Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss vom 20. Mai 2014, Az. 2 UH 1/14
Vorinstanz: 4b O 287/05
I. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Januar 2009, Az. 4b O 287/05, und aus dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Januar 2011, Az. I-2 U 18/09, wird bis zur Entscheidung über die durch die Restitutionsklägerinnen erhobene Restitutionsklage einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
II. Im Übrigen wird der Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen.
GRÜNDE:
I.
Nachdem der Bundesgerichtshof das den im Tenor genannten Urteilen zugrunde liegende europäische Patent EP 0 359 XXX mit Urteil vom 18. März 2014 für nichtig erklärt hat, liegen – unabhängig von der Ankündigung der Restitutionsbeklagten, bis zur Entscheidung über die Restitutionsklage nicht aus diesen Urteilen vollstrecken zu wollen – die Voraussetzungen für eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 707 Abs. 1, 578 ZPO vor, wobei vor diesem Hintergrund auch eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung gerechtfertigt erscheint (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage, § 585 Rz. 14).
II.
Für eine Einbeziehung der im Zwangsmittelverfahren ergangenen Beschlüsse in das Restitutionsverfahren sieht der Senat keine Grundlage, so dass insoweit auch keine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kam.
Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO handelt es sich bei der Restitutionsklage um die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens. Zwar kommt eine Wiederaufnahme im Wege einer Restitutionsklage in Ausnahmefällen auch bei Beschlüssen in Betracht, wenn andernfalls eine empfindliche Rechtschutzlücke entstünde. Dies gilt etwa für den Fall des Vorliegens urteilsvertretender Beschlüsse, bei denen die Zivilprozessordnung eine Verfahrensbeendigung durch Beschluss anstatt durch Urteil vorsieht (vgl. Braun in: Münchner Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Auflage, § 578 Rz. 22).
An einer derartigen, eine entsprechende Anwendung der Restitutionsklage rechtfertigenden drohenden Rechtschutzlücke fehlt es hier jedoch bereits deshalb, weil die Zivilprozessordnung den Restitutionsklägerinnen mit der Möglichkeit eines Antrages auf Aufhebung der im Zwangsmittelverfahren ergangenen Beschlüsse nach §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO ein Mittel zur Verfügung stellt, um ihre Rechtschutzziele (Aufhebung der im Zwangsmittelverfahren ergangenen Beschlüsse, Rückzahlung bereits gezahlter Zwangsgelder, Änderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten) zu erreichen.
Der Anwendbarkeit der §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO steht nicht entgegen, dass die im Zwangsmittelverfahren ergangenen Beschlüsse bereits rechtskräftig sind und der Vollstreckungsakt möglicherweise – was der Senat anhand der vorliegenden Unterlagen derzeit nicht abschließend zu beurteilen vermag – bereits mit der Zahlung des Zwangsgeldes an die Staatskasse beendet ist.
Auch wenn die in § 776 ZPO geregelte Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln „in den Fällen des § 775 Nr. 1, 3 ZPO“ nach dem Wortlaut der Vorschrift voraussetzt, dass die Zwangsvollstreckung noch gemäß § 775 ZPO eingestellt werden kann und damit noch nicht beendet ist, enthält die Vorschrift darüber hinaus den allgemeinen Grundsatz, dass noch aufhebbare Vollstreckungsmaßregeln im Vollstreckungsverfahren aufzuheben sind, wenn der zugrundeliegende Vollstreckungstitel weggefallen ist. Zwar wird eine Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen nach Beendigung der Zwangsvollstreckung in der Regel nicht mehr möglich sein, weil die entsprechende Vollstreckungsmaßnahme nicht mehr rückabgewickelt werden kann und danach nur noch materiell-rechtliche Ansprüche bzw. Ersatzansprüche nach § 717 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen. Daran ist etwa zu denken, wenn der Erlös bereits ausgekehrt oder das Eigentum mit dem Zuschlagsbeschluss dem Ersteigerer zugewiesen wurde (§ 90 ZVG). In diesen Fällen mag es dann gerechtfertigt sein, zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken eine entsprechende Anwendung der §§ 578, 581 ff. ZPO in Betracht zu ziehen (vgl. etwa OLG Oldenburg, NJW-RR 1991, 61; Musielak, ZPO, 11. Auflage,
§ 578 Rz. 13; a. A. etwa OLG Köln, BeckRS 1996, 31154316).
Die Besonderheit bei der Vollstreckung von Ordnungs- und Zwangsmitteln nach §§ 888, 890 ZPO liegt aber darin, dass das Ordnungs- bzw. Zwangsgeld der Staatskasse zufließt. Mit der Aufhebung eines rechtskräftigen und vollzogenen Zwangs- oder Ordnungsmittelbeschlusses wird also nicht in die schützenswerten Rechte des Gläubigeres oder eines Dritten eingegriffen, der etwa nach § 90 ZVG bzw. § 817 ZPO mit dem Zuschlag Eigentümer einer zu versteigernden Sache geworden ist. Vielmehr hat die Aufhebung zur Folge, dass die Staatskasse ein Zwangs- oder Ordnungsgeld, dass ihr materiell-rechtlich nicht zusteht, weil der zugrunde liegende Vollstreckungstitel aufgehoben wurde, zurückzuzahlen hat. Dies folgt bereits daraus, dass die Staatskasse grundsätzlich kein schützwürdiges Interesse daran hat, Gelder, die sie materiell-rechtlich nicht beanspruchen kann, zu behalten (vgl. OLG Köln, GRUR 1992, 476, 477 f. – Rückzahlung von Ordnungsgeld; Schmidt/Brinkmann in: Münchner Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 776, Rz. 6; Gruber in: Münchner Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 888 Rz. 3; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rz. 1952; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Auflage, § 888 Rz. 14). Im Übrigen handelt es sich bei dem Zwangsgeld zwar, anders als beim Ordnungsgeld, lediglich um ein Beugemittel (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Auflage, § 888 Rz. 7). Nachdem jedoch das den oben genannten Urteilen zugrunde liegende Patent vernichtet wurde, besteht gleichwohl weder für die Rechtsordnung noch für die Restitutionsklägerinnen ein Interesse am Fortbestand der Zwangswirkung des Beugemittels (so auch OLG Köln a. a. O.).
Da die im Zwangsvollstreckungsverfahren ergangenen Beschlüsse somit nach
§§ 776, 775 Nr. 1 ZPO aufgehoben werden können, besteht kein Grund, diese in entsprechender Anwendung der §§ 578, 581 ff. ZPO in das Restitutionsverfahren einzubeziehen. Dies gilt auch, soweit den Restitutionsklägerinnen die Kosten der Zwangsmittelverfahren auferlegt wurden, denn mit der Aufhebung des Zwangsmittelbeschlusses ist der infolgedessen unbeschiedene Vollstreckungsantrag der Restitutionsbeklagten mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen (Senat, Beschluss vom 31. März 2008, Az. I-2 W 29/07). Die im Restitutionsverfahren erfolgte Vollstreckungseinstellung erlaubt zudem eine Einstellungsanordnung auch in Bezug auf die Zwangsmittelbeschlüsse (§ 775 Nr. 1 a.E. ZPO).