4b O 80/11 – Getränkeverpackung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1950

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. September 2012, Az. 4b O 80/11

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

a) Schachteln für die Verwendung mit Kisten mit Beabstandungspfosten
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
die eine Reihe von aufrechtstehenden Wänden umfassen und wenigstens ein Paar von zusammenwirkenden nachgebenden Klappen aufweisen, wobei jede nachgebende Klappe des Paares oder von jedem Paar in einer der aufrechtstehenden Wände ausgebildet und gelenkig an dieser angebracht ist, wobei die nachgebenden Klappen des Paares oder von jedem Paar eine über der anderen angeordnet sind und in Ausrichtung mit einem Zwischenraum zwischen einem Paar von nahe benachbarten Gegenständen angeordnet sind, die in der Schachtel enthalten sind, wobei die nachgebenden Klappen sukzessive in das Innere der Schachtel verschwenkt werden können, und zwar mittels eines Beabstandungspfosten der Kiste, um eine Aussparung zu erzeugen, die der Beabstandungspfosten sodann einnimmt;

b) Schachteln bzw. Kartons anzubieten und zu liefern, die dazu geeignet sind,
für eine Verpackung verwendet zu werden, umfassend eine Gruppe von vergleichbar dimensionierten zylindrischen Gegenständen, die an deren Bodenenden Seite an Seite angeordnet sind, sowie eine Schachtel, die entlang der Außenseite der Gruppe angeordnet ist, wobei die Schachtel eine aufrechtstehende Wand umfasst, die entlang wenigstens zwei Gegenständen der Gruppe angeordnet ist und ein Paar von zusammenwirkenden nachgebenden Klappen aufweist, wobei jede nachgebende Klappe des Paares in der aufrechtstehenden Wand ausgebildet ist und an diese gelenkig angebracht ist, wobei die nachgebenden Klappen eine über der anderen angeordnet sind und in Ausrichtung mit einem Zwischenraum zwischen den wenigstens zwei Gegenständen angeordnet sind, wobei die nachgebenden Klappen sukzessive in das Innere der Schachtel verschwenkt werden können, und zwar mittels eines Beabstandungspfostens der Kiste, um eine Aussparung zu erzeugen, die der Beabstandungspfosten sodann einnimmt;

2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 13.09.2008 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Rechnungen in Kopie vorzulegen hat,

der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

3. die unter Ziffer I. 1.a) bezeichneten, seit dem 13.08.2008 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil der Kammer vom heutigen Tage) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1.a) beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 13.09.2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.012,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2010 zu zahlen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,00 € vorläufig vollstreckbar, wobei die einzelnen titulierten Ansprüche gegen Teilsicherheiten wie folgt vollstreckt werden können:
Unterlassung (I. 1.): 800.000,00 €,
Rechnungslegung (I. 2.): 10.000,00 €,
Rückruf (I. 3.): 800.000,00 €,
Vernichtung (I. 4.): 800.000,00 €,
Schadenersatzfeststellung (II): 180.000,00 €
Zahlung (III.): 110% des jeweils zu vollstreckenden Be- trages

Tatbestand
Die Klägerin ist eingetragene, alleinige und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des europäischen Patents 1 651 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent, Anlage rop 1, deutsche Übersetzung Anlage rop 2), dessen Erteilung am 13.08.2008 veröffentlicht worden ist. Als Vertragsstaat ist unter anderem die Bundesrepublik Deutschland benannt. Das in englischer Sprache abgefasste Klagepatent steht in Kraft. Es trägt die Bezeichnung „A“.

Die von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 12 lauten in der deutschen Übersetzung wie folgt:

„1. Schachtel (10) für die Verwendung mit Kisten mit Beabstandungspfosten (P1), wobei die Schachtel (10) eine Reihe von aufrechtstehenden Wänden umfasst und wenigstens ein Paar von zusammenwirkenden nachgebenden Klappen (82a, 112) aufweist, wobei jede nachgebende Klappe des Paares oder von jedem Paar in einer der aufrechtstehenden Wände (78a) ausgebildet ist und gelenkig an dieser angebracht ist, wobei die nachgebenden Klappen des Paares oder von jedem Paar eine über der anderen angeordnet sind und in Ausrichtung mit einem Zwischenraum zwischen einem Paar von nahe benachbarten Gegenständen (A) angeordnet sind, die in der Schachtel (10) enthalten sind, wobei die nachgebenden Klappen (82a, 112) sukzessive in das Innere der Schachtel (10) verschwenkt werden können, und zwar mittels eines Beabstandungspfosten der Kiste, um eine Aussparung zu erzeugen, die der Beabstandungspfosten sodann einnimmt.“

„12. Verpackung, umfassend eine Gruppe von vergleichbar dimensionierten zylindrischen Gegenständen (A), die an deren Bodenenden Seite an Seite angeordnet sind, sowie eine Schachtel (10), die entlang der Außenseite der Gruppe angeordnet ist, wobei die Schachtel (10) eine aufrechtstehende Wand umfasst, die entlang wenigstens zwei Gegenständen (A) der Gruppe angeordnet ist und ein Paar von zusammenwirkenden nachgebenden Klappen (120, 122) aufweist, wobei jede nachgebende Klappe des Paares in der aufrechtstehenden Wand ausgebildet ist und an diese gelenkig angebracht ist, wobei die nachgebenden Klappen eine über der anderen angeordnet sind und in Ausrichtung mit einem Zwischenraum zwischen den wenigstens zwei Gegenständen angeordnet sind, wobei die nachgebenden Klappen sukzessive in das Innere der Schachtel (10) verschwenkt werden können, und zwar mittels eines Beabstandungspfostens der Kiste, um eine Aussparung zu erzeugen, die der Beabstandungspfosten sodann einnimmt.“

Wegen der weiteren (Unter-)Ansprüche des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.

Zum besseren Verständnis sind nachfolgend, zum Teil verkleinert zeichnerische Darstellungen, die bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung betreffen und der Klagepatentschrift entnommen sind, abgebildet.

Figur 1 zeigt eine Draufsicht auf einen Zuschnitt gemäß einer Ausführungsform der Erfindung.

Figur 2 stellt eine Seitenansicht einer Packung während der Ausgestaltung der Endwand gemäß einer Ausführungsform der Erfindung dar. Figur 3 offenbart eine isometrische Ansicht der zusammengebauten Packung, die aus dem in Figur 1 gezeigtem Zuschnitt gebildet ist.

Figur 4 stellt schematisch die Anwendung einer Packung, wie etwa in Figur 3 illustriert, an einem Sternpfosten dar.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Getränkeverpackungen (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen), u.a. für die bundesweit vertriebenen Getränke „B“ (Anlagen rop 6 und rop 8, Anlagen PBP 1 und PBP 2), „C“ (Anlagen PBP 3 und PBP 4), „D“ sowie „E“ (Anlage rop 7). Die angegriffenen Ausführungsformen sind auf der Unterseite mit dem Herstellerkennzeichen der Beklagten „F“ als „G-System verpackt“ gekennzeichnet. Zur Veranschaulichung sind nachfolgend die Anlagen rop 9 und rop 8 eingeblendet. Die erste zeigt eine in eine Kiste eingesetzte angegriffene Ausführungsform, die zweite die von der Klägerin mit Bezugszeichen versehene Rückseite der Anlage rop 6.

Mit Schreiben vom 17.11.2010 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 31.12.2010 zur Unterlassung, Rechnungslegung und Anerkennung der Schadenersatzpflicht sowie zur Zahlung durch die Abmahnung entstandener Patentanwaltskosten auf. Die Beklagte lehnte dies ab.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden Anspruch 1 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß und Anspruch 12 des Klagepatents mittelbar wortsinngemäß verwirklichen. Ihr stünden folglich die geltend gemachten Ansprüche wegen Patentverletzung zu. Überdies sei die Beklagte verpflichtet, die vorgerichtlich entstandenen Patentanwaltskosten in Höhe von 6.012,00 € zu erstatten. Des Weiteren sei die Festsetzung von Teilsicherheiten erforderlich, um es ihr zu ermöglichen, insbesondere durch Vollstreckung des Auskunftsanspruchs weitere Patentverletzungen zeitnah zu verfolgen, ohne die allein zur Abdeckung des potentiellen Vollstreckungsschadenersatzanspruchs aus der Unterlassungsvollstreckung erforderliche hohe Gesamtsicherheit leisten zu müssen.

Nachdem die Klägerin zunächst auch die Entfernung der angegriffenen Ausführungsformen beantragt hat, beantragt sie nunmehr
wie zuerkannt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt eine Patentverletzung in Abrede. Hierzu führt sie im Wesentlichen aus:
Die angegriffenen Ausführungsformen verfügten schon nicht über gelenkig angebrachte Klappen. Unter einer gelenkigen Anbringung verstehe das Klagepatent nicht nur ein (vordefiniertes) Nachgeben oder ein Verdrängen der Klappen, sondern das Anbringen eines Bauteils an einer Bewegungsachse, so dass das Bauteil um die Achse hin und her geschwenkt werden könne. Eine gelenkige Anbringung einer nachgebenden Klappe erfordere deshalb eine Falt- bzw. Schwächungslinie, die an den Enden jeweils frei ist, oder eine Kombination von einer Schwächungs- oder Faltlinie mit einer Bruchlinie, wobei bei der zweiten Alternative die Schwächungslinie oder Faltlinie bis zur Bruchlinie durchgeführt sein und gleichsam eine ausreichende Länge aufweisen müsse. Derartiges sähen die angegriffenen Ausführungsformen nicht vor. Insbesondere die bspw. in der Anlage rop 8 mit X1/X2 bezeichneten Linien seien keine Bruch- oder Schwächungslinie, die Linien L11/L21 seien auch nicht bis zu X1/X2 durchgeführt. X1/X2 seien – insoweit unstreitig – eine Prägung und L11/L21 seien Falt- oder Schwächungslinien, die – unstreitig – nur knapp 3cm hoch seien und innerhalb der Wandfläche in einer Höhe von ca. 6,5 cm vom Boden der zusammengefalteten Schachtel mit erheblichen Abstand vor den Prägelinien X1/X2 endeten. G1 und G2 könnten nicht hin und her bewegt werden. Es sei allenfalls ein Verbiegen und Verdrängen möglich, jedoch keine freie, gelenkige Bewegbarkeit gegeben.
Es mangele ferner an einer Anordnung der Klappen eine über der anderen, da die mit F1 und G1 bezeichneten Abschnitte der angegriffenen Ausführungsformen im zusammengefalteten Zustand des Produkts nicht vertikal zueinander versetzt seien. Die vertikale Ausrichtung der Klappen, die der Anspruch durch den Begriff „atop“ zum Ausdruck bringe, sei jedoch funktional notwendig. Die nachgebenden Klappen sollten sukzessive schwenken können.
Die klagepatentgemäßen Klappen müssten darüber hinaus in einer der aufrecht stehenden Wände ausgebildet sein, was bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall sei. Die Bereiche R1/F1 bzw. R2/F2 seien vielmehr – insoweit unstreitig – an den Bereichen A1 bzw. A2 ausgebildet. Es handele sich somit um einen Teil der Klebelasche, die Bestandteil des Bodens sei. Dass der Bereich R1/F1 bzw. R2/F2 im zusammengebauten Zustand an einer aufrechtstehenden Wand anliege, führe zu keiner anderen Betrachtung.
Sofern von einem Verschwenken der nachgebenden Klappen ausgegangen werden müsste, erfolge dieses jedenfalls nicht sukzessive. Ein sukzessives Verschwenken in das Innere der Schachtel sei nur dann gegeben, wenn die Klappen nach und nach, also stufenweise verschwenkt werden könnten. Bei den angegriffenen Ausführungsformen käme es demgegenüber zu einem zeitgleichen Verdrängen bzw. Verbiegen der Klappen in das Schachtelinnere.

Die Beklagte vertritt darüber hinaus die Ansicht, ihr könne nicht genau aufgegeben werden, welche Maßnahmen sie zur Umsetzung eines etwaigen Rückrufanspruchs ergreifen müsse. Für die von der Klägerin begehrten Maßnahmen fänden sich keine Grundlagen; dies gelte insbesondere mit Blick auf die begehrte Verpflichtung zur Erstattung des Kaufpreises. Der Anspruch auf vorgerichtlich entstandene Kosten sei zudem in der Höhe zu beanstanden; es sei lediglich eine Gebühr von 1,8 noch angemessen. Sie widersetze sich schließlich auch der Festsetzung von Teilstreitwerten und damit korrespondieren Teilsicherheiten. Der Auskunftsanspruch sei nicht minder einschneidend als der Unterlassungsanspruch. Ein realistisch durchsetzbarer Schadenersatzanspruch sei insoweit indes nicht gegeben, weil der sich aus einer Auskunftserteilung ergebende Schaden nicht beweisbar sei. Hinzu komme, dass die Auskunft auch Preisauskünfte umfasse. Hierbei handele es sich um die „Kronjuwelen“ eines Unternehmens. Mit Blick auf die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs sei dies unverhältnismäßig. Unabhängig davon entspreche die von der Klägerin vorgeschlagene Wertaufteilung nicht den Risiken. Jedenfalls wäre ein paralleler Ausspruch einer Sicherheitsleistung zu dem nur für die Gebühren maßgeblichen Streitwert nicht gerechtfertigt, denn die von der Klägerin vorgeschlagenen Zahlen deckten das Vollstreckungsrisiko nicht ansatzweise ab.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rückruf, Vernichtung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Erstattung der außergerichtlichen Patentanwaltskosten zu.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Schachtel oder eine Verpackung, die zur Aufnahme einer Reihe von Behältern, typischerweise Flaschen oder abgefüllte Getränke, für die Verwendung in sogenannten Sternpfostenkisten vorgesehen sind. Sternpfostenkisten sind Behälter, typischerweise von einer kistenähnlichen Konfiguration, in denen darin angeordnete Packungen von Behältern in einer endgültigen Konfiguration mittels eines sternförmigen Pfostens arretiert werden. Der Pfosten greift an Anordnungen von ineinander greifenden Wandformationen in den Wänden dieser Packungen oder der Schachteln an. Sternpfostenkisten sind besonders bei einem Hochgeschwindigkeits- und/oder großvolumigen Verpacken nützlich.

Sternpfostenkisten und darin anordnenbare Schachteln oder Packungen sind im Stand der Technik bekannt. Das Klagepatent nennt insoweit die DE-A-2356XXX (vgl. Anlage rop 3), die eine Schachtel zur Verwendung mit Kisten betrifft, die Beabstandungspfosten aufweisen.

Das Klagepatent kritisiert am Stand der Technik, dass die Verwendung von Kisten zum Transport von Packungen zu Instabilitätsproblemen bei Handhabungsvorgängen im Transport von der Packmaschine zu dem Kistenpacker führen kann. Denn die Packungen tendierten dazu, sich innerhalb der Kiste zu bewegen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, die Nachteile des Standes der Technik zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Anspruch 1 eine Schachtel für die Verwendung mit Kisten mit Beabstandungspfosten mit folgenden Merkmalen vor:

1. Die Schachtel (10) umfasst eine Reihe von aufrecht stehenden Wänden (78a).

2. Die Schachtel (10) weist wenigstens ein Paar von zusammenwirkenden nachgebenden Klappen (82a, 112) auf.

3. Jede nachgebende Klappe des Paares oder von jedem Paar (82a, 112) ist in einer der aufrecht stehenden Wände (78a) ausgebildet und gelenkig an dieser angebracht.

4. Die nachgebenden Klappen des Paares oder von jedem Paar (82a, 112) sind
a) eine über der anderen angeordnet und
b) in Ausrichtung mit einem Zwischenraum zwischen einem Paar von nahe benachbarten Gegenständen (A) angeordnet, die in der Schachtel (10) enthalten sind.

5. Die nachgebenden Klappen (82a, 112) können sukzessive in das Innere der Schachtel (10) verschwenkt werden, und zwar mittels eines Beabstandungspfostens der Kiste, um eine Aussparung zu erzeugen, die der Beabstandungspfosten sodann einnimmt.

Anspruch 12 schlägt eine Verpackung mitsamt darin aufgenommener Gegenstände mit der Kombination folgender Merkmale vor:

1. Die Verpackung umfasst eine Gruppe von vergleichbar dimensionierten zylindrischen Gegenständen (A).

2. Die Gegenstände (A) sind an ihren Bodenenden Seite an Seite angeordnet.

3. Eine Schachtel (10) ist entlang der Außenseite der Gruppe angeordnet.

4. Die Schachtel (10) umfasst eine Reihe von aufrecht stehenden Wänden (78a).

5. Die Schachtel (10) weist wenigstens ein Paar von zusammenwirkenden nachgebenden Klappen (82a, 112) auf.

6. Jede nachgebende Klappe des Paares oder von jedem Paar (82a, 112) ist in einer der aufrecht stehenden Wände (78a) ausgebildet und gelenkig an dieser angebracht.

7. Die nachgebenden Klappen des Paares oder von jedem Paar (82a, 112) sind
a) eine über der anderen angeordnet und
b) in Ausrichtung mit einem Zwischenraum zwischen einem Paar von nahe benachbarten Gegenständen (A) angeordnet, die in der Schachtel (10) enthalten sind.

8. Die nachgebenden Klappen (82a, 112) können sukzessive in das Innere der Schachtel (10) verschwenkt werden, und zwar mittels eines Beabstandungspfostens der Kiste, um eine Aussparung zu erzeugen, die der Beabstandungspfosten sodann einnimmt.

II.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der in Anspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellten technischen Lehre unmittelbar und von der in Anspruch 12 des Klagepatents unter Schutz gestellten technischen Lehre mittelbar wortsinngemäß Gebrauch.

1)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen unmittelbar wortsinngemäß Anspruch 1 des Klagepatents. Dies ist mit Blick auf die Merkmale 1, 2, 4b) zwischen den Parteien zu Recht unstreitig. Weitere Ausführungen der Kammer hierzu sind nicht veranlasst. Die angegriffenen Ausführungsformen machen darüber hinaus aber auch von den Merkmalen 3, 4a) und 5 Gebrauch.

a)
Merkmal 3 des Anspruchs 1 verlangt, dass jede nachgebende Klappe des Paares (oder von jedem Paar) in einer der aufrechtstehenden Wände ausgebildet und gelenkig an dieser angebracht ist.

aa)
Unter einer gelenkigen Anbringung im Sinne des Klagepatents versteht der Fachmann das Vorhandensein einer Falt-, Schwächungs- oder Bruchlinie, entlang derer ein vordefiniertes Nachgeben der Klappen erfolgt. Eine Faltlinie oder Schwächungslinie, die an ihren beiden Enden frei ist, ist demgegenüber nicht zwingend erforderlich.

Bei seinen Überlegungen wird der Fachmann zwar bedenken, dass der Anspruch 1 nicht nur von Klappen spricht, sondern von „nachgebenden“ Klappen, so dass bereits hiermit eine bestimmte Funktion der Klappen zum Ausdruck kommt. Ebenso wird er sich in Erinnerung rufen, dass nach dem – von der Beklagten unwidersprochen vorgetragenen – allgemeinen Fachverständnis von einer gelenkigen Anbringung im Allgemeinen dann gesprochen wird, wenn zwei Bauteile über mindestens eine Bewegungsachse miteinander in Verbindung stehen und um diese Achse relativ zueinander verschwenkt werden können, was freie Ende der Bauteile voraussetzt. Beides wird ihn indes nicht zu dem Verständnis führen, dass die technische Lehre des Anspruchs 1 für die Anbringung der nachgebenden Klappen zwingend Falt- oder Schwächungslinien erfordert, deren beiden Enden frei sind.

Für die Auslegung eines Patents ist maßgeblich auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Durchschnittsfachmann vermittelt. Der Patentanspruch ist nicht wörtlich in philologischer Betrachtung, sondern seinem technischen Sinn nach aufzufassen, das heißt der Erfindungsgedanke muss unter Ermittlung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich aus dem Patent ergeben, bestimmt werden. Entscheidend ist deshalb nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung, sondern die Auffassung des praktischen Fachmanns, so wie ein unbefangener, technisch geschulter Leser die in der Patentschrift verwendeten Begriffe versteht. Zwar können der allgemeine Sprachgebrauch wie auch der allgemeine technische Sprachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Auch wird der allgemeine Sprachgebrauch den Fachmann veranlassen, gegebenenfalls weitere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Einem in einem Patentanspruch verwendeten Begriff darf jedoch nicht unbesehen der gemeinhin gebräuchliche Inhalt beigemessen werden, weil die Möglichkeit in Rechnung zu stellen ist, dass das Patent den betreffenden Ausdruck nicht in seinem geläufigen, sondern in einem davon abweichenden Sinne verwendet. Merkmale eines Patentanspruchs müssen deshalb aus der Patentschrift, die insoweit ihr eigenes Lexikon darstellt, selbst heraus ausgelegt werden (BGH GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Ein abweichendes Begriffsverständnis kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Beschreibungstext (z.B. durch eine Legaldefinition) explizit deutlich macht, dass ein bestimmter Begriff des Patentanspruchs in einem ganz bestimmten, vom Üblichen abweichenden Sinne verstanden wird. Die Divergenz zum Sprachgebrauch kann sich für den mit der Patentschrift befassten Fachmann auch aus dem gebotenen funktionsorientierten Verständnis der Anspruchsmerkmale ergeben (BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; BGH GRUR 2009, 655 – Trägerplatte; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2011, I – 2 U 3 /11).

Bei Zugrundelegen dieser Maßstäbe wird sich der Fachmann zunächst vor Augen führen, dass mit der Vorgabe von „nachgebenden“ Klappen noch nichts darüber ausgesagt wird, wie bzw. wo dieses Nachgeben erfolgen soll. Erst das Erfordernis einer gelenkigen Anbringung der nachgebenden Klappen gebietet ein Nachgeben an einer vordefinierten Achse, der Falt-, Schwächungs- oder Bruchline. Insoweit beinhaltet Merkmal 3 einen „Mehrwert“ insbesondere gegenüber Merkmal 2.

Das gelenkige Anbringen der nachgebenden Klappen dient – wie der Fachmann insbesondere dem Merkmal 6 sowie bspw. der Beschreibung auf S. 3, 2. Abs., letzter Satz, S. 3, 4. Abs., letzter Satz, S. 4, 2. Abs., letzer Satz, S. 5, 1. Abs. der Klagepatentschrift (Anlage rop 2) entnimmt – dem technischen Zweck, eine Aussparung der Schachtel auszubilden, in die sodann der Beabstandungspfosten der Kiste aufgenommen werden kann. Der durch das Verschwenken der Klappen in das Innere der Schachtel geschaffene Raum soll von dem Beabstandungspfosten eingenommen werden, so dass entsprechend der Aufgabenstellung des Schutzrechts (Anlage rop 2, S. 1, letzter Absatz), die aus dem Stand der Technik bekannten Instabilitätsprobleme vermieden oder zumindest abgeschwächt werden. Die in den Aussparungen aufgenommenen Beabstandungspfosten verhindern die Bewegung der Schachteln während des Transports; sie schaffen eine seitliche Abstützung (vgl. auch Anlage rop 2 S. 8, 2. Abs.). Dort, wo sich der in die Höhe erstreckende Beabstandungspfosten befindet bzw. wo die Schachtel beim Einsetzen in die Kisten mit dem Beabstandungspfosten in Berührung kommt bzw. kommen kann, muss Platz geschaffen werden. Damit dies in sicherer Art und Weise und nicht nur willkürlich oder eventuell unter Beschädigung der Schachtel erfolgt, bedarf es der Abstimmung: Die nachgebenden Klappen müssen so in das Innere der Schachtel gebracht werden, dass der geschaffene Raum mit den Beabstandungspfosten korrespondiert. Die Achse, um die sie schwenken bzw. an der sie nachgeben, muss mithin definiert sein.
Dass es zur Ausbildung einer erfindungsgemäßen Aussparung zwingend eines Hin und Her Schwenkens nachgebender Klappen mit freien Enden bedarf, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch dann, wenn die Klappen aufgrund einer Falt-, Schwächungs- oder Bruchlinie an einer vordefinierten Achse nachgeben und sich nach innen bewegen, wird an der Stelle eine Aussparung erzeugt, wo die aufrechtstehende Wand der Schachtel mit dem Beabstandungspfosten in Berührung kommt. Die Beabstandungspfosten können den Raum ausfüllen; sie werden von zwei Seiten der Schachtel aufgenommen. Eine Bewegung der Schachteln zueinander wird hiermit trotz Fehlens freier Enden der Linie verhindert. Da bei einem festgelegten Ende die Klappe sozusagen unter Spannung steht, wird die Bewegung im Übrigen mindestens genau so wirksam, wenn nicht sogar besser eingedämmt.

In dieser Sichtweise wird der Fachmann dadurch bestärkt, dass der Anspruch selbst weder ausdrücklich freie Enden von Falt-, Schwächungs- oder Bruchlinien erwähnt noch Vorgaben für die Länge derartiger Linien oder die Größe, das Ausmaß etc. der aufzunehmenden Beabstandungspfosten enthält.

Die Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele bestätigt das oben dargestellte Verständnis, wenn es dort auf Seite 13, 3. bis 5. Absatz (Anlage rop 2) heißt: „Sobald die Sternpfosten P1, P3 in Berührung mit den Endwänden kommen, werden die ersten und zweiten nachgebenden Klappen einwärts entlang der Faltlinie 88a, 88d gefaltet, um die herausragenden Abschnitte der Sternpfosten aufzunehmen. Bei den Ausführungsformen mit einer oberen Endwandfläche 66, 72 werden die oberen nachgebenden Klappen 112, 114 und 120, 122 einwärts entlang der Faltlinien 118, 116; 126, 124 gefaltet. … Ein Vorteil der Anordnung liegt darin, dass die Sternpfosten die nachgebenden Klappen einwärts zwingen, um die Artikel nebeneinander zustellen und dadurch die interne Bewegung der Artikel zu unterbinden. Weiters schaffen die nachgebenden Klappen auch einen Grad von Eingriff mit den Sternpfosten, wobei der Sternpfosten mit der Schachtel verbunden wird.“ (Unterstreichung hinzugefügt). Ferner heißt es auf Seite 14, 4. Absatz der Klagepatentschrift (Anlage rop 2): „ Jedwede Bezugnahme auf eine gelenkige Verbindung sollte nicht so ausgelegt werden, dass sie sich notwendigerweise nur auf eine einzelne Faltlinie bezieht: Natürlich wird in Betracht gezogen, dass die gelenkige Verbindung aus einer oder mehreren der folgenden Linien geformt sein kann, ohne sich von dem Erfindungsgedanken zu entfernen, eine Schwächungslinie, eine Bruchlinie oder eine Faltlinie.“ (Unterstreichung hinzugefügt). Das Klagepatent beschreibt mithin solche Ausführungsformen als erfindungsgemäß, bei denen die nachgebenden Klappen entlang von Faltlinien gefaltet werden. Ein Hin und Her Schwenken von Klappen mit an beiden Seiten freien Enden um eine Bewegungsachse wird demgegenüber hier nicht gefordert.
Soweit die Beklagte vorbringt, alle in den bevorzugten Ausführungsbeispielen als schwenkbar bezeichneten (Falt-)Linien verfügten über zwei freie Enden, vermag sich die Kammer dieser Sichtweise nicht anzuschließen. In den Figuren 1 und 3 sind die oberen nachgebenden Klappen 112, 114 und 120, 122 gezeigt, die nach der Beschreibung S. 13, 3. Abs. (Anlage rop 2) entlang der Faltlinien 116, 118 und 124, 126 gefaltet werden. Diese Ausgestaltung wird als erfindungsgemäß beschrieben. Die genannten Faltlinien laufen den Figuren 1 und 3 zufolge mit ihren oberen Enden zusammen; die oberen Enden der Linien sind demnach nicht frei. Dass es sich bei den zwischen den Faltlinien eingezeichneten Linien, die vom Klagepatent nicht gesondert benannt und/oder mit einem eigenen Bezugszeichen versehen sind, um Perforationslinien handelt, die zu einem Öffnen der Klappen beim Einsetzen der Schachtel in die Kiste führen, mit der Folge, dass die Öffnung bis zum jeweiligen oberen Ende der Faltlinien reicht, so dass letztlich beide Enden frei sind, ist nicht ersichtlich. Auch wenn der Beklagten zuzugeben sein mag, dass die nicht benannte Linie zwischen den Faltlinien 116, 118 und 124, 126 anders dargestellt ist als die Faltlinien, so dass der Fachmann davon ausgehen wird, dass es sich um eine andere Linienart handelt, belegt dies allein nicht eine Perforationslinie mit den genannten Wirkungen. Die Beschreibung und der Anspruch selbst geben hierfür jedenfalls keinen Anhalt. Von einem Öffnen bis an die oberen Enden der Faltlinien ist keine Rede. Es kann sich folglich auch, wie die Klägerin vorgetragen hat, um die Darstellung einer Verstärkungslinie handeln, die einen erhöhten Widerstand zur Folge hat. Wollte man allein aus der zeichnerischen Darstellung etwas ableiten, könnte überdies nicht unberücksichtigt bleiben, dass in der Figur 4 zwar ein Öffnen der nicht benannten Linie gezeigt ist, so dass der Sternpfosten in die Schachtel eingreift. Die dort gezeigte Öffnung geht indes nicht ganz bis an das Ende der Faltlinien 116, 118. Diese sind vielmehr auch nach dem Einsetzen der Schachtel in die Kiste miteinander verbunden, was der technische Lehre des Anspruchs 1 nicht entgegensteht, da eine Aussparung nur an der Stelle geschaffen werden muss, wo sich der Beabstandungspfosten befindet.

Von einem Widerspruch zwischen dem Anspruch 1 und der Beschreibung bzw. den Figuren der Klagepatentschrift mit der Folge, dass die erläuterten Ausführungsbeispiele nicht in den Patentschutz einzubeziehen seien (BGH GRUR 2011, 701 – Okklussionsvorrichtung), kann nach alledem keine Rede sein.

Schließlich erhellt auch der Unteranspruch 2, dass eine gelenkige Anbringung „entlang einer im Allgemeinen vertikalen Faltlinie“ möglich ist.

bb)
Die nachgebenden Klappen müssen des Weiteren nach Merkmal 3 in einer der aufrechtstehenden Wände ausgebildet sein. Dies gewährleistet, dass die Klappen entlang der Faltlinie, mithin ihrer gelenkigen Anbringung, nachgeben, so dass die Aussparung beim Einsetzen der Schachtel in die Kiste geschaffen wird und die Beabstandungspfosten die Aussparung einnehmen können. Aufgrund dieser Funktion kommt es zur Beurteilung der Frage, ob die nachgebenden Klappen in einer aufrechtstehenden Wand ausgebildet sind, auf den zusammengebauten Zustand an. Maßgeblich für Anspruch 1 ist die fertig konfigurierte Schachtel, nicht der ungefaltete Zuschnitt. Nur die fertige Schachtel wird in die Kiste eingesetzt und kommt in Kontakt mit den Beabstandungspfosten, die sodann mittels der nachgebenden Klappen eine Aussparung herbeiführen sollen. Die Aussparung muss entsprechend der Erstreckung der Beabstandungspfosten geschaffen werden. Da sich die Beabstandungspfosten vom Boden der Kiste aus senkrecht nach oben erstrecken, müssen sich die nachgebenden Klappen dann, wenn sie mit den Pfosten in Kontakt kommen bzw. kommen können, in der aufrechtstehenden Wand befinden.

Der Verweis der Beklagten auf die EP 0 574 XXX (Anlage PBP 5) als Stand der Technik, der bereits eine Kartonverpackung zeigen soll, bei der die bodenseitigen Klebelaschen auf die Stirnwand der Schachtel aufgeklebt sind und mit einem Beabstandungspfosten in das Innere der Schachtel verschwenkt werden können, verfängt nicht. Bei dem EP 0 574 XXX handelt es sich nicht um Stand der Technik, der in dem Klagepatent erwähnt oder gewürdigt ist. Die Druckschrift ist folglich kein zulässiges Auslegungsmaterial (BGH GRUR 1991, 811 – Falzmaschine). Dass diese Druckschrift zum allgemeinen Fachwissen auf dem hier in Rede stehenden Technikgebiet gehört (BGH GRUR 1978, 235 – Stromwandler), hat die Beklagte selbst nicht vorgetragen.

cc)
Ausgehend von diesem Verständnis verfügen die angegriffenen Ausführungsformen über nachgebende Klappen, die gelenkig angebracht sind, und zwar in einer der aufrechtstehenden Wände.
Im zusammengebauten Zustand der Schachteln sind nicht nur die Klappen G1 und G2, sondern auch die Klappen R1/F1 bzw. R2/F2 in einer aufrecht stehenden Wand ausgebildet. Die nachgebenden Klappen sind auch gelenkig an dieser Wand angebracht. Für die Klappen R1/F1 bzw. R2/F2 ist dies unstreitig. Es gilt aber auch für die Klappen G1 und G2, da wie ausgeführt ein Nachgeben der Klappen an einer vordefinierten Achse, welche die Faltlinie L11 bzw. L12 bildet, genügt. Darauf, ob die Linie X1/X2 vorhanden ist, kommt es nicht entscheidend an.

b)
Dem Merkmal 4a) zufolge müssen die nachgebenden Klappen des Paares oder von jedem nach dem gemäß Art. 70 EPÜ maßgeblichen englischen Anspruchswortlaut „one atop the other“ angeordnet sein. Der Fachmann versteht unter einer Anordnung „ein über der anderen“ auch eine überlappende Anordnung. Er ist nicht auf eine Anordnung mit einem vertikalen Versatz beschränkt.

Entscheidend für das Verständnis des Fachmanns ist der technische Wortsinn der Worte „being disposed one atop the other“, für den der übliche Sprachgebrauch wichtige Anhaltspunkte geben kann. (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rn. 31). „Atop“ wird im Allgemeinen mit „auf“, „obenauf“ oder „über“ übersetzt. „Atop“ setzt mithin nicht zwingend voraus, dass die Klappen eines Paares vertikal oberhalb der anderen angeordnet sein müssen. Vielmehr ist auch eine Anordnung erfasst, in der die Klappen übereinander liegen. Eine derartige Anordnung entspricht dem Sinn und Zweck des Merkmals 4a), der in der Konkretisierung des in Merkmal 2 bereits erwähnten Zusammenwirkens der nachgebenden Klappen und in der Gewährleistung des sukzessiven Schwenkens gemäß Merkmal 6 liegt. Durch eine überlappende Anordnung kommt es zu einem Zusammenwirken der nachgebenden Klappe: Die äußere Klappe, die beim Einsetzen der Schachtel in die Kiste mit dem Beabstandungspfosten (zunächst) in Kontakt kommt und deshalb in das Innere der Schachtel schwenkt, nimmt aufgrund der überlappenden Anordnung die innere Klappe mit, welche sodann in das Schachtelinnere schwenkt.

Dass von Anspruch 1 eine Anordnung erfasst ist, in der die Klappen teilweise übereinander liegen, zeigen überdies die Figuren 2 und 3 des Klagepatents. Bei diesen Ausführungsbeispielen überlappen die Klappen 112, 114 der oberen Wandfläche die Klappen 82a, 82d der unteren Wandfläche teilweise.

Eine Ausgestaltung, in der eine der nachgebenden Klappen des Paares vertikal oberhalb der anderen angeordnet ist, ist erst Gegenstand des Unteranspruchs 7.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, die Anordnung der Klappen „ein über der anderen“ habe die Klägerin erst mit Eingabe vom 12.10.2006 (Anlage PBP 6) unter Berufung auf die Figuren 2 und 6 sowie die Offenlegungsschrift WO 2004/113182 (Anlage PBP 7) in den Anspruch 1 eingefügt, führt dies nicht zu einer anderen Auslegung. Dies bereits deshalb nicht, weil Vorgänge aus dem Erteilungsverfahren und/oder die Erteilungsakte selbst kein zulässiges Auslegungsmaterial für die Schutzrechtsbereichsbestimmung eines Patents darstellen (BGH GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rn. 45).

c)
Die nachgebenden Klappen müssen schließlich gemäß Merkmal 5 sukzessive in das Innere der Schachtel verschwenkt werden können, und zwar mittels eines Beabstandungspfostens der Kiste, um eine Aussparung zu erzeugen, die der Beabstandungspfosten sodann einnimmt.

Unter einem sukzessiven Verschwenken versteht Anspruch 1 einen kontinuierlichen Prozess mit fließenden Übergängen. Die nachgebenden Klappen sollen beim Einsetzen der Schachtel in die Kiste von unten nach oben sowie von außen nach innen sukzessive, d.h. nach und nach in das Innere der Schachtel verschwenkt werden. Dies korrespondiert mit der Anordnung der nachgebenden Klappen entsprechend Merkmal 4a). Die Aussparung ist zudem dort zu schaffen, wo sich der Beabstandungspfosten befindet und Raum einnehmen kann.

Auch hier bleibt der Verweis der Beklagten darauf, dass das sukzessive Verschwenken erst mit Eingabe der Klägerin vom 12.10.2006 (Anlage PBP 6) Eingang in den Anspruch gefunden habe, aus den oben erläuterten Gründen ohne Erfolg.

Bei den angegriffenen Ausführungsformen erfolgt, wie die Inaugenscheinnahme zeigt, kein zeitgleiches Verschwenken der Klappen, sondern ein Verschwenken nach und nach. Zeitlich zuerst werden beim Einsetzen der Schachtel in die Kiste die äußeren Klappen F1/R1 und F2/R2 bewegt, wenn sie (als erstes) an einen Beabstandungspfosten stoßen. Unmittelbar anschließend werden während des Einsetzvorgangs die Klappen G1 und G2 bewegt. Dass sich F1/R1 und G1 sowie F2/R2 und G2 überlappen und dadurch der Druck auf R1/R2 sich auch anfangs auf G1 und G2 in gewisser Weise auswirkt, ist unschädlich. Denn auch bei Figur 2 des Klagepatents sind die Klappenpaare 112 und 82a sowie 114 und 82d durch Verklebung überlappend miteinander verbunden.

2)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen darüber hinaus Anspruch 12 des Klagepatents wortsinngemäß mittelbar.
Sie sind objektiv dazu geeignet, zur Benutzung der technischen Lehre des Anspruchs 12 verwendet zu werden. Dies ist bezüglich der Merkmale 1 bis 5 sowie 7b) zwischen den Parteien zu Recht unstreitig. Soweit die Parteien über die Verwirklichung der Merkmale 6, 7a) und 8 streiten, kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen sinngemäß auf die obigen Ausführungen unter II. 1 a) – c) verwiesen werden.
Die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung sind zwischen den Parteien gleichfalls unstreitig, so dass auch hierzu keine weiteren Ausführungen der Kammer notwendig sind.

III.
Angesichts der Patentbenutzung durch die angegriffenen Ausführungsformen stehen der Klägerin die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu.

1)
Der Unterlassungsanspruch beruht auf §§ 9, 10, 139 Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.

2)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus § 139 Abs. 2 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ folgt. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die unmittelbare und mittelbare Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Auf Grundlage welcher Berechnungsmethode die Schadenersatzhöhe zu ermitteln ist, bedarf im Rahmen der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung keiner Entscheidung.

3)
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Für nicht gewerbliche Abnehmer und die Angebotsempfänger ist der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt zu gewähren (OLG Düsseldorf InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger). Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4)
Die Beklagte ist gemäß §§ 9, 140a Abs. 3, S. 1, 1. Alt. PatG zum Rückruf in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise verpflichtet. Die seitens der Beklagten gegen die Konkretisierung des Rückrufs vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

Nach § 140a Abs. 3. S. 1, 1. Alt. PatG schuldet ein Patentverletzer den Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind. Geschuldet wird die Vornahme einer Handlung, nicht ein bestimmtes Ergebnis. Welche konkrete (Rückruf-)Handlung der Verletzer schuldet, ist im Erkenntnisverfahren zu klären. Dies entspricht auch dem Schutz des in Anspruch Genommenen, denn der Verletzer muss wissen, welche Handlungen er im Rahmen der Vollstreckung eines titulierten Rückrufanspruchs vornehmen muss, wann er seinen Verpflichtungen genüge getan hat. Bliebe dies offen, wären die konkreten Maßnahmen erst in einem etwaigen Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, welches jedoch eingeschränkte Überprüfungs- und Verteidigungsmöglichkeiten bietet.
Welche konkrete Handlung ein Verletzer schuldet, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da es Aufgabe eines Klägers ist, seine Anträge entsprechend dem Bestimmtheitsgebot zu stellen, kann ein Kläger die begehrten einzelnen Maßnahmen konkretisieren. Es ist sodann zu prüfen, ob die jeweils beantragten Maßnahmen angemessen sind. Dies ist vorliegend anzunehmen.

Soweit die Beklagte moniert, dass ihr die Kosten des Rückrufs auferlegt werden, ist zu bemerken, dass sie selbst zu Recht auf Art. 10 der Durchsetzungsrichtlinie verweist. Die Kosten des Rückrufs trägt mithin grundsätzlich der Verletzer (Dörre/Maaßen GRUR-RR 2008, 217; Fitzner/Lutz/Bodewig – Rinken, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 140a, Rn. 49; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rn. 1102).

Der Einwand der Beklagten, es gebe keine Verpflichtung zu einem Hinweis auf eine eigene Patentverletzung durch den Kunden bedarf keiner abschließenden Erörterung, da derartiges weder beantragt noch tenoriert ist. Es hat nach Ziffer I. 3) lediglich ein Hinweis auf den mit Urteil der Kammer vom heutigen Tage festgestellten patentverletzenden Zustand der Erzeugnisse gemäß Ziffer I. 1a) des Tenors zu erfolgen. Ähnliches gilt im Ergebnis für den vermeintlich von der Klägerin gewünschten Hinweis auf eine Nebenverpflichtung zur Rückgabe der Erzeugnisse. Ein solcher Hinweis ist weder beantragt noch in Ziffer I. 3) des Tenors enthalten.

Auch der Einwand der Beklagten, § 140a Abs. 3 PatG greife nicht in die gesetzliche Systematik für das Vertragsverhältnis zwischen Verletzer und dessen Kunden ein, so dass sie nicht verpflichtet werden könne, ihren gewerblichen Abnehmern im Zuge des Rückrufs die Erstattung des Kaufpreises der zurückgerufenen Erzeugnisse anzubieten, verhilft ihr letztlich nicht zum Erfolg.
Dem Ansatz der Beklagten ist grundsätzlich zuzustimmen. Das zwischen dem Patentinhaber und dem Verletzer bestehende Rechtsverhältnis ist von dem Vertragsverhältnis des Verletzers und seinem gewerblichen Abnehmer zu unterscheiden. Es handelt sich um voneinander zu trennende Beziehungen, die jeweils eigenen Regeln unterworfen sind. Die Ebenen dürfen nicht vermischt werden. Die daraus zu ziehenden Konsequenzen sind jedoch nach Auffassung der Kammer andere als die, die die Beklagte ziehen möchte. So wenig wie § 140a Abs. 3 PatG abschließend und rechtlich bindend eine etwaige Rechtsmängelhaftung des Verletzers als Verkäufer normiert, so wenig führen die kaufrechtlichen Regelungen zu einer Einschränkung oder zu zwingenden Vorgaben bezüglich des Rückrufanspruchs wegen Patentverletzung. Der Gesetzgeber hat für die unerlaubte Handlung der Patentverletzung explizit als Rechtsfolge den Rückruf der patentverletzenden Erzeugnisse vorgesehen. Der durch den Verletzer herbeigeführte rechtswidrige Zustand soll beseitigen werden, und zwar durch wirksame Störungsbeseitigungsmaßnahmen des deliktisch handelnden Täters. Der Verletzer ist deshalb im Hinblick auf seine Rückrufverpflichtung gegenüber dem Patentinhaber dazu anzuhalten, dem Rückrufadressaten die Maßnahme anzudienen, die am ehesten für die Störungsbeseitigung sorgen kann. Er muss mithin auch effektive Anreize für seine gewerblichen Abnehmer schaffen, dem Rückruf Folge zu leisten. Anderenfalls liefe die Verpflichtung aus § 140a Abs. 3 PatG leer (Fitzner/Lutz/Bodewig – Rinken, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., § 140a, Rn. 49). Welche Maßnahme geboten ist, ist – wie bereits ausgeführt – eine Frage des Einzelfalls. Es können folglich grundsätzlich sowohl das Angebot der Erstattung des Kaufpreises als auch die von der Beklagten erwähnte Nacherfüllung oder andere Maßnahmen in Betracht kommen. An der Wirksamkeit bzw. Anreizwirkung der von der Klägerin beantragten angebotenen Kaufpreiserstattung bestehen keine Zweifel; auch die Beklagte macht nicht geltend, dass sie im vorliegenden Fall ihre gewerblichen Abnehmer nicht dazu bewegen könnte, der Rückrufaufforderung Folge zu leisten. Dass eine Nacherfüllung mindestens ebenso wirksam oder wirksamer sein würde, ist indes dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Konkrete Tatsachen werden hierzu nicht ausgeführt. Es ist insbesondere nicht mal ersichtlich, ob die Beklagte nicht patentverletzende Gegenstände bereit hält, mit denen sie einer etwaigen Nacherfüllungspflicht nachkommen könnte.

Abrundend bleibt zu erwähnen, dass es der Beklagten unbenommen bleibt, dem Abnehmer gegenüber den Rückruf über die tenorierten Maßnahmen hinaus zu erläutern und gegebenenfalls zusätzlich weitere Möglichkeiten darzutun.

5)
Der Vernichtungsanspruch findet seine Grundlage in §§ 9, 140a Abs. 1, S. 1 PatG. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung gem. § 140a Abs. 4 PatG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

6)
Die Erstattung der durch die vorprozessuale Abmahnung der Beklagten vom 17.11.2010 entstandenen Patentanwaltskosten basiert auf § 139 Abs. 2 PatG bzw. §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB. Zu erstatten sind insgesamt 6.012,00 €.
Der zugrunde zu legende Gegenstandsstreitwert beträgt unstreitig 500.000,00 €. Bei ihrem daraus folgenden Anspruch hat die Klägerin in Anlehnung an §§ 2, 13 RVG i. V. m Nr. 2300 RVG in nicht zu beanstandender Weise eine 2,0 Geschäftsgebühr in Ansatz gebracht. Bei der Ermittlung der Patentanwaltsvergütung ist dem Patentanwalt ein Ermessensspielraum zuzugestehen. Nur soweit der Patentanwalt das als grundsätzlich billig oder angemessene Honorar um mehr als 20 % überschreitet, ist es auf den entsprechenden Betrag herabzusetzen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2001, I – 2 U 10/98; LG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2010, 4b O 85/10, LG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2006, 4b O 58/05). Von einer solchen Überschreitung ist vorliegend nicht auszugehen. Die Geschäftsgebühr Nr. 2300 RVG ist eine Rahmengebühr, deren Rahmen sich von 0,5 bis 2,5 bewegt. Bei einer Patentsache handelt es sich grundsätzlich um eine in technischer und rechtlicher Sicht schwierige Sache, die auch infolge ihres Umfangs in der Regel überdurchschnittlich ist. Eine 1,8 Gebühr ist deshalb grundsätzlich in Patentsachen nicht zu beanstanden (LG Düsseldorf; Urteil vom 17.04.2007, 4b O 70/06). Dass die vorliegende Streitigkeit demgegenüber nur einen minderen Schwierigkeitsgrad aufweist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Ausgehend von der grundsätzlich billigen 1,8 Gebühr und unter Berücksichtigung des 20%igen Ermessensspielraums ist folglich die angesetzte Geschäftsgebühr von 2,0 im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 S. 1 ZPO.
Auf Antrag der Klägerin sind Teilsicherheiten für die einzelnen titulierten Ansprüche festgesetzt worden. Die Festsetzung von Teilsicherheiten ist im Rahmen des § 709 S. 1 ZPO zulässig, da dieser nicht dahingehend verstanden werden kann, dass bei einem Urteil jeweils nur eine der Höhe nach festgelegte Sicherheit zulässig ist. Bei der Wendung “gegen eine der Höhe nach bestimmte Sicherheit“ ist das Wort “eine” nicht in seiner Bedeutung als Zahlwort, sondern als unbestimmter Artikel aufzufassen (so zu Recht: OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1997, 620). Die Einzelheiten der zu leistenden Sicherheit regelt § 108 ZPO, wonach das Gericht nach freiem Ermessen bestimmt, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Dies umfasst auch die Festsetzung von Teilsicherheiten für zulässige Teilvollstreckungen (zur Zulässigkeit von Teilsicherheiten vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.07.2008, I – 2 U 8/08; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 108 Rn. 4). Ein besonderes Interesse für die Festsetzung von Teilsicherheiten für einzelne titulierte Ansprüche, die zulässigerweise getrennt voneinander vollstreckt werden können, ist nicht erforderlich (a. A. OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1997, 620). Es steht einem Kläger insoweit grundsätzlich frei, nur einzelne der titulierten Ansprüche zu vollstrecken. Eine Rechtsvorschrift, die dies verbietet, ist nicht ersichtlich. Es handelt sich vielmehr um verschiedene Streitgegenstände, die unabhängig voneinander vollstreckt werden können. Dies gilt auch mit Blick auf die Teilvollstreckung eines hier in Rede stehenden titulierten Auskunfts- bzw. Rechnungslegungsanspruchs wegen Patentverletzung. Daran ändern weder die Bedeutung des zu vollstreckenden Anspruchs etwas noch etwaige Beweisschwierigkeiten im Rahmen eines möglichen Vollstreckungsschadenersatzanspruchs. Bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kann der Kläger sich mithin darüber klar werden, ob im Falle eines obsiegenden auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf der Verletzungsgegenstände gerichteten Urteils die sofortige Vollstreckung aller titulierten Ansprüche oder nur zunächst die Vollstreckung einzelner von ihnen erforderlich oder zumindest sinnvoll ist. Er kann sodann gegebenenfalls einen entsprechenden Antrag stellen.
Die Höhe der Teilsicherheiten kann grundsätzlich den festzusetzenden Teilstreitwerten der titulierten Ansprüche entsprechen. Im Einzelfall kann es indes geboten sein, die Teilsicherheiten abweichend davon festzusetzen, wenn nur so ein etwaiger Vollstreckungsschaden zutreffend Berücksichtigung finden kann. Sofern sich dies nicht bereits aufgrund allgemeiner systematischer Erwägungen ergibt, ist es Sache der Beklagten die tatsächlichen Umstände vorzutragen, die zur Bestimmung einer abweichenden, insbesondere einer höheren Teilsicherheit erforderlich sind. Nur die Beklagte kann verlässliche Angaben dazu machen, in welcher Höhe ihr ein Schaden bei Vollstreckung des Urteils bzw. der einzelnen titulierten Ansprüche droht.
Ausgehend hiervon ist die Festsetzung der Teilsicherheiten in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe erfolgt. Mangels konkreter Angaben, die eine Abweichung von den jeweiligen Teilstreitwerten rechtfertigen würde, stimmen die Teilsicherheiten für den Unterlassungs-, den Rechnungslegungs- und den Schadenersatzfeststellungsanspruch mit den jeweiligen von der Klägerin vorgeschlagenen Teilstreitwerten überein. Die Beklagte hat, insbesondere bezüglich des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs keine konkreten Tatsachen vorgetragen, aus denen ein etwaiger höherer Vollstreckungsschaden abgeleitet werden könnte. Sie hat sich darauf beschränkt, die Bedeutung des Rechnungslegungsanspruchs allgemein zu erläutern und darauf hinzuweisen, vor allem die zu erteilenden Preisauskünfte stellten die „Kronjuwelen eines Unternehmens“ dar. Den ihr tatsächlich bei der Vollstreckung des Rechnungslegungsanspruchs drohenden Schaden hat sie hiermit nicht beziffert. Bei der Festsetzung der Teilsicherheit für den Vernichtungs- und den Rückrufanspruch hat die Kammer berücksichtigt, dass bei einer Vollstreckung dieser titulierten Ansprüche der Unterlassungsanspruch grundsätzlich jedenfalls zum Teil mit durchgesetzt wird. (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 12.01.2010, 7 O 233/11). Vernichtete und/oder zurückgerufene Erzeugnisse können in der Regel nicht mehr in Vertrieb gebracht werden; weitere Vertriebsmaßnahmen werden insoweit folglich unterbunden. Da konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Beklagte gleichwohl bei Vollstreckung nur des Rückrufs- und/oder Vernichtungsanspruchs die angegriffenen Ausführungsformen noch herstellen, anbieten etc. kann, ist bei der Festsetzung der Teilsicherheiten für den Rückruf- und den Vernichtungsanspruch auch der – faktisch – mit vollstreckte Unterlassungsanspruch zu berücksichtigen.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf insgesamt 1.000.000,00 € festgesetzt. Davon entfallen 800.000,00 € auf den Unterlassungsanspruch, 10.000,00 € auf den Rechnungslegungsanspruch, 180.000,00 € auf den Schadenersatzfeststellungsanspruch, 5.000,00 € auf den Rückrufanspruch und 5.000,00 € auf den Vernichtungsanspruch.