2 U 27/13 – Proteintherapie

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2198

Oberlandesgericht Düsseldorf
Verzichtsurteil vom 15. Mai 2014, Az. 2 U 27/13

Vorinstanz: 4b O 270/09

I. Die Klägerin wird mit ihren Ansprüchen auf Rechnungslegung und Schadenersatz wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 359 XXX B2 durch den Vertrieb der Faktor-VIII-Präparate Octanate 250, Octanate 500 und Octanate 1000 in der Bundesrepublik Deutschland abgewiesen.

II. Das am 25. April 2013 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf ist gegenstandslos.

III. Die Kosten des Rechtstreits (beider Instanzen) werden der Klägerin auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.575.000,- EUR festgesetzt.

GRÜNDE:

I.

Die Klägerin ist unter der aus dem Urteilsrubrum ersichtlichen Firmenbezeichnung seit dem 2. Juni 2006 eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0 359 XXX B2 (nachfolgend: Klagepatent).

Das in französischer Sprache verfasste Klagepatent (Anlage LA 3, deutsche Übersetzung Anlage LA 3a) stand bis zum Ablauf seiner Schutzfrist am 8. Juni 2009 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Das Klagepatent wurde am 8. Februar 1989 durch das „Centre Régional de Transfusion Sanguine“ (nachfolgend: CRTS) unter Inanspruchnahme der Priorität einer französischen Schrift vom 7. Juni 1988 in französischer Sprache angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 27. September 1990.

Auf einen unter anderem von der B AG erhobenen Einspruch wurde das Klagepatent durch die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes mit 13 Patentansprüchen aufrecht erhalten. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes durch Entscheidung vom 16. Juli 2003 zurück. Auf eine von der B AG sodann erhobene
Nichtigkeitsklage hielt das Bundespatentgericht das Klagepatent mit Urteil vom 9. November 2006, dessen vollständiger Inhalt sich der Anlage LA 4 entnehmen lässt, in eingeschränkter Fassung aufrecht. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin und der Beklagten zu 1) erklärte der Bundesgerichtshof das Klagepatent durch Urteil vom 13. Juli 2010, hinsichtlich dessen Inhalts zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Anlage B 4 Bezug genommen wird, dadurch teilweise für nichtig, dass Patentanspruch 1 nach Maßgabe eines Hilfsantrages der Klägerin aufrecht erhalten wurde und der ursprüngliche Patentanspruch 13 (= Anspruch 12 in der geändert aufrecht erhaltenen Fassung) gemäß dem Urteil des Bundespatentgerichts entfiel. Eine weitere, durch die B GmbH, die C GmbH und Herrn D erhobene Nichtigkeitsklage wies das Bundespatentgericht mit Urteil vom 27. März 2012 (Anlage HLA 48) ab. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde das Klagepatent durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18. April 2014 für nichtig erklärt.

Die Klägerin, die die Beklagten wegen des Vertriebs der Faktor-VIII-Präparate Octanate 250, Octanate 500 und Octanate 1000 in der Bundesrepublik Deutschland während der Laufzeit des Klagepatents auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch genommen hat, hat erklärt, sie verzichte auf die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche. Die Beklagten haben daraufhin um den Erlass eines Verzichtsurteils gebeten.

II.

Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung verzichtet hat, war wie aus dem Tenor ersichtlich zu entscheiden.

Der Antrag auf Erlass eines Verzichtsurteils ist zulässig. Zudem liegen die Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen vor. Insbesondere haben die Beklagten ihre Berufung form- und fristgerecht eingelegt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).

IV.

Der Streitwert ist vom Gericht gemäß § 51 Abs. 1 GKG nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger mit seiner Klage objektiv verfolgt, wobei es für die erste Instanz auf die Verhältnisse bei Klageeinreichung und für die zweite Instanz auf die Verhältnisse bei Berufungseinlegung ankommt.

Da das Gericht die für die Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers erforderlichen Tatsachen regelmäßig nicht kennt, kommt der Streitwertangabe des Klägers für die Streitwertfestsetzung regelmäßig ein besonderes Gewicht zu, insbesondere dann, wenn sie im erstinstanzlichen Verfahren und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die spätere Kostentragungspflicht noch offen ist, abgegeben wird. Von den Angaben, die zu diesem Zeitpunkt gemacht werden, ist größere Objektivität zu erwarten als von einer späteren Einschätzung, die erfolgt, wenn die Kostentragungspflicht bereits feststeht (BGH, Beschluss v. 24. Mai 2008, Az.: X-ZR 125/06). Die übereinstimmenden und nicht ersichtlich zu niedrigen oder offensichtlich überhöhten Angaben bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens sind deshalb ein – widerlegbares – Indiz für die Richtigkeit des festzusetzenden Streitwertes (vgl. BGH, GRUR 2012, 1288 = MDR 2012, 1429; Senat, GRUR-RR 2010, 406 = InstGE 12, 107).

Wird ein Antrag auf Heraufsetzung des Streitwertes – wie hier – von einer Partei oder deren Prozessbevollmächtigten demgegenüber erst gestellt, nachdem das Obsiegen der Partei absehbar ist oder bereits feststeht, ist Zurückhaltung geboten. Zwar ist eine Heraufsetzung des Streitwertes auch für den Fall, dass sich im Nachhinein ergibt, dass beide Parteien mit einer zu niedrigen Streitwertangabe prozessiert haben, selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die Tatsachen hierfür von der einen Partei erst beigebracht werden, nachdem diese endgültig obsiegt hat (vgl. Senat, a. a. O.; Senat, GRUR-RR 2011, 341 = InstGE 13, 232 f.). Die Angaben der Beklagten in ihrem Gesuch, den Streitwert zu überprüfen, genügen jedoch den Anforderungen für eine nachträgliche, deutliche Erhöhung des Streitwertes nicht. Die Beklagten legen nicht dar, weshalb sie den durch die Klägerin mit 1.000.000,- EUR bezifferten Streitwert bis zur Vernichtung des Klagepatents nicht beanstandet haben. Zudem haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch den im Parallelverfahren festgesetzten Streitwert weder dort noch im hiesigen Verfahren bis zur Vernichtung des Klagepatents als zu niedrig kritisiert.

Umgekehrt erscheint jedoch auch der durch die Klägerin lediglich auf 1.000.000,- EUR bezifferte Streitwert vor dem Hintergrund der Streitwertfestsetzung im Parallelverfahren als zu niedrig. Für den Senat besteht daher keine Veranlassung, für die Bemessung des Streitwertes vorliegend einen anderen Ausgangspunkt als den im Parallelverfahren gegen die Gesellschaften (Az.: I-2 U 18/09) auf 5.250.000,- EUR festgesetzten Streitwert zu wählen und stattdessen – wie die Beklagten dies nunmehr begehren – den Streitwert erstmalig auf der Grundlage der Berechnung eines (möglichen) Verletzergewinns zu bestimmen.

Allerdings kann dieser Streitwert nicht ohne Weiteres auf das vorliegende Verfahren übertragen werden. Vielmehr hat der Senat zu berücksichtigen, dass im Fall der parallelen Inanspruchnahme einer juristischen Person und ihres gesetzlichen Vertreters hinsichtlich des auf den gesetzlichen Vertreter entfallenden Streitwertes regelmäßig ein Abschlag gerechtfertigt ist.

In Bezug auf die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen lässt sich dies damit begründen, dass mit dem Unterlassungsbegehren in erster Linie das Interesse verfolgt wird, das unzulässige Handeln der juristischen Person, sei es durch den gesetzlichen Vertreter, sei es durch andere Mitarbeiter, zu unterbinden (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss v. 3. April 2013, Az. 3 W 18/13 = MDR 2013, 1240). Die gesonderte Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegenüber dem gesetzlichen Vertreter dient demgegenüber in erster Linie dazu, Rechtsverletzungen des gesetzlichen Vertreters zu erfassen, die unabhängig von der juristischen Person erfolgen, was einen deutlichen Abschlag des Streitwertes, der auf den Unterlassungsanspruch gegen den gesetzlichen Vertreter erfolgt, rechtfertigt (BGH, GRUR-RR 2008, 460, 461 – Tätigkeitsgegenstand; Hansetisches Oberlandesgericht Hamburg, a. a. O.).

Diese Grundsätze sind auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Schadenersatz übertragbar, und zwar unabhängig davon, ob die gesetzlichen Vertreter gleichzeitig mit der jeweiligen juristischen Person oder in einem gesonderten Prozess in Anspruch genommen werden. Denn das Interesse des Klägers zielt unabhängig davon, ob die gesetzlichen Vertreter mit dem jeweiligen Unternehmen rechtlich als Gesamtschuldner haften, wirtschaftlich auch in diesem Fall darauf ab, den ihm entstandenen Schaden vorrangig durch das jeweilige Unternehmen ersetzt zu bekommen und lediglich zusätzlich – etwa für den Fall, dass das entsprechende Unternehmen zur vollständigen Zahlung des Schadenersatzes nicht in der Lage ist – auch dessen jeweilige gesetzliche Vertreter, die häufig auch gar nicht in der Lage sein werden, persönlich Schadenersatz in voller Höhe zu leisten, in Anspruch zu nehmen.

Vor diesem Hintergrund ist ein deutlicher Abschlag hinsichtlich des gegenüber dem im Parallelverfahren in Bezug auf die jeweiligen Gesellschaften festgesetzten Streitwertes gerechtfertigt, den der Senat hier mit 70 Prozent bemisst.