit im Patentanspruch 1 von „einer“ Wandung die Rede ist, versteht der Fachmann dies bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung der im Zusammenhang zu lesenden Merkmale (2) und (3) (a) nicht dahin, dass nur eine Wand an einer (einzigen) Seite der Federelementeinheit vorgesehen sein muss. Vielmehr versteht er die Angabe „eine“ Wandung als unbestEten Artikel, und zwar im Sinne des Vorhandenseins einer Einfassung oder Umrandung, die die Federelementeinheit an allen Seiten abstützt.

Daraus, dass der Grundkörper gemäß Patentanspruch 1 „wenigstens eine Aussparung und eine Wandung aufweist“, ergibt sich nichts anderes. Die Angabe „wenigstens“ bezieht sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin allein auf die Aussparung und nicht auch auf die Wandung. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es in Merkmal (2) nicht heißt, dass der Grundkörper „wenigstens eine Aussparung und wenigstens eine Wandung aufweist“. Zum anderen folgt dies aus dem Zusammenhang der Merkmale (1) (b), (2) und (3) (a). Danach weist das Polsterelement „wenigstens eine Federelementeinheit“ auf. Da diese Federelementeinheit in einer Aussparung des Grundkörpers aufgenommen wird, muss der Grundkörper „wenigstens eine Aussparung“ aufweisen.

Aus der vom Landgericht herangezogenen Beschreibungsstelle in Absatz [0028] der Verfügungspatentbeschreibung lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass erfindungsgemäß nur eine Wand an einer (einzigen) Seite des Grundkörpers vorgesehen sein muss. Vielmehr bestärkt diese Textstelle den Fachmann in seiner Annahme, dass es sich bei der „Wandung“ um eine die in der Aussparung des Grundkörpers aufgenommene Federelementeinheit umgebende Umrandung handelt, die so – zu allen Seiten – für einen seitlichen Halt der Federelementeinheit sorgen soll.

In Absatz [0028] der Verfügungspatentbeschreibung heißt es (Unterstreichung hinzugefügt):

„Der Grundkörper weist wenigstens eine Aussparung auf, in der die Federelementeinheit aufgenommen ist. Somit können auf der Grundfläche der Aussparung eine Vielzahl von nebeneinander angeordneten Federelementen als eine Federelementeinheit gelagert und beispielsweise durch eine umlaufende Wandung des Grundkörpers seitlich gestützt werden.“

Wenn hiernach die auf der Grundfläche der Aussparung des Grundkörpers gelagerte Federelementeinheit durch eine „umlaufende Wandung“ des Grundkörpers seitlich gestützt wird, so umgibt diese Wandung die in der Aussparung aufgenommene Federelementeinheit im Sinne einer Umrandung an allen Seiten.

Richtig ist zwar, dass in der vorzitierten Beschreibungsstelle eine umlaufende Gestaltung der Wandung lediglich als „beispielhafte“ Ausgestaltung bezeichnet wird. Der Fachmann wird hieraus jedoch nicht den Schluss ziehen, dass damit eine die Federelementeinheit an allen Seiten abstützende Umrandung nicht erforderlich ist und stattdessen die Anordnung z. B. einer Wand an nur einer Seite ausreicht. Soweit in der Verfügungspatentbeschreibung eine umlaufende Gestaltung der Wandung als „beispielhafte“ Ausgestaltung bezeichnet wird, wird er dies vielmehr auf das in der Figur 7b gezeigte bevorzugte Ausführungsbeispiel beziehen, bei dem sich die Aussparung (44) nahezu vollständig über die Grundfläche des Grundkörpers (40) erstreckt und die in der Aussparung (44) aufgenommene Federelementeinheit an allen Seiten von einer durchgehenden, umlaufenden Wandung umgeben ist. Demgegenüber kommen aber auch Ausführungsformen in Betracht, bei denen eine solche Umrandung, wie sie in Figur 7b gezeigt ist, nicht vorgesehen ist, die aber gleichwohl unter den Wortsinn des Patentanspruchs 1 fallen. So zeigen die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 5b und 6b der Verfügungspatentschrift Ausführungsbeispiele, bei denen die Bereiche zwischen dem oberen bzw. unteren Rand der Aussparung und der jeweiligen Schmalseite des Grundkörpers (dem Fuß- bzw. Kopfende der Matratze) so breit sind, dass man sie – rein philologisch betrachtet – nicht nur als bloße „Wandung“ des Grundkörpers, sondern als einen nennenswerten Teil des Grundkörpers begreifen kann, wobei dies freilich nichts daran ändert, dass die Federelementeinheit zu allen Seiten hin von einer „Umrandung“ umgeben ist, die einen seitlichen Halt der gesamten Federelementeinheit gewährleistet. Denn die breiten Grundkörperbereiche umgeben die Federelementeinheit in Richtung zu den Schmalseiten hin und dienen funktional ersichtlich als stabiltätsgewährende „Wandung“. Da man die betreffenden Bereiche, obgleich sie zweifellos abstützende Funktion haben, nicht nur als eine „Wandung“, sondern als einen nennenswerten Teil des Grundkörpers begreifen kann, sind sie in den Figuren 5b und 6b – anders als die beiden relativ schmalen Streifen zwischen dem linken bzw. rechten Rand der Aussparung und den Längsseiten des Grundkörpers – offenbar auch nicht mit dem die Wandung kennzeichnenden Bezugszeichen „47“ gekennzeichnet.

Darüber hinaus ist eine „umlaufende“ Gestaltung der Wandung insofern „beispielhaft“, als z. B. – wie in der vorstehend wiedergegebenen Figur 6b gezeigt – auch zwei Aussparungen vorgesehen sein können, zwischen denen eine Art „Zwischenblock“ vorgesehen sein kann, der die Federelementeinheit jeweils an dieser Seite abstützt und damit ebenfalls als „Wandung“ fungiert. Vor allem wird der Fachmann aber erkennen, dass die Verfügungspatentbeschreibung mit der „beispielhaft“ angesprochenen „umlaufenden Wandung“ eine durchgehende, material-geschlossene Umrandung vor Augen hat, wie sie z. B. in Figur 7b gezeigt ist. Eine solche – durchgehende, material-geschlossene – „Wandung“ ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Vielmehr kann die an den Seiten vorgesehene Umrandung durchaus einzelne Durchbrechungen aufweisen, solange nur von einer Umrandung bzw. Einfassung der in der Aussparung aufgenommenen Federelementeinheit gesprochen werden kann, die deren Halt zu allen Seiten hin sicherstellt.

Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, dass die vorstehende Auslegung nicht richtig sein könne, weil sie dazu führen würde, dass die in Figur 6b gezeigte Ausführungsform nicht mehr unter den Patentanspruch 1 falle, wenn man die dort gezeigten beiden Federelementeinheiten (20) aneinanderrücke mit der Folge, dass es dann an einer Wand zwischen den Federelementeinheiten fehle. Diese Überlegung vermag nicht zu überzeugen. Rückt man die beiden Federelementeinheiten der Figur 6b aneinander, entsteht aus beiden Federelementeinheiten funktional „eine“ Federelementeinheit, die zu allen Seiten hin von einer Wandung umgeben ist. Selbst wenn man aber aus Absatz [0026] der Verfügungspatentschrift entnehmen wollte, dass das Verfügungspatent zwei aneinanderliegende Federelementeinheiten nicht als „eine“ Federelementeinheit ansieht, weil in der angesprochenen Beschreibungsstelle von „Federelementpaketen“ gesprochen wird, ist das Ergebnis kein anderes. Denn dann wird bei dem von der Antragstellerin gebildeten Beispiel jeweils diejenige Seite der Federelementeinheit, die nicht von einer Wand umgeben ist, von der an der gegenüberliegenden Seite der anderen Federelementeinheit vorgesehenen Wand abgestützt. Bei aneinanderliegenden Einheiten bewirkt die äußerste Wand insoweit zugleich eine Abstützung der innenliegenden Elementseiten.

Entgegen der erstmals im Verhandlungstermin geäußerten Auffassung der Antragstellerin geht es im Rahmen der Merkmale (2) und (3) (b) schließlich auch nicht bloß darum, eine „Sitzkante“ auszubilden. Dass die Wandung die Funktion hat, eine „Sitzkante“ zu bilden, lässt sich dem Verfügungspatent nicht entnehmen. Das gilt insbesondere auch für die Beschreibungsstelle in Absatz [0028] der Verfügungsbeschreibung. Von einer „Sitzkante“ ist in der gesamten Verfügungspatentschrift nicht die Rede.

II.
Von der oben erläuterten Lehre des Patentanspruchs 1 des Verfügungspatents macht die von der Antragsgegnerin unter der Bezeichnung „Estella“ angebotene Matratze (angegriffene Ausführungsform) keinen Gebrauch. Denn sie verwirklicht die Merkmale (2) und (3) (b) von Patentanspruch 1 nicht, weil sie keine die Federelementeinheit seitlich abstützende Wandung im Sinne des Verfügungspatents aufweist.

Zwar weist die angegriffene Ausführungsform an ihren Schmalseiten – an den Stirnenden – unstreitig zwei Schaumstoffleisten auf, die zwischen der Grundplatte und der Abdeckung angebracht sind. Diese Leisten bilden am Kopf- und Fußende der angegriffenen Matratze jeweils einen Abschluss. An den Längsseiten der Matratze sind jedoch keine solchen Leisten oder ähnliche Elemente vorgesehen. Wie insbesondere den von der Antragsgegnerin überreichten Fotografien gemäß den Anlagen TW 2/1 (Foto 1/6) und 2/2 (Foto 2/6), aber auch den Abbildungen auf den Blättern 1, 2 und 3 des von der Antragstellerin als Anlage PBP 16 vorgelegten Prospekts der Antragsgegnerin zu entnehmen ist, liegt die Federelementeinheit bei der angegriffenen Ausführungsform an den Längsseiten des Grundkörpers vielmehr völlig frei. Es fehlt an diesen Seiten an jeglicher Abstützung der Federelementeinheit durch einen am Grundkörper vorgesehenen Rand, weshalb es bei der angegriffenen Ausführungsform an einer „Wandung“ im Sinne des Verfügungspatents, nämlich einer am Grundkörper vorgesehenen Umrandung, die die Federelementeinheit an allen Seiten abstützt, fehlt.

III.
Hinsichtlich des von der Antragstellerin neben Patentanspruch 1 geltend gemachten Patentanspruchs 19 kommt der Erlass einer einstweiligen Verfügung jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil der Rechtsbestand dieses Anspruchs nach derzeitigem Sach- und Rechtsstreit zu unsicher ist und es deshalb an einem Verfügungsgrund fehlt.

1.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte setzt voraus, dass die begehrte Regelung gemäß § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin nötig erscheint. Dies verlangt nicht nur eine „Dringlichkeit“ in einem rein zeitlichen Sinne, gegen welche vorliegend keine Bedenken bestehen, sondern darüber hinaus eine materielle Rechtfertigung des vorläufigen Unterlassungsgebotes aus den dem Schutzrechtsinhaber ohne das gerichtliche Eingreifen drohenden Nachteilen, welche gegen die Interessen des als Verletzer in Anspruch genommenen Antragsgegners abgewogen werden müssen. Anders als im Wettbewerbsrecht wird das Vorliegen eines Verfügungsgrundes in Patentverletzungsstreitigkeiten nicht vermutet. § 12 Abs. 2 UWG ist wegen der besonderen Komplexität der Sach- und Rechtslage nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar (vgl. Senat, GRUR 1983, 79, 80 – AHF-Konzentrat; Mitt 1982, 230 – Warmhaltekanne; GRUR 1994, 508; Mitt 1996, 87, 88 – Captopril; Senat, InstGE 9, 140, 144 – Olanzapin).

Es entspricht in diesem Zusammenhang der ständigen Rechtsprechung des Senats (InstGE 9, 140 – Olanzapin), dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung insbesondere auf Unterlassung nur in Betracht kommt, wenn sowohl der Bestand des Verfügungspatents als auch die Frage der Patentverletzung im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (vgl. zuletzt Senat, Urt. v. 29.04.2010 – I-2 U 126/09).

In Patentverletzungsstreitigkeiten ist das Vorliegen eines Verfügungsgrundes besonders sorgfältig zu prüfen. Gerade hier ergeben sich regelmäßig besondere Schwierigkeiten daraus, die Schutzfähigkeit bzw. Rechtsbeständigkeit des Antragsschutzrechtes innerhalb kurzer Zeit und ohne eine dem Verfahren der Hauptsache entsprechende schriftsätzliche Vorbereitung sachgerecht zu beurteilen. Die eingeschränkten Möglichkeiten treffen besonders den Antragsgegner. Während dem Antragsteller, der sich zwar beschleunigt um eine Durchsetzung seiner Rechte bemühen muss, um die zeitliche Dringlichkeit nicht zu beseitigen, auch unter den Voraussetzungen des § 940 ZPO regelmäßig ausreichend Zeit bleibt, den Rechtsbestand des Schutzrechtes vor dem Einreichen eines Verfügungsantrages sorgfältig zu prüfen, sieht sich der Antragsgegner auch im Falle einer vorherigen mündlichen Verhandlung nach der Zustellung des Verfügungsantrags regelmäßig erheblichem Zeitdruck ausgesetzt, um in der verhältnismäßig kurzen Zeit bis zum Verhandlungstermin seine Verteidigung aufzubauen. Ergeht eine Unterlassungsverfügung, greift sie darüber hinaus meist in sehr einschneidender Weise in die gewerbliche Tätigkeit des Antragsgegners ein und führt während ihrer Bestandsdauer zu einer Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs (Senat, InstGE 9, 140, 145 – Olanzapin).

Das alles bedeutet zwar nicht, dass eine einstweilige Verfügung wegen Patentverletzung generell nicht oder nur in ganz besonders seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Derartige Restriktionen widersprächen Art. 50 Abs. 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 15. April 1994 (BGBl. II. Seite 1730), welcher die gerichtliche Anordnung einstweiliger Maßnahmen zur Verhinderung der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums oder zur Sicherung einschlägiger Beweise ausdrücklich vorsieht. Eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen Patentverletzung verlangt aber in der Regel, dass die Rechtsbeständigkeit des Antragsschutzrechts hinlänglich gesichert ist (Senat, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin). Zweifel an der grundsätzlich zu respektierenden Schutzfähigkeit des Verfügungspatents können das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ausschließen. Die Einschätzung der Rechtsbeständigkeit muss das Verletzungsgericht in eigener Verantwortung vornehmen (Senat, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin). Es kann sich also nicht kurzerhand auf den Erteilungsakt verlassen, sondern hat selbständig zu klären, ob angesichts des Sachvortrages des Antragsgegners ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Verfügungspatent ggf. keinen Bestand haben wird. Seine Vernichtung muss als Folge der Einwendungen des Antragsgegners aus Sicht des Verletzungsgerichts nicht zwingend und sie muss auch nicht überwiegend wahrscheinlich, aber aufgrund einer in sich schlüssigen, vertretbaren und letztlich nicht von der Hand zu weisenden Argumentation des Antragsgegners möglich sein, um einem Verfügungsantrag den Erfolg versagen zu können.

Grundsätzlich kann von einem hinreichenden Rechtsbestand nur dann ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (Senat, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin). Um ein Verfügungspatent für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es grundsätzlich einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen. Von dem Erfordernis einer dem Antragsteller günstigen kontradiktorischen Rechtsbestandsentscheidung kann nur in Sonderfällen abgesehen werden. Sie können – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – vorliegen, wenn der Antragsgegner sich bereits mit eigenen Einwendungen am Erteilungsverfahren beteiligt hat, so dass die Patenterteilung sachlich der Entscheidung in einem zweiseitigen Einspruchsverfahren gleichsteht, oder wenn ein Rechtsbestandsverfahren deshalb nicht durchgeführt worden ist, weil das Verfügungspatent allgemein als schutzfähig anerkannt wird (was sich durch das Vorhandensein namhafter Lizenznehmer oder dergleichen widerspiegelt) oder wenn sich die Einwendungen gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatents schon bei der dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren eigenen summarischen Prüfung als haltlos erweisen oder wenn (z.B. mit Rücksicht auf die Marktsituation oder die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile) außergewöhnliche Umstände gegeben sind, die es für den Antragsteller ausnahmsweise unzumutbar machen, den Ausgang des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten (vgl. zum Ganzen: Senat, Urt. v. 29.04.2010 – I-2 U 126/09).

2.
Hiervon ausgehend kommt im Streitfall der Erlass einer auf Anspruch 19 des Verfügungspatents gestützten einstweiligen Verfügung nicht in Betracht, weil der Rechtsbestand dieses Patentanspruchs nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden kann.

a)
Dabei kann dahinstehen, ob schon aufgrund der im Nichtigkeitsverfahren primär entgegengehaltenen GB 476 659 (Anlage NK 1 zur Anlage TW 1), die bis auf das Merkmal (2) (a) sämtliche Merkmale von Patentanspruch 19 offenbart, sowie der ferner entgegengehaltenen GB 902 272 (Anlage NK 2 zur Anlage TW 1), aus welcher es bekannt ist, röhrenförmige Federelemente aus Polyurethan-Schaum herzustellen, Zweifel am Rechtsbestand von Patentanspruch 19 des Verfügungspatents bestehen, welche dem Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung entgegenstehen.

b)
Solche Zweifel bestehen jedenfalls aufgrund des nunmehr ferner entgegengehaltenen Standes der Technik gemäß der DE 20 2005 015 047 U1 (Anlage PBP 13/Anlage TW 9), deren Figuren 1 und 2 oben bereits wiedergegeben worden sind, sowie der WO 95/09886 (Anlage TW 10).

(1)
Wie die Antragsgegnerin in zweiter Instanz vorgetragen hat, existiert zum Verfügungspatent eine parallele europäische Patentanmeldung der Antragstellerin (Anmelde-Nr.: 07 729 YYY.6; Veröffentlichungs-Nr.: EP 1 962 YXZ A2; vgl. WO 2007/137ZZZ A2 Anlage TW 6/2), zu der ein Prüfungsbescheid des Europäischen Patentamtes vom 10. September 2009 (Anlage TW 8) vorliegt. Ausweislich dieses Bescheides vertritt der europäische Prüfer die Auffassung, dass der bisherige Anspruch 17 der europäischen Patentanmeldung, der im Wesentlichen dem Patentanspruch 19 des Verfügungspatents entspricht (vgl. Anlage TW 7), im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß der DE 20 2005 015 047 U1 sowie der WO 95/09886 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Der Prüfer des Europäischen Patentamtes hat hierzu in seinem Prüfungsbescheid ausgeführt:

Der fachkundige Prüfer des Europäischen Patentamtes hat sich dezidiert mit den angesprochenen Druckschriften befasst. Seine Einschätzung ist geeignet, Zweifel (auch) am Rechtsbestand des vorliegenden Patentanspruchs 19 des Verfügungspatents zu wecken. Denn seine Beurteilung erscheint dem Senat gut vertretbar.

(2)
Zutreffend ist zwar, dass die DE 20 2005 015 047 U1 bei der Erteilung des Verfügungspatents berücksichtigt worden ist. Sie wird auch in der Verfügungspatentschrift behandelt (vgl. Abs. [0010]). Die Erörterung dieser Druckschrift beschränkt sich aber auf eine reine Beschreibung der aus ihr bekannten Matratze. Worin das Erfinderische des Gegenstands des Verfügungspatents gegenüber diesem Stand der Technik zu sehen sein soll, ist der Verfügungspatentschrift nicht zu entnehmen. Außerdem ist die von dem Prüfer des Europäischen Patentamtes neben der DE 20 2005 015 047 U1 herangezogene
WO 95/09886, aus der die Verwendung eines elastischen Polyurethanschaums mit latexähnlichen Charakteristika bekannt ist, bei der Erteilung des Verfügungspatents nicht berücksichtigt worden.

Selbst wenn man letzteren Aspekt ausblendet, liegen jedenfalls zwei unterschiedliche Voten zur Patentfähigkeit des Gegenstands des Verfügungspatents bei gleichem Sachverhalt vor, nämlich einerseits die Erteilung des Verfügungspatents und andererseits der Prüfungsbescheid des Europäischen Patentamtes betreffend die parallele europäische Patentanmeldung der Antragstellerin.

Der Prüfer des Europäischen Patentamtes erachtet die technische Lehre des bisherigen Anspruchs 17 der parallelen europäischen Patentanmeldung für nicht patentfähig. Demgegenüber hat das Deutsche Patentamt die Patentfähigkeit dieser technischen Lehre bejaht und das Verfügungspatent mit seinem Patentanspruch 19 erteilt. Beiden Stellen lag, was die DE 20 2005 015 047 U1 anbelangt, derselbe Stand der Technik vor.

Trotz dieses identischen Ausgangspunktes sind beide fachkundigen Stellen zu unterschiedlichen Erkenntnissen gekommen. Das Deutsche Patentamt hat das Verfügungspatent mit seinem Patentanspruch 19 erteilt, weil es hierin eine erfinderische Leistung gesehen hat. Der Prüfer des Europäischen Patentamtes will einen dem Patentanspruch 19 des Verfügungspatents entsprechenden Anspruch auf die europäische Patentanmeldung nicht erteilen, weil er diesen durch den Stand der Technik nach der DE 20 2005 015 047 U1 nahegelegt hält.

Es liegen damit zwei unterschiedliche Voten zur Patentfähigkeit der „Erfindung“ vor. Diese wird von zwei fachkundigen Stellen unterschiedlich beurteilt. Dieser Streit der „Sachverständigen“ kann schwerlich durch das angerufene Verletzungsgericht entschieden werden, jedenfalls nicht ohne das Gutachten eines Sachverständigen, dessen Einschaltung im einstweiligen Verfügungsverfahren aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt. Unter derartigen Umständen kann eine einstweilige Verfügung nicht erlassen werden. Denn der Senat vermag nicht festzustellen, dass die die parallele europäische Patentanmeldung betreffende Beurteilung des Europäischen Patentamtes gemäß der Mitteilung vom 10. September 2009 offensichtlich unrichtig ist und demgegenüber die Beurteilung des Deutschen Patentamtes zutreffend ist.

(3)
Zwischenzeitlich hat das Europäische Patentamt zwar mit Bescheid vom
19. April 2010 (Anlage PBP 22) gemäß Art. 71 Abs. 3 EPÜ mitgeteilt, ein Patent auf die europäische Patentanmeldung der Antragstellerin zu erteilen. Der nunmehr für gewährbar erachtete Anspruch 17 der europäischen Patentanmeldung unterscheidet sich von dem hier geltend gemachten Anspruch 19 des Verfügungspatents aber dadurch, dass

• die Eindrückhärte der Federelementeinheit in einem Bereich von etwa 40 N bis etwa 350 N liegt und
• die Mantelfläche der Federelemente „vorbestEte“ Anschlussflächen und Seitenflächen umfasst.

Da der Prüfer des Europäischen Patentamtes Anspruch 17 der europäischen Patentanmeldung nur mit diesen Einschränkungen für patentfähig erachtet, vermag der Senat nicht festzustellen, dass der diese Einschränkungen nicht enthaltene Patentanspruch 19 des Verfügungspatents das Nichtigkeitsverfahren in der hier geltend gemachten Fassung unbeschadet überstehen wird.

(4)
Mit den Einschränkungen, die Anspruch 17 der parallelen europäischen Patentanmeldung im europäischen Erteilungsverfahren erfahren hat, macht die Antragstellerin Patentanspruch 19 des Verfügungspatents vorliegend nicht geltend. Sie hat auch weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass die angegriffene Ausführungsform das neue Merkmal von Anspruch 17 ihrer europäischen Patentanmeldung verwirklicht, wonach die Eindrückhärte der Federelementeinheit in einem Bereich von etwa 40 N bis etwa 350 N liegt.

c)
Ein Ausnahmefall, der es gerechtfertigt erscheinen lassen würde, von einer erstinstanzlichen Bestätigung des Verfügungspatents, das kein Einspruchsverfahren durchlaufen hat, im Nichtigkeitsverfahren abzusehen, liegt nicht vor.

Die Antragstellerin hat keine Umstände dargelegt und glaubhaft gemacht, aufgrund derer ihr ein Abwarten des Nichtigkeitsverfahrens ausnahmsweise unzumutbar ist. Insbesondere bestehen für massive Preisunterbietungen durch die Antragsgegnerin, die zu einem nur schwer korrigierbaren und deswegen nachhaltigen Preisverfall für Produkte der Klägerin führen könnten, keine hinreichenden Anhaltspunkte. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass die Antragsgegnerin Abnehmer wie die im Parallelverfahren I-2 U 119/08 in Anspruch genommene D Matratzen GmbH beliefere, welche wiederum eher Möbelhäuser im tiefpreisigeren Marktsegment beliefere, weshalb sie – die Antragstellerin – befürchten müsse, dass sie in Zukunft keine angemessene Vergütung mehr für die von ihr entwickelte Technologie erhalten könne, reicht dies insoweit nicht aus. Da die Antragsgegnerin bzw. deren Abnehmer nach dem Vortrag der Antragstellerin ein anderes Marktsegment bedienen, ist kaum zu erwarten, dass die Kunden der Antragstellerin auf das offenbar erheblich billigere Produkt der Antragsgegnerin zurückgreifen werden. Darüber hinaus vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass die angegriffene Matratze bislang in größerem Umfang vertrieben wird. Die Antragstellerin stützt ihren Verfügungsantrag allein auf die Ausstellung der von der Antragsgegnerin stammenden angegriffenen Ausführungsform durch die D Matratzen GmbH auf der Messe E in F, welche im Januar 2009 stattfand, sowie auf einen von der Antragsgegnerin ehemals selbst beabsichtigten Auftritt auf der Messe G in F, welche im Mai 2009 stattfand. Weitere Benutzungshandlungen zeigt sie nicht auf. Nach ihrem eigenen Vortrag in der Berufungserwiderung (Seite 6 [Bl. 204 GA]) ist es ihr bislang nicht möglich gewesen, sich ein Muster der angegriffenen Ausführungsform zu beschaffen, was gegen einen nennenswerten Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform spricht. Der Umstand allein, dass die angegriffene Matratze auf einer Messe ausgestellt worden ist, vermag den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht zu rechtfertigen.

d)
Die beantragte einstweilige Verfügung kann schließlich auch nicht auf der Grundlage der „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 20, 21 und/oder 23 (vgl. Antragsschrift, Seiten 3 bis 4 [Bl. 3 bis 4 GA]) erlassen werden.

Den Unteransprüchen 20 und 21 des Verfügungspatents entsprechende Unteransprüche enthält auch die europäische Patentanmeldung der Antragstellerin (vgl. Ansprüche 18 und 19 der Anlage TW 7). In den dort gelehrten Maßnahmen hat der Prüfer des Europäischen Patentamtes ersichtlich nichts Erfinderisches gesehen.

Soweit die Antragstellerin Patentanspruch 19 hilfsweise in Kombination mit Unteranspruch 23 des Verfügungspatents geltend macht, ist keine andere Beurteilung geboten. Unteranspruch 23 des Verfügungspatents lehrt, die Federelemente untereinander stoffschlüssig zu verbinden, vorzugsweise zu verkleben. Hierin liegt eine selbstverständliche Maßnahme, die der Fachmann bei Bedarf – wenn er auf eine Kombinationsmatratze, die individuell durch einen Benutzer zusammengestellt werden kann, keinen Wert legt – ohne weiteres vorsehen wird.

Die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung kann damit auch nicht im eingeschränkten Umfang aufrechterhalten werden.

III.
Entsprechend dem Ergebnis des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin als unterlegene Partei nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist.