4a O 178/07 – Fahrradanhänger

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 610

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. November 2007, Az. 4a O 178/07

1.
Die Beschlussverfügung der Kammer vom 31. August 2007 wird aufrechterhalten und der Widerspruch der Antragsgegnerinnen zurückgewiesen.

2.
Die weiteren Kosten des Verfahrens werden den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnern auferlegt.

T a t b e s t a n d :

Die Antragstellerin ist eines der führenden Unternehmen im Bereich Fahrradanhänger. Sie nimmt die Antragsgegnerinnen wegen Verletzung des deutschen Patents 102 42 xxx (Verfügungspatent) auf Unterlassung im einstweiligen Verfügungsverfahren in Anspruch. Das Verfügungspatent wurde am 10.09.2002 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 11.03.2004. Die Patenterteilung wurde am 13.04.2006 veröffentlicht. Die Antragsgegnerin zu 2) hat gegen das Verfügungspatent Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht erhoben. Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents.

Patentanspruch 1 des Verfügungspatents hat folgenden Wortlaut:

„Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport von Babys oder Kleinkindern, die mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt werden kann, gekennzeichnet durch eine flexible Matte (21), die durch seitliche, in Längsrichtung der Matte (21) verlaufende Spannelemente (22, 23, 31, 32) in die Transportform gebracht werden kann, und durch seitlich an der Matte (21), insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs angeordnete Wandungen, die einem seitlichen Herausrutschen eines Körpers entgegenwirken. “

Wegen des Wortlauts der von der Antragstellerin „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 13, 15, 22, 23 und 27 des Verfügungspatents wird auf die als Anlage ASt. 2 vorgelegte Patentschrift verwiesen. Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen zeigen ein bevorzugtes erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel, und zwar in Figur 1 einen Fahrradanhänger mit einer eingehängten Körperaufnahme in perspektivischer Darstellung und in Figur 2 einen Querschnitt der Körperaufnahme entlang der Schnittlinie II-II in Figur 1:

Die Antragsgegnerin zu 1), die ihren Sitz in Oregon, USA, hat, stellt Fahrradanhänger her und vertreibt diese und zwar insbesondere auch in der Bundesrepublik Deutschland über die Antragsgegnerin zu 2). Auf der Website „www.x.de“ der Antragsgegnerin zu 1 wird die Antragsgegnerin zu 2) als Kontaktunternehmen für den Vertrieb in Deutschland aufgeführt. Die Antragsgegnerinnen stellten auf der EUROBIKE 2007, einer internationalen Fahrradmesse in Friedrichshafen, ihr neues Produkt „A“ (angegriffene Ausführungsform) aus, bei dem es sich um eine in einem fahrbaren Rahmengestell befestigte Hängematte für den Transport von Babys oder Kleinkindern handelt. Die Antragstellerin hat einen von den Antragsgegnerinnen auf der Messe verteilten Prospekt mit dem Titel „B“ als Anlage ASt. 6 vorgelegt. Auf Seite 11 links oben dieses Prospekts befindet sich eine Abbildung und Kurzbeschreibung einer solchen Babyhängematte. Die Antragstellerin hat außerdem auf der Messe von dem Produkt der Antragsgegnerinnen gefertigte Fotografien als Anlage ASt. 7 eingereicht, von denen zwei Ablichtungen nachfolgend wiedergegeben werden:

Die nachfolgend eingeblendeten Ablichtungen stammen von den Antragsgegnerinnen und zeigen ebenfalls den „A“:

Die Antragstellerin sieht im Ausstellen des „As“ durch die Antragsgegnerinnen auf der EUROBIKE 2007 eine Verletzung des Verfügungspatents. Mit Schreiben vom 30.08.2007 hat sie deshalb die Antragsgegnerin zu 1) unter Fristsetzung abgemahnt. Mit Schreiben vom 31.08.2007 hat sich die Antragsgegnerin zu 1) vertragsstrafenbewehrt zur Unterlassung für die Zeit bis zum 17.09.2007 verpflichtet. Die Antragsgegnerin zu 1) hat zugleich mitgeteilt, dass sie sich bis dahin vertieft mit der Frage der Verletzung und des Rechtsbestands des Verfügungspatents auseinandersetzen wolle.

Auf Antrag der Antragstellerin hat die Kammer den Antragsgegnerinnen die Benutzung des Gegenstands aus Anspruch 1 des Verfügungspatents untersagt, wobei dies für die Antragsgegnerin zu 1) erst für den Zeitraum ab dem 18.09.2007 angeordnet worden ist. Wegen des genauen Inhalts der einstweiligen Verfügung wird auf den Beschluss vom 31.08.2007 verwiesen, der den Parteien bekannt ist.

Die Antragsgegnerinnen haben Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung der Kammer eingelegt. Sie sind der Ansicht, dass es an einem Verfügungsgrund fehle, weil sich das Verfügungspatent in dem von ihnen eingeleitetem Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 werde neuheitsschädlich durch die DE-PS 207 434, die US-PS 28 29 702, die FR-A 27 01 655 und die US-PS 5 785 333 vorweggenommen. Außerdem sei ein Verfügungsanspruch nicht gegeben. Die angegriffene Ausführungsform verfüge über keine flexible Matte. Zudem könne das von der Antragstellerin als Matte angesehene Netz nicht wie erfindungsgemäß vorgesehen durch seitliche, in Längsrichtung der Matte verlaufende Spannelemente in die Transportform gebracht werden. Ferner weise die angegriffene Ausführungsform keine seitlich an der Matte, insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs angeordnete Wandungen auf, die einem seitlichen Herausrutschen eines Körpers entgegenwirken könnten.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

den Antrag der Antragstellerin unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 31.08.2007 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 31.08.2007 aufrechtzuerhalten,

wobei sie ihren Antrag dahin ergänzt, dass davon auch erfasst werden sollen

Körperaufnahmen für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport von Babys oder Kleinkindern,

insbesondere wenn
die Körperaufnahmen gekennzeichnet sind durch einen bevorzugt auf der Rückseite der Matte befestigten, quer zu ihrer Längsrichtung verlaufenden Gurt, an dessen Enden Befestigungselemente angeordnet sind,

und/oder
die Körperaufnahmen dadurch gekennzeichnet sind, dass mindestens eines der Befestigungselemente als Schnellverschluss ausgebildet ist, der mit einem entsprechenden Gegenstück, das am Rahmengestell angeordnet ist, zusammenwirkt,

und/oder
die Körperaufnahmen durch Mittel zum Sichern des bzw. der Körper gekennzeichnet sind,

und/oder
die Körperaufnahmen gekennzeichnet sind durch Öffnungen in der Matte zum Durchführen von am Rahmengestell oder an der Rückseite der Matte befestigten Sicherheitsgurten,

und/oder
die Körperaufnahmen dadurch gekennzeichnet sind, dass das Rahmengestell Bestandteil einer Fahrgastzelle eines Fahrradanhängers ist.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die von der Kammer am 31.08.2007 erlassene Beschlussverfügung erweist sich auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch der Antragsgegnerinnen als zulässig und begründet.

I.

Der von der Antragstellerin gegenüber den Antragsgegnerinnen geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung ist gegeben, § 139 Abs. 1 PatG.

1.
Das Klagepatent betrifft eine Aufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport von Babys oder Kleinkindern. In der Beschreibung des Verfügungspatents wird ausgeführt, dass auf dem Markt harte Schalen aus Polystyrol erhältlich seien, mit deren Hilfe Babys in einem Fahrradanhänger transportiert werden können. Derartige Babyschalen weisen nach den weiteren Ausführungen des Verfügungspatents wesentliche Nachteile auf. Sie sind sperrig, wodurch die Befestigung der Babyschale in einem Sitz im Fahrradanhänger beschwert wird. Zudem ist eine platzsparende Lagerung nicht möglich. Die Babyschale ist starr, so dass sie sich nicht an die Lage und Bewegung eines Babys oder Kleinkindes anpassen kann. Schließlich ist die Schale nicht atmungsaktiv, was insbesondere an warmen Tagen oder bei langem Sitzen unangenehm ist.

Nach den weiteren Darlegungen des Verfügungspatents ist aus der US 5 785 333 A ein Fahrradanhänger für Kinder mit einem in vertikaler Richtung zusammenklappbaren Rohrrahmen bekannt. Der Fahrradanhänger weist einen Doppelsitz mit einer Rückenlehne und einer Sitzfläche aus einer Textilmatte auf. Die Sitzfläche ist seitlich mittels Textilschlaufen am Rohrrahmen des Fahrradanhängers befestigt und über einen an der Mitte der Vorderkante der Sitzfläche angreifenden Gurt, dessen freies Ende mit einem vorderen Teil des Rohrrahmens fest verbunden ist, verspannt. Der Doppelsitz ist aufgrund seiner durch den Rohrrahmen vorgegebenen Form für den Transport von Babys und Kleinkindern nicht ohne weiteres geeignet.

Aus der US 5 076 599 A ist – wie in der Verfügungspatentschrift weiter mitgeteilt wird – ein Kinderwagen mit einem Rohrrahmen und einem Doppelsitz mit zwei hintereinander in unterschiedlichen Ebenen angeordneten Sitzen bekannt. Der Doppelsitz wird durch ein flexibles Material gebildet, dessen seitliche Oberkanten und dessen rückwärtige Oberkante an einem oberen Querrohr sowie an oberen seitlichen Rohren des Rohrrahmens befestigt sind. Es sind keine weiteren Befestigungselemente für den Doppelsitz vorgesehen, so dass er innerhalb des Rohrrahmens frei hängt. Auch diese Sitzanordnung ist kaum für den Transport von Babys oder Kleinkindern geeignet, da die Sitze keine ausreichende Formfestigkeit aufweisen und daher nicht genügend Halt geben.

Dem Verfügungspatent liegt nach dessen Angaben „die Aufgabe“ zugrunde, eine Alternative zu der vorgenannten Babyschale zur Verfügung zu stellen, mit der ein Transport von Babys in einem Fahrradanhänger ermöglicht wird und bei der die zuvor beschriebenen Nachteile nicht bestehen.

Dies soll durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:

(1) Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport von Babys oder Kleinkindern, die
(1.1) mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt werden kann,
gekennzeichnet durch
(1.2) eine flexible Matte (21),
(1.2.1) die durch seitliche, in Längsrichtung der Matte (21) verlaufende Spannelemente (22, 23, 31, 32) in die Transportform gebracht werden kann, und
(1.3) durch seitlich an der Matte (21), insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs angeordnete Wandungen, die einem seitlichen Herausrutschen eines Körpers entgegenwirken.

Nach den Ausführungen des Verfügungspatents besteht die Grundidee der Erfindung darin, die Körperaufnahme aus einem flexiblen Material zu bilden, das bei Bedarf durch ein Verspannen des Materials von außen und/oder in sich selbst in die für den Transport des Körpers benötigte Form gebracht werden kann. Ein Verspannen von außen ist so zu verstehen, dass außerhalb der Körperaufnahme am Rahmengestell gelagerte Spannelemente so angeordnet sind, dass sie die Matte auf Zug belasten. Als Spannelemente kommen beispielsweise längsverstellbare federelastische Gurte in Betracht. Ein Verspannen „in sich selbst“ meint, dass sich die Spannelemente beim Verspannen im Material selbst abstützen. Eine solche Verspannung ist beispielsweise mit Federstangen möglich, die in Hohlnähte, die in oder an der Matte vorgesehen sind, eingeschoben und unter Spannung in Verankerungspunkte der Matte eingesetzt werden, ähnlich wie bei einem selbstragenden Kuppelzelt.

Nach den weiteren Ausführungen des Verfügungspatents weist dessen Gegenstand den Vorteil auf, dass die flexible Matte bei Nichtgebrauch einfach zusammengefaltet und kompakt verstaut werden kann, nachdem die Spannelemente gelöst worden sind. Des Weiteren verfügt die Matte selbst in ihrer Transportform über eine gewisse Flexibilität, so dass sie sich bis zu einem gewissen Grad an eine Körperform anpassen kann. Hierdurch wird der Liege- bzw. Sitzkomfort erhöht. Zudem ist die Befestigung der Körperaufnahme in einem fahrbaren Rahmengestell dann wesentlich einfacher, wenn sie zunächst befestigt und erst danach durch Spannelemente in ihre Transportform gebracht wird.

2.
Die angegriffene Ausführungsform „A“ verwirklicht die Merkmale des Anspruchs 1 des Verfügungspatents wortsinngemäß.

a) Es handelt sich um eine Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport für Babys oder Kleinkindern, Merkmal 1. Das Gestell, in dem der Kindersitz angeordnet ist, bildet den fahrbaren Rahmen für den Transport des Babys oder Kleinkindes. Der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand, das Verfügungspatent beziehe sich nur auf Fahrradanhänger, während die angegriffene Ausführungsform für den Transport von Kindern von etwa 3 bis 10 Monaten mit einem Fahrrad nicht geeignet sei, wie aus dem als Anlage ASt 6 vorgelegten Prospekt „B“ hervorgehe, greift nicht durch. Die Antragsgegnerin übersieht, dass maßgebliche Grundlage für die Bestimmung der geschützten Lehre Patentanspruch 1 ist, dem eine Beschränkung auf Körperaufnahmen für Fahrradanhänger nicht entnommen werden kann, weil darin nur allgemein von einem fahrbaren Rahmengestell die Rede ist. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass in der Aufgabenstellung des Klagepatents ausgeführt wird, dass durch die Erfindung eine Alternative zu den bekannten Babyschalen vorgestellt werden soll, mit der ein Transport von Babys in einem „Fahrradanhänger“ ermöglicht werde (Verfügungspatent, Rdn. 8). Dieser Hinweis ist vor dem eindeutig weiter gefassten Gegenstand des Patentanspruchs 1 nur als beispielhafte Benennung eines besonders häufigen Anwendungsfalles zu verstehen. Die Frage, inwieweit der Funktionsangabe „Fahrradanhänger“ gegenüber dem allgemeineren Begriff des fahrbaren Rahmengestells überhaupt Bedeutung für die Bestimmung der geschützten Lehre zukäme (vgl. dazu etwa BGH, GRUR 2006, 923, 925 – Luftabscheider), stellt sich danach nicht mehr.

b) Bei der angegriffenen Ausführungsform kann die Körperaufnahme auch mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt werden, nämlich durch die an den seitlichen Rändern an allen vier Ecken angenähten Befestigungsgurte, Merkmal 1.1.

c) Die Körperaufnahme wird bei der angegriffenen Ausführungsform durch eine flexible Matte gebildet, Merkmal 1.2. Der erfindungsgemäßen Matte kommt im Rahmen der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre die Funktion zu, den Körper des Babys oder Kleinkindes aufzunehmen bzw. zu stützen. Das ergibt sich bereits aus dem im Patentanspruch verwendeten Begriff der Körperaufnahme und zudem aus der Beschreibung des Verfügungspatents (vgl. etwa Rdn. 14, Satz 1). Darüber hinaus soll die Matte – in Abgrenzung zu den im Stand der Technik bekannten harten Babyschalen (vgl. Rdn. 3 und 8) – aufgrund ihrer Flexibilität einfach zusammengefaltet und kompakt verstaut werden können (Rdn. 11, Satz 2). Die Flexibilität der Matte vereinfacht darüber hinaus deren Befestigung im Rahmengestell vor dem Spannen (Rdn. 11, letzter Satz). Zudem kann sich die Matte aufgrund ihrer Flexibilität auch in gespanntem Zustand in ihrer Transportform bis zu einem gewissen Grad an die Körperform anpassen (Rdn. 11, Satz 3).

Diese Anforderungen werden auch von der bei der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Körperaufnahme, welche die Kammer im Verhandlungstermin in Augenschein nehmen konnte, erfüllt. Der von den Antragsgegnerinnen selbst als Hängematte („A“) bezeichnete Kindersitz dient der Aufnahme des Körpers des Babys und stützt diesen gegen ein Durchfallen durch das Rahmengestell ab. Dass die äußere Hülle über Löcher verfügt, die einer gewissen Atmungsaktivität dienen mögen, stehen der Qualifikation als Matte ebenfalls nicht entgegen. Es handelt sich also um eine erfindungsgemäße Matte

d) Die als Aufnahme für den Körper des Babys oder Kleinkindes verwendete flexible Matte der angegriffenen Ausführungsform kann auch durch seitliche, in Längsrichtung der Matte verlaufende Spannelemente in die Transportform gebracht werden, Merkmal 1.3.

Die seitlich in Längsrichtung der Matte verlaufenden Spannelemente haben die erfindungsgemäße Funktion, die Matte in Längsrichtung zu spannen, so dass diese in eine für den Transport des Babys oder Kleinkindes vorgesehene Form gebracht wird (Verfügungspatent, Rdn. 10). Das Verfügungspatent grenzt sich damit von dem aus der US 5 785 333 A bekannten Fahrradanhänger für Kinder ab, bei dem der Doppelsitz nach Beschreibung aufgrund seiner durch den Rohrrahmen vorgegebenen Form für den Transport von Babys oder Kleinkindern nicht ohne Weiteres geeignet war (vgl. a.a.O., Rdn. 5), und von dem aus der US 5 076 599 bekannten Kinderwagen, bei dem die Sitze keine ausreichende Formfestigkeit aufgewiesen und daher nicht genügend Halt gegeben haben (vgl. a.a.O., Rdn. 6).

Bei der angegriffenen Ausführungsform wird die flexible Matte durch Gurte am Rahmenteil befestigt. Die Gurte sind in einem Winkel von etwa 45° zur Längsrichtung am äußeren (schwarzen) Rand der Matte angenäht, wobei der Rand der Matte als Keder ausgebildet ist. Die Ablichtung auf Seite 17 unten des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 21.9.2007, die oben im Tatbestand wiedergegeben ist, zeigt die Matte in unbefestigtem und ungespannten Zustand. Der kederförmige Rand der Matte verläuft nicht gerade, sondern in einer zufälligen ungleichmäßigen Form. Werden die Gurte im Rahmenteil befestigt und gespannt, führt dies dazu, dass der kederförmige Rand der flexiblen Matte vor allem an den Längsseiten in einen Spannungszustand versetzt wird. Der Rand der angegriffenen Ausführungsform bildet damit in Zusammenwirken mit den Gurten seitliche Spannelemente. Diese verlaufen im Umfang des Längsrandes in Längsrichtung der Matte. Es wird damit genau das mit Merkmal 1.2.1 angestrebte Ziel erreicht, durch Längsspannung die flexible Matte in eine für den Transport des Babys geeignete Form zu bringen.

e) Schließlich ist die angegriffene Ausführungsform auch nach Maßgabe des Merkmals 1.3 ausgestaltet. Die kederförmigen Ränder bilden im längsgespannten Zustand Wandungen, die einem seitlichen Rausrutschen des Körpers entgegen wirken.

3.) Da in dem Anbieten der angegriffenen Ausführungsform durch die Antragsgegnerinnen eine Patentverletzung liegt, sind diese gegenüber der Antragstellerin zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an.

III.

Es liegt ein Verfügungsgrund vor. Dieser ergibt sich zwar noch nicht ohne weiteres daraus, dass die Antragsgegnerin glaubhaft gegenwärtig eine Patentverletzung vornimmt und diese Tätigkeit bis zum Erlass eines Urteils in der Hauptsache nicht anders wirksam unterbunden werden kann. Vielmehr sind die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen. Danach erweist sich das Interesse der Antragstellerin an der Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung vom 31.8.2007 aber als vorrangig.

Die Antragsgegnerinnen machen zu ihren Gunsten geltend, dass durchgreifende Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents bestehen. Mit diesem Argument vermögen sie jedoch nicht durchzudringen. Die Antragsgegnerin zu 2) hat zwar Nichtigkeitsklage erhoben und beruft sich zur Begründung der Klage vor allem darauf, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neuheitsschädlich vorweggenommen werde. In dieser Beurteilung kann den Antragsgegnerinnen allerdings nicht gefolgt werden, auch wenn es sich bei den drei in der Nichtigkeitsklage angeführten Entgegenhaltungen um im Erteilungsverfahren nicht berücksichtigten Stand der Technik handelt.

1.) Die Antragsgegnerinnen stützen sich vor allem auf die deutsche Patentschrift 207 434. Da die Patentierung am 10.8.1907 erfolgt ist, handelt es sich um eine prioritätsältere Druckschrift. Diese betrifft eine zusammenlegbare und regelbare Ruhe- und Schlafvorrichtung für Eisenbahnreisende. Bei dieser bilden die Vorderkanten des Gepäcknetzes und der Sitzbank sowie die Spannseile (b, c, d und e) ein unbewegliches Viereck, an welchem ein Netz (a) befestigt ist. Das Netz ist mit der hinteren Kante des Gepäcknetzes in Verbindung, so dass der Reisende im Netz frei sitzt und sein Kopf und Brustkorb keinen Druck erleiden. Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Entgegenhaltung und illustrieren den Stand der Technik weiter.

Die Entgegenhaltung offenbart keine Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport für Babys oder Kleinkinder. Es fehlt bereits an einem Rahmengestell, in dem die flexible Matte mit mindestens einem Befestigungselement befestigt werden kann. Die Körperaufnahme ist vielmehr zwischen einer Stange des Gepäcknetzes und der Sitzbank in einem Eisenbahnabteil angeordnet. Zudem wird kein fahrbares Rahmengestell offenbart. Nicht die Stange des Gepäcknetzes und die Sitzbank sind fahrbar. Fahrbar ist allein der Wagon, in dem sich das Abteil befindet, in dem wiederum das Gepäcknetz und die Sitzbank befestigt sind. Die Entgegenhaltung kann die Neuheit der Lehre des Verfügungspatents nicht in Frage stellen.

2.) Die Antragsgegnerin zu 2) stützt sich in der Nichtigkeitsklage außerdem auf die zum Stand der Technik gehörende US-PS 2 829 702, von der eine deutsche Übersetzung nicht vorgelegt worden ist. Die Druckschrift betrifft einen Sicherheitssitz in sich schnell bewegenden Fahrzeugen und insbesondere in Flugzeugen, der an Beschlägen an der Decke oder dem Boden des Flugzeuges befestigt werden kann. Auch hier ist keine Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport von Babys oder Kleinkindern offenbart.

3.) Die Antragsgegnerin zu 2) bezweifelt die Neuheit des Anspruchs 1 des Verfügungspatentes in der Nichtigkeitsklage schließlich unter Berufung auf die französische Patentanmeldung 94 01 380, welche sie nicht mit deutscher Übersetzung vorlegt. Auch darin kann ihr nicht zugestimmt werden. Die Druckschrift zeigt eine dreiseitige Sitzhülle als Sicherheitssitz für den Transport in einem Schiff oder Flugzeug. Auch hier ist nicht erkennbar, dass eine Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport für Babys oder Kleinkindern offenbart wird.

4.) Den Antragsgegnerinnen kann schließlich nicht darin zugestimmt werden, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch die US PS 5 785 333 neuheitsschädlich vorweggenommen wird. Diese Entgegenhaltung wurde bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt und nicht als neuheitsschädlich bzw. einer erfinderischen Qualität entgegenstehend angesehen. Die Bewertung des Prüfers wird durch die Ausführungen der Antragsgegnerinnen nicht als unvertretbar widerlegt. Im Gegensatz zu den vorstehend erörterten Druckschriften offenbart die US 5 785 333 zwar eine Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport von zwei Kindern. Die Aufnahme kann auch mit Befestigungselementen im Rahmengestell befestigt werden. Dabei wird die Sitzfläche aus einer Textilmatte gebildet, die oben mittels Längsgurten, die um den oberen Querholm 70 des Rahmengestells geführt und auf der Rückseite der Textilmatte befestigt werden, im Rahmengestell angeordnet wird. Unten erfolgt die Anordnung mittels eines einzelnen mittigen Gurtes, der um den unteren Querholm 47 geführt und befestigt wird. Außerdem ist für jeden der Doppelsitze ein Quergurt im Gesäßbereich vorgesehen (vgl. Anlage D 2 zur Anlage WRSF 3, Sp. 6, Z. 5 ff; Figur 1, 13). Ein seitliches Herausfallen der Kinder wird auch durch gesonderte, parallel zu den seitlichen Holmen des Rahmengestells angeordnete durchsichtige Seitenwände (side curtain panels 42 b und c) verhindert. Die Druckschrift offenbart keine seitlich verlaufenden Längsspannelemente, weil die Gurte nicht an den Seiten des Doppelsitzes angeordnet sind, sondern jeweils mittig versetzt verlaufen. Zudem verfügt die Textilmatte über keine Wandungen, die einem seitlichen Herausrutschen eines Körpers entgegenwirken können.

Dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden und im Hinblick auf den vorgenannten Stand der Technik auch nicht ersichtlich.

5.) Der Antragsgegnerin kann schließlich nicht in der Auffassung zugestimmt werden, dass sich aus dem Bescheid des Prüfers aus dem zu dem hiesigen deutschen Patent parallelen europäischen Anmeldeverfahren vom 28.9.2007 Gründe ergeben, die einem Erlass der einstweiligen Verfügung entgegen stehen. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass sich die Antragsgegnerin zu 2) in ihrer Nichtigkeitsklage zur Begründung der fehlenden Neuheit von Patentanspruch 1 des Verfügungspatents allein auf die vorstehend erstgenannten drei Druckschriften stützt. In ihrem Schriftsatz vom 26.10.2007 hat sie ihre Bedenken gegen die Neuheit des Gegenstandes aus Anspruch 1 des Verfügungspatents auch aus dem Offenbarungsgehalt der US-PS 5 785 333 abgeleitet. Demgegenüber befasst sich der Prüferbescheid vom 28.9.2007 auf der Grundlage des internationalen Rechercheberichts vom 10.8.2005 mit vier anderen Druckschriften, nämlich der DE 92 15 797, der EP-A 0 339 890, der US-A 5 076 599 und der GB 175 742. Von diesen vier Entgegenhaltungen war die US-A 5 076 599 bereits Gegenstand des deutschen Erteilungsverfahrens und wurde von dem dortigen Prüfer als einer Erteilung nicht entgegenstehend angesehen.

Da sich der Prüferbescheid vom 28.9.2007 argumentativ nur mit der EP-A 0 339 890 befasst, besteht auch hier allein Anlass, sich mit dieser Druckschrift auseinander zu setzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerinnen der Kammer keine deutsche Übersetzung der englischsprachigen Druckschrift vorgelegt haben, so dass hier auch nur eine eingeschränkte Überprüfung erfolgen kann. In dem Bescheid wird ausgeführt, dass die genannte europäische Druckschrift eine Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell, insbesondere zum Transport von Babys oder Kleinkindern vorsehe, die mit mindestens einem Befestigungselement (s. Figuren 13, 14) im Rahmengestell 1 befestigt werden könne und die eine flexible Matte (ersichtlich aus den Figuren 1 und 2) beinhalte, die durch seitliche, in Längsrichtung der Matte verlaufende Spannelemente (Rahmen 3, siehe Figuren 13 und 14) in die Transportform gebracht werden könne, und durch seitlich an der Matte, insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs angeordneten Wandungen (siehe Figuren 1, 2), einem seitlichen Herausrutschen des bzw. der Körper entgegenwirke.

Dem hat die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 15.10.2007 gegenüber dem Europäischen Patentamt entgegengehalten, dass der Druckschrift keine Informationen zur Ausgestaltung des darin offenbarten Kindersitzes zu entnehmen sind. Zu Recht hat die Antragstellerin weiter ausgeführt, dass sich den Figuren 1 und 2 kein Anhalt dafür entnehmen lässt, dass der darin offenbarte Sitz aus einer flexiblen Matte gebildet wird. Es dürfte sich vielmehr – auch nach Einschätzung der Kammer – bei dem gezeigten Sitz um einen durch eine Hartschale geformten Sitz mit Polsterung handeln.

Ebenfalls überzeugend hat die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass in den Figuren keine in Längsrichtung der Matte verlaufenden Spannelemente offenbart werden. Wie bereits dargetan, kommt den erfindungsgemäßen Spannelementen die Funktion zu, die Matte in Längsrichtung zu spannen, so dass diese in eine für den Transport des Babys oder Kleinkindes vorgesehene Form gebracht wird. Ein solches Spannelement geht aus den Figuren 13 und 14 nicht hervor und kann insbesondere nicht in dem Bügel 3 gesehen werden.

6.) Da demnach einerseits auf der Grundlage des Vorbringens der Antragsgegnerinnen keine durchgreifenden Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents bestehen und weitere einer Bestätigung der einstweiligen Verfügung berechtigterweise entgegenstehende Interessen der Antragsgegnerinnen nicht ersichtlich sind, andererseits ein Verletzung des Verfügungspatents durch die Antragsgegnerinnen glaubhaft gemacht worden ist, sind deren Interessen vorrangig, so dass auch ein Verfügungsgrund besteht.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO analog.

Streitwert: 250.000,– €