2 U 21/12 – Stanzmesser-Haltepunkte

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1957

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. September 2012, Az. 2 U 21/12

Auf den Antrag der Klägerin wird der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des am 14. Februar 2012 verkündeten Urteils der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf dahingehend ergänzt, dass für den Urteilsausspruch zu VI (Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten) und für den Urteilsausspruch zu VIII (Kostenerstattungsanspruch der Klägerin) jeweils eine Teilsicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages festgesetzt wird.

G r ü n d e :

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 20 2007 018 XXX.3, das eine Vorrichtung zur Erzeugung von Haltepunkten in einem Stanzmesser betrifft. Die Beklagte hat in der Bundesrepublik Deutschland Biegeautomaten (angegriffene Ausführungsform 1) und Linienbearbeitungssysteme (angegriffene Ausführungsform 2) vertrieben, die nach Auffassung der Klägerin das Klagegebrauchsmuster benutzen.

Mit Urteil vom 14.02.2012 hat das Landgericht die Beklagte wegen der Ausführungsform 1 zur Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, zum Rückruf und zur Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten (6.196,– Euro nebst Zinsen) verurteilt, die Schadenersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt und die weitergehende Klage wegen der Ausführungsform 2 abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht der Klägerin zu 1/6 und der Beklagten zu 5/6 auferlegt. Weiter hat das Gericht angeordnet, dass das Urteil für die Klägerin gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,– Euro und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar ist.

Das Urteil ist der Beklagten am 17. Februar 2012 zugestellt worden. Mit bei Gericht am 21. März 2012 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte Berufung eingelegt, welche sie unter dem 18. Mai 2012 begründet hat. Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung ist auf den 18. Juli 2013 bestimmt.

Vorab begehrt die Klägerin, für den Urteilsausspruch zu den Abmahnkosten (Ziffer VI) und zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits (Ziffer VIII) jeweils Teilsicherheiten festzusetzen. Insoweit hatte die Beklagte zur Abwendung einer Sicherungsvollstreckung nach § 720a Abs. 1 und 3 ZPO Sicherheit durch Bankbürgschaften geleistet, worauf die bereits eingeleitete Zwangsvollstreckung der Klägerin eingestellt wurde. Zur Begründung ihres Antrages verweist die Klägerin darauf, die Beklagte befinde sich mittlerweile in Liquidation, womit die Durchsetzung ihrer Erstattungsansprüche gefährdet sei. Die Leistung der gesamten Sicherheit in Höhe von 200.000,– Euro, um eine Zwangsvollstreckung titulierter Zahlungsansprüche von lediglich rund 18.700,– Euro sei unzumutbar.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag auf Festsetzung von Teilsicherheiten zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dem Antrag der Klägerin fehle das Rechtsschutzinteresse; die geleisteten Bürgschaften sicherten die in Rede stehenden Forderungen der Klägerin ausreichend ab. Ihre Zahlungsschwierigkeiten beruhten nicht auf Geldmangel.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1.
Zur Zeit ist im Hinblick auf die zulässige Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil vorab lediglich über den Ausspruch des Landgerichts betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit zu entscheiden. Die Entscheidung erfolgt durch ein Teilurteil, das durch die spätere Entscheidung in der Hauptsache auflösend bedingt ist. Der Antrag der Klägerin, für die im Urteil des Landgerichts zuerkannten Kostenerstattungsansprüche Teilsicherheiten festzusetzen, ist nach § 718 Abs. 1 ZPO zulässig.

2.
Das Begehren der Klägerin ist auch in der Sache begründet.

a)
§ 718 ZPO verfolgt den Zweck, eine vorinstanzlich fehlerhafte Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit vor einer zweitinstanzlichen Sachentscheidung zu korrigieren. Für eine nachträglich beantragte Festsetzung von Teilsicherheiten bedeutet dies, dass sie nur in Betracht kommen kann, wenn sich erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung herausstellt, dass lediglich eine teilweise Vollstreckung erforderlich ist oder sinnvoll erscheint, so dass kein Anlass bestand, bereits das Landgericht, dessen Vollstreckbarkeitsentscheidung im Verfahren nach § 718 ZPO überprüft wird, mit dem Begehren auf Festsetzung von Teilsicherheiten zu befassen (Senat, InstGE 11, 116 – Strahlregler). Die klagende Partei muss sich also spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht darüber klar werden, ob sie im Falle eines obsiegenden auf Unterlassung, Rechnungslegung und/oder Vernichtung der Verletzungsgegenstände gerichteten Urteils sofort alle titulierten Ansprüche oder zunächst nur einzelne von ihnen vollstrecken will und, sofern letzteres nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, bereits vom Landgericht entsprechende Teilsicherheiten festsetzen lassen (Senat, InstGE 11, 116 – Strahlregler). Nur wenn die Umstände, die eine bloß teilweise Vollstreckung erfordern oder zumindest sinnvoll erscheinen lassen, erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung eintreten oder dem Vollstreckungsgläubiger bekannt werden, ist ein Antrag auf Festsetzung von Teilsicherheiten durch das Berufungsgericht noch möglich. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung aufgrund des Verhaltens des Beklagten eine Situation ergibt, aufgrund derer es für den Kläger zweckdienlich ist, nur wegen eines von mehreren zuerkannten Ansprüchen die Zwangsvollstreckung zu betreiben (Senat, InstGE 11, 116 – Strahlregler). Eine hiermit vergleichbare Situation liegt vor, wenn der verurteilte Prozessgegner – wie im Streitfall – zwischen den Instanzen in Liquidation gefallen (oder dies dem Kläger erst nach Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens bekannt geworden) ist. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich wirtschaftliche Schwierigkeiten die Ursache für die Liquidierung des Geschäftsbetriebes waren und wie groß – objektiv betrachtet – die dadurch begründete Gefahr ist, dass die Klägerin ihr zuerkannte Zahlungsansprüche in Zukunft nicht mehr wird realisieren können. Da der Klägerin exakte und verlässliche Einblicke naturgemäß nicht möglich sind, reicht es für einen hinreichenden Anlass zur sofortigen Zwangsvollstreckung der Kostenerstattungsansprüche aus, dass die durch die Liquidation des Prozessgegners eingetretene Veränderung die ernstzunehmende Befürchtung aufkommen lässt, bei einem Zuwarten mit der Vollstreckung bis zum Abschluss der Berufungsinstanz möglicherweise mit ihren Zahlungsansprüchen auszufallen. Das ist vorliegend der Fall, nachdem die Beklagte nicht konkret dargetan hat, dass und wodurch die Zahlungsansprüche der Klägerin auch in fernerer Zukunft noch gesichert sind. Keine Bedeutung hat, dass die Beklagte ihrerseits Sicherheit zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung (§ 720a ZPO) geleistet hat. Denn die betreffende Maßnahme hat gerade zur Folge, dass die Klägerin ohne einen Antrag nach § 718 ZPO gehalten wäre, bei einer Vollstreckung nur der zuerkannten Erstattungsansprüche die Sicherheit in voller Höhe zu erbringen. Insofern wäre die Klägerin zwar möglicherweise in Höhe der beklagtenseits erbrachten Bürgschaft abgesichert, allerdings auch gezwungen, wegen des gesamten Sicherheitsbetrages eigenes Kapital zu binden. Der zuletzt genannte Gesichtspunkt genügt, um der Klägerin ein Recht auf eine nachträgliche Festsetzung von Teilsicherheiten zuzubilligen.