Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. Juli 2015, Az. 15 U 75/14
Vorinstanz: 4a O 251/05
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 20.12.2013 abgeändert.
II.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
die von ihr unter der Bezeichnung A. vertriebenen Pflanzen der sortenschutzrechtlich geschützten Osteospermum-Sorte B.,
gekennzeichnet durch die nachstehend wiedergegebenen, für die Sorte festgestellten Ausprägungen der Merkmale
CPVO Merkmal No.: 1; Merkmal: Pflanze: Haltung der Triebe; Note/Ausprägung: 4
CPVO Merkmal No.: 2; Merkmal: Trieb: Länge (cm); Note/Ausprägung: 29,2
CPVO Merkmal No.: 3; Merkmal: Blatt: Länge (cm); Note/Ausprägung: 6,5
CPVO Merkmal No.: 4; Merkmal: Blatt: Breite (mm); Note/Ausprägung: 23,6
CPVO Merkmal No.: 5; Merkmal: Blatt: Stärke der Lappung; Note/Ausprägung: 1
CPVO Merkmal No.: 6; Merkmal: Blatt: Panaschierung; Note/Ausprägung: 1
CPVO Merkmal No.: 7; Merkmal: Nur Sorten ohne Panaschierung:; Note/Ausprägung: 5
CPVO Merkmal No.: 7; Merkmal: Blatt: Grünfärbung der Oberseite; Note/Ausprägung: 5
CPVO Merkmal No.: 8; Merkmal: Blütenstand: Anzahl vollständiger Zungenblütenkreise; Note/Ausprägung: 2
CPVO Merkmal No.: 9; Merkmal: Blütenstand: Vorhandensein von unvollständigen Zungenblütenkreise; Note/Ausprägung: 9
CPVO Merkmal No.: 10; Merkmal: Blütenstand: Durchmesser (cm); Note/Ausprägung: 6,7
CPVO Merkmal No.: 11; Merkmal: Blütenstand: Form der Zungenblüte; Note/Ausprägung: 1
CPVO Merkmal No.: 12; Merkmal: Zungenblüte: Länge (mm); Note/Ausprägung: 31,2
CPVO Merkmal No.: 13; Merkmal: Zungenblüte: Breite (mm); Note/Ausprägung: 5,9
CPVO Merkmal No.: 14; Merkmal: Zungenblüte: Farbe des Randes der Oberseite; Note/Ausprägung: RHS 0028 C,
orange
CPVO Merkmal No.: 15; Merkmal: Zungenblüte: Farbe der Mitte der Oberseite; Note/Ausprägung: RHS 0028 C,
orange
CPVO Merkmal No.: 16; Merkmal: Zungenblüte: Farbe der Basis der Oberseite; Note/Ausprägung: RHS 0090B,
blauviolett
CPVO Merkmal No.: 17; Merkmal: Zungenblüte: Farbe der Mitte der Unterseite; Note/Ausprägung: braunorange
CPVO Merkmal No.: 18; Merkmal: Scheibe: Farbe; Note/Ausprägung: dunkelgraugrün
CPVO Merkmal No.: 19; Merkmal: Zeitpunkt des Blühbeginns; Note/Ausprägung: 3
in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft zu vermehren und/oder vermehren zu lassen und/oder in die Europäische Union einzuführen, dort gewerbsmäßig anzukündigen, anzubieten oder zu verkaufen, soweit sie aus unlizenzierter Vermehrung stammen;
2.
dem Kläger Auskunft zu erteilen, und zwar aufgeschlüsselt in einer geordneten Zusammenstellung,
a)
über Vermehrungshandlungen und deren Umfang hinsichtlich der in Ziffer 1. genannten „Sorte“ A. seit dem 31.03.2002;
b)
über die jeweiligen Abgabemengen und -zeiten sowie die hiermit erzielten Umsätze hinsichtlich der in Ziffer 1. genannten „Sorte“ A. seit dem 31.03.2002 unter Angabe des erzielten Gewinns einschließlich der zu seiner Berechnung jeweils erforderlichen Kosten und Gestehungsfaktoren;
c)
über Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer von Pflanzenmaterial aus Handlungen gemäß Ziffer 1.
III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der ihm aus den in Ziffer 1. genannten seit dem 31.03.2002 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
IV.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 250.000,- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI.
Die Revision wird nicht zugelassen.
GRÜNDE:
A.
Der Kläger ist eingetragener Inhaber der Gemeinschaftssorte B. („Klagesorte“; vgl. den Auszug aus dem Register des gemeinschaftlichen Sortenamtes gemäß Anlage K 10 sowie die Anlage BK8), die zur Art der Osteospermum (Kapmargariten) zählt. Gegenstand des klägerischen Unternehmens ist die Vermarktung und Neuzüchtung von Zierpflanzensorten.
Die Klagesorte, welche am 14.04.2000 angemeldet und am 17.12.2001 erteilt wurde, weist laut der offiziellen Sortenbeschreibung folgende Ausprägungsmerkmale auf:
Der Kläger erteilte für die Vermarktung in Deutschland der C. eine ausschließliche Lizenz, wobei die Lizenznehmerin an ihn vertragsgemäß umsatzabhängige Lizenzgebühren zu zahlen hat (vgl. den Lizenzvertrag gemäß Anlage K 11).
Herr D. beantragte mit Schriftsatz vom 01.11.2004 beim Gemeinschaftlichen Sortenamt, den gemeinschaftlichen Sortenschutz der Klagesorte mit Wirkung seit der Registerprüfung 2002, spätestens aber mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Das Gemeinschaftliche Sortenamt wies diesen Antrag auf Aufhebung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes für die Klagesorte zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Herrn D. wurde mit Beschluss der Beschwerdekammer des Gemeinschaftlichen Sortenamtes vom 24.02.2015 zurückgewiesen (Anlage BK9).
Einen parallel dazu gestellten Antrag des Herrn D. vom 14.03.2007, die Klagesorte für nichtig zu erklären, wurde vom Gemeinschaftlichen Sortenamt am 21.09.2009 negativ beschieden. Auch die dagegen eingelegte Beschwerde des Herrn D. wurde mit Beschluss der Beschwerdekammer vom 24.02.2015 zurückgewiesen (Anlage BK10).
Die Beklagte gehört zu den größten Jungpflanzenunternehmen in Deutschland. Im August und September 2002 erfuhr der Kläger von diversen Lizenznehmern, dass die Beklagte Osteospermum-Pflanzen, die Ähnlichkeit mit der Klagesorte aufwiesen, anbiete. Auf Wunsch des Klägers bestellte das französische Unternehmen E., mit dem er in geschäftlichem Kontakt steht, mit Schreiben vom 01.02.2003 bei der Beklagten 200 Stecklinge der Osteospermum-Sorte mit der Bezeichnung „A. orange“. Nach Ausführung der Bestellung stellte sich heraus, dass vorgenanntes Pflanzenmaterial mit demjenigen übereinstimmt, das die Beklagte dem Bundessortenamt im Zuge eines Erteilungsverfahrens betreffend die u.g. Sorte A. zur Verfügung gestellt hatte.
Der Antrag des Herrn D. beim Gemeinschaftlichen Sortenamt auf Erteilung von Sortenschutz für die vorgenannte Sorte A. mit der Bezeichnung „A.“ (nachfolgend auch: „angegriffene Pflanzenform“) blieb ohne Erfolg. Die Zurückweisung seines Antrages begründete das Gemeinschaftliche Sortenamt am 21.09.2009 damit, dass im Ergebnis der technischen Prüfung von 2007 dem Amt am 20.08.2007 ein negativer Prüfbericht des Bundessortenamtes übersandt worden sei, der tabellarisch die in 2006 und 2007 für „B.“ und „A.“ erfassten Messwerte und Ausprägungsstufen wiedergegeben habe. Die von Herrn D. geltend gemachten Unterschiede hätten nach sorgfältiger Überprüfung nicht die Feststellung einer deutlichen Unterscheidbarkeit beider Sorten erlaubt. Ferner wies das Gemeinschaftliche Sortenamt in dieser Entscheidung darauf hin, dass das Bundessortenamt zu der Auffassung gelangt sei, dass die als Vergleichsmaterial für „A.“ herangezogene Klagesorte im Zeitpunkt der Antragstellung allgemein bekannt gewesen sei, und dass diese Sorte auch unverändert fortbestehe.
Der Kläger hat vor dem Landgericht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung geltend gemacht sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz wegen Verletzung seines Sortenschutzrechts begehrt. Er hat insoweit die Auffassung vertreten, die von der Beklagten unter der Bezeichnung „A.“ vertriebenen und unter der Bezeichnung A. angemeldeten Pflanzen seien Vermehrungsmaterial der Klagesorte, so dass deren Vermehrung und Vertrieb sein Schutzrecht verletzten.
Die Beklagte hat vor dem Landgericht die Auffassung vertreten, dass eine Sortenschutzverletzung nicht belegt sei. Die Sachverständige habe keinen eigenen Vergleichsanbau der streitgegenständlichen Sorte durchgeführt und nach deren eigenem Bekunden keine Aussagen zur Unterscheidbarkeit der Sorten treffen können. Da die Sachverständige die zu begutachtenden Pflanzen zudem nicht selbst in Augenschein genommen habe, seien deren Aussagen zur Frage, ob die Abweichungen zwischen den 2003 für „A.“ festgestellten Merkmalsausprägungen und der Sortenbeschreibung der Klagesorte zu erwarten gewesen seien, spekulativ. Sie widersprächen der eigenen Aussage der Sachverständigen zum Beweiswert von Sortenbeschreibungen aus verschiedenen Jahren, wonach ein Vergleich von Sortenbeschreibungen aus verschiedenen Jahren kein taugliches Mittel zur Feststellung der Unterscheidbarkeit zweier Sorten darstelle. Eine Beständigkeit der Klagesorte sei nicht gegeben. Spätere Beschreibungen einer Sorte dürften keine andere als die in der amtlichen Sortenbeschreibung vergebenen Merkmalsausprägungen enthalten. So gelinge es dem Bundessortenamt die Einheitlichkeit der Sortenbeschreibung geschützter Sorten durch eine Anpassung der Grenzwerte der Merkmalsausprägungen sicherzustellen. Die in dem Report vom 16.08.2007 mit „B.“ gekennzeichneten Sorten könnten der Klagesorte nicht angehören, weil deren Beschreibungen nicht mit der amtlichen Sortenbeschreibung der Klagesorte übereinstimmten.
Ebenso wenig sei die Stellungnahme des Gemeinschaftlichen Sortenamtes vom 21.09.2009, wonach Herr D. in seiner Stellungnahme zum Prüfbericht eingeräumt habe, dass die für die Prüfperioden 2006 und 2007 gewonnenen Daten keine Unterschiede zwischen A.und der Vergleichssorte zeigten, eine taugliche Basis für die Begründung des Verletzungsvorwurfs. Denn Herr D. habe in seiner Äußerung gerade deutlich gemacht, dass es sich bei der Vergleichssorte nicht um die Klagesorte gehandelt habe.
Schließlich hat sich die Beklagte vor dem Landgericht auf eine fehlende Berechtigung des Klägers i.S.v Art. 20 Abs. 1 lit. c) i.V.m. Art. 11 GemSortV berufen, da der Kläger erklärt habe, die Klagesorte sei die als „F.“ bekannte Sorte, die jedoch von Herrn G. gezüchtet worden sei, wobei der Kläger den unter Hinweis auf Anlage K 16 behaupteten Rechtsübergang nicht habe darlegen können.
Der Kläger ist diesem Vorbringen vor dem Landgericht wie folgt entgegen getreten:
Das Gemeinschaftliche Sortenamt habe im Rahmen des Sortenschutzerteilungsverfahrens zur Sorte „A.“ durch Vergleichsanbau mit der Klagesorte über zwei Prüfperioden (2006 und 2007) festgestellt, dass sich „A.“ von der Klagesorte nicht hinreichend deutlich unterscheide. Auch wenn die Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 17.11.2004 hervorgehoben habe, dass ein Vergleichsanbau der streitgegenständlichen Sorten nicht durchgeführt worden sei, habe ein solcher somit nunmehr stattgefunden.
Ferner treffe es zwar zu, dass Art. 21 Abs. 1 GemSortVO dem Amt kein Ermessen einräume, wenn die Voraussetzungen von Artt. 8 oder 9 GemSortVO nicht vorliegen. Dies gelte jedoch nicht für die Feststellung der zugrunde liegenden Tatsachen. Insoweit liege es im Entscheidungsermessen des Amtes, ob eine Prüfperiode für ausreichend erachtet oder eine weitere Prüfperiode angeordnet werde oder nicht. Soweit Unterschiede der Klagesorte aus dem Jahr 2003 mit dem Vergleichsmaterial aus 2006 und 2007 bestünden, würden diese ausschließlich auf äußeren Faktoren („arttypische Variationsbreite“) beruhen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 24.05.2005, in dem die Sachverständige Dr. H. mündlich angehört worden ist (Blatt 276 ff. GA), die beiden schriftlichen Sachverständigengutachten vom 17.11.2004 (Blatt 134 ff. GA) und 26.03.2012 (Blatt 486 ff. GA) sowie das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 14.11.2012 (Blatt 560 ff. GA) Bezug genommen.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 20.12.2013 (Blatt 653 ff. GA) hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Grundsatz der Rechtssicherheit und die Bindung des Verletzungsrichters an die im Erteilungsbeschluss festgelegte Kombination der Ausprägungsmerkmale geböten es, den Toleranzbereich nach allgemein nachvollziehbaren Kriterien zu bestimmen und nicht zu weit auszudehnen. Nachdem die früheren Grundsätze des Bundessortenamtes für die Registerprüfung durch die „Grundsätze des Bundessortenamtes für die Überprüfung auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit von Pflanzensorten“ ersetzt worden seien, seien im Rahmen des Vergleichs zweier unterschiedlicher Vegetationsperioden nunmehr letztere als Maßstab für die Bestimmung des Toleranzbereichs heranzuziehen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Nr. 3 der betreffenden Grundsätze nur dann übertragbar sei, wenn tatsächlich ein Vergleichsanbau der Klagesorte und des als verletzend beanstandeten Pflanzenmaterials durchgeführt worden sei. Letzteres setze die Feststellung voraus, dass es sich tatsächlich um Pflanzenmaterial der Klagesorte handele. Bei sich vegetativ vermehrenden Pflanzen sei mangels eines hinterlegbaren Standardmusters nur ein Vergleich der bei der Registerprüfung erfassten und im Erteilungsbeschluss niedergelegten Ausprägungsmerkmale mit den Ausprägungen des jeweils aktuellen Pflanzenmaterials möglich.
Unter Anwendung dieser Grundsätze könne eine Verletzung der Klagesorte aus Rechtsgründen nicht festgestellt werden. Es sei zu beachten, dass bei der Bestimmung des Schutzbereichs das Rechtsinstitut des Toleranzbereichs bereits die Modifikationen einer angegriffenen Ausführungsform berücksichtigt würden. Darüber hinaus seien hier die Modifikationen berücksichtigt worden, um festzustellen, ob Modifikationen im erwarteten Modifikationsbereich lägen. Eine weitere Berücksichtigung der Modifikationen würde dem Grundsatz der Rechtssicherheit widersprechen und habe daher zu unterbleiben. Letzterer und die Bindung des Verletzungsrichters an die im Erteilungsbeschluss festgelegte Kombination der Ausprägungsmerkmale verlangten nach einer Bestimmung des Toleranzbereichs nach allgemein nachvollziehbaren Kriterien, wobei eine zu weite Ausdehnung zu vermeiden sei.
Eine mehrfache Berücksichtigung der Modifikationen (nämlich einerseits bei der Zuordnung von Pflanzen zur Klagesorte und andererseits bei der Frage der Zugehörigkeit von Pflanzen zum Toleranzbereich) würde zu einer unzulässigen Ausdehnung des Schutzbereichs führen. Ansonsten könnten Pflanzen im Laufe der Jahre durch Weiterentwicklung von Modifikationen in den Schutzbereich einer eingetragenen Sorte „hineinwachsen“, wobei der Verlauf der Modifikationen nicht prognostizierbar sei und Dritte ihre Pflichten gemäß Artt. 94 ff. i.V.m. Art 13 GemSortVO nicht mehr eindeutig erkennen könnten.
Zudem würde andernfalls der Anwendungsbereich der Bestimmung des Art. 87 Abs. 4 GemSortVO beeinträchtigt. Jedoch diene eine Anpassung der Sortenbeschreibung gerade dem Grundsatz der Rechtssicherheit der beteiligten Verkehrskreise, da so die Vergleichbarkeit von Sortenbeschreibungen ermöglicht werde. Hier fehle es aber unstreitig an einer entsprechenden Anpassung der Sortenbeschreibung.
Vor diesem Hintergrund sei hier eine Rechtsverletzung nicht feststellbar, da Unterschiede der Ausprägungsstufen in den Merkmalen 2, 3, 4, 8, 9, 10, 12 und 19 dem entgegen stünden. Dabei sei zu beachten, dass Grundlage der einzelnen Ausprägungsstufen bereits statistisch ermittelte Grenzwerte seien, die für jedes Jahr die Ausprägungsstufen neu definierten. Vor allem die gemessenen Unterschiede von mehr als einer Ausprägungsstufe in Bezug auf die quantitativen Merkmale 3 und 4 stünden einer Verletzung entgegen. Modifikationen dürften nicht zusätzlich für die Frage nach der Schutzrechtsverletzung herangezogen werden, insbesondere soweit die festgestellten Modifikationen der angegriffenen Pflanzenform über jene der Klagesorte hinausgingen, sich also von den Ausprägungsstufen der Merkmale der amtlichen Sortenbeschreibung weiter entfernten. Denn Abweichendes würde dazu führen, dass die Modifikationen für das jeweilige Jahr außerhalb des Toleranzbereichs liegen würden.
Die gegenteiligen Ausführungen der Sachverständigen seien unerheblich, weil die Frage nach der mehrfachen Berücksichtigung von Modifikationen rechtlicher Natur sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil sowie den Beschluss des Landgerichts über die Berichtigung des Tatbestandes vom 14.04.2014 (Blatt 740 f. GA) verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und diese unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Standpunktes im Wesentlichen wie folgt begründet:
Eine Zuwiderhandlung der Beklagten gegen Art. 13 Abs. 2 GemSortVO liege jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Unterscheidbarkeit der angegriffenen Pflanzenform von der Klagesorte vor.
Zu Unrecht habe das Landgericht bei der Prüfung auf Unterscheidbarkeit (der angegriffenen Pflanzenform im Vergleich zur Klagesorte) und bei der Identitätsprüfung (zwischen Klagesorte gemäß Sortenbeschreibung und angebauter Vergleichspflanze) denselben Maßstab (nämlich: Entfernung von der Sortenbeschreibung der Klagesorte) zugrunde gelegt.
Die landgerichtliche Entscheidung verletze das Rechtsstaatsprinzip: Es habe keine Feststellungen getroffen, ob die im Vergleich zur angegriffenen Pflanzenform angebauten Pflanzen tatsächlich zur Klagesorte gehören oder nicht, sondern lediglich festgestellt, dass die Stufen der Merkmalsausprägungen in den Jahren 2006 und 2007 von den Merkmalsausprägungen der Sortenbeschreibung der Klagesorte abwichen und dass dies insbesondere für die Merkmale 3 und 4 sowie 2 und 10 gelte, weil insoweit Unterschiede von mehr als einer Stufe bestünden. Letztere Feststellung sei bzgl. Merkmalen 2 und 10 schlicht falsch, weil nur 1 Stufe Unterschied bestehe. Der Unterschied in Bezug auf Merkmale 3 und 4 stehe der Identität von Pflanze und Klagesorte nicht entgegen, da die Merkmale laut Gutachten vom 26.03.2012 (S. 5) innerhalb des Bereichs zu erwartender Modifikationen lägen.
Verfehlt habe sich das Landgericht diesbezüglich auf die Bindung des Verletzungsrichters an die Sortenbeschreibung berufen: Da die Sortenbeschreibung der Klagesorte auf Grundlage der UPOV-Richtlinie TG/176/3 vom 5.4.2000 am Prüfort im Prüfjahr 2001 erstellt worden sei, könne diese a priori keinen unmittelbaren Aufschluss über die Merkmalsausprägungen auf Grundlage des CPVO-Protokolls CPVO-TP/176/1 vom 31.10.2002 am Prüfort in den Jahren 2006 und 2007 geben, sondern lediglich als Ausgangspunkt der Prüfung dienen, welche Merkmalsausprägungen die Klagesorte auf letztgenannter Grundlage in den Prüfjahren 2006 und 2007 haben konnte. Das sei nichts anderes als die Bestimmung des Bereichs zu erwartender Modifikationen. Die im Ermessen des Gemeinschaftlichen Sortenamts stehende Anpassung der Sortenbeschreibung sei davon unabhängig; eine solche könne die betreffende Prüfung nicht ersetzen, sondern bloß erleichtern.
Da die Grenzwerte der Stufen der Merkmalsausprägungen anhand der festgestellten Variationsbreite einzelner Merkmale statistisch gemittelt seien und deshalb nicht alle festgestellten Modifikationen hinreichend genau erfassten, könne es nicht zu einer mehrfachen Berücksichtigung von Modifikationen kommen, abgesehen davon, dass der Grenzwertbestimmung unterschiedliche Regelungen (im Jahr 2000: UPOV-RL TG/176/3 und im Jahre 2006: CPVO-Protokoll TP/176/1) zugrunde gelegen hätten. Bestimmung und Vergleich der Stufen der Merkmalsausprägungen stellten zusammen eine Annäherung dar, während die eigentliche Berücksichtigung von Modifikationen bei der Bewertung etwaiger Unterschiede erfolge.
Das Landgericht habe für die Prüfung der Unterscheidbarkeit nicht die nach derzeit gültigen Grundsätzen des Bundessortenamtes anzuwendenden Bestimmungen als Maßstab herangezogen. Auch seien die Feststellungen teilweise falsch: Die Stufe der Ausprägung des Merkmals 2 der angegriffenen Pflanzenform und der im Vergleich angebauten Pflanze der Klagesorte sei im Jahr 2007 identisch; die Stufe der Ausprägung des Merkmals 12 der angegriffenen Pflanzenform sei im Jahre 2006 identisch mit der Stufe der Merkmalsausprägung der Sortenbeschreibung der Klagesorte. Im Übrigen begründeten die vorhandenen unterschiedlichen Stufen der Ausprägungen der Merkmale 2 und 12 nach den derzeit gültigen Grundsätzen des Bundessortenamtes anzuwendenden Bestimmungen für die Prüfung auf Unterscheidbarkeit keine Unterscheidbarkeit, da der Unterschied u.a. stabil sein müsse (Ziffer 3.1 der Bestimmungen). Die betreffenden Anforderungen gemäß Ziff. 3.2.2 und 3.3. seien jeweils nicht erfüllt, weil hinsichtlich Merkmal 2 der Mindestabstand bei der Ausprägung überhaupt nicht und hinsichtlich Merkmal 12 nur im Jahre 2006 vorhanden gewesen sei (vgl. Anlage K 7a). Diese Mindestabstände seien entgegen der Ansicht des Landgerichts zu berücksichtigen: Die Bindung an die Sortenbeschreibung sei gewährleistet, da diese jedenfalls den Ausgangspunkt der Prüfung bilde, ob die zum Vergleich angebauten Pflanzen der Klagesorte angehörten. Die Methodik des Landgerichts beraube die Regelung in Art. 13 Abs. 5b GemSortVO jeglichen Anwendungsbereichs.
Bei der Prüfung auf Unterscheidbarkeit gehe es gar nicht um Modifikationen i.S.v. Unterschieden zwischen den Merkmalen der angegriffenen Pflanzenform und den Merkmalsausprägungen der Klagesortenbeschreibung, sondern um einen Vergleich der im Vergleichsanbau angebauten Pflanzen, d.h. um Unterschiede zwischen der angegriffenen Pflanzenform und der im Vergleich angebauten Pflanzen der Klagesorte. Dabei würden Modifikationen nur mittelbar berücksichtigt (als Gegenstand der vorgelagerten Identitätsprüfung), so dass sie entgegen der Annahme des Landgerichts nur einmal berücksichtigt würden.
Die in den Prüfjahren 2006 und 2007 zum Vergleich mit der angegriffenen Pflanzenform angebaute Pflanze gehöre zur Klagesorte. Soweit vorhanden stellten Abweichungen im Vergleich zu Merkmalsausprägungen von denen der Sortenbeschreibung aus dem Jahre 2001 erwartungsgemäße Modifikationen dar: Bezüglich der quantitativen Merkmale 1, 2, 8, 10, 12 und 19 sei bloß eine Abweichung von einer Stufe gegeben, was laut der Sachverständigen ohne Weiteres im Bereich der zu erwartenden Modifikationen liege. Der Unterschied in Bezug auf die Merkmale 3 und 4 stelle die Identität nicht in Frage, da Länge und Breite des Blattes sowohl von Umweltbedingungen abhingen als auch von der Position am Blatt und die Messwerte innerhalb des Bereichs zu erwartender Modifikationen lägen (vgl. Gutachten 26.03.2012, S. 5). Auch die Abweichungen bzgl. der Merkmale 8 und 9 seien gering und fielen deshalb ebenfalls in den Bereich zu erwartender Modifikationen. Dasselbe gelte in Bezug auf Merkmal 16, da die jeweiligen Farbkarten sehr ähnlich seien. Die Abweichung hinsichtlich Merkmal 17 sei entweder auf eine Ermessensausübung der Sachbearbeiterin des Sortenamtes oder auf eine umwelt- oder altersbedingte Veränderung zurückzuführen und daher ebenfalls im Bereich der zu erwartenden Modifikationen liegend.
Die angegriffene Ausführungsform habe sich anlässlich des Vergleichsanbaus als von der Klagesorte nicht unterscheidbar erwiesen. Überwiegend seien die Merkmale identisch verwirklicht. Bezüglich der Merkmale 2, 10 und 13 halte die angegriffene Pflanzenform den erforderlichen Mindestabstand nicht ein. Bezüglich der Merkmale 3, 4 und 12 halte die angegriffene Pflanzenform diese nur in einem der beiden Prüfjahre ein, sei also nicht beständig.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumente im Wesentlichen wie folgt:
Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass eine „Sortenidentität“ zu verneinen sei, wenn die geprüften Pflanzen bei einem oder mehreren Merkmalen eine andere Ausprägungsstufe zeigten als in der Klagesortenbeschreibung. Das Einzige, was nach der Schutzerteilung Auskunft über den Schutzbereich einer vegetativ vermehrten Pflanze geben könne, sei die amtliche Sortenbeschreibung, da die der Registerprüfung unterzogenen Pflanzen nicht verwahrt, sondern entsorgt werden würden, so dass keine „Rückstellmuster“ vorhanden seien. Es könne also kein Vergleichsanbau in späteren Jahren mit den ursprünglich vorgelegten Pflanzen erfolgen. Vielmehr müsse bei Bedarf (Prüfung neuer Kandidatensorten) dazu Pflanzenmaterial der geschützten Sorte angefordert werden, wobei die Gefahr bestehe, dass es zu einer (bewussten) „Falscheinreichung“, z.B. Vorlage eines durch Mutation der geschützten Sorte entstandenen Klons, komme.
Trotz der unvermeidlichen Modifikationen infolge von Umwelteinflüssen auf Pflanzenmaterial gelinge es den Sortenämtern durchweg, Identitätsprüfungen vorzunehmen, wobei die in Sortenbeschreibungen festgehaltenen Ausprägungsstufen Messbereiche – und nicht bloße Messwerte – darstellten, die unter Berücksichtigung aller im gesamten Prüfsortiment festgestellten Modifikationen in jedem Jahr neu festgelegt würden. Die Messbereiche könnten im Einzelfall sehr breit ausfallen. Pflanzen lägen dann im sog. Toleranzbereich einer geschützten Sorte, wenn sie zwar unterscheidbare Unterschiede aufwiesen, letztere aber nicht „deutlich“ i.S.v. Art. 13 Abs. 5b, 7 Abs. 1 GemSortVO seien. Dieses Verständnis entspreche auch den Prüfrichtlinien. Die sich aus den besonderen Eigenschaften von Pflanzenmaterial ergebenden Besonderheiten seien besonders bedeutsam für die Identitätsprüfung. Vor diesem Hintergrund habe das Landgericht richtig entschieden, dass Modifikationen nur einmal, und zwar bei der jährlichen Bestimmung der Grenzwerte berücksichtigt werden dürften. Abweichungen bei den Merkmalsausprägungen der zu prüfenden Pflanzen, die in eine andere Ausprägungsstufe fallen, könnten daher aus Rechtsgründen nicht als eine (unbedenkliche) Modifikation eingestuft werden. Auf dieser Basis habe das Landgericht zu Recht angenommen, dass es sich bei den in Anlage K 7a mit „B.“ bezeichneten Pflanzen nicht um solche der Klagesorte handele.
Die Vergleichspflanzen wiesen auch in Bezug auf das Merkmal „Haltung der Triebe“ durchweg eine andere Ausprägung auf als in der amtlichen Sortenbeschreibung. Gleiches gelte mit Blick auf die Merkmale „Blatt: Länge“ und „Blatt: Breite“. Der Einfluss von Umweltbedingungen könne zwar bei der Bestimmung der Grenzwerte und bei der Festlegung des Toleranzbereichs berücksichtigt werden, nicht jedoch ein weiteres Mal nach der Berücksichtigung der Schwankungen im Rahmen der Festlegung der Grenzwerte.
Entgegen der Annahme der Beklagten habe das Landgericht nicht für die Prüfung der Identität und der Unterscheidbarkeit denselben Maßstab angelegt. Das Landgericht habe sich gerade nicht der Ansicht der Sachverständigen angeschlossen, dass aufgrund der gemittelten Grenzwerte nicht alle Modifikationen hinreichend genau erfasst würden. Die Identität habe nicht nachgewiesen werden können, so dass sich Fragen der Unterscheidbarkeit gar nicht mehr stellten. Ausprägungen, die trotz der jährlichen Anpassungen der Messwerte außerhalb der mit Patentansprüchen unmittelbar vergleichbaren Sortenbeschreibung lägen, seien keine Modifikationen (im sortenschutzrechtlichen Sinne).
Der Senat hat Beweis erhoben durch mündliche Anhörung der Sachverständigen Dr. H. (siehe das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2015, Blatt 1253 ff. GA). Bezüglich der Einwendungen der Beklagten gegen die Ausführungen der Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem Senat am 21.05.2015 wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 15.06.2015 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das landgerichtliche Urteil, mit dem die Klage vollumfänglich abgewiesen worden ist, unterliegt der Abänderung. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung in dem aus dem Tenor näher ersichtlichen Umfang, weil die von der Beklagten vermehrte und vertriebene angegriffene Pflanzenform von der Klagesorte nicht deutlich unterscheidbar ist. Ferner ist die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des dem Kläger entstandenen bzw. künftig entstehenden Schadens aufgrund der genannten Verletzungshandlungen festzustellen.
I.
Die erforderliche Aktivlegitimation des Klägers ist gegeben, und zwar auch hinsichtlich der unter anderem geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft /Rechnungslegung und Schadensersatz.
1.
Die Regelung des Art. 104 GemSortVO weist dem Sorteninhaber das Klagerecht zu. Inhaber ist – wie mittelbar aus Art. 22 Abs. 1 a GemSortVO folgt – der im Register für gemeinschaftlichen Sortenschutz Eingetragene (Leßmann/Würtenberger, Deutsches und Europäisches Sortenschutzrecht, 2. A., 2009, § 7 Rn. 143). Wegen der Legitimationswirkung des Rolleneintrages ist zum Nachweis der Aktivlegitimation der Eintrag in der Sortenschutzrolle als Inhaber des Sortenschutzrechtes erforderlich (Art. 23 Abs. 4 S. 1 GemSortVO; vgl. zum Ganzen Leßmann/Würtenberger, a.a.O., § 7 Rn 149 m.w.N.)).
a)
In der Literatur zum Sortenschutzrecht wird angenommen, dass dem gemeinschaftlichen Sortenregister (vgl. Art. 87 GemSortVO) zwar bloß deklaratorische und keine konstitutive Wirkung zukomme. Jedoch stelle die Eintragung in das gemeinschaftliche Sortenregister einen widerlegbaren Nachweis für die Feststellung des (ursprünglichen) Inhabers der durch die Sortenschutzanmeldung und erteilung begründeten Rechte dar: Ebenso wenig wie einem nicht eingetragenen Kläger die Glaubhaftmachung seines Rechtes mit anderen Mitteln als durch Vorlage eines beglaubigten Registerauszuges zum Nachweis der Aktivlegitimation verhelfen könne, nütze dem Antragsgegner / Beklagten das bloße Bestreiten der Rechtsinhaberschaft oder der ausschließlichen Benutzungsberechtigung des noch (wenn auch ggf. fälschlicherweise) eingetragenen Antragstellers (Jestaedt, GRUR 1981, 153, 156 – Fn 20; Hesse, GRUR 1975, 455, 456; Leßmann/Würtenberger, a.a.O., § 7 Rn 149).
Nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung mit Blick auf die vom Kläger überreichte Anlage BK8 unstreitig gestellt hat, dass der Kläger von Anfang an als Inhaber der Klagesorte im Sortenregister eingetragen war und ist, hätte es der Beklagten dieser Auffassung zufolge oblegen, die entsprechende Berechtigung des Klägers zu widerlegen. Dies ist der Beklagten aus den sogleich unter b) näher erläuterten Gründen nicht gelungen.
b)
Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, ob die vom BGH (GRUR 2013, 713, 716 f. – Fräsverfahren) zu § 30 Abs. 3 S. 2 PatG entwickelten Grundsätze auch auf Sortenschutzrechtsstreitigkeiten zu übertragen sind. Denn jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich kein abweichendes Ergebnis im Vergleich zu der unter a) erläuterten Literaturauffassung.
Nach der betreffenden BGH-Rechtsprechung ist für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit nicht die Registereintragung, sondern allein die materielle Rechtslage maßgeblich. Insbesondere sind danach eine Verurteilung zu Auskunft und Rechnungslegung sowie eine Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz stets nur zu Gunsten des tatsächlichen Rechtsinhabers möglich, auch wenn dieser (noch) nicht im Register eingetragen ist.
Allerdings komme – so der BGH – der Eintragung im Register für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, eine erhebliche Indizwirkung zu. Berufe sich eine Partei – wie vorliegend der Kläger – im Verletzungsrechtsstreit auf den aus dem Register ersichtlichen Rechtsstand, obliege es der anderen Partei (hier: der Beklagten), konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt, wobei die Anforderungen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhingen. Der Vortrag, der eingetragene Inhaber habe das maßgebliche Recht nicht wirksam erworben, setze in der Regel nähere Darlegungen dazu voraus, woraus sich die Unwirksamkeit ergeben solle.
Auf der Basis dieser Rechtsprechung entfaltet die bereits im Jahre 2001 erfolgte Eintragung des Klägers im Sortenregister ganz erhebliche Indizwirkung für dessen materielle Berechtigung. Ob angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalles sogar von einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Klägers ausgegangen werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls hat die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte dafür darzutun vermocht, dass die vom Kläger behauptete Übertragung der Rechte an der Klagesorte durch Herrn G. auf ihn (den Kläger) unzutreffend sei. Die Beklagte hat sich im Wesentlichen auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen dahingehend zurückgezogen, dass eine solche Vereinbarung erfolgt sei und dass Herr G. das als Anlage K 16 eingereichte Dokument unterzeichnet habe, das zugehörige Original beim gemeinschaftlichen Sortenamt eingereicht worden sei und dabei das darin erwähnte „Dokument“ beigefügt gewesen sei. Der Hinweis darauf, dass Herr G. in einer anderen Vertragsurkunde (betreffend die Sorte „J.“) mit seinem Namenszug in lateinischer Sprache unterzeichnet habe, während in der Anlage K 16 eine Unterzeichnung in japanischer Schrift wiedergegeben ist, ist ebenso wenig geeignet, die durch die seit fast 14 Jahren existente Eintragung des Klägers indizierte materielle Berechtigung des Klägers an der Klagesorte im erforderlichen Umfang in Zweifel zu ziehen.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch die Beschwerdekammer des Gemeinschaftlichen Sortenamtes ausdrücklich keine Zweifel an der Berechtigung des hiesigen Klägers an der Klagesorte hatte (vgl. Anlage BK10, S. 6 f.).
2.
Da die für die Vermarktung in Deutschland der C. erteilte ausschließliche Lizenz vereinbarungsgemäß umsatzabhängige Lizenzgebühren nach sich zieht, vermag sie die Aktivlegitimation des Klägers ebenfalls nicht in Frage zu stellen, weil dem Kläger aus der Lizenzvergabe materielle Vorteile erwachsen (vgl. zum Patentrecht: BGH, GRUR 2011, 711 – Cinch-Stecker).
II.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur vollen Überzeugung des Senats fest (§ 286 ZPO), dass die angegriffene Pflanzenform nicht von der Klagesorte im Sinne von Art. 13 Abs. 5 lit. b i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GemSortV deutlich unterscheidbar ist und daher dem Schutzumfang der Klagesorte angehört. Die angegriffene Pflanzenform fällt jedenfalls in den sog. Toleranzbereich der Klagesorte.
1.
Zunächst ist festzuhalten, dass eine Sortenschutzverletzung nicht schon vorab aus Rechtsgründen – also ungeachtet des Ergebnisses des eingeholten Sachverständigenbeweises – ausscheidet.
Der Schutzbereich einer (national oder gemeinschaftsrechtlich) geschützten Sorte wird durch die Kombination der im Erteilungsbeschluss des Gemeinschaftlichen Sortenamts festgelegten Ausprägungsmerkmale gemäß der amtlichen Beschreibung der Sorte (Art 62 Satz 2 GemSortV) bestimmt, wobei zum Schutzumfang einer geschützten Sorte außer dem sog. Identitätsbereich auch ein sog. Toleranzbereich gehört, der bestimmte zu erwartende Variationen umfasst (BGH GRUR 2009, 750, 752 – K.; OLG Düsseldorf, I-2 U 94/05, Urteil v. 21.12.2006, Tz. 42 – zitiert nach iuris; Leitsätze abgedruckt in GRUR-RR 2007, 221 und GRUR-RR 2009, 328; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2004, 281 – K./B.; Jestaedt, GRUR 1982, 595, 598; Keukenschrijver, SortG, 2001, § 10 Rn 48; vgl. Wuesthoff/Leßmann/Würtenberger, Rn 306).
Letzteres hat seinen Grund darin, dass sich der Sortenschutz – anders als etwa der Patentschutz – nicht auf künstlich und damit stets identisch herstellbare Gegenstände bezieht, sondern auf Pflanzen, mithin auf Lebewesen, deren konkrete Ausprägungen von unterschiedlichen Faktoren wie der Mutterpflanzenhaltung, der Qualität des verwendeten Stecklings, dem Stutztermin, dem Einsatz von Fungiziden und Insektiziden, dem Substrat, der Menge der Düngung und der Wassergaben, der Temperatur und dem Lichtangebot abhängen (BGH GRUR 2009, 750, 752 – K.). So können insbesondere beim Anbau von Pflanzen einer Sorte im Freiland Schwankungen der Umweltbedingungen zu einer unterschiedlichen Ausbildung eines Merkmals führen. Deshalb ist es auch nicht immer möglich, ausschließlich aufgrund eines sog. botanischen Vergleichs der der Beschreibung einer geschützten Sorte entnommenen Merkmale mit den Merkmalen eines angegriffenen Pflanzenmaterials eine Sortenschutzverletzung festzustellen (OLG Düsseldorf, I-2 U 94/05, Urteil v. 21.12.2006, Tz. 42 – zitiert nach iuris; a.A.: OLG Karlsruhe GRUR-RR 2004, 283, 284 – Botanischer Vergleich). Ein solcher Vergleich alleine mag dann ausreichen, wenn sich die Überzeugung gewinnen lässt, dass die in Verkehr gebrachten angegriffenen Pflanzen in allen Merkmalen identisch mit der Sortenbeschreibung der geschützten Sorte übereinstimmen. Demgegenüber ist insbesondere in Fällen, in denen die Frage im Raum steht, ob und inwieweit Pflanzen, bei denen hinsichtlich der Ausprägung der Merkmale Abweichungen gegenüber den bei der Erteilung des Sortenschutzes festgestellten Ausprägungen auftreten, gleichwohl in den vom Sortenschutz erfassten Bereich fallen, regelmäßig mit Hilfe eines Sachverständigen eine Bewertung der Merkmale vorzunehmen, die regelmäßig einen Vergleichsanbau erforderlich macht (vgl. BGH GRUR 2006, 575, 576 – L.; BGH GRUR 2009, 750, 752 – K.; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2004, 281, 283 – K. / B.). Der BGH hat von einer Vorlage der Frage an den EuGH, ob der Toleranzbereich auch in Bezug auf gemeinschaftliche Sortenschutzrechte gilt, angesichts der eindeutigen Bejahung zuletzt ausdrücklich abgesehen (GRUR 2009, 750, 752 – K.).
a)
Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen darf die Würdigung des eingeholten Sachverständigenbeweises nicht etwa aufgrund des Grundsatzes der Bindung des Verletzungsrichters an die Sortenbeschreibung unterbleiben.
Zwar entfaltet die Sortenbeschreibung wie auch deren Anpassung durchaus sog. Tatbestandswirkung (vgl. BGHZ 158, 372, 374 f. = GRUR 2004, 710 – Druckmaschinentemperierungssystem; vgl. BGHZ 159, 179, 182 f. = NZM 2004, 959; BGH GRUR 2009, 750 f. – K. m.w.N.). Jedoch bedeutet dies nicht, dass der Verletzungsrichter aufgrund dieser Tatbestandswirkung strikt an die ursprünglich gewählte Sortenbeschreibung gebunden wäre, solange – wie hier – keine Änderung derselben vorgenommen und eingetragen worden ist. In der genannten BGH-Entscheidung „K.“ kommt dies unmissverständlich in der nachfolgend zitierten Passage zum Ausdruck (Hervorhebung mittels Fettdruck durch den Senat hinzugefügt):
„Der demgegenüber von der Revision behauptete Grundsatz, im Verletzungs-prozess dürfe nicht von der Sortenbeschreibung im Erteilungsbeschluss abgewi-chen werden, ist mit der ihm zugemessenen Bedeutung weder der Recht-sprechung noch dem Schrifttum zu entnehmen; insbesondere die von der Revisi-on zitierten Stellen (BGHZ 166, 203, 208 f. = GRUR 2006, 575 – L.; Keukenschrijver, § 10 Rdnr. 46) belegen ihn nicht. Für ihn gibt es auch keine Rechtfertigung. Denn der Verletzungsrichter ist zwar an den Erteilungsbeschluss gebunden. Dies hindert ihn jedoch nicht, Inhalt und Reichweite des Sortenschutzrechts – wie jedes anderen gewerblichen Schutzrechts – eigenverantwortlich zu bestimmen. Vielmehr ist der Verletzungsrichter dazu verpflichtet, sich darüber Klarheit zu verschaffen, wie die im Erteilungsbeschluss angegebenen Merkmalsausprägungen unter den zum Zeitpunkt seiner Sachaufklärung gegebenen klimatischen und sonstigen Bedingungen mit zur richterlichen Überzeugungsbildung ausreichender Sicherheit festgestellt werden können. Nichts anderes hat das BerGer. getan.
[22] Gegen diese Befugnis des Verletzungsrichters lässt sich auch nicht die von der Revision befürchtete „Unübersichtlichkeit der Schutzrechtslage” ins Feld führen. Denn auch die Anpassung der amtlichen Sortenbeschreibung nach Art. 87 Absatz IV GemSortV legt nicht den Schutzbereich der Sorte neu fest. Sie soll vielmehr nur für eine bessere Vergleichbarkeit sorgen und hat damit klarstellende Funktion. Sie ist deshalb der Verletzungsprüfung auch ebenso „rückwirkend” zu Grunde zu legen wie es die Methoden sind, die der Verletzungsrichter für erforderlich hält, um sich von der Unterscheidbarkeit oder Nichtunterscheidbarkeit des angegriffenen Pflanzenmaterials von der geschützten Sorte zu überzeugen.“
Demnach besteht gerade keine „sklavische“ Bindung des Verletzungsrichters an die Sortenbeschreibung im Erteilungsbeschluss. Vielmehr ist es seine Aufgabe, Inhalt und Reichweite des Sortenschutzrechts einer eigenverantwortlichen Bestimmung zu unterziehen. Dabei hat der (in aller Regel durch einen Sachverständigen unterstützte) Verletzungsrichter namentlich eigenständig zu beurteilen, wie klimatische und ggf. sonstige vom Erteilungszeitpunkt abweichende Bedingungen sinnvoll in den Prozess der richterlichen Überzeugungsbildung zur Verletzungsfrage zu integrieren sind.
Die Berücksichtigung zu erwartender Modifikationen bei der Verletzungsfrage hängt daher auch nicht etwa davon ab, ob es in der Zwischenzeit zu einer entsprechenden Anpassung der Sortenbeschreibung gekommen ist. Mit einer Anpassung der Sortenbeschreibung ist ohnehin keine Festlegung eines neuen Schutzbereichs der Sorte verbunden, sondern die angepasste Sortenbeschreibung stellt lediglich klar, was schon von Anfang an, d.h. bereits auf Basis der ursprünglichen Sortenschutzerteilung bzw. –beschreibung bereits Gegenstand des Schutzumfangs war. Einer angepassten Sortenbeschreibung kommt mithin keine konstitutive, sondern rein deklaratorische Bedeutung zu und sie dient in erster Linie einer Erleichterung des Vergleichs von Pflanzenmaterialien in Bezug auf ihre Sortenzugehörigkeit. Fehlt es an einer solchen Erleichterung im Wege der Anpassung der Sortenbeschreibung, muss der Verletzungsrichter gleichwohl jenseits einer solchen den jeweils einschlägigen Toleranzbereich klären und anwenden. Ebenso wenig wie die Anpassung der Sortenbeschreibung nicht bloß ex nunc wirkt, hindert eine (noch) nicht existente Anpassung der Sortenbeschreibung die Berücksichtigung von Modifikationen bei der Verletzungsprüfung. Es obliegt dem (sachverständig beratenen) Verletzungsrichter, geeignete Methoden zu finden bzw. zu bestimmen, mit denen er sich davon überzeugen kann, ob angegriffenes Pflanzenmaterial von einer geschützten Sorte unter Berücksichtigung zu erwartender Modifikationen unterscheidbar i.S.v. Art. 13 Abs. 5 lit. b GemSortVO ist.
Im vorliegenden Falle verbietet sich es sich umso mehr, die (ursprüngliche) Sortenbeschreibung zur Klagesorte „1:1“ der Identitäts- und der Verletzungsprüfung zugrunde zu legen, weil sich zwischenzeitlich die maßgeblichen Prüfrichtlinien des Bundessortenamtes geändert haben (vgl. BGH GRUR 2009, 750, 751 unten – K.). Der Schutzbereich der Klagesorte könnte nicht angemessen festgestellt werden, wenn dieser alleine auf der Grundlage der Tabelle VII der UPOV-Richtlinie TG/176/3 beschrieben würde und die so festgestellten Ausprägungsmerkmale denjenigen der Sortenbeschreibung, für die noch andere Richtlinien zu Rate gezogen worden waren, ohne sachgerechte Bewertung gegenübergestellt würden (vgl. OLG Düsseldorf, I-2 U 94/05, Urteil v. 21.12.2006, Tz. 43 – zitiert nach iuris; Leitsätze abgedruckt in GRUR-RR 2007, 221). Folgerichtig ist auch der 2. Zivilsenat des OLG Düsseldorf in der Berufungsinstanz zum Fall „K.“, an deren Schluss (mangels vollständiger verfahrensmäßiger Umsetzung) auch noch keine wirksame Anpassung der Sortenbeschreibung vorlag, davon ausgegangen, dass entsprechende Änderungen infolge von Umweltfaktoren und Anbaubedingungen von Relevanz seien (vgl. OLG Düsseldorf, I-2U 94/05, Urteil v. 21.12.2006, Tz. 43 – zitiert nach iuris; Leitsätze abgedruckt in GRUR-RR 2007, 221 und GRUR-RR 2009, 328).
Die vorstehenden Erwägungen sind auch nicht etwa mit Blick darauf entbehrlich, dass unterschiedliche Umweltbedingungen daneben in Gestalt sog. Grenzwertanpassungen Berücksichtigung finden. Wie die Sachverständige nachvollziehbar im Rahmen der mündlichen Anhörung vom 21.05.2015 (siehe Protokoll, S. 2 f.) erläutert hat, erfolgen derartige Grenzwertanpassungen im Zusammenhang mit Sorten, die in einem Jahr in einem Anbau stehen. Wenn diese Sorten in einem weiteren Jahr angebaut werden, können ganz andere Umwelteinflüsse herrschen und Einfluss auf die Merkmale des Pflanzenmaterials nehmen. Die Annahme der Sachverständigen, dass die „Sortenbeschreibung immer nur im Zusammenhang mit dem Anbaujahr und den Sorten, die in diesem Jahr in Anbau standen“ zu sehen ist, steht im Einklang mit den oben erfolgten rechtlichen Ausführungen des Senats.
b)
Ebenso wenig gebietet oder rechtfertigt das Rechtsstaatsprinzip es vorliegend, ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverständigengutachten nebst Ergänzungsgutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. eine Verletzung der Klagesorte bereits aufgrund rein rechtlicher Erwägungen auszuschließen.
Namentlich lässt sich dies nicht darauf stützen, dass es nicht zu einer mehrfachen Berücksichtigung von Modifikationen kommen dürfe. Dass sich nämlich Modifikationen durchaus auf unterschiedlichen Ebenen auswirken können und demzufolge im Rahmen der Verletzungsprüfung (insbesondere bei der Bestimmung des sog. Toleranzbereichs) eine weitere Berücksichtigung finden müssen, ergibt sich ebenfalls aus der bereits zitierten BGH-Entscheidung „K.“ (GRUR 2009, 750, 752), wie die nachfolgend zitierte Passage belegt (Fettdruck wurde wiederum vom Senat hinzugefügt):
„[17] … Die von der Revision herangezogene Behauptung der Bekl., das Merkmal sei keinen nennenswerten Schwankungen unterworfen, konnte das BerGer. damit als widerlegt ansehen, zumal die Ausführungen der Sachverständigen durch die bereits vom LG festgestellten Spannen in den (in Millimetern) gemessenen Blattbreiten bei der Klagesorte und bei „M.” und die unterschiedliche Benotung des Vergleichsanbaus der Klagesorte in den Jahren 2003 und 2004 bestätigt worden sind. Dass der Vergleichsanbau nicht „doppelt (nämlich bei der Anpassung der Sortenbeschreibung und bei der Bestimmung des Toleranzbereichs) berücksichtigt” werden dürfe, kann der Revision nicht zugegeben werden. Vielmehr durfte das BerGer. in den Ergebnissen des Vergleichsanbaus eine Bestätigung anbaujahrabhängiger Schwankungen sehen. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob ein nicht mehr als eine Notenstufe betragender Unterschied bei einem einzelnen Merkmal überhaupt geeignet sein kann, die Schwelle der deutlichen Unterscheidbarkeit nach Art. 13 Absatz V lit. b, Artikel 7 Absatz I GemSortV, Artikel 14 Absatz V lit. a ii des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen i.d.F. v. 19. 3. 1991 (BGBl II 1998, 259) zu überschreiten (s. dazu OLG Frankfurt a.M., Mitt 1982, 212 [213]; Wuesthoff/Leßmann/Würtenberger, Rdnr. 306; Keukenschrijver, § 10 Rdnr. 48).“
Demgemäß kann eine bereits im Rahmen der Anpassung einer Sortenbeschreibung berücksichtigte, weil zu erwartende Modifikation noch einmal im Rahmen der Festlegung des Toleranzbereichs Einfluss gewinnen. In einem Falle wie dem vorliegenden, in dem es nicht zu einer Anpassung der Sortenbeschreibung gekommen ist, gilt aufgrund der unter a) erfolgten Erläuterungen zur Bedeutung der Anpassung einer Sortenbeschreibung nichts Abweichendes. Deshalb dürfen zu erwartende Modifikationen bei der Verletzungsprüfung nicht a priori unter Hinweis darauf außen vor gelassen werden, dass sie bereits im Rahmen der Bildung jährlicher Grenzwerte Berücksichtigung gefunden haben. Es bedarf vielmehr der mittels sachverständiger Beratung zu treffenden Feststellung im jeweiligen Einzelfall, ob tatsächlich eine (dem Toleranzbereich zuzuordnende) zu erwartende Modifikation zugrunde liegt (die ggf. eine Anpassung der Sortenbeschreibung rechtfertigen würde). Wenn dies aufgrund der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu bejahen ist, verbietet es sich, diese Modifikation bei der Bestimmung des sog. Toleranzbereichs auszuklammern. Die mehrfache Berücksichtigung von Modifikationen ist daher berechtigt und geboten, wenn es sich im Rahmen des Vergleichsanbaus mit der angegriffenen Pflanzenform erweist, dass Unterschiede auf anbaujahrabhängige Schwankungen zurückzuführen sind.
c)
Auch der Aspekt etwaiger „Rechtssicherheit“ gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Sichtweise. Wie der BGH im Zusammenhang mit der Bedeutung einer (unterbliebenen) Anpassung der Sortenbeschreibung ausgeführt hat (GRUR 2009, 750, 753 – K.), führt der Umstand, dass der Verletzungsrichter eigenständig beurteilen muss, ob zu erwartende Modifikationen vom Schutzbereich einer Sorte erfasst werden, nicht zu einer „Unübersichtlichkeit der Schutzrechtslage“: Es ist auch auf anderen Teilgebieten des gewerblichen Rechtsschutzes vonnöten, dass der Verletzungsrichter Inhalt und Reichweite eines Schutzrechts auch in zweifelhaften Fällen eigenverantwortlich bestimmen muss. Dass im Bereich des Sortenschutzes im Einzelfall oder gar häufig besondere Probleme aufgrund des Umstandes auftreten, dass der Verletzungsrichter insbesondere Klarheit darüber gewinnen muss, wie die im Erteilungsbeschluss angegebenen Merkmalsausprägungen unter den zum Zeitpunkt der Sachaufklärung gegebenen klimatischen und sonstigen Bedingungen mit zur richterlichen Überzeugungsbildung ausreichender Sicherheit festgestellt werden können, rechtfertigt es nicht, zu erwartende Modifikationen trotz der biologischen/botanischen Besonderheiten von vornherein einer mehrfachen Berücksichtigung zu entziehen.
In Anbetracht des bereits erläuterten Umstandes, dass pflanzliche Materie Gegenstand des Sortenschutzes ist, die auf im Vergleich zu denjenigen im Zeitpunkt der Erstellung der Sortenbeschreibung veränderte Umweltbedingungen trotz identischen Genotyps mit der Ausprägung abweichender äußerlicher Merkmale reagieren kann, stellt es eine besonders komplexe Aufgabe dar, den Toleranzbereich angemessen zu bestimmen. Dazu bedarf es der Anwendung eines besonderen Erfahrungswissens und einer besonderen Sachkunde, über die die Verletzungsrichter nicht verfügen, so dass sie daher auf entsprechende sachverständige Unterstützung angewiesen sind. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (GRUR Int. 2009, 133, 137 und D. ./. Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO) [N.] m.w.N.) wird der Erteilungsbehörde hinsichtlich der Prüfung auf Unterscheidbarkeit deshalb sogar ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt. Weil die Prüfung der Unterscheidbarkeit im Sinne von Art. 13 Abs. 5 lit. b i.V.m. Art 7 GemSortVO allerdings Rechtsanwendung darstellt und nach dem deutschen Zivilprozessrecht, insbesondere dem das Beweisrecht beherrschenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) das Verletzungsgericht ein Sachverständigengutachten sorgfältig und kritisch prüfen muss und keinesfalls die Meinung des Sachverständigen ungeprüft übernehmen darf (vgl. BGH, GRUR 1992, 191, 194 – Amtsanzeiger), ist der Sachverständigen vorliegend zwar kein „Ermessen“ zuzubilligen. Gleichwohl steht es der Überzeugungskraft ihrer Erläuterungen nicht entgegen, dass sie – insbesondere für quantitative Merkmale – keine allgemeingültigen objektiven Parameter für die Bestimmung des Toleranzbereichs nennen konnte, sondern sie bezüglich ihrer Wertung insbesondere auf in der Datenbank des Bundessortenamtes zu ersehende Vergleichswerte betreffend Schwankungen verwiesen hat (vgl. Protokoll vom 21.05.2015, S. 4 f. und S. 6 Mitte). Entscheidend ist, dass sie (wie unten näher ausgeführt wird) zumindest anhand der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles nachvollziehbar und ohne logische Widersprüche erläutern konnte, dass und weshalb die angegriffene Pflanzenform im Toleranzbereich der Klagesorte liegt. Unter Beachtung dieser Grundsätze besteht auch für die von der Beklagten geäußerte Besorgnis eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung keine Grundlage.
Mit Blick auf die Tatbestandswirkung der unter anderem die Beständigkeit der Sorte voraussetzenden Erteilung des Sortenschutzes (Art. 105 GemSortV) begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass die Sachverständige in diesem Zusammenhang davon ausgeht, dass bei bereits erteilten Sorten besondere Anforderungen erfüllt sein müssen, um von einem nicht umweltbedingten, sondern genotypisch zu erklärenden Unterschied auszugehen (vgl. Protokoll vom 21.05.2015, S. 4). Ebenso ohne Erfolg rügt die Beklagte, die Ausführungen der Sachverständigen zur Beständigkeitsprüfung seien widersprüchlich: Es entspricht vielmehr den Grundsätzen nach Ziffer 7.3.1.1 der UPOV-RL TG/1/3, dass bei einjährig geprüften Zierpflanzen eine als homogen anzusehende Sorte auch als beständig eingestuft werden kann.
2.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme einschließlich der mündlichen Anhörung der Sachverständigen Dr. H. rechtfertigt die tatrichterliche Feststellung, dass die angegriffene Pflanzenform in den Schutzbereich der Klagesorte eingreift.
In den Jahren 2006 und 2007 wurde ein Vergleichsanbau zwischen Pflanzen einer dort als „B.“ bezeichneten Sorte sowie Pflanzen der Sorte „A.“ durchgeführt (vgl. den Report des Bundessortenamtes vom …, Anlage K 7a). Wie inzwischen unstreitig ist, handelte es sich bei der Sorte „A.“ um Pflanzenmaterial, wie es dem französischen Unternehmen E. von der Beklagten zur Verfügung gestellt wurde, so dass das Pflanzenmaterial „A.“ der angegriffenen Pflanzenform entspricht.
Eine Verletzung der Klagesorte durch die angegriffene Pflanzenform steht vor diesem Hintergrund fest, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme folgende beiden Anforderungen kumulativ erfüllt sind:
▪ Erstens entspricht – wie sogleich unter a) näher erläutert das Pflanzenmaterial „B.“ der Klagesorte, so dass sichergestellt ist, dass die für die Verletzungsprüfung entscheidende Frage der Unterscheidbarkeit von „A.“ auch in Bezug auf Pflanzenmaterial der Klagesorte beantwortet wurde (Identitätsprüfung; vgl. Ziffer I.1 des landgerichtlichen Beweisbeschlusses vom 16.06.2011);
▪ zweitens bestehen – aus den nachfolgend unter b) im Einzelnen genannten Gründen – keine vernünftigen Zweifel daran, dass die angegriffene Pflanzenform von der Klagesorte (repräsentiert durch die „Vergleichspflanzen „B.“) zumindest nicht (hinreichend) unterscheidbar ist (= Prüfung der Unterscheidbarkeit; vgl. Ziffer I.2 des landgerichtlichen Beweisbeschlusses vom 16.06.2011).
a)
An der betreffenden „Identität“ der Vergleichspflanzen „B.“ mit der Klagesorte bestehen angesichts der sachverständigen Ausführungen der Frau Dr. H. keine vernünftigen Zweifel.
Die Sachverständige ist mit überzeugender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der durch das Bundessortenamt in dem Bericht vom 16.08.2007 mit „B.“ gekennzeichneten Sorte, die das Bundessortenamt in den Jahren 2006 und 2007 für den Vergleichsanbau herangezogen hat, um die Klagesorte handelt (siehe die Zusammenfassung des Ergebnisses auf S. 6 des Gutachtens vom 26.03.2012 i.V.m. der Anlage 3). Der Senat schließt sich nach ergänzender mündlicher Anhörung der gerichtlichen Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 21.05.2015 und einer eigenständigen Prüfung den widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Schlussfolgerungen der Sachverständigen an. Die betreffende Überzeugungsbildung des Senats beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
aa)
Zunächst gilt es in diesem Zusammenhang zu betonen, dass „Identität“ im vorgenannten Sinne – entgegen der Beklagten – nicht etwa eine exakte Übereinstimmung des zu vergleichenden Pflanzenmaterials mit der Klagesorte in allen Merkmalen der Sortenbeschreibung erfordert.
Die Sachverständige hat unter Ziffer II. („Stellungnahme“) ihres Gutachtens vom 26.03.2012 nachvollziehbar erläutert: Im Rahmen der sog Registerprüfung (= Prüfung auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit) werden durch das Bundessortenamt (u.a. als zuständiges Prüfamt des Gemeinschaftlichen Sortenamtes) Pflanzen der allgemein bekannten Sorten neben Pflanzen der in der Prüfung stehenden Sorten im Freiland oder im Gewächshaus angebaut und es werden die Ausprägungen der Merkmale erfasst sowie verglichen. Im Rahmen der Osteospermum-Prüfung wird das (vom Bundessortenamt also nicht aufbewahrte) Pflanzenmaterial jährlich erneut angefordert, um einen Vergleich mit den erfassten Daten der Sortenbeschreibung zwecks Prüfung der Identität durchführen zu können.
In den aus Anlage 3 zum gerichtlichen Sachverständigengutachten vom 26.03.2012 ersichtlichen Vergleich der Sortenbeschreibung der „Vergleichspflanzen B.“ (eingereicht in den Jahren 2005/06 im Rahmen der Prüfung des Fortbestehens der Sorte und im Jahr 2007 als Vergleichsmaterial für die Registerprüfung beim Bundessortenamt) mit den Merkmalsausprägungen, die in späteren Registerprüfungen aufgetreten sind, flossen folgende Prüfungen ein (vgl. Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012, S. 4 unten f.): Prüfung nach der UPOV-Richtlinie TG/176/3 vom 05.04.2000 im Jahre 2001; Prüfung nach dem Technischen Protokoll CPVO-TP176/1 vom 31.10.2002 in den folgenden Jahren, wobei vorstehendes Protokoll auf der UPOV-Richtlinie TG/176/3 basiert. Bis auf die Farbkarten – so die Sachverständige Dr. H. – sind die betreffenden Daten unmittelbar vergleichbar.
(1)
Soweit die Beklagte demgegenüber meint, „dieselbe Sorte“ setze eine vollständige Übereinstimmung der zu vergleichenden Pflanzen voraus, weshalb jedweder Unterschied gegen Identität spreche, ist dies nicht mit dem biologisch/botanisch bedingten Fakt kompatibel, dass Merkmalsausprägungen in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen unterschiedlich stark variieren können: Die These der Beklagten zu Ende gedacht, würde dies bedeuten, dass letztlich keine einzige Pflanzensorte mehr die Anforderungen in puncto Homogenität und Beständigkeit erfüllen könnte (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 2 oben). Dass die enge Auffassung der Beklagten unhaltbar ist, hat die Sachverständige unter anderem auch unter Hinweis auf den Auszug aus W. Nutsch, 1977: Allgemeine Botanik, 6. A., S. 313 überzeugend belegt (siehe den Auszug auf S. 2, 2. Absatz Ergänzungsgutachten Dr. H.).
Wie die Sachverständige eingangs unter Ziffer I. („Vorbemerkungen“) des Ergän-zungsgutachtens zutreffend festgehalten hat, übersieht die Beklagte, dass auch bei beständigen Sorten eine umweltbedingte Variation in der Ausprägung ihrer Merkmale auftreten kann und daher die Auffassung der Beklagten nicht mit den biologischen Gegebenheiten bei lebendem Pflanzenmaterial zu vereinbaren ist: Selbst innerhalb einer Sorte stimmt nicht jede Pflanze mit der anderen überein, weil Pflanzen nun einmal auf Umweltbedingungen reagieren. Daher ist in rechtlicher Hinsicht gegen die Annahme der Sachverständigen, dass der sog. „Toleranzbereich“ als die durch unterschiedliche Umweltbedingungen zu erwartende Variation definiert ist, nichts zu erinnern.
(2)
Aus dem vorstehend Ausgeführten folgt zugleich: Die Beklagte rügt zu Unrecht, dass die Sachverständige im Rahmen der Beurteilung der Sortenidentität es hat genügen lassen, dass festgestellte Abweichungen in den Toleranzbereich fallen und sie ihr Ergebnis unter Verweis auf die Sorte „A.“ gegründet habe: Wie sich u.a. aus dem o.g. Literatur-Auszug ergibt, zeichnet sich für die Merkmalsausprägungen einer Sorte eine Kombination aus deren Genotypus und den herrschenden Umweltbedingungen verantwortlich, wobei zwischen diesen beiden Faktoren auch noch eine Wechselwirkung herrscht (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 2 drittletzter Abs.). Zu Recht weist die Sachverständige in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass sie den Toleranzbereich in dem Parallelverfahren betreffend die Sorte „K.“ ebenfalls in der hier gewählten Weise verwendet hat; im betreffenden Rechtsstreit wurde die Beklagte rechtskräftig wegen Verletzung der dortigen Klagesorte verurteilt (s. die oben bereits erwähnte Entscheidung BGH GRUR 2009, 750 – K.). Der BGH hatte dort gegen die betreffende Methodik der Sachverständigen keine Einwände. Die Ausführungen der Sachverständigen zu der Sorte „A.“ im Gutachten vom 26.03.2012 sind ersichtlich rein exemplarischer Natur und dienen nur der Veranschaulichung der umweltbedingten Schwankungen bei Osteospermum-Pflanzen, wobei dieses Beispiel besonders markant und daher besonders geeignet ist, um die betreffenden Hintergründe zu verdeutlichen. Vor allem haben die betreffenden mehrjährigen Prüfungen des Bundessortenamts ergeben, dass „A.“ laut dem negativen Bericht aus dem Jahre 2007 von der Klagesorte nicht unterscheidbar ist: Im an dieser Stelle interessierenden Zusammenhang indiziert dies, dass das Bundessortenamt die aufgetretenen Schwankungen in den Merkmalsausprägungen als sortentypisch betrachtet und infolge dessen akzeptiert hat (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 3 oben). Der Senat sieht daher keine Notwendigkeit, die Sachverständige aufzufordern, entsprechend ihrem Angebot auf S. 3, 2. Abs. des Ergänzungsgutachtens und dem Hilfsantrag der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 15.06.2015 (S. 3) weitere Auszüge aus der Datenbank des Bundessortenamtes zur Verfügung zu stellen, die die Schwankungen in den Merkmalsausprägungen anderer Osteospermum-Sorten belegen. Jedenfalls trifft der Vorhalt der Beklagten, die Sachverständige habe erstmals im Rahmen der mündlichen Anhörung einen Abgleich mit der Datenbank erwähnt, mit Blick auf oben genannte Passage des Ergänzungsgutachtens ersichtlich nicht zu. Ferner lag bereits den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. im ursprünglichen Gutachten vom 17.11.2004 (Seite 4 unter b) die Existenz einer solchen Datenbank zugrunde.
(3)
Die Sachverständige hat ferner überzeugend und vor allem im Einklang mit der rechtlichen Bestimmung in Art. 7 GemSortVO erläutert, dass in einem Sortenschutzverfahren nicht die „genetische“ Identität festzustellen ist, sondern es um die aus dem Genotyp oder Kombination aus Genotypen folgenden Merkmalsausprägungen, mithin um das äußere Erscheinungsbild einer Sorte geht (Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 3, vorletzter Abs.). Im Rahmen von Registerprüfungen, also im Erteilungsverfahren ist die auf das äußere Erscheinungsbild abstellende Methodik anerkannt. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, weshalb andere Prüfungsmaßstäbe anzusetzen sein sollten, wenn – wie hier – im Verletzungsprozess inzident die Identität zweier Pflanzensorten zu klären ist.
Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass als Ursache für Abweichungen im Phänotypus neben Umwelteinflüssen durchaus ein genetischer Unterschied in Betracht gezogen werden muss. Dieser Unsicherheit wird methodisch indes dadurch begegnet, dass im Rahmen von Sortenschutzverfahren ähnliche Sorten in der gleichen Prüfung angebaut werden, damit umweltbedingte Einflüsse möglichst eingedämmt werden und so – idealiter – möglichst unbeeinflusste Schlüsse auf den Genotypus gezogen werden können (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 4, 2. Abs). Inwieweit Abweichungen in den Merkmalsausprägungen als umweltbedingt akzeptabel sind, unterscheidet sich in Abhängigkeit der im Einzelfall gewählten Vorgehensweise (scil.: Vergleich innerhalb derselben Anbauprüfung oder Vergleich mit einer Sortenbeschreibung aus anderer Anbauprüfung?). Nicht mehr „tolerabel“ und daher der Annahme einer Identität entgegenstehend sind deutliche Unterschiede in den Merkmalsausprägungen (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 4, 3. Abs). Derartige deutliche Unterschiede zwischen den Vergleichspflanzen und der Klagesorte bestehen aus den unten im Detail erläuterten Gründen vorliegend nicht.
(4)
Auch der Hinweis der Beklagten auf Art. 5 Abs. 2, 2. Spiegelstrich GemSortVO, aus dem angeblich zu schließen sei, dass bereits jedweder Unterschied zur Sortenbeschreibung in einem Merkmal ausreiche, um von einer „anderen Sorte“ auszugehen, überzeugt nicht. Die betreffende Regelung dient vielmehr der Klarstellung, dass der Begriff der „Sorte“ im Sinne der GemSortVO unabhängig davon ist, ob das jeweilige Pflanzenmaterial die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sortenschutzerteilung erfüllt. Insbesondere sagt die betreffende Bestimmung nichts darüber aus, welche Unterschiede eines Pflanzenmaterials zu einer geschützten Sorte dazu führen, dass ersteres nicht mehr in deren Schutzbereich fällt. Solches ist vielmehr Regelungsgegenstand des Art. 13 Abs. 5b i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GemSortVO.
(5)
Soweit die Beklagte meint, der (juristische) Begriff des Toleranzbereichs habe nichts mit der biologischen Identität, sondern allein mit der Bestimmung des rechtlichen Schutzbereichs einer Sorte zu tun, verfängt dies nicht. Die Sachverständige hat den Begriff des Toleranzbereichs für das bereits erläuterte Phänomen verwendet, dass unterschiedliche Umweltbedingungen in verschiedenen Jahren zu erwartende Variationen der Merkmalsausprägungen einer Sorte zur Folge haben. Aus den oben bereits genannten Gründen ist es methodisch richtig, dieses Phänomen bei der Beurteilung der Identität zweier Sorten zu beachten, wie dies im Rahmen von Registerprüfungen auch vollkommen üblich und anerkannt ist.
(6)
Da – siehe oben – die These der Beklagen von der Irrelevanz eines Toleranzbe-reichs für die Identitätsprüfung unzutreffend ist, trifft die darauf basierende Schlussfolgerung, wonach die Feststellungen der Gutachterin zum (angeblichen) Toleranzbereich und dazu, dass die im Report mit „B.“ bezeichnete Sorte in diesen Bereich fallen solle, nichts über die Identität dieser Sorte aussage, nicht zu. Wie die Sachverständige überdies in diesem Zusammenhang nochmals nachvollziehbar erläutert hat (Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 6, 3. und 4. Abs.), kann die Identität einer Osteospermum-Sorte nur auf der Basis eines Vergleichs mit neu eingesandtem Material vorgenommen werden, weil beim Bundessortenamt keine Standardmuster aufbewahrt werden. Mit Blick auf die oben bereits angesprochenen Umwelteinflüsse muss die dadurch bedingte und zu erwartende Variation der Merkmalsausprägungen zwingend bei der betreffenden Prüfung in Rechnung gestellt werden.
bb)
Dies vorausgeschickt kommt man im Rahmen eines Merkmal für Merkmal durchge-führten Vergleichs zu dem Ergebnis, dass die in diesem Sinne erforderliche Identität zwischen der Klagesorte und den „Vergleichspflanzen B.“ besteht. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes:
(1)
Bezüglich der quantitativen Merkmale 1, 2, 8, 10 12 und 19 bestehen Schwankungen im Bereich von jeweils einer Note. Gegen die Annahme der Sachverständigen, dass solche relativ geringen Schwankungen beim Anbau unter gleichen Bedingungen keinen hinreichenden Unterschied ausmachen und daher nicht den Mindestabstand erreichen, bestehen seitens des Senats keine Bedenken. Insofern fallen die zu diesen Merkmalen aufgetretenen Unterschiede zwanglos in den Toleranzbereich.
(2)
Zwar fällt auf, dass bezüglich der Merkmale 3 und 4 die Notenvariation etwas stärker ausfällt, jedoch handelt es sich bei der Blattgröße um eine Eigenschaft, die sowohl von den Umweltbedingungen als auch von der Position des Blattes am Trieb abhängt, weshalb die Sachverständige auch diese Unterschiede in Anbetracht des besonders großen Einflusses der Umweltbedingungen überzeugend dem Toleranzbereich zugerechnet hat. Dies begründet sie einleuchtend unter Hinweis darauf, dass bei dem auch zu Osteospermum zählenden Pflanzenmaterial „A.“ ebenfalls Noten-Variationen im entsprechenden Ausmaß zu verzeichnen sind (Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012, S. 5, 4. Abs. i.V.m. S. 3, 2. Abs.). Bezüglich der Merkmale 3 und 4 ist allgemein zu beachten, dass es sich um Blattmerkmale handelt und die Blätter bei Osteospermum-Pflanzen sehr schwierig zu erfassen sind, weil sie sehr unterschiedlich groß sind an ein- und derselben Pflanze, und zwar im unteren Bereich relativ groß und in höheren Regionen des Triebes relativ klein; zudem reagieren die Blätter stark auf äußere Einflüsse wie Fungizidbehandlung, Wasser- oder Düngergaben (vgl. Dr. H., Protokoll vom 21.05.2015, S. 7 unten). Vor diesem Hintergrund sind bei diesen Merkmalen selbst Änderungen, die mehr als zwei Notenstufen ausmachen, noch als „normal“ anzusehen, so dass die vorliegend zu Tage getretenen Unterschiede nicht aus dem Schutzumfang der Klagesorte führen (vgl. Dr. H., Protokoll vom 21.05.2015, S. 8 oben).
(3)
Auch bezüglich der Merkmale 8 und 9 hat die Sachverständige eine schlüssige Begründung dafür geliefert, weshalb trotz der unterschiedlichen Noten tatsächlich nur geringe Variationen in den verschiedenen Jahren gegeben seien (vgl. Anlage 4 zum Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012). Hintergrund derartiger „Sprünge“ ist nach der überzeugenden Erläuterung der Sachverständigen, dass es aufgrund der vorgegebenen Merkmale und ihrer Ausprägungsstufen nicht möglich sei, nur geringe, umweltbedingte Änderungen in der Zahl der Zungenblüten ohne einen „Notensprung“ zu beschreiben (Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012, S. 5, 5. Abs. i.V.m. S. 3, 3. Abs.). Dieser Aspekt wird dadurch unterstrichen, dass die Ausprägungsstufen beider Merkmale aufgrund des vorgenannten Hintergrundes im ersten Entwurf für die neue UPOV-RL vom 20.07.2006 (TG/176/4) zu einem quantitativen Merkmal zusammengefasst wurden (vgl. auch Dr. H., Protokoll vom 21.05.2015, S. 8).
Hinsichtlich der Anmerkung der Beklagten im Schriftsatz vom 15.06.2015, S. 7 betreffend die Merkmalsausprägungen der Klagesorte in Anlage 3 zum Gutachten ist festzuhalten, dass ein Vergleich mit der Anlage 5 des Gutachtens ergibt, dass die Sachverständige ihrer Prüfung in Anlage 3 zutreffende Merkmalsausprägungen zugrunde gelegt hat.
(4)
Was die Merkmale 14 und 15 anbelangt, rechtfertigt sich die Annahme der Identität mit der Klagesorte damit, dass in allen betreffenden Zeiträumen die jeweilige Farbe als „orange“ eingestuft wurde. Dass im Jahre 2005 eine andere Farbkarte (nämlich HCC) verwendet wurde, steht – wie die Sachverständige nachvollziehbar begründet – der „Identität“ nicht entgegen, weil die HCC-Farbe nur geringfügig heller ist (Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012, S. 5, vorletzter Abs.).
(5)
Bezüglich Merkmal 16 fallen alle Farbkarten in den blauvioletten Bereich und sind einander sehr ähnlich. In Anbetracht des Umstandes, dass die Abweichungen geringer ausfallen als bei „A.“ begegnet die Annahme der Sachverständigen (Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012, S. 5 unten f.), dass Merkmal 16 erfüllt ist, keinen Bedenken.
(6)
Zwar wurde bezüglich Merkmal 17 die Farbe in den Jahren 2001 und 2005 mit „orange“ beschrieben, während in den Jahren 2006 und 2007 die Farbe als „braun-orange“ deklariert ist. Jedoch ist zu beachten, dass die betreffende Merkmalsausprä-gung nach bloßem Ermessen der Sachbearbeiterin des Bundessortenamtes vergeben wurde und nicht etwa in der Richtlinie festgelegt war. Da die abweichende Wortwahl zudem noch durch eine umwelt- und altersbedingte Veränderung der Farbe auf der Blütenunterseite bedingt sein kann, ist die Annahme der Identität durch die Sachverständige (Gutachten Dr. H., S. 6, 2. Abs.) schlüssig und stringent.
(7)
Die unter Hinweis auf andere Beispiele erfolgten Einwendungen der Beklagten gegen das Sachverständigengutachten vom 26.03.2012 sind unerheblich: Zum einen betreffen die angeführten Beispiele ersichtlich nicht das vorliegende Verfahren. Zum anderen sind sie auch nicht geeignet, allgemeine Rückschlüsse zu tragen, die die Methodik der gerichtlichen Sachverständigen in Zweifel ziehen könnten: Was die Sorte „O.“ anbelangt, hat die Sachverständige auf S. 7 oben des Ergänzungsgutachtens zutreffend auf deutliche Unterscheide zwischen dieser Sorte und “B.“ hingewiesen. Soweit die Beklagte besonderes Augenmerk darauf gelegt wissen möchte, dass der Sorte „O.“ nach nur einem Prüfjahr Schutz erteilt wurde, obwohl sie sich bloß in der Ausprägung zweier gemessener Merkmale nur um eine Note von der Vergleichssorte „P.“ unterschieden habe, hat die Sachverständige dies überzeugend damit erläutert, dass dies (auch) seinen Grund in den seinerzeit geltenden Grundsätzen des Bundessortenamtes hatte (Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 7, 4. Abs.). Ohne Erfolg versucht die Beklagte, Widersprüche in der Argumentation der Sachverständigen aufzuzeigen (und zwar im Vergleich der Ausführungen in der mündlichen Anhörung am 24.05.2005 und Ausführungen im Gutachten vom 26.03.2012). Denn die betreffenden Ausführungen sind durchaus kompatibel, weil es in der Aussage im schriftlichen Gutachten im Gegensatz zu den betreffenden mündlichen Ausführungen nicht um ein gemessenes Merkmal ging (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 7 unten f.; vgl. ferner Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 10, 3. Abs.).
(8)
Zwar führt die Beklagte grundsätzlich richtig aus, dass die jährlich vom Prüfamt vorgenommene Anpassung der Grenzwerte der Messmerkmale verhindere, dass die Ausprägung der Merkmale beständiger Sorten in verschiedenen Prüfjahren in ver-schiedene Ausprägungsstufen falle. Jedoch kann durch die Zuordnung bestimmter Messwerte, die zu quantitativen Merkmalen gewonnen werden, zu Ausprägungsstufen nur eine gewisse Stabilisierung gewährleisten, ohne aber wirklich sicherzustellen, dass trotz der Wechselwirkungen zwischen Genotyp und Umwelteinflüssen identische Beschreibungen über die Jahre erhalten werden. Letzteres hat die Sachverständige mehrfach überzeugend und widerspruchsfrei erläutert (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 8, 4. Abs.; Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012, S. 4, vorletzter Abs.; S. 6 und S. 21 des Protokolls zur mündlichen Anhörung am 24.05.2005).
(9)
Die Kritik der Beklagten, wonach die Aussagen der Sachverständigten überraschten, weil die Gutachterin die Ergebnisse des „Blindtests“ 2006 vollständig unerwähnt lasse, ist ebenfalls unberechtigt (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 9, 2. Abs.): Zum einen sind – wie die Sachverständige zu Recht annimmt – die im UPOV-Bericht über die Technische Prüfung gemäß Anlage K 7a gemachten Erläuterungen der zuständigen Prüferin in sich verständlich und bedurften daher keiner weiteren Erwähnung im Gutachten. Zum anderen liegt kein „offizieller Blindtest“ im engeren Sinne zugrunde, sondern es handelte sich insoweit nur um die Kultivierung von lediglich jeweils drei Pflanzen der Sorten „B.“ und „A.“ im Gewächshaus (vgl. auch die Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. im Schreiben vom 13.03.2015, S. 2 unten).
(10)
Die Beklagte moniert ferner zu Unrecht, dass die Sachverständige die vergleichs-gegenständlichen Pflanzen kein einziges Mal persönlich in Augenschein genommen habe, und diese gleichwohl meine, behaupten zu können, die Messwerte reichten für eine deutliche Unterscheidbarkeit nicht aus. Zutreffend ist die Sachverständige davon ausgegangen (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 9, 4. Abs.), dass Gegenstand ihrer Beauftragung „lediglich“ war, eine Begutachtung im Wege der Beurteilung der Ausprägungen so, wie sie im Report vom 16.08.2007 (Anlage K7a) wiedergegeben sind, vorzunehmen.
(11)
Hinsichtlich Ziffer D. IV. im Schriftsatz der Beklagten vom 25.06.2012 weist die Sachverständige (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 10) zu Recht darauf hin, dass die Beklagte insoweit die Prüfung der Identität einer Sorte mit derjenigen auf Unterscheidbarkeit innerhalb eines Sortenschutzverfahrens unzulässig vermengt.
(12)
Der Einwand der Beklagten, wonach die Sachverständige verfehlt zu vermitteln versuche, dass das Bundessortenamt B. aus früheren Anbauprüfungen gekannt habe, da zwischen 2001 und 2006 unstreitig keine ordnungsgemäße Prüfung der Sorte stattfinden konnte, verfängt ebenfalls nicht. Zwar bestätigt die Sachverständige im Ergänzungsgutachten diesbezügliche Probleme (vgl. im Einzelnen Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 10, vorletzter Abs.), jedoch ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allein von Bedeutung, dass die Klagesorte entsprechend dem (inzwischen sogar rechtskräftigen) Erteilungsakt fortbesteht und daher insbesondere beständig ist, was der Senat aufgrund der Tatbestandswirkung des Erteilungsaktes (vgl. Art. 105 GemSortV) seiner Entscheidung im Verletzungsrechtsstreit zwingend zugrunde zu legen hat.
(13)
Schließlich ist festzuhalten, dass die Beklagte zu Unrecht moniert, dass die dem Gutachten beigefügten Abbildungen zum Beweis der gutachterlichen Feststellungen gänzlich ungeeignet seien (vgl. Ergänzungsgutachten Dr. H., S. 11): Die betreffenden Abbildungen sollen die Erläuterungen der Sachverständigen zum Merkmal 8 („Blütenstand: Anzahl vollständiger Zungenblütenkreise“) veranschaulichen. Wie bereits im Gutachten der Sachverständigen Dr. H. vom 26.03.2012 erklärt, hat die zum Teil unterschiedliche Farbe der Abbildungen ihren Grund darin, dass die Farben aufgrund der sich über die Jahre verändernden Aufnahmetechnik unterschiedlich wiedergegeben werden.
b)
Die Beweisaufnahme hat zudem zur vollen Überzeugung des Senats ergeben, dass aufgrund der aus dem Report des Bundessortenamtes vom … ersichtlichen (unterschiedlichen) Ausprägungen der Merkmale von „A.“ im Vergleich zu den Ausprägungen der dort mit „B.“ (= „Vergleichspflanzen) gekennzeichneten Sorte keine deutliche Unterscheidbarkeit (Art. 13 Abs. 5 lit. b i.V.m. Art. 7 GemSortVO) besteht.
Aufgrund der sachverständig erläuterten Ergebnisse des vom Bundessortenamt durchgeführten Vergleichsanbaus der Klagesorte und des angegriffenen Pflanzen-materials ist vielmehr davon auszugehen, dass letzteres von allen Merkmalen der die geschützte Sorte betreffenden Sortenbeschreibung (Anlage K 10) Gebrauch macht, wobei diese Merkmale nach den oben erläuterten Grundsätzen im Lichte der UPOV-Richtlinie TG/176/3 unter Berücksichtigung eines Toleranzbereichs zu bewerten sind.
aa)
Die Anlage zum „Report des Bundessortenamtes vom …“ (= Anlage 5 zum Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012) weist die Merkmalsausprägungen der Sorten „A.“ und „B.“ aus den Prüfjahren 2006 und 2007 aus, wobei ferner das Ausmaß der Unterschiede und der notwendige Mindestabstand angegeben ist. Zu beachten ist insoweit, dass die tatsächlich ermittelten Messwerte zu den einzelnen Merkmalen angegeben sind, also keine „Ausprägungsstufen“. Derartige Messwerte werden gemäß Ziffer 2.3 der Grundsätze des Bundessortenamtes für die Prüfung auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit von Pflanzensorten, Blatt für Sortenwesen (Heft 10, S. 330 – 332, Oktober 2004) lediglich im Interesse der Beschreibung bestimmten Ausprägungsstufen zugeordnet. Weil es letztlich entscheidend auf die Werte ankommt, um den Unterscheidungstest durchzuführen, macht es Sinn, im Rahmen der Gegenüberstellung der erhobenen Daten auch diese Messwerte zu vergleichen (vgl. Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012, S. 6, letzter Abs.).
„Unterscheidbarkeit“ zweier Pflanzensorten erfordert nach der Ziffer 3.1 der Grund-sätze die Stabilität und Deutlichkeit eines an in der Regel einem Prüfort festgestellten Unterschiedes. „Deutlich“ ist ein Unterscheid dann, wenn er nach der von der UPOV als geeignet empfohlenen Methode gesichert ist (vgl. Ziffer 3.3.3 der Grundsätze). „Stabilität“ meint insoweit, dass der Unterschied bei zwei- bis dreijährig geprüften Arten in zwei von drei unabhängigen Wachstumsperioden deutlich ist und dabei mit demselben Vorzeichen erscheint, oder wenn bei Anwendung des kombinierten Un-terscheidungskriteriums über die Jahre (COYD) der Unterschied signifikant ist (vgl. Ziffer 3.3. der Grundsätze).
bb)
Anlass für eine nähere Betrachtung geben insoweit allein die Merkmale 3, 4 und 12, weil bezüglich der übrigen Merkmale entweder überhaupt kein Unterschied vorhanden ist oder unstreitig bloß ein solcher, der nicht den Mindestabstand erreicht (vgl. auch Gutachten Dr. H. vom 26.03.2012, S. 7, vorletzter Abs.). Mit Blick auf die anderen Merkmale hat auch die Beklagte keine spezifischen Einwendungen in Bezug auf den von der Sachverständigen verneinten Mindestabstand vorgebracht, sondern sich allein gegen die erneute Berücksichtigung von Modifikationen gewandt.
Auch bezüglich der Merkmale 3, 4 und 12 liegt kein deutlicher Unterscheid der angegriffenen Pflanzenform im Vergleich zur Klagesorte vor, der Anlass zur Annahme geben könnte, die angegriffene Pflanzenform liege selbst außerhalb des Toleranzbereichs der Klagesorte.
Die Sachverständige hat den jeweils ermittelten konkreten Messwerten auf Bitte des Gerichts in der mündlichen Verhandlung Notenstufen zugewiesen (vgl. Protokoll vom 21.05.2015, S. 9, 3. Abs.) Ausweislich dieser Angaben liegt bezüglich keinem der Merkmale 3, 4 und 12 in auch nur einem der betroffenen Jahre 2006 und 2007 ein Sprung von mehr als einer Note vor. Zwar hat der BGH (GRUR 2009, 750, 752 – K.) es bislang offen gelassen, ob einem nicht mehr als eine Notenstufe betragender Unterschied bei einem einzelnen Merkmal generell die Eignung fehlt, die Schwelle der deutlichen Unterscheidbarkeit nach Art. 13 Abs. 5 lit. b, Art 7 Abs. 1 GemSortVO zu überschreiten. Jedoch ist zumindest aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls eine deutliche Unterscheidbarkeit zu verneinen (Dr. H., Protokoll vom 21.05.2015, S. 9 unten bis S. 11), weil nach den eingängigen Erläuterungen der Sachverständigen im Rahmen der gegenüber einer Zuordnung zu Notenstufen vorzugswürdigen visuellen Prüfung der im selben Anbau gestandenen Pflanzen ein deutlicher Unterscheid nicht feststellbar ist.
Insbesondere fehlt es auch in Bezug auf das Merkmal 12 an einem erheblichen Unterschied. Wie die Sachverständige nachvollziehbar erklärt hat, muss ein Unterschied nach den Grundsätzen des Bundessortenamtes „gleichgerichtet“ sein. Daran fehlt es hier, weil in dem Anbaujahr 2007 die Zungenblütenlänge von „A.“ kürzer war als jene der Klagesorte, während die Zungenblüte im Vorjahr länger als jene der Klagesorte war, was auf einen starken Umwelteinfluss schließen lässt (Dr. H., Protokoll vom 21.05.2015, S. 10 unten).
cc)
Soweit die Beklagte sich gegen die Einstufung der betreffenden Schwankungen durch die Sachverständigen als „normal“ wendet und dies unter Bezugnahme auf Anlagen B 28 bis B 30 stützt, verfängt dies nicht, weil Klimadaten nicht die einzigen Umweltfaktoren sind, die zu Modifikationen führen können. Daher vermag der Umstand, dass die geprüfte Sorte „B.“ trotz in den Jahren 2006 und 2007 in Hannover herrschender, ganz unterschiedlicher Klimabedingungen identische Merkmalsausprägungen aufwies, die methodische Basis der sachverständigen Ausführungen nicht in Frage zu stellen.
c)
Der Vorwurf der Beklagten, die Sachverständige Dr. H. habe bewusst unwahre Aussagen getroffen, um dem Gericht zu vermitteln, allein Bedienstete des Bundessortenamts könnten die Entscheidung über die Identität von Sorten treffen, ist haltlos.
Der Senat hat im Rahmen der Bescheidung der Befangenheitsanträge im Einzelnen ausgeführt, dass aus der Perspektive einer vernünftig denkenden Partei keine Parteilichkeit der Sachverständigen Dr. H. zu verzeichnen ist. Der persönliche Eindruck, den der Senat im Rahmen der mündlichen Anhörung gewonnen hat, bestätigt diese Einschätzung. Trotz zum Teil massiver Vorwürfe in den Befangenheitsanträgen und Stellungnahmen zu deren schriftlichen Gutachten blieb die Sachverständige stets besonnen und fokussierte sich auf eine sachliche Beantwortung und Klärung der Beweisfragen.
3.
Aufgrund der Verletzung der Klagesorte durch die angegriffene Pflanzenform ergeben sich nachstehende Rechtsfolgen:
a)
Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger zur Unterlassung verpflichtet (Art. 94 Abs. 1 a) i.V.m. Art. 13 Abs. 2, Abs. 5b i.V.m. Art. 7 GemSortVO).
Hinsichtlich der Tenorierung war insoweit zu beachten, dass – wie in den zuletzt gestellten Anträgen des Klägers bereits berücksichtigt – eine Anpassung der Anträge an die konkrete Verletzungsform geboten war, wobei – soweit vorhanden – auch Schwankungsbreiten anzugeben sind (vgl. OLG Düsseldorf, I-2 U 94/05, Urteil v. 21.12.2006, Tz. 62 f. – zitiert nach iuris; Leitsätze abgedruckt in GRUR-RR 2007, 221 und GRUR-RR 2009, 328).
b)
Außerdem kann der Kläger von der Beklagten Schadensersatz verlangen, Art. 95 Abs. 2 GemSortVO. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Sortenschutzverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass sich – wie oben näher erläutert ist – die Verletzung hier unter mehrfacher Berücksichtigung der zu erwartenden Modifikationen ergibt. Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von dem Kläger noch nicht beziffert werden kann, weil er den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne sein Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
Zwar regelt Art 94 Abs. 2 GemSortV nur den Schadenersatzanspruch des Sortenschutzinhabers. Jedoch bleibt die effektive Durchsetzung dieses Anspruchs, welche das Gemeinschaftsrecht nicht regelt, dem nationalen Recht überlassen. Das nationale Recht muss zur Durchsetzung der Ansprüche aus einer Gemeinschaftssorte jedenfalls die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung stellen, die es zur Durchsetzung nationaler Sortenschutzrechte bereithält (BGH, GRUR 2006, 575, 578 – L.). Dazu gehört auch der Anspruch auf Mitteilung von Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, auf dessen Erfüllung der Kläger zur effektiven Durchsetzung seines Schadenersatzanspruchs angewiesen ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2006, I-2 U 94/05, Tz. 65 – zitiert nach iuris).
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Reichweite des Schutzumfangs eines Sortenschutzrechts einschließlich des sog. Toleranzbereichs ist bereits mit der BGH Entscheidung „K.“ (GRUR 2009, 750) hinreichend geklärt worden.
Streitwert: EUR 250.000,