2 U 29/10 – Schwangerschaftstestgerät XI

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1975

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. Dezember 2012, Az. 2 U 29/10

Vorinstanz: 4b O 438/04

I.
Der Klägerin wird aufgegeben, den Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit in Höhe von 150.000,– Euro zu leisten.

II.
Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte, insbesondere selbstschuldnerische, und unbefristete Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden.

III.
Zur Beibringung der Sicherheit wird der Klägerin eine Frist bis zum 31. Januar 2013 gesetzt.

G r ü n d e

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem inzwischen abgelaufenen und auch mit Wirkung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 0 291 XXX auf Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch. Der Rechtsstreit ist derzeit vor dem Senat im Berufungsverfahren anhängig, nachdem das Landgericht mit Urteil vom 21. Januar 2010 die Klage abgewiesen und die Klägerin gegen dieses Urteil Berufung eingelegt hat. In dem hier zur Entscheidung stehenden Zwischenstreit ist über die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO zu befinden, nachdem die Beklagten erstmals während des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 2. Juli 2012 einen entsprechenden Antrag gestellt haben.

Die Klägerin ist im Handelsregister des Schweizer Kantons B als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach schweizerischem Recht eingetragen (vgl. Anlagen LS A-46 und Anlage B 23). Als Geschäftssitz ist B in der Schweiz und als Adresse „C“ angegeben.

Nachdem der Senat in der Hauptsache die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet hatte, bat die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Mai 2012, die ihr gesetzte Frist zur Einzahlung des Kostenvorschusses für das Gutachten zu verlängern und begründete dies damit, sie müsse die Zahlungsanweisung mit ihrer in den Vereinigten Staaten von Amerika sitzenden Muttergesellschaft abstimmen; eine Freigabe sei bisher noch nicht erfolgt, da die maßgeblichen Entscheidungsträger in dieser Angelegenheit ihren Wohn- und Geschäftssitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hätten; die internen Unternehmensabläufe zwischen der Klägerin mit Sitz in der Schweiz und den US-amerikanischen Mitarbeitern der Rechtsabteilung sowie des Vorstandes hätten sich verzögert.

Die Beklagten nehmen diese Ausführungen zum Anlass, von der Klägerin die Leistung einer Prozesskostensicherheit zu fordern und führen zur Begründung aus, ihre Nachforschungen zur Rechtspersönlichkeit der Klägerin und ihrem Verwaltungssitz hätten ergeben, dass die Klägerin offensichtlich von ihrer in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Muttergesellschaft und alleinigen Gesellschafterin gesteuert werde. Nach Angaben des Schweizer Internetdienstes „Moneyhouse“ seien unter der im Handelsregister als Sitz der Klägerin angegebenen Anschrift zahlreiche Firmen gemeldet; über Büroräume verfüge die Klägerin dort nicht. Weitere Nachforschungen hätten ergeben, dass die Klägerin nur fünf Mitarbeiter beschäftige, bei denen es sich um die Geschäftsführer und Prokuristen der Klägerin handele, die mit Ausnahme des Geschäftsführers D ebenfalls ihren ständigen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von Amerika hätten. Das operative Geschäft der Klägerin werde vom Wohn- und Geschäftssitz der maßgeblichen Entscheidungsträger in den Vereinigten Staaten von Amerika aus geleitet. Auch habe die Klägerin keine geschäftliche Ruf- oder Telefaxnummer publiziert; eine solche sei auch nicht über die Telefonauskunft zu erfragen gewesen.

Die Beklagten beantragen,

der Klägerin aufBeben, binnen einer zu bestimmenden Frist eine Sicherheit zu ihren – der Beklagten – Gunsten für die voraussichtlich anfallenden Kosten der Sachverhaltsermittlung und -aufklärung und die voraussichtlichen Kosten (einschließlich derjenigen der zweiten und dritten Instanz und eventueller Sachverständigengutachten) zu stellen und – sollte die Sicherheit nicht innerhalb der vorstehend genannten Frist geleistet werden – festzustellen, dass die Klägerin des von ihr geführten Rechtsmittels für verlustig zu erklären ist.

Die Klägerin beantragt,

den gegnerischen Antrag zurückzuweisen.

Sie meint, als in der Schweiz ansässiges Unternehmen nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung befreit zu sein. Sie trägt vor, aus einer Wirtschaftsauskunft der Creditreform vom 11. Juli 2012 (Anlage LS A-48) ergebe sich, dass sie über eine zustellungsfähige Adresse an ihrem Geschäftssitz in der C in B und außerdem in der E in der Schweiz auch über einen Geschäftsbetrieb verfüge. An ihre B`er Adresse gerichtete Postsendungen gelangten über die Verwalterin des dortigen Objekts – die F AG – an sie und würden von dieser auftragsgemäß an den Geschäftsführer D weitergeleitet. Dieser sei alleinvertretungsberechtigt und in der Schweiz ansässig. Ihre – der Klägerin – Geschäftsleitung entscheide über die Geschäftsentwicklung und das operative Geschäft selbständig. Sie entfalte geschäftliche Aktivitäten in der Schweiz, verwalte von dort aus ihre gewerblichen Schutzrechte, entrichte ihre gesetzlichen Abgaben und sei beim schweizerischen Sozialversicherungssystem registriert. Die Entscheidungen der Unternehmensleitung würden effektiv in der Schweiz und nicht etwa in anderen Ländern in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt. Ausländische Vollstreckungstitel würden von den Schweizer Behörden nach dortigem Recht Bestellt und durchgesetzt. Nach Schweizer Recht könnten Ersatzzustellungen auch an solche Personen erfolgen, die nicht im Dienste des Schuldners stünden, sondern für eine andere im selben Geschäftslokal tätige Gesellschaft arbeiteten. Sie – die Klägerin – beschäftige 26 Mitarbeiter. Die genannte Creditreform-Auskunft weise auch eine Telefon- und Telefaxnummer aus. Außerdem sei der Antrag verspätet, da die von den Beklagten behaupteten Umstände schon lange vorher hätten recherchiert werden können.

Die Beklagten treten dem entgegen und behaupten, weitere Nachforschungen vor Ort hätten ergeben, dass die Klägerin weder an ihrer als Sitz im Handelsregister angegebenen Anschrift noch an ihrer angeblichen Betriebsadresse Büro- oder Betriebsräume unterhalte; Klingelschilder oder ähnliche namensmäßige Hinweise auf das Unternehmen der Klägerin seien dort ebenfalls nicht vorhanden. Unter der in der Auskunft genannten Telefonnummer erhalte man keinen Anschluss und von der Verwalterin in B habe die Klägerin auch weder Geschäftsräume noch einen Briefkasten angemietet.

II.

Der Prozesskostensicherheitsantrag der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist zur Leistung einer Prozesskostensicherheit an die Beklagten verpflichtet.

1.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Antrag nach § 111 ZPO zulässig und nicht verspätet. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagten schon wesentlich früher im Internet hätten recherchieren oder die beiden Adressen aufsuchen können, sondern entscheidend ist, ob sie dazu Veranlassung hatten. Dies ist während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens bis zum 7. Mai 2012 zu verneinen.

Die Angaben im Aktivrubrum der Klageschrift stimmten mit den damaligen Eintragungen im Handelsregister überein. Ohne gegenteilige konkrete Anhaltspunkte kann eine beklagte Partei grundsätzlich davon ausgehen, dass ihr Verfahrensgegner an der dortigen Anschrift eine zustellungsfähige Adresse unterhält. Erst recht gilt dies, wenn die klagende Partei sich auch als am Markt mit eigenen Produkten oder Dienstleistungen vertretenes Unternehmen darstellt, wie es hier auf die Klägerin zutrifft, die in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 14. Mai 2004 (Bl. 77 – 81 d.A.) zum Streitwert vorgetragen hat, sie und ihre patentgemäßen Produkte seien seit vielen Jahren bekannt und die mit diesen Produkten erzielten Umsätze seien für die Wertfestsetzung von großer Bedeutung; sie bzw. ihre Tochtergesellschaft vertreibe die nach dem Klagepatent hergestellten Schwangerschaftstestgeräte „G“ in der Bundesrepublik Deutschland, und die Stiftung Warentest habe diese im Jahre 1994 als Testsieger bewertet. Dies alles vermittelt den Eindruck, die Klägerin sei keine „Briefkastenfirma“, sondern betätige sich auf dem deutschen Markt mit dem Vertrieb patentgemäßer Erzeugnisse und sei – wie bei einem solchen Unternehmen als Regelfall angenommen werden kann – unter ihrer im vorliegenden Verfahren aktenkundigen und im Handelsregister angegebenen Anschrift auch mit Postzustellungen zu erreichen.

Das änderte sich erst, als die Klägerin während des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 7. Mai 2012 darum bat, ihr die Frist zur Einzahlung des Kostenvorschusses für das Sachverständigengutachten zu verlängern, und dies damit begründete, die maßgeblichen Entscheidungsträger in dieser Angelegenheit residierten in den Vereinigten Staaten von Amerika und hätten die Zahlungsanweisung bisher noch nicht freigegeben, und in diesem Zusammenhang auch auf interne Unternehmensabläufe zwischen ihr und US-amerikanischen Mitarbeitern der Rechtsabteilung sowie des Vorstandes verwies. Auch wenn dieser Hinweis sich nur auf das vorliegende Verfahren und nicht auf das gesamte operative Geschäft bezogen haben mag, bot erst dieses bis dahin noch nicht aktenkundige Vorbringen der Klägerin Anlass für Nachforschungen der Beklagten, ob die Klägerin in der Schweiz ihren Verwaltungssitz hat oder zumindest Büro- und/oder Geschäftsräume mit einer dauerhaft zustellfähigen Adresse unterhält.

2.
Der Antrag der Beklagten ist auch begründet. Die Klägerin hat ihnen nach § 110 Abs. 1 ZPO wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten, weil sie ihren Verwaltungssitz im Ausland hat. Dass sie in der Schweiz unter einer zustellungsfähigen Adresse ansässig ist, konnte der Senat nicht feststellen.

a)
Klägerin ist allerdings nach wie vor diejenige Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach schweizerischem Recht, die ursprünglich unter der Firma „H GmbH“ im Handelsregister eingetragen war. Mit der Änderung in „I GmbH“ hat sie nur ihren Namen geändert, ohne dass an ihre Stelle eine andere Rechtspersönlichkeit getreten ist. Soweit die Beklagten aus dieser Namensänderung ableiten, es sei zu einem Parteiwechsel auf Klägerseite gekommen, ergibt sich aus den von ihnen selbst überreichten Unterlagen, dass die Klägerin als Rechtspersönlichkeit bestehen geblieben ist und nur ihren Namen geändert hat. Die Mitteilung im schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) vom 8. Oktober 20XX, in der die Firmenänderung gemacht worden ist, gibt die neue und die bisherige Firma der Klägerin und darüber hinaus auch dieselbe Firmennummer an, unter der auch die H GmbH im Handelsregister geführt worden ist. Die entsprechenden Angaben stimmen mit denjenigen in dem von der Klägerin als Anlage LS A-46 vorgelegten Handelsregister aus B überein. Auch dort ist der Vorgang nur als Umfirmierung ausgewiesen; Hinweise auf eine Änderung der Rechtsperson finden sich nicht. Es gibt auch keine anderen Anzeichen dafür, dass die Klägerin als Rechtspersönlichkeit nicht (mehr) existiert. Im Handelsregister aus B (vgl. Anlage LS A-46) werden an verschiedenen Stellen Statuten, die Konzernmutter als Gesellschafterin, ehemalige Gesellschafter und die Gesellschaftszwecke erwähnt; dies alles setzt voraus, dass die Gesellschaft als solche errichtet worden ist und noch besteht, solange ihre Auflösung nicht im Handelsregister vermerkt ist. Überdies hat die Klägerin als Anlage LS-A 59 u.a. die Registrierungsbestätigung des Kantons B vom 25. Februar 2010 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass sie seit dem 11. Dezember 2001 als Rechtssubjekt und Gesellschaft des Schweizer Kantons B registriert ist und eine Bescheinigung vom 1. Oktober 2002 über ihre Eintragung in das Register der Steuerpflichtigen. Auch die Patentbehörden sind von der Existenz der Klägerin als Rechtsperson ausgegangen, anderenfalls hätten sie das Klageschutzrecht nicht im Patentregister auf sie umgeschrieben. Dass sich an der im Handelsregister angegebenen Adresse weder der Verwaltungssitz der Klägerin noch eine zustellungsfähige Anschrift befindet, zwingt nicht zu dem Schluss, dass das Handelsregister dann auch den Status der Klägerin als existierende Rechtspersönlichkeit nicht belegt. Konkrete Umstände, aus denen das gefolgert werden müsste, legen auch die Beklagten nicht dar.

b)
Es greift keine Bestimmung ein, die die Klägerin von ihrer Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit befreit. Sie hat ihren Sitz unstreitig nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Sie ist auch nicht nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 ZPO von ihrer Verpflichtung befreit, der für ausländische Kläger gilt, die sich auf einen im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland wirksamen völkerrechtlichen Vertrag berufen können, der das Fordern einer Prozesskostensicherheit verbietet. Zwar sind Kläger aus der Schweiz nach Art. 17 des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess von der Verpflichtung zur Prozesskostensicherheitsleistung befreit, jedoch kommt der Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits diese Regelung nicht Bute, weil sich nicht feststellen lässt, dass sie einen Sitz oder wenigstens eine dauerhaft zustellfähige Adresse im Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft hat.

aa)
Während, klagt eine natürliche Person, deren Verpflichtung zur Sicherheitsleistung davon abhängt, an welchem Ort sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, entscheidet bei juristischen Personen deren Sitz (BGH, NJW-RR 2005, 148), wobei es nicht auf den lediglich satzungsgemäßen, sondern – entsprechend dem „gewöhnlichen Aufenthalt“ natürlicher Personen – auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt. Das gilt jedenfalls dann, wenn an dem in der Satzung angegebenen Sitz kein Geschäftsraum, sondern nur ein Briefkasten unterhalten wird und deshalb dort keine zustellungsfähige Anschrift gegeben ist (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2008, 944; LG München I, ZIP 2009, 1979; WM 2010, 435; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rdnr. 1288; Baumbach/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 110 Rdnr. 4; vgl. ferner Patzina in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., § 17 Rdnr. 14). Der Ort, an dem die Verwaltung geführt wird, ist derjenige, an dem die Geschäftsführung und die dazu berufenen Vertretungsorgane tätig sind, also derjenige, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGH NJW 2009, 610; MDR 2010, 166; BGHZ 97, 269, 272 = NJW 1986, 2194; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 17 Rdnr. 11; Kühnen, a.a.O.; vgl. ferner AG Essen, ZIP 2009, 1826 betr. Insolvenzrecht). Das setzt eine gewisse organisatorische Verfestigung, zumindest aber das Vorhandensein von Räumlichkeiten voraus, in denen die Geschäftsführungs- bzw. Leitungsorgane ihre Tätigkeit für das Unternehmen ausüben können. Die Anknüpfung an den tatsächlichen Verwaltungssitz entspricht der Intention des Gesetzgebers, die Prozesskostensicherheit nicht mehr von der Staatsangehörigkeit des Klägers, sondern nur noch von den aus seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort folgenden Schwierigkeiten der Anerkennung und Vollstreckung eines Kostentitels abhängig zu machen. Der Beklagte soll vor den typischen Schwierigkeiten bei der Anerkennung und Vollstreckung geschützt werden, die dadurch entstehen, dass er seinen Anspruch auf Kostenerstattung im Ausland realisieren muss (OLG Karlsruhe, a.a.O., S. 945; BT-Drucks. 13/10871, S. 16, 17).

bb)
§ 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person grundsätzlich durch den satzungsmäßigen und nicht durch ihren tatsächlichen Verwaltungssitz bestimmt wird (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 17, Rdnrn. 8 und 10), steht dem nicht entgegen. § 17 ZPO regelt nur Inlandssachverhalte und die Frage des allgemeinen Gerichtsstandes und setzt insbesondere einen zustellfähigen Sitz im Inland voraus. § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO zeigt, dass auch hier der Ort als Sitz gelten kann, an dem die Verwaltung geführt wird. Ausschlaggebend ist jedoch die gesetzgeberische Wertung des § 110 ZPO, die im Gegensatz zu § 17 ZPO nicht einer klagenden Partei einen möglichst einfach zu bestimmenden Gerichtsstand verschaffen will, sondern die beklagte Partei, die ihren Kostenerstattungsanspruch durchsetzen möchte, vor Schwierigkeiten der Auslandsvollstreckung bewahren soll. § 110 ZPO schützt allerdings nicht vor der Gefahr, dass ein zukünftiger Kostenerstattungsanspruch wegen Vermögenslosigkeit des zukünftigen Schuldners nicht realisierbar ist (BGH, NJW 1984, 2762; LG München I, ZIP 2009, 1179, 1980). Entscheidend ist vielmehr, ob eine Vollstreckung am Sitz des Schuldners der Form nach in Betracht kommt, also ein Vollstreckungsverfahren gegen den Schuldner in Gang gesetzt werden kann. Das hängt letztlich davon ab, ob an dem betreffenden Ort eine dauerhafte, zustellfähige Adresse vorhanden ist oder nicht. Daran fehlt es, wenn in keinem von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung befreiten Staat – weder an ihrem satzungsmäßigen Sitz noch sonst wo in einem dieser Staaten – Geschäftsräume vorhanden sind und dort auch sonst keinerlei dauerhaft zustellfähige Anschrift vorliegt (OLG Karlsruhe, a.a.O., S. 945/946). Wer dagegen in einem von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung befreiten Staat unter der in der Satzung angegebenen Anschrift eine zustellfähige Adresse unterhält, braucht keine Prozesskostensicherheit zu leisten (LG München I, a.a.O.).

cc)
Ebenso wenig erfordern europarechtliche Gründe eine andere Wertung. Art. 60 EuGVVO begründet zwar eine Zuständigkeit auch am satzungsmäßigen Sitz juristischer Personen. Er ist aber lediglich eine Zuständigkeitsnorm, die eine Verweisung auf das Internationale Privatrecht des Gerichtsstaats entbehrlich machen soll. Die darin enthaltene Wertung greift nicht auf die Auslegung der Vorschriften über die Prozesskostensicherheit durch. Europarechtlich ist insoweit gestützt vor allem auf das Diskriminierungsverbot nur eine Gleichbehandlung erforderlich. Die generelle Anknüpfung an den tatsächlichen Verwaltungssitz einer juristischen Person ist damit auch aus der Sicht des Europarechts unbedenklich (OLG Karlsruhe, a.a.O. m.w.N.).

dd)
Die Zustellung soll eine erhöhte Gewähr dafür bieten, dass der Empfänger das zuzustellende Schriftstück auch erhält und von diesem Inhalt Kenntnis nehmen kann, und sie soll diejenige Stelle, die die Zustellung veranlasst hat, zuverlässig davon in Kenntnis setzen, dass das zuzustellende Schriftstück in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise seinen Empfänger erreicht hat. Das gilt auch für eine Zustellung nach den in der Schweiz geltenden Bestimmungen, die eingreifen, wenn ausländische Vollstreckungstitel nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens in der Schweiz vollstreckt werden sollen. Insoweit hat die Klägerin unwiderlegt vorgetragen, dass für solche Vollstreckungsmaßnahmen das schweizerische Beitreibungsamt zuständig ist, das Beitreibungsurkunden an juristische Personen nach Art. 65 des Schweizerischen Schuld- und Konkursgesetzes (SchKG) zustellt. Die Zustellung erfordert auch nach diesen Bestimmungen grundsätzlich, dass das betreffende Schriftstück dem Empfänger persönlich oder einem im Wege der Ersatzzustellung Empfangsberechtigten ausgehändigt und dieser Vorgang auch dokumentiert wird. Hierzu hat die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung der Ber Justizkommission vom 11. Januar 2008 (Anlage LS-A 61) unwiderlegt vorgetragen, dass an Gesellschaften mit beschränkter Haftung gerichtete Beitreibungsurkunden nach Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG an ein Mitglied der Verwaltung, einen Direktor oder Prokuristen Bestellt werden, wobei zur Verwaltung alle Gesellschafter gehören, denen die Vertretungsbefugnis nicht ausdrücklich entzogen worden ist. Werden die genannten Personen in ihrem Geschäftslokal nicht angetroffen, so kann gemäß Art. 65 Abs. 2 SchKG ersatzweise auch an einen anderen Beamten oder Angestellten Bestellt werden; dieser muss nicht einmal in Diensten des Vollstreckungsschuldners stehen, sondern kann auch für einen Dritten tätig sein, der im selben Geschäftslokal tätig ist wie der Schuldner. (s. Anlage LS-A 61, S. 2 m.w.N. aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung). Dem liegt die Annahme Brunde, dass die betreffende Person, weil sie in den selben Räumlichkeiten wie der Vertreter der Gesellschaft arbeitet, ohne weiteres in der Lage ist und aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht versäumen wird, die Beitreibungsurkunden unverzüglich an den Vertreter weiterzuleiten, und dass verschiedene Firmen, die in denselben Räumen ihre Geschäftstätigkeit ausüben, in einer besonderen Beziehung stehen, die es erwarten lässt, dass Beitreibungsurkunden, die an einen dort tätigen Angestellten Bestellt werden, von diesem an die zuständigen Vertreter der Betriebenen ausgehändigt werden (Anlage LS A-61, a.a.O.). Das setzt jedoch voraus, dass Geschäftsräume vorhanden sind, in denen beide Unternehmen ihrer Tätigkeit nachgehen. Es genügt dem gegenüber nicht, dass lediglich ein Briefkasten existiert, in den das Schriftstück eingeworfen wird, von wo es ein Dritter an den Zustellungsadressaten weiterleitet. Während gemeinsam genutzte Geschäftsräume zum Bereich beider Nutzer gehören und ein dorthin Bestelltes Schriftstück auch in den Bereich des dort tätigen Schuldners gelangt, könnte beim Fehlen entsprechender Räumlichkeiten weder dokumentiert noch eine hinreichend sichere Gewähr dafür übernommen werden, dass und auf welchem Wege das Schriftstück vom Zustellenden unmittelbar in den Bereich des Empfängers gelangt ist. Dass die zuzustellende Urkunde, ohne dass die genannten Voraussetzungen vorliegen, gleichwohl in den Besitz des Schuldners gelangt und der Zustellungsmangel auf diese Weise geheilt wird (vgl. Anlage LS A-61, S.1), schafft deshalb am Ort des „Briefkastens“ noch keine zustellungsfähige Adresse. Die Möglichkeit einer solchen Zustellung setzt weiter voraus, dass am Zustellungsort zumindest ein namensmäßiger Hinweis auf den Zustellungsempfänger vorhanden ist.

ee)
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Klägerin ihren Sitz nicht im Gebiet der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums oder in einem aufgrund völkerrechtlicher Abkommen von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung befreiten Staat hat, trägt der die Sicherheitsleistung fordernde Beklagte, während die klagende Partei für die Befreiungstatbestände darlegungs- und beweispflichtig ist (OLG Karlsruhe, a.a.O., S. 946).

b)
Dass die Klägerin in der Schweiz über eine nach den vorstehenden Grundsätzen zustellungsfähige Adresse verfügt, vermag der Senat nicht festzustellen.

aa)
Sie hat ihren Verwaltungssitz weder an ihrer im Handelsregister eingetragenen Anschrift in B noch an der in der genannten Creditreform-Auskunft als Betriebsanschrift angegebenen Adresse in Baar. Drei ihrer vier Geschäftsführer und alle drei Prokuristen sind in den Vereinigten Staaten von Amerika wohn- und geschäftsansässig. Der einzige in der Schweiz domizilierende Geschäftsführer D ist nach den Angaben im Handelsregister in Zürich, aber weder am Firmensitz der Klägerin noch an ihrem angeblichen Betriebsort in Baar ansässig. Dass er sich an einer der genannten Adressen regelmäßig aufhält und für Zustellungen persönlich erreichbar ist, ist nicht vorgetragen. Es kommt hinzu, dass die Klägerin das Vorbringen der Beklagten nicht zu widerlegen vermochte, weder an der im Handelsregister als Firmensitz angegebenen Anschrift der Klägerin noch an deren Betriebsanschrift in Baar gebe es ein Firmenschild, ein Klingelschild oder einen Briefkasten mit der gegenwärtigen Firmierung I GmbH oder ihrem früheren Namen H GmbH, und an der Adresse in Baar befinde sich augenscheinlich ein Wohnhaus, bei dem ein Klingelschild der Rufanlage u.a. beschriftet sei mit Medim Alere und „Alere GmbH, formerly Medim“. Dieser Hinweis entspricht weder der jetzigen noch der früheren Firmierung der Klägerin und erlaubt deren Identifizierung nicht.

bb)
Überdies ist an keiner der beiden in Rede stehenden Adressen eine dauerhaft zustellungsfähige Anschrift vorhanden. Namensmäßige Hinweise auf das Unternehmen der Klägerin gibt es – wie soeben ausgeführt – an keiner der beiden Stätten. Es mag sein, dass die Klägerin als Untermieterin der F AG Büroräume in dem Haus C in B angemietet hat. Das könnte aber nur dann eine zustellungsfähige Adresse begründen, wenn dorthin wenigstens eine Ersatzzustellung nach Art. 65 Abs. 2 SchKG erfolgen könnte. Das wiederum würde voraussetzen, dass diese Räumlichkeiten der Klägerin auch von denjenigen Gesellschaften mitbenutzt werden, an die für die Klägerin bestimmte Dokumente im Wege der Ersatzzustellung ausgehändigt worden sind. Das lässt sich jedoch nicht feststellen. Dass Mitarbeitern der Klägerin an der Adresse in B zuzustellende Schriftstücke unmittelbar ausgehändigt wurden, behauptet auch die Klägerin nicht. Ebensowenig ist ihrem Vorbringen zu entnehmen, dass die Mitarbeiterin der mit der Entgegennahme von Postsendungen beauftragten Firma J bei der Annahme des Zahlungsbefehls des Beitreibungsamtes B vom 14. März 2011 in Räumen tätig geworden ist, die auch die Klägerin für ihr Geschäft nutzt. Dass in B an die dortige Anschrift der Klägerin gerichtete Post an die F AG gelangt und von dieser an den Geschäftsführer D weitergeleitet wird, macht die Anschrift schon deshalb noch nicht zustellfähig, weil die Schriftstücke nicht in auch von der Klägerin genutzten Räumen von Mitarbeitern der F persönlich in Empfang genommen werden, sondern die Klägerin lediglich das Postfach von K mitbenutzt, in das die Schriftstücke eingelegt und dann entnommen und weitergeleitet werden. Dass an die Klägerin gerichtete Post, wenn sie in den Besitz der F AG gelangt, Bleich auch den Herrschaftsbereich der Klägerin erreicht, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass an die Klägerin unter dieser Anschrift gerichtete Gerichtskosten- und Anwaltsrechnungen beglichen werden und sonstige Postsendungen an die Klägerin bzw. ihren Geschäftsführer D gelangt sind, ändert daran nichts, weil nicht feststellbar ist, wann und wo die betreffenden Sendungen in den Bereich der Klägerin gelangt sind.

Demgegenüber verfängt auch der Hinweis der Klägerin nicht, nach Art. 66 Abs. 2 SchKG könne auch am Wohn- oder Arbeitsort eines Vertreters der Gesellschaft Bestellt werden. Dass von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist, trägt sie nicht vor, und ebenso wenig behauptet sie, ihre zustellfähige Adresse sei der Wohn- und Arbeitssitz ihres Geschäftsführers D. Erst recht vermag diese Möglichkeit keine Zustellungsfähigkeit an der Adresse in B herzustellen. Nichts anderes gilt für die von der Klägerin ebenfalls angesprochene Alternative, gemäß Art. 66 Absatz 3 SchKG sogar an im Ausland ansässige Gesellschaftsvertreter an deren Wohn- oder Arbeitsort zuzustellen. Derartige Adressen liegen auch nicht auf dem Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft; ob insoweit eine Befreiung von der Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit besteht, richtet sich nach den Bestimmungen, denen der jeweilige Staat des Wohnsitzes oder Arbeitsortes unterliegt.

Nicht anders verhält es sich mit der Anschrift in Baar. Auch hier gibt es – wie bereits ausgeführt wurde – keinen namensmäßigen Hinweis auf die Klägerin, und das an diese Anschrift ein Drittempfänger vorhanden ist, der an die Klägerin adressierte Postsendungen an diese weiterleitet, macht die Klägerin nicht einmal geltend.

c)
Die Höhe des von der Klägerin an die Beklagten zu leistenden Sicherheitsbetrages hat der Senat auf 150.000,– Euro festgesetzt. Die Höhe setzt sich zusammen für die erste Instanz aus je einer 2,5fachen Gebühr für Rechtsanwalt und Patentanwalt sowie einer Auslagenpauschale von 5.000,–Euro, für die Berufungsinstanz einer jeweils 2,8fachen Gebühr für Rechtsanwalt und Patentanwalt, einer Auslagenpauschale von weiteren 5.000,– Euro und einer vierfachen Gerichtsverfahrensgebühr und für die Nichtzulassungsbeschwerde aus einer jeweils 2,3fachen Gebühr für Rechtsanwalt und Patentanwalt. Bei dem hier in Rede stehenden Streitwert von 1.250.000,– Euro ergibt dies eine Summe von 124.000,– Euro und mit Erhöhungsgebühr von 135.000,– Euro (vgl. zur Berechnung Kühnen a.a.O., Rdnrn. 1301-1314). Den im Streitfall maßgeblichen Betrag von 135.000,– Euro hat der Senat auf 150.000,– Euro aufgerundet mit Rücksicht auf Kosten, die den Beklagten zusätzlich entstehen können, nämlich solche für die Ermittlung des Sachverhaltes und für möglicherweise notwendig werdende Privatgutachten sowie von ihr zu erbringende Vorschussleistungen für den gerichtlichen Sachverständigen, soweit dieser auf Antrag der Beklagten nach Erstattung seines schriftlichen Gutachtens mündlich angehört werden sollte. Weitere Kosten für den gerichtlichen Sachverständigen waren allerdings nicht in Ansatz zu bringen. Insoweit ist keine Fallgestaltung denkbar, in der den Beklagten insoweit ein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zusteht. Obsiegen die Beklagten, muss die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten für den gerichtlichen Sachverständigen tragen; die Beklagten können, da sie das Verfahren nicht eingeleitet haben, von der Staatskasse auch wegen der Gerichtskosten nicht als Zweitschuldner in Anspruch genommen werden. Obsiegt die Klägerin, haben die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits ohnehin selbst zu tragen.

Daraus, dass der Senat weitere Kosten in die von der Klägerin zu erbringende Sicherheitsleistung nicht einbezogen hat, erwächst der Beklagten kein Nachteil. Zeigt sich, dass die Prozesskostensicherheit zu gering veranschlagt wurde und ist die Sicherheit während des Rechtsstreits erschöpft, so kann der Beklagte gemäß § 112 Abs. 3 ZPO eine weitere Sicherheit verlangen (vgl. BGH, Mitteilungen 2003, 90 – Erhöhung der Prozesskostensicherheit).

d)
Ebenso wenig besteht Veranlassung, schon jetzt darüber zu befinden, was zu geschehen hat, wenn die Klägerin die ihr aufgegebene Sicherheitsleistung nicht fristgerecht erbringt. Ein entsprechendes Endurteil ist nicht einmal nur deshalb möglich, weil der Kläger die ihm gesetzte Frist versäumt hat. Erst wenn der Beklagte nach fruchtlosem Fristablauf einen entsprechenden Antrag stellt, hat der Kläger noch bis zur Entscheidung über diesen Antrag Gelegenheit, die Sicherheitsleistung nachzuholen. Nur wenn dieses nicht geschieht und die Sicherheit auch im Zeitpunkt der Entscheidung noch aussteht, kann die Klage wegen Nichtleistung der Prozesskostensicherheit durch Urteil für zurückgenommen erklärt oder die Berufung der Klägerin verworfen werden (vgl. Kühnen, a.a.O., Rdnr. 1320).

3.
Für den Fall, dass ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil überhaupt zulässig sein sollte (vgl. BGH, RPfl 2006, 205; MDR 1988, 298), besteht kein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).