Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. Mai 2014, Az. 4a O 68/13
1. Die einstweilige Verfügung vom 14.08.2013 (Az. 4a O 68/13) wird hinsichtlich der Ziffern I., II. und III. des Tenors bestätigt.
2. Es wird klargestellt, dass die einstweilige Verfügung vom 14.08.2013 (Az. 4a O 68/13) hinsichtlich der Ziffer V. des Tenors gegenstandslos ist.
3. Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
4. Die weitere Vollstreckung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von EUR 300.000,00 leistet.
TATBESTAND
Die Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des in englischer Verfahrenssprache erteilten Europäischen Patents EP 1 331 XXX B1 (im Folgenden kurz: „Verfügungspatent“). Das Verfügungspatent nimmt die Priorität der US 56XXX P vom 24.01.2002 in Anspruch und wurde am 09.01.2003 angemeldet. Der Hinweis auf Erteilung des Verfügungspatents wurde am 03.08.2005 veröffentlicht. Eine deutsche Übersetzung des Verfügungspatents wurde als DE 603 01 XXX T2 am 01.06.2006 vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlicht. Das Verfügungspatent steht in Kraft.
Das Verfügungspatent trägt den Titel „Verfahren und System zur Roboterlokalisierung und Beschränkung des Arbeitsbereichs“. Der geltend gemachte Anspruch 15 des Verfügungspatents lautet in der deutschen Fassung wie folgt:
„Roboterarbeitsbereichbeschränkungssystem, umfassend:
a. eine tragbare Schrankensignalaussendevorrichtung (30), die mindestens einen primären Sender (32) umfasst,
dadurch gekennzeichnet, dass
der primäre Sender so wirkt, dass er einen parallel gerichteten Beschränkungsstrahl (42) primär entlang einer Achse aussendet, wobei die Achse des ausgesendeten Beschränkungsstrahls (42) eine gerichtete Schranke festlegt;
b. einen beweglichen Roboter (20);
c. wobei der bewegliche Roboter (20) umfasst:
eine Einrichtung, um in mindestens einer Richtung zu drehen;
einen Sensor (50), der so wirkt, dass er die gerichtete Schranke erfasst, die von dem ausgesendeten Beschränkungsstrahl (42) errichtet wurde;
und eine Steuereinheit, welche die Einrichtung zum Drehen steuert;
d. wobei die Steuereinheit einen Algorithmus ablaufen lässt, um die gerichtete Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl (42) errichtet wurde, bei Erfassung der gerichteten Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl (42) errichtet wurde, zu umgehen,
wobei der Algorithmus so wirkt, dass er die Richtung, in die sich der Roboter (20) zuletzt bewegte, umkehrt, bis die gerichtete Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl (42) errichtet wurde, nicht mehr erfasst wird.“
Im Folgenden wird zur Verdeutlichung Fig. 8b aus dem Verfügungspatent eingeblendet. Diese zeigt die Draufsicht eines Raumes. Hierin sendet die tragbare Schrankensignalaussendevorrichtung (30) einen Beschränkungsstrahl (42), der vom beweglichen Roboter (20) erfasst wird:
Die Verfügungsbeklagte erhob mit Schriftsatz vom 09.01.2014 vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent, über die das Bundespatentgericht noch nicht entschieden hat. Vor der genannten Nichtigkeitsklage war weder gegen die Erteilung des Verfügungspatents Einspruch eingelegt noch gegen das erteilte Patent Nichtigkeitsklage erhoben worden.
Die Verfügungsklägerin ist ein amerikanisches Unternehmen, das unter dem Namen „A B“ Staubsaugerroboter verkauft und in mehr als 60 Ländern vertreibt. Der Durchschnittsverkaufspreis für Modelle der Produktlinie „A B“ beträgt USD 195,00 gegenüber Vertriebspartnern. Der Durchschnittsverkaufspreis, den Endkonsumenten an Händler für diese Geräte zahlen, beträgt EUR 372,00.
Die Verfügungsbeklagte ist ein chinesisches Unternehmen, welches bis zum 31.10.2011 den Namen „C D E F G Co., Ltd.“ trug und diesen dann in den derzeitigen Namen („C D E F H Co., Ltd.“) änderte.
Die Verfügungsbeklagte lieferte auf die Bestellung eines in Frankfurt ansässigen Testkäufers an diesen zwei Staubsaugerroboter vom Typ XRXXX zum Preis von jeweils USD 120,00, zwei Staubsaugerroboter vom Typ M-HXXX zum Preis von jeweils USD 80,00 sowie einen Staubsaugerroboter vom Typ M-XXX zum Preis von jeweils USD 120,00. Diese Roboter waren von der Verfügungsbeklagten über das Internet angeboten worden. Die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin gelangten am 11.07.2013 in den Besitz der oben genannten, nach Deutschland gelieferten Roboter (im Folgenden kurz: „angegriffene Ausführungsformen“). Auf der Rechnung für die Roboter war der alte Name der Verfügungsbeklagten angegeben.
Die Verfügungsbeklagte kündigte ferner per E-Mail gegenüber dem Testkäufer an, die genannten Roboter auf der vom 06.09.2013 bis zum 11.09.2013 stattfindenden Messe „H“ in Berlin präsentieren zu wollen.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind automatische Reinigungsroboter, die in der Lage sind, sich um die eigene Achse zu drehen. Zu dem Lieferumfang der angegriffenen Ausführungsformen gehört jeweils ein als „I J“ bezeichnetes, tragbares Gerät. Dieses sendet einen Infrarotstrahl aus, wobei die Strahlungskeule ungefähr 15° bis 20° in jede Richtung beträgt.
Die Lichtquelle befindet sich in einem Gehäuse, wie auf dem folgenden Bild zu sehen ist:
Die Roboter der angegriffenen Ausführungsformen verfügen über einen Sensor, der den Strahl des „I Js“ erfassen kann. Erfasst der Roboter bei seiner Fahrt den Strahl des „I J“, fährt er ein Stück rückwärts, dreht sich um die eigene Achse – zumeist um ca. 90 oder 180° – und setzt seine Fahrt anschließend vorwärts fort (vgl. Videos in den Anlagen FR7a/b/c).
Die Verfügungsklägerin trägt vor, Roboter der Baureihen XRXXX, M-HXXX und M-XXX der Verfügungsbeklagten würden das Verfügungspatent wortsinngemäß verletzen.
Anspruch 15 des Verfügungspatents erfordere nicht das Vorhandensein eines Schlitzes (Blende) zur Herstellung des „parallel gerichteten Beschränkungsstrahls“. Der Verweis auf die Diode „Waitrony p/n IE-320“ in Abs. [0042] des Verfügungspatents (im Folgenden sind Zitate nach Abs. ohne Quellenangaben solche aus der Übersetzung des Verfügungspatents), von der ein Datenblatt als Anlage XXXX zur Nichtigkeitsklage eingereicht worden ist, zeige, dass ein Strahl mit einem Strahlwinkel von etwa +/- 17° als „parallel gerichteter Strahl“ von Anspruch 1 erfasst werde. Eine Blende werde im Verfügungspatent nicht erwähnt. In den Figuren 1, 8A bis 8C sei ebenfalls eine deutliche Strahlausbreitung erkennbar.
Ein solcher Strahl werde auch von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht. Der von der Verfügungsbeklagten angegebene Strahlwinkel von 15 – 20° liege im Bereich dessen, was vom Verfügungspatent als „parallel gerichtet“ erfasst wird.
Darüber hinaus sei ein anspruchsgemäßer Strahl auch unter Zugrundelegung der Auslegung der Verfügungsbeklagten verwirklicht, da in den angegriffenen Ausführungsformen die Leuchtdiode so nach innen versetzt angeordnet sei, dass die Gehäuseöffnung als Blende fungiere.
Das Verfügungspatent werde sich auf die Nichtigkeitsklage hin als rechtsbeständig erweisen.
Soweit dem geltend gemachten Anspruch 15 gegenüber der Anmeldung hinzugefügt wurde, dass der ausgesendete Strahl „parallel gerichtet“ sein müsse, liege hierin keine unzulässige Erweiterung. Es sei zulässig gewesen, aus einem Unteranspruch „parallel gerichtet“ Anspruch 15 hinzuzufügen, ohne gleichzeitig auch den ebenfalls in diesem Unteranspruch erwähnten zweiten Sender aufzunehmen. In der Anmeldung und in dem abhängigen Anspruch 8 sei der „parallel gerichtete“ Strahl offenbart, ohne dass ein zweiter, omni-direktionaler Strahl als erfindungswesentlich hierzu beschrieben sei.
Anspruch 15 des Verfügungspatents sei auch neu gegenüber der Entgegenhaltung XXX (US 5,165,XXX). Diese zeige keinen anspruchsgemäßen „parallel gerichteten Beschränkungsstrahl“.
Auch durch das B-Benutzerhandbuch (Entgegenhaltung XXXX) sei das Verfügungspatent nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Die Entgegenhaltung XXXX gehöre nicht zum Stand der Technik des Verfügungspatents, da diese – unstreitig – zwischen Prioritäts- und Anmeldedatum des Verfügungspatents veröffentlicht wurde. Es sei auf das Prioritätsdatum für die Beurteilung der Neuheit abzustellen, da die Priorität der US56XXX (XXXXX) wirksam in Anspruch genommen werde. Das Prioritätsdokument sei die erste Anmeldung der Lehre des Verfügungspatents. Die (ältere) vorläufige US-Patentanmeldung US 60263XXX (XXXXX) zeige nicht denselben Gegenstand wie das (jüngere) Prioritätsdokument US56XXX (XXXXX).
Das Verfügungspatent beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit und werde durch eine Kombination von WO 00/38029 (Entgegenhaltung XXXXX) mit der DE 43 18 XXX A1 (Entgegenhaltung XXXX) nicht nahegelegt.
Nachdem die Kammer mit Beschluss vom 03.08.2013 der Verfügungsklägerin Hinweise erteilt hat, hat die Verfügungsklägerin weiter vorgetragen und ihren Antrag leicht abgeändert.
Mit Beschluss vom 14.08.2013 hat die Kammer der Verfügungsbeklagten – unter ihrem derzeitigen und vormaligem Namen als Verfügungsbeklagte zu 1) und zu 2) – im Wege einer einstweiligen Verfügung – wegen der besonderen Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung –
I. untersagt, in der Bundesrepublik Deutschland Roboterarbeitsbereichs-beschränkungssysteme anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen, welche jeweils die folgenden Merkmale aufweisen:
eine tragbare Schrankensignalaussendevorrichtung, die mindestens einen primären Sender umfasst, wobei der primäre Sender so wirkt, dass er einen parallel gerichteten Beschränkungsstrahl primär entlang einer Achse aussendet, wobei die Achse des ausgesendeten Beschränkungsstrahls eine gerichtete Schranke festlegt, einen beweglichen Roboter, wobei der bewegliche Roboter umfasst:
– eine Einrichtung, um sich in mindestens einer Richtung zu drehen,
– einen Sensor, der so wirkt, dass er die gerichtete Schranke erfasst, die von dem ausgesendeten Beschränkungsstrahl errichtet wurde, und
– eine Steuereinheit, welche die Einrichtung zum Drehen steuert,
– wobei die Steuereinheit einen Algorithmus ablaufen lässt, um die gerichtete Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl errichtet wurde, bei Erfassung der gerichteten Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl errichtet wurde, zu umgehen,
– wobei der Algorithmus so wirkt, dass er die Richtung, in die sich der Roboter zuletzt bewegte, umkehrt, bis die gerichtete Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl errichtet wurde, nicht mehr erfasst wird.
II. Den Antragsgegnerinnen wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer I. genannten gerichtlichen Verbote als Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollstrecken an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, angedroht.
III. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, die unter Ziffer I. bezeichneten Produkte, die sich in der Bundesrepublik Deutschland im Besitz der Antragsgegnerinnen befinden, an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung herauszugeben,
insbesondere alle bei den Antragsgegnerinnen auf der H 2013 in Berlin vorhandenen Roboter der Typen XRXXX, M-HXXX und/oder M-XXX,
wie insbesondere nachfolgend wiedergegeben:
bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.
IV. Die Antragsgegnerinnen haben die Wegnahme der in Ziffern I. und III. bezeichneten Produkte auf der Messe H, die vom 06.09.2013 bis zum 11.09.2013 in Berlin stattfindet, durch den Gerichtsvollzieher zu dulden.
V. Wegen eines Betrages von 5.968,80 EUR wird der dingliche Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Antragsgegnerinnen angeordnet, wobei durch Hinterlegung von 5968,80 EUR die Vollziehung des Arrestes gehemmt wird, und die Antragsgegnerinnen zum Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrestes berechtigt sind.
Diese einstweilige Verfügung ist der Verfügungsbeklagten (nur unter ihrem aktuellen Namen) am 14.08.2013 auf der Messe „H“ in Berlin zugestellt worden.
Gegen die einstweilige Verfügung hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 28.01.2014 Widerspruch eingelegt.
Den zusätzlichen, ebenfalls im Schriftsatz vom 28.01.2014 gestellten Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat die Kammer mit Beschluss vom 03.02.2014 (Bl. 197 ff. GA) zurückgewiesen.
Hinsichtlich Ziffer IV. der einstweiligen Verfügung haben beide Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2014 übereinstimmend für erledigt erklärt. Den ursprünglichen Antrag zu Ziff. V. (Arrest) hat die Verfügungsklägerin nicht mehr weiter verfolgt.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 14.08.2013 hinsichtlich der Ziffern I., II. und III. aufrechtzuerhalten.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 14.08.2013, Az. 4a O 68/13 aufzuheben und den Antrag insgesamt zurückzuweisen
sowie der Verfügungsklägerin die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen.
Die Verfügungsbeklagte trägt vor, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Verfügungspatent nicht. Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei kein Sender vorhanden, der „einen parallel gerichteten Beschränkungsstrahl“ aussende. Hierbei sei zu beachten, dass – soweit unstreitig – der Anspruch in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache einen Sender lehrt, der „operative to emit a collimated confinement beam primarily along an axis” sein soll. “Collimated” / kollimiert verstehe der Fachmann als Vorgang, bei dem das Licht aus einer Lichtquelle durch einen Schlitz (Blende) und eine Linse tritt. Hierdurch entstehe ein nahezu vollständig parallel gerichteter Strahl. Alternativ ließe sich ein kollimierter Strahl allenfalls durch die Verwendung eines Laser-Gerätes erzielen.
Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei jedoch kein Schlitz vorhanden. Insbesondere stelle das Gehäuse der angegriffenen Ausführungsform keine Blende (bzw. Schlitz) dar. Bei einer – unstreitigen – Strahlungskeule der angegriffenen Ausführungsform in jede Richtung von ungefähr 15 bis 20° liege kein „parallel gerichteter Strahl“ im Sinne von Anspruch 15 vor.
Die Verfügungsbeklagte trägt weiter vor, das Verfügungspatent sei nicht rechtsbeständig und werde auf die anhängige Nichtigkeitsklage vom Bundespatentgericht vernichtet werden.
Anspruch 15 sei gegenüber der Anmeldung unzulässig erweitert, soweit „parallel gerichtet“ hinzugefügt wurde. In der Anmeldung sei in Anspruch 8 sowie in Abs. [0032] f. der Anmeldung ein parallel gerichteter Strahl nur im Zusammenhang mit einer Ausführungsform offenbart, bei der die Schranke von zwei Sendern geschaffen wird, wobei der erste Sender einen parallel gerichteten und der zweite Sender einen omni-direktionalen Strahl aussendet. Das Teilmerkmal eines „parallel gerichteten“ Strahls habe daher dem Anspruch nicht isoliert hinzugefügt werden dürfen.
Ferner fehle dem Verfügungspatent die Neuheit gegenüber der Entgegenhaltung XXX, dem US-Patent US 5,165,XXX. Im Erteilungsverfahren sei diese Schrift zwar schon berücksichtigt worden (soweit unstreitig), das Patentamt habe aber übersehen, dass die XXX Anspruch 15 neuheitsschädlich vorwegnehme.
Weiterhin werde das Verfügungspatent von der Entgegenhaltung XXXX, einem Benutzerhandbuch für B-Staubsaugerroboter, neuheitsschädlich vorweggenommen. Diese im Herbst 2002 veröffentliche Entgegenhaltung gehöre zum Stand der Technik des Verfügungspatents, da dieses das Prioritätsdatum 24.01.2002 der US 56XXX (XXXXX) nicht wirksam in Anspruch nehmen könne. Die am 24.01.2001 eingereichte, vorläufige US-Anmeldung 60253XXX (XXXXX) sei insofern als erste Anmeldung anzusehen, da bereits hier dieselbe Erfindung wie im Prioritätsdokument XXXXX gezeigt werde. Auf Art. 4C Abs. 4 PVÜ könne sich die Verfügungsklägerin nicht berufen, da – insoweit unstreitig – Rechte der älteren Anmeldung US 60253XXX (XXXXX) in dem US-Patent US 6,690,XXX (Anlage XXXXX) fortbeständen.
Dem Verfügungspatent fehle ferner die erfinderische Tätigkeit gegenüber einer Kombination der WO 00/38029 (XXXXX) mit der DE 43 18 XXX A1 (XXXX).
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die erlassene einstweilige Verfügung ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufrechtzuerhalten, da die Verfügungsklägerin insoweit einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund besitzt.
I.
Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen das Verfügungspatent wortsinngemäß.
1.
Das Verfügungspatent betrifft ein Verfahren und System zur Roboterlokalisierung und -arbeitsbereichsbeschränkung. In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Verfügungspatent, dass es bei Roboteranwendungen wie etwa Rasenpflege, Bodenreinigung etc., gewünscht sein könne, den Bereich eines Raumes zu beschränken, in dem der Roboter seine Arbeit ausführt (Abs. [0002]). Eine im Stand der Technik bekannte Möglichkeit, den Arbeitsbereich eines Roboters zu beschränken, sei die physikalische Begrenzung des Raumes – etwa durch Verschließen von Türen (Abs. [0003]). Dies führe aber zu Problemen bei offenen Durchgängen oder gehe ins Leere, wenn der Arbeitsbereich auf einen Teil eines Raumes beschränkt werden soll.
Ein anderer Lösungsansatz im Stand der Technik bestehe in der Verwendung von ausgefeilten Systemen zur Navigation und Orientierung des Roboters, bei denen der Roboter einen vorbestimmten Weg benutzt. Diese Systeme erforderten jedoch einen hohen technischen Aufwand; ferner sei ein Umprogrammieren des Systems nötig, falls andere Räume bearbeitet werden sollen (Abs. [0005]). Daneben seien teilweise gewisse Vorbereitungen oder Änderungen des Raumes notwendig, etwa die Ausstattung eines Raumes mit Orientierungshilfen (Abs. [0007] f.). Dies erfordere erhebliche Benutzereinstellungsarbeiten.
Ein weiterer Lösungsansatz im Stand der Technik bestehe in der Begrenzung des Arbeitsbereichs durch Kabel oder Metalldrähte. Solche Systeme seien zwar effizient, brächten jedoch Schwierigkeiten bei ihrer Installation mit sich, seien schwierig zu reparieren und stellten ggf. Stolperfallen dar oder seien unansehnlich (Abs. [0010]).
Das Verfügungspatent stellt sich daher in Abs. [0011] implizit die Aufgabe, ein abgewandeltes und verbessertes System zur Beschränkung eines Roboters auf einen bestimmten Raum oder Bereich ohne die Nachteile des Stands der Technik bereitzustellen. Als weitere Aufgaben nennt das Verfügungspatent die Bereitstellung eines vereinfachten und tragbaren Systems zur Beschränkung des Arbeitsbereichs (Abs. [0014]), welches nicht installiert werden muss (Abs. [0015]) und intuitiv eingestellt werden kann (Abs. [0016]). Dabei soll eine Schranke bereitgestellt werden, welche der Roboter – ungeachtet des Winkels, indem er sich dieser Schranke nährt – nicht überschreitet (Abs. [0017] f.).
2.
Diese Aufgabe löst das Verfügungspatent mit Hilfe des Inhalts von Anspruch 15, der sich in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt darstellen lässt:
1. Roboterarbeitsbereichbeschränkungssystem, umfassend:
1.1 eine tragbare Schrankensignalaussendevorrichtung (30), die mindestens einen primären Sender (32) umfasst,
1.2 wobei der primäre Sender so wirkt, dass er einen parallel gerichteten Beschränkungsstrahl (42) primär entlang einer Achse aussendet, wobei die Achse des ausgesendeten Beschränkungsstrahls (42) eine gerichtete Schranke festlegt;
2. einen beweglichen Roboter (20); wobei der bewegliche Roboter (20) umfasst:
2.1 eine Einrichtung, um in mindestens einer Richtung zu drehen;
2.2. einen Sensor (50), der so wirkt, dass er die gerichtete Schranke erfasst, die von dem ausgesendeten Beschränkungsstrahl (42) errichtet wurde; und
2.3 eine Steuereinheit, welche die Einrichtung zum Drehen steuert;
2.4 wobei die Steuereinheit einen Algorithmus ablaufen lässt, um die gerichtete Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl (42) errichtet wurde, bei Erfassung der gerichteten Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl (42) errichtet wurde, zu umgehen,
2.5 wobei der Algorithmus so wirkt, dass er die Richtung, in die sich der Roboter (20) zuletzt bewegte, umkehrt, bis die gerichtete Schranke, die vom ausgesendeten Beschränkungsstrahl (42) errichtet wurde, nicht mehr erfasst wird.
Der Schutzbereich eines Patents wird durch die Ansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind (vgl. § 14 S. 1 PatG bzw. Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ). Die Auslegung hat aus Sicht eines Durchschnittsfachmanns im Prioritäts- bzw. Anmeldezeitpunkt zu erfolgen (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 64). Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (BGH GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube; BGH GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Hierbei ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt.
a)
Die patentgemäße Aufgabe wird dadurch gelöst, dass ein System bereit gestellt wird, welches aus einem beweglichen Roboter und einer tragbaren Schrankensignalaussendevorrichtung besteht. Diese Aussendevorrichtung (Merkmalsgruppe 1) sendet einen Strahl aus, der als (Arbeitsbereichs-) Begrenzung / Schranke für den Roboter dient. Der Roboter (Merkmalsgruppe 2) ist so konstruiert, dass er den Strahl mittels eines Sensors erfasst und als Schranke nicht überschreitet, sondern bei Erfassung der Schranke umkehrt bis der Roboter diese nicht mehr erfasst. Soweit in Merkmal 2.4 vorgegeben wird, der Roboter solle die Schranke „umgehen“, ist damit nicht ein Umfahren der Schranke gemeint, sondern das Vermeiden des Überfahrens. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ verbindlichen englischen Anspruchsfassung, in der es heißt: „whereby the control unit runs an algorithm for avoiding said directed barrier”. „Avoiding“ lässt sich hier am besten mit „vermeiden“ übersetzen.
b)
Merkmal 1.1,
„eine tragbare Schrankensignalaussendevorrichtung (30), die mindestens einen primären Sender (32) umfasst“
verlangt die Tragbarkeit der Schrankensignalaussendevorrichtung. Tragbarkeit ist hierbei nicht als grundsätzliche Möglichkeit, getragen zu werden, zu verstehen. Vielmehr kommt in diesem Merkmalsteil auch eine Eignung, an verschiedenen Stellen eingesetzt zu werden, zum Ausdruck. So ergibt sich bereits aus der Aufgabenstellung in Abs. [0015], dass patentgemäß ein Beschränkungssystem bereit gestellt werden soll, welches nicht installiert werden muss. Ferner kritisiert das Verfügungspatent am Stand der Technik in Abs. [0010] ausdrücklich, dass die vorhandenen Systeme „schwierig zu installieren“ seien und „sich nicht von Raum zu Raum transportieren“ ließen.
c)
Merkmal 1.2 erfordert nach seinem Wortlaut
„einen parallel gerichteten Beschränkungsstrahl, der primär entlang einer Achse“
ausgesendet wird. Zur weiteren Beschaffenheit des Strahls macht der Anspruchswortlaut keine Angaben. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, dass der Strahl einen gewissen Streuungswinkel nicht überschreiten darf, da er als Schranke eingesetzt wird.
aa)
Zu der zulässigen Höchstbreite des Strahls macht das Patent auch in der Beschreibung keine ausdrücklichen Angaben, jedoch lässt sich aus einer bevorzugten Ausführungsform schließen, dass zumindest ein Strahlungswinkel von etwa 17° noch als „parallel gerichtet“ im Sinne des Patents angesehen wird. Nach Abs. [0042] kommt zur Erzeugung des Strahls bei einer bevorzugten Ausführungsform ein „modulierter, schmaler IR-Strahl“ zum Einsatz, der durch einen „Kollimations-IR-Sender wie ein Waitrony p/n IE-320H“ (Abs. [0042]) erzeugt werden könne. Dieser spezifische benannte Sender weist nach seinem Datenblatt (Anlage XXXX) einen „half power beam angle“ von +/- 17° auf.
Ferner entnimmt der Fachmann Abs. [0042], dass die Mindeststrahlbreite größer als der Drehradius des Sensors an einem Roboter sein sollte. Um dies auch nahe an der Aussendevorrichtung zu gewährleisten, bedarf es daher eines gewissen Mindest-Strahlungswinkels.
bb)
Bestätigt wird dies von den Figuren 1 sowie 8A – 8C des Verfügungspatents, die jeweils einen Strahlungswinkel von ca. 15° zeigen. Vgl. Abbildung 8A, bei der auf die vom Strahl erfasste Zone 42 abzustellen ist:
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten können diese Figuren auch zur Auslegung des Patentanspruches herangezogen werden. Anders als die Verfügungsbeklagte meint, besteht hier im Ergebnis kein für die Auslegung relevanter Widerspruch zwischen dem erteiltem Anspruch und den Figuren, der durch eine fehlende Anpassung der Figuren an die zwischen Anmeldung und Erteilung geänderte Anspruchsfassung entstanden ist.
Die Figuren 1 und 8A – 8C beschreiben in der Anmeldung eine Ausführungsform, bei der zwei Sender vorhanden sind, die verschiedene Strahlen aussenden (vgl. Unteranspruch 8). Allerdings lässt sich der Anmeldung eindeutig entnehmen, dass der Strahlbereich mit der Bezugsziffer 42 von einem ersten Sender gesendet wird, der einen „parallel gerichteten“ Strahl erzeugt (Abs. [0032] XXXXX). Der zweite Sender erzeugt dagegen die „diffuse region 44“ um den Roboter 30 herum (Abs. [0033] XXXXX). Von diesem Ausführungsbeispiel wurde nur der erste Sender, welcher den Strahlbereich 42 erzeugt, in den erteilten Anspruch 15 aufgenommen. Es ist daher nicht ersichtlich, warum der in den Figuren der Anmeldung und des erteilten Verfügungspatents einheitlich gezeigte Bereich 42 nicht zur Auslegung des Anspruchs 15 herangezogen werden sollte.
Es kann daher auch dahinstehen, ob ein Vergleich zwischen Anmeldung XXXXX und erteiltem Patent eine unzulässige Auslegungsmethode darstellt, da insofern auf die in Art. 69 EPÜ nicht genannte Anmeldung als Auslegungsmaterial zurückgegriffen werden muss (offengelassen von BGH, GRUR 2011, 701, 704 Rn. 25 – Okklusionsvorrichtung und BGH, GRUR 2010, 602 Rn. 33 – Gelenkanordnung).
cc)
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist weder ein Schlitz noch eine Blende am Sender erforderlich. Wie der ausgesendete Strahl geschaffen wird, überlässt das Verfügungspatent dem Belieben des Fachmanns. Im Wortlaut des Anspruchs findet sich kein Erfordernis, zur Schaffung des gerichteten Strahls einen Schlitz oder eine sonstige Blende zu verwenden. Auch in der Beschreibung findet sich kein Hinweis, dass nur eine Konstruktion mit Blende oder mittels eines Lasergeräts erfindungsgemäß ist.
Soweit die Verfügungsbeklagte darauf abstellt, dass in der englischen Verfahrenssprache des Anspruchs ein „collimated confinement beam“ beschrieben wird, lässt sich aus dem Ausdruck „collimated“ keine bestimmte Konstruktion des Senders entnehmen. Eine nähere Erklärung für diesen Begriff findet sich in der Patentschrift nicht. Aufgrund der weiteren Patentbeschreibung versteht der Fachmann „collimated“ / „gerichtet“ nicht als optischen Fachbegriff. Denn Abs. [0045] entnimmt der Fachmann, dass das Verfügungspatent nicht auf (optische) Strahlen beschränkt ist, die sich durch eine Blende richten lassen:
„Obwohl die bevorzugte Ausführungsform ein Infrarotsignal verwendet, kann das System und Verfahren der vorliegenden Erfindung auch andere Signale wie elektromagnetische Energie, einschließlich Funkwellen, Röntgenstrahlen, Mikrowellen, usw. zum Erreichen der Ziele einsetzen. Viele dieser Wellenarten haben signifikante Nachteile. Beispielsweise lassen sich Funkwellen nur schwieriger und aufwändiger richten, (…). Schallwellen könnten auch verwendet werden, es ist aber ähnlich schwierig, sie sauber zu richten (…)“,
Wenn aber Konstruktionen erfindungsgemäß sind, bei denen eine Blende zur parallelen Richtung des Strahls nicht sinnvollerweise zum Einsatz kommen kann, belegt dies, dass auch für optische Strahlen eine Blende vom Verfügungspatent nicht vorgeschrieben wird.
3.
a)
Die von der Verfügungsklägerin vorgetragene Verwirklichung der Merkmale 1., 1.1 sowie 2. – 2.5 des geltend gemachten Anspruchs 15 des Verfügungspatents wird von der Verfügungsbeklagten nicht bestritten, was auch nicht auf unzutreffenden patentrechtlichen Erwägungen beruht, so dass es hierzu keiner weiteren Ausführungen mehr bedarf.
b)
Auch Merkmal 1.2 ist erfüllt. Der von dem „I J“ der angegriffenen Ausführungsform ausgesendete Strahl stellt einen patentgemäßen „parallel gerichteten Beschränkungsstrahl“ dar. Bei einem Winkel von 15 – 20° handelt es sich noch um einen gerichteten Strahl, der auch in etwa mit dem von dem Verfügungspatent in Abs. [0042] beschriebenen Ausführungsbeispiel übereinstimmt. Ob bei den angegriffenen Ausführungsformen ein Schlitz oder eine Blende vorhanden ist, spielt für die Verwirklichung des Merkmals keine Rolle.
II
Für den Erlass der einstweiligen Verfügung besteht auch ein Verfügungsgrund. Ein Verfügungsgrund besteht, wenn der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert und die Verfügung zeitlich dringlich sowie notwendig ist, da der Antragstellerin ein Verweis auf ein Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (LG Düsseldorf, Beschluss vom 13.05.2011 – Az. 4b O 88/11, Rn. 4 bei Juris; Busse/Kaess, 7. Aufl. 2013, Vor § 143 Rn. 254). Dies ist hier der Fall.
1.
Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist ausreichend gesichert.
Grundsätzlich ist für den Erlass einer einstweiligen Verfügung der gesicherte Bestand des Verfügungsschutzrechts Voraussetzung. Allerdings können auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents grundsätzlich nur dann mit Erfolg eingewendet werden, wenn das Schutzrecht durch einen Einspruch oder eine Nichtigkeitsklage tatsächlich angegriffen ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 219 – Kleinleistungsschalter). Dies ist vorliegend der Fall, da die Verfügungsbeklagte am 09.01.2014 eine Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent eingereicht hat und das Verfahren noch vor dem Bundespatentgericht anhängig ist.
Bei dieser Sachlage muss für den Erlass bzw. die Bestätigung der einstweiligen Verfügung der Rechtsbestand des Verfügungsschutzrechtes so gesichert sein, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.04.2010, Az. I-2 U 126/09, Rn. 43 bei Juris – Harnkatheterset; OLG Düsseldorf InstGE 9, 140 – Olanzapin; OLG Karlsruhe, InstGE 11, 143 – VA-LVD-Fernseher). Zweifel an der grundsätzlich zu respektierenden Schutzfähigkeit des Verfügungspatentes können das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ausschließen (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin). Einen hinreichend gesicherten Rechtsbestand kann der insoweit darlegungsbelastete Verfügungskläger in erster Linie dann nachweisen, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin). Von diesem grundsätzlichen Erfordernis einer günstigen Rechtsbestandsentscheidung in einem kontradiktorischen Verfahren kann in bestimmten Konstellation abgesehen werden, wobei das OLG Düsseldorf verschiedene Fallgruppen genannt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.04.2010 – Az. I-2 U 126/09, Rn. 49 bei Juris – Harnkatheterset; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2013 – Az. I-2 U 94/12, 2 U 94/12, Rn. 18 ff. bei Juris).
Darüber hinaus besteht auch dann kein Grund, besondere Anforderungen an den Rechtsbestand des Verfügungspatents zu stellen, wenn die Verteidigungsmöglichkeiten des Verfügungsbeklagten weder durch die Einseitigkeit des Verfahrens noch durch einen knappen Zeitraum bis zu der mündlichen Verhandlung über den Erlass oder die Bestätigung einer einstweiligen Verfügung eingeschränkt sind. Eine solche Konstellation liegt insbesondere dann vor, wenn das Verfügungsverfahren praktisch wie ein Hauptsacheverfahren geführt wird, weil der Verfügungsbeklagte erst Monate nach Zustellung der Beschlussverfügung gegen diese Widerspruch eingelegt hat, so dass bis zum Verhandlungstermin über den Widerspruch geraume Zeit vergangen ist, innerhalb derer ausreichend Gelegenheit für Recherchen zum Rechtsbestand bestanden hat (Kammer, Urteil vom 18.03.2008, Az. 4a O 4/08 Rn. 53 bei Juris – Dosierinhalator; LG Düsseldorf, InstGE 5, 231, 233 – Druckbogenstabilisierer; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 1757).
In einem solchen Fall ist die Beschlussverfügung bereits dann zu bestätigen, wenn der entgegengehaltene Stand der Technik in einem Hauptsacheverfahren keinen Anlass zur Aussetzung des Verfahrens gegeben hätte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.07.2009 – Az. 2 U 87/08, Rn. 52 bei Juris; LG Düsseldorf, InstGE 5, 231, 233 – Druckbogenstabilisierer; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 1757; Haedicke/Timmann-Zigann, Hdb. des Patentrechts, 2012, § 11 Rn. 325).
Im Hauptsacheverfahren wäre Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 148 ZPO – neben der hier gegebenen Vorgreiflichkeit des Nichtigkeitsverfahrens –, dass die Nichtigkeitsklage überwiegende Erfolgsaussichten hat (BGH GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. August 2006 – Az. I-2 U 49/05, Rn. 65 bei Juris; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 1586; Haedicke/Timmann-Bukow, Hdb. des Patentrechts, 2012, § 9 Rn. 167).
Im vorliegenden Fall ist nach diesen Maßstäben von einem ausreichend gesicherten Rechtsbestand auszugehen, wenn die Verfügungsbeklagte keine überwiegende Vernichtungswahrscheinlichkeit aufzeigen kann. Sie hatte zur Vorbereitung des Nichtigkeitsangriffs ausreichend Zeit. Zwischen der Zustellung der einstweiligen Verfügung am 14.08.2013 und der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch am 08.04.2014 lagen insgesamt knapp acht Monate. Die Verfügungsbeklagte wartete nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung bis zum 29.01.2014 – also 5,5 Monate – bis zur Einreichung des Widerspruchs ab. Darüber hinaus hat die Verfügungsbeklagte Gelegenheit erhalten, vor der mündlichen Verhandlung ein weiteres Mal zum Rechtsbestand schriftsätzlich vorzutragen. Dagegen hat die Verfügungsklägerin nur den recht kurzen Zeitraum zwischen Widerspruch und mündlicher Verhandlung zur Verteidigung des Verfügungspatents, was ebenfalls für eine Anwendung des Maßstabes wie bei einer Aussetzung nach § 148 ZPO spricht.
Eine andere Bewertung ist nicht alleine deshalb angezeigt, weil es sich bei der Verfügungsbeklagten um ein chinesisches Unternehmen handelt. Die Notwendigkeit, Übersetzungen erstellen zu lassen und die ggf. damit verbundenen Erschwernisse oder Verzögerungen wären auch bei einem Hauptsacheverfahren aufgetreten.
Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Vernichtung des Verfügungspatents auf die anhängige Nichtigkeitsklage besteht auf Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands nicht, so dass der Rechtsbestand als ausreichend gesichert angesehen werden kann.
a)
Der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gemäß Art. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG (= §§ 22, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) liegt nicht vor.
Bei der Prüfung dieses behaupteten Nichtigkeitsgrund ist zu beachten, dass die Frage unzulässigen Erweiterung im Erteilungsverfahren geprüft wird. Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents liegen somit nur vor, wenn die Verfügungsbeklagte aufzeigen kann, dass eine Fehlentscheidung des Patentamts vorliegt. Dies ist nicht der Fall. Eine unzulässige Erweiterung des Verfügungspatents ist nicht hinreichend ersichtlich.
Ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, ist mittels eines Vergleichs des Gegenstandes des erteilten Schutzrechts mit dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu klären, wobei der Inhalt der Anmeldung der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen ist. Ergibt der Vergleich, dass der Patentanspruch auf einen Gegenstand gerichtet ist, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen lässt, ist eine unzulässige Erweiterung anzunehmen (vgl. BGH GRUR 2011, 1109 – Reifendichtmittel; GRUR 2010, 513 – Hubgliedertor II). Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört dabei nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig als zu der zum Patent angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (Busse/Keukenschrijver, 7. Aufl. 2013, § 21 Rn. 81).
Der Patentinhaber ist nicht gehalten, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufzunehmen, um eine zulässige Beschränkung herbeizuführen (BGH, GRUR 2006, 316, 319 m.w.N. – Koksofentür; GRUR 1990, 432, 433 – Spleißkammer). So führt es nicht zu einer unzulässigen Erweiterung, wenn ein Merkmal aus einem Unteranspruch der Anmeldung in den Hauptanspruch aufgenommen wird, sofern das aufgenommene Merkmal nicht funktional oder strukturell an die weiteren Merkmale gebunden ist (Schulte/Moufang, 9. Aufl. 2014, § 38 Rn. 30 Nr. 11).
Aber selbst ein Merkmal, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, führt dann nicht zu einer unzulässigen Erweiterung, wenn seine Einfügung zu einer Einschränkung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung führt und dabei das hinzugefügte Merkmal eine Anweisung zum technischen Handeln konkretisiert, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist (BGH GRUR 2011, 40 – Winkelmesseinrichtung). Zu einer unzulässigen Erweiterung führen dagegen in dieser Konstellation solche Änderungen, durch die der Gegenstand der Anmeldung über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinaus zu einem Aliud abgewandelt wird (BGH, GRUR 2013, 809 – Verschlüsselungsverfahren, m.w.N.).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegt keine unzulässige Erweiterung vor. Anspruch 15 in der erteilten Fassung unterscheidet sich von Anspruch 15 in der angemeldeten Fassung durch die Hinzufügung des Teilmerkmals „parallel gerichtet“ in Merkmal 1.2 in Bezug auf den ausgesendeten Strahl. Hierdurch wird der Anspruch auf eine bestimmte Art von Strahlen konkretisiert, also eingeschränkt.
Hierin läge nach dem obigen Maßstäben nur eine unzulässige Erweiterung, wenn dieses Merkmal isoliert nicht in der Anmeldung offenbart wäre und der Gegenstand des erteilten Anspruchs 15 zu einem Aliud gegenüber seiner angemeldeten Fassung würde. Beide Bedingungen sind nicht erfüllt.
aa)
Der hinzugefügte Merkmalsteil war in der Anmeldung in einem abhängigen Anspruch (Unteranspruch 8) vorhanden. Dieser war von Anspruch 1 abhängig, der sich aber von Anspruch 15 – sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Anmeldung – nur durch eine anders ausgestalteten Algorithmus als Reaktion auf das Erfassen der Schranke (Merkmal 2.5) unterscheidet.
Das Merkmal des „parallel gerichteten Strahls“ war auch in der Anmeldung nicht zwingend daran geknüpft, dass ein zweiter Sender vorhanden ist, der einen omni-direktionalen Strahl aussendet. Der „parallel gerichtete“ Strahl ist in einer Ausführungsform beschrieben, in der ein zweiter Sender vorhanden ist. Jedoch entnimmt der Fachmann Abs. [0032] der Anmeldung (XXXXX), dass der zweite Sender bzw. der von ihm ausgesendete omni-direktionale Strahl nur der Abdeckung des Nahbereiches um die Schrankensignalaussendevorrichtung dient. Dies soll verhindern, dass ein Roboter die Schranke in der Nähe der Aussendevorrichtung durchqueren kann (Vgl. Abs. [0032] Sp. 5 Z. 40 – 44 XXXXX). Dieses Risiko besteht, da der erste, parallel gerichtete Strahl in der Nähe der Aussendevorrichtung noch recht schmal sein kann (vgl. Fig. 8A).
Es handelt sich bei den beiden Sendern und ihren Strahlen in den Abs. [0032] f. XXXXX jedoch nicht um strukturell oder funktional zwingend verbundene Merkmale. Der Fachmann erkennt, dass ein parallel gerichteter Strahl auch ohne einen solchen zweiten Strahl als Schranke fungieren kann. Der zweite Sender verbessert nur die Wirkung eines schmalen, parallel gerichteten Strahls für den Bereich in der Nähe des Senders.
Dass der von der Schrankensignalaussendevorrichtung ausgesendete Strahl ein parallel gerichteter Strahl sein kann, entnimmt der Fachmann ferner Abs. [0034] der Anmeldung XXXXX. Hierin wird ausgedrückt, dass neben Infrarot auch andere Signale verwendet werden können und nennt einige Bespiele. Diese hätten aber Nachteile, wie aus Abs. [0034] XXXXX hervorgeht. Dem entnimmt der Fachmann, dass es vorzugswürdig ist, den gesendeten Strahl in gerichteter Form auszusenden.
bb)
Unabhängig von der „isolierten“ Offenbarung des hinzugefügten Teilmerkmales liegt eine unzulässige Erweiterung schon deshalb nicht vor, da durch seine Aufnahme der Gegenstand nicht zu einem Aliud wird. Der Fachmann entnimmt der Anmeldung, dass die Strahlen eine Schranke darstellen sollen. Dies wird durch die Worte „parallel gerichtet“ nur auf eine Art von Strahlen eingeschränkt. An der technischen Funktion des Merkmals 1.2 im Gesamtzusammenhang des Anspruchs 15 findet hierdurch keine entscheidende Änderung statt.
b)
Der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Neuheit nach Art. 54 EPÜ gegenüber der Entgegenhaltung XXX liegt jedenfalls nicht zur Überzeugung der Kammer vor.
Bei der Prüfung der behaupteten neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch die XXX ist zu beachten, dass es sich bei dieser Entgegenhaltung um einen im Erteilungsverfahren geprüften und in Abs. [0008] des Verfügungspatents erörterten Stand der Technik handelt. Der Verweis auf die XXX kann daher im Regelfall keine Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents auslösen (vgl. für die Frage der Aussetzung: Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 1588).
Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Zu ermitteln ist nicht, in welcher Form der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der Lehre entnimmt. Entscheidend ist, was der Fachmann einer Schrift unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (BGH, Urteil vom 23.05.2013 – Az. X ZR 32/12). Abwandlungen sind dann einbezogen, wenn sie „nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen“ (BGH, GRUR 2009, 382, Rn. 26 – Olanzapin), also „mitgelesen“ werden.
Die XXX nimmt die Lehre von Anspruch 15 des Verfügungspatents nicht neuheitsschädlich vorweg. Es fehlt an einer Offenbarung der Merkmale 1.1 und 1.2 in der Entgegenhaltung.
aa)
Merkmal 1.1 erfordert eine „tragbare Schrankensignalaussendevorrichtung“. Eine solche ist in der Entgegenhaltung nicht explizit offenbart und wird auch vom Fachmann nicht mitgelesen. Die XXX beschreibt, dass Infrarot-Sender als „checkpoints“ zur genauen Bestimmung der Position eines mobilen Roboters verwendet werden können (Sp. 5 Z. 48 – 56 XXX). Der Roboter soll aufgrund des empfangenen Lichts des Leuchtmittels seine Position mit Hilfe einer Umgebungskarte bestimmen können (Sp. 6 Z. 9 – 12 XXX). Die Bestimmbarkeit der Position mittels einer Karte setzt aber eine festgelegte Position der Sender voraus und lehrt daher von einer tragbaren Ausgestaltung der Sender weg.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ergibt sich eine Tragbarkeit einer Sendevorrichtung auch nicht aufgrund der üblichen Größe einer Infrarot-Diode. Die Größe einer Diode sagt nichts über die Tragbarkeit der (gesamten) Schrankensignalaussendevorrichtung aus.
bb)
Auch Merkmal 1.2 wird in der Entgegenhaltung nicht offenbart. Es fehlt insoweit an einem Sender, der einen „parallel gerichteten Beschränkungsstrahl“ aussendet. Eine explizite Beschreibung, dass die „infrared beacon“ einen gerichteten Strahl aussenden sollen, enthält die XXX nicht. Vielmehr wird in der Entgegenhaltung XXX beschrieben, am Roboter Infrarotsensoren jeweils in einem Gehäuse mit einem engen Schlitz oder mit einer Öffnung anzuordnen, wobei das Licht durch diesen Schlitz auf den Sensor trifft (Sp. 5 Z. 68 – Sp. 6 Z. 4 XXX). Eine solche Anordnung ist aber insbesondere dann sinnvoll, wenn die Diode ein ungerichtetes Signal aussendet.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist es auch nicht unerheblich, ob eine Parallelrichtung des Lichts am Empfänger oder am Sender erfolgt. Merkmal 1.2 des Verfügungspatents verlangt nach seinem Wortlaut unmissverständlich, dass der Sender der Schrankensignalaussendevorrichtung einen parallel gerichteten Beschränkungsstrahl aussendet – eine Parallelrichtung des Strahls am Roboter ist daher nicht patentgemäß.
c)
Es kann auch nicht mit der für die Verneinung des hinreichend gesicherten Rechtsbestand des Verfügungspatents notwendigen Gewissheit prognostiziert werden, dass die Lehre des Verfügungspatents von dem Benutzerhandbuch des B-Staubsaugerroboters (Entgegenhaltung XXXX) neuheitsschädlich vorweggenommen wird.
Es bestehen durchgreifende Zweifel, ob die im Herbst 2002, also zwischen Anmeldedatum (09.01.2003) und dem beanspruchten Prioritätsdatum (24.01.2002), veröffentlichte XXXX Stand der Technik des Verfügungspatents ist. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist für die Beurteilung des Standes der Technik auf das Prioritätsdatum abzustellen, da das Verfügungspatent die Priorität der US 56XXX (XXXXX) wirksam in Anspruch nehmen kann.
Bei der US 56XXX (XXXXX) handelt es sich um die erste Anmeldung der Erfindung des Verfügungspatents, so dass deren Priorität wirksam in Anspruch genommen werden konnte. Der Gegenstand des Prioritätsdokuments (XXXXX) war nicht bereits in der älteren „Provisional Application“ US 60/263,XXX (XXXXX) enthalten, welche bereits am 24.01.2001 eingereicht wurde.
Eine ältere Anmeldung (hier: XXXXX, US 60/263,XXX) ist gegenüber einer jüngeren Anmeldung (hier: XXXXX, US 56XXX) die tatsächliche erste Anmeldung und somit für das Laufen der Prioritätsfrist ausschlaggebend, wenn beide Dokumente denselben Gegenstand betreffen. Hierbei ist ein Neuheitstest anzuwenden (Schulte/Moufang, 9. Aufl. 2014, § 41 Rn. 18).
Die (zeitlich ältere) XXXXX betrifft nicht denselben Gegenstand wie die XXXXX (und des Verfügungspatents), da hier die Tragbarkeit der Schrankensignalaussendevorrichtung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart ist. Wie oben erläutert kommt es dabei nicht nur darauf an, dass die Aussendevorrichtung grundsätzlich getragen werden kann; vielmehr ist eine (leichte) Verstellbarkeit erforderlich.
Eine explizite Offenbarung, den Sender („IR emitter“) in der XXXXX tragbar auszugestalten, findet sich in dem Dokument nicht. Vielmehr heißt es auf S. 1 Abs. 1 XXXXX, das vorgeschlagene Verfahren erfordere u.a. einen „wall mounted IR emitter“. Soweit auf S. 5 in Fig. 5 XXXXX eine „Emitter assembly“ gezeigt wird, führt dies nicht zu einer Offenbarung einer tragbaren Vorrichtung. Denn alleine auf Grundlage der Größe lässt sich keine erfindungsgemäße Tragbarkeit herleiten, insbesondere vor dem Hintergrund der explizit erwähnten Befestigung an einer Wand.
d)
Der Lehre des Verfügungspatents fehlt auch nicht die erfinderische Tätigkeit. Die Lehre von Anspruch 15 wird nicht aus einer Kombination der Entgegenhaltungen WO 00/38029 (XXXXX) und DE 43 18 XXX A1 (XXXX) für den Fachmann nahe gelegt.
Eine Erfindung gilt nach Art. 56 EPÜ als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Es ist deshalb zu fragen, ob ein über durchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügender Fachmann, wie er auf dem technischen Gebiet der Erfindung in einschlägig tätigen Unternehmen am Prioritätstag typischerweise mit Entwicklungsaufgaben betraut wurde und dem unterstellt wird, dass ihm der gesamte am Prioritätstag öffentlich zugängliche Stand der Technik bei seiner Entwicklungsarbeit zur Verfügung stand, in der Lage gewesen wäre, den Gegenstand der Erfindung aufzufinden, ohne eine das durchschnittliche Wissen und Können einschließlich etwaiger Routineversuche übersteigende Leistung erbringen zu müssen (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97, 98). Welche Mühe es macht, den Stand der Technik aufzufinden oder heranzuziehen, ist unbeachtlich (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97, 98).
Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungsweg nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahe gelegt anzusehen, bedarf es daher – abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, GRUR 2009, 746, 748 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; GRUR 2012, 378, 379 – Installiereinrichtung II).
Nach diesen Grundsätzen beruht das Verfügungspatent auf erfinderischer Tätigkeit.
Unstreitig sind die Merkmale 1.2, 2.2, 2.4 und 2.5 des geltend gemachten Anspruchs 15 in der XXXXX nicht wörtlich offenbart. Es kann dahinstehen, ob der Fachmann Anlass dazu gehabt hätte, die XXXXX mit der Entgegenhaltung XXXX (DE 43 18 XXX A1) zu kombinieren. Denn auch eine solche Kombination würde nicht zum Gegenstand von Anspruch 15 führen. Es fehlt insofern zumindest an einer Offenbarung der Merkmale 1.2 und 2.2. Es ist in der Entgegenhaltung XXXX weder ein Sender beschrieben, der „einen parallel gerichteten Beschränkungsstrahl (42) primär entlang einer Achse aussendet, wobei die Achse des ausgesendeten Beschränkungsstrahls (42) eine gerichtete Schranke festlegt“, noch ein Sensor am Roboter, der diese „gerichtete Schranke erfasst“.
Die XXXX lehrt eine automatisch fahrbare Arbeitsmaschine, die mit Sensoren zur Orientierung ausgestattet ist. Ein solcher Sensor empfängt Abtastsignale von natürlichen oder künstlichen Geländemerkmalen, wobei auch ein fest stehender Emitter 8 als Strahlenquelle für den Sensor beschrieben wird (Sp. 2 Z. 54 XXXX). Dieser Emitter kann etwa dazu dienen, schlecht erkennbare Feldgrenzen zu kennzeichnen. Dass der fest stehende Emitter 8 aber einen Beschränkungsstrahl in der von Merkmal 1.2 beschriebenen Form aussendet, welcher nach Merkmal 2.2 von der Arbeitsmaschine als Schranke erfasst wird, ist aus der XXXX nicht ersichtlich. Ein gerichteter Strahl wird auch nicht vom Fachmann aufgrund der Fig. 1 XXXX mitgelesen. Dass zwischen den Emittern 8 und 8‘ ein Strahl als Schranke gesendet wird, lässt sich aus der Entgegenhaltung XXXX nicht ansatzweise entnehmen.
Schließlich dürfte auch Merkmal 1.1 nicht offenbart sein. Insofern fehlt es in der XXXX an dem Teilmerkmal der „Tragbarkeit“ einer Schrankensignalaussendevorrichtung. In der XXXX ist nur ein „fest stehender Emitter“ (Sp. 2 Z. 54 XXXX) als Strahlenquelle außerhalb der Arbeitsmaschine beschrieben.
2.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist hier auch nicht aufgrund längeren Zuwartens (vgl. hierzu: Busse/Kaess, 7. Aufl. 2013, Vor § 143 Rn. 259 m.w.N.) der Verfügungsklägerin ausgeschlossen. Deren Prozessbevollmächtigte haben am 11.07.2013 die angegriffenen Ausführungsformen erlangt, diese untersucht und unter dem 29.07.2013 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt.
Da die Patentverletzung hier gegeben ist und keine hinreichenden Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents bestehen, überwiegt im Rahmen einer Interessensabwägung das Vollziehungsinteresse der Verfügungsklägerin.
Hinzu kommt, dass auch die Marktsituation hier für den Erlass bzw. die Bestätigung der einstweiligen Verfügung spricht. Die Verfügungsklägerin vertreibt selbst patentgemäße Vorrichtungen. Ihr Marktanteil ist durch die Verfügungsbeklagte bedroht. Die Verfügungsbeklagte hat die angegriffenen Ausführungsformen im Vergleich zu den patentgemäßen Robotern der Verfügungsklägerin zu einem deutlich geringeren Preis angeboten, der deutlich unter dem Vertriebspartnerpreis der Verfügungsklägerin liegt (USD 80,00 bzw. USD 120,00 verglichen mit USD 195,00).
Dass Staubsaugerroboter dritter Hersteller ebenfalls zu einem Preis angeboten werden, der unter dem Preis der von der Verfügungsklägerin hergestellten, patentgemäßen Vorrichtungen liegt, ändert hieran nichts.
Schließlich beseitigt es den hiernach bestehenden Verfügungsgrund grundsätzlich nicht, wenn die Verfügungsklägerin aus dem hiesigen Verfügungspatent gegen einen anderen Anbieter von mobilen Robotern im Wege eines Hauptsacheverfahrens vorgeht. Dass die Verfügungsklägerin damit eine fehlende Dringlichkeit für das hiesige Verfahren zum Ausdruck gebracht hat, ist ohne weitere Umstände nicht festzustellen. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.
III.
Die Verletzung und der Rechtsbestand des Verfügungspatents sind glaubhaft gemacht, wobei zu beachten ist, dass auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Unstreitiges nicht glaubhaft gemacht werden muss (so Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, 1737).
IV.
1.
Der zugesprochene Unterlassungsanspruch (Ziff. I. der einstweiligen Verfügung vom 14.08.2013) gegen die Verfügungsbeklagte ergibt sich aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG. Da die Verfügungsbeklagte bereits angegriffene Ausführungsformen ins Inland geliefert hat, besteht Wiederholungsgefahr.
2.
Ziff. II. der einstweiligen Verfügung war ebenfalls aufrecht zu erhalten, da sich die Androhung der Ordnungsmittel aus § 890 Abs. 2 ZPO ergibt.
3.
Ziff. III. der einstweiligen Verfügung ist gleichfalls aufrechtzuerhalten. Zur einstweiligen Sicherung des Anspruches auf Vernichtung der patentverletzenden angegriffenen Ausführungsformen aus § 140a Abs. 1 PatG hat die Verfügungsklägerin den hier titulierten Anspruch auf Herausgabe der angegriffenen Ausführungsformen an einen Gerichtsvollzieher zur Verwahrung (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 1730 f.).
4.
Es war klarzustellen, dass Ziff. V. (Arrest) der einstweiligen Verfügung vom 14.08.2013 gegenstandslos ist. Die Verfügungsklägerin hat den entsprechenden Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiter verfolgt.
5.
Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Verfügungsbeklagte als unterlegene Partei. Das Unterlegen der Verfügungsklägerin hinsichtlich des nicht mehr verfolgten Antrags zu Ziff. V. (Arrest) war nur gering. Ansonsten hat die Verfügungsklägerin obsiegt.
a)
Die Verfügungsbeklagte trägt nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO auch die Kosten hinsichtlich des von den Parteien in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärten Antrag zu Ziff. IV. Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ist über die Kosten insoweit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hiernach trifft die Verfügungsbeklagte die Kostenlast, da die Verfügungsklägerin einen Anspruch auf Duldung der Wegnahme auf der H 2013 hatte, der zwischenzeitlich erfüllt wurde.
b)
Hinsichtlich der Kosten des Erlassverfahrens war keine erneute Entscheidung zu treffen. Da die einstweilige Verfügung weitgehend aufrechterhalten wurde, bleibt es auch insoweit bei der Kostentragungspflicht der Verfügungsbeklagten. Soweit in der einstweiligen Verfügung die Kosten dem Wortlaut nach jeweils zur Hälfte der Verfügungsbeklagten zu 1) und zu 2) auferlegt worden sind, ist dies als einheitliche Kostenauferlegung zu Lasten der Verfügungsbeklagten zu verstehen. Denn bei der vermeintlichen Verfügungsbeklagten zu 2) handelt es sich ebenfalls um die Verfügungsbeklagte, nur unter ihrem ehemaligen Namen.
6.
Die (weitere) Vollziehung der einstweiligen Verfügung war von der Leistung einer Sicherheit seitens der Verfügungsklägerin abhängig zu machen, da ein Hauptsacheurteil nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden würde und die Verfügungsklägerin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren demgegenüber nicht besser gestellt werden sollte (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 1759). Bei der Höhe der Sicherheitsleistung war der von der Kammer festgesetzte Streitwert maßgeblich.
7.
Soweit in der ursprünglich erlassenen einstweiligen Verfügung auch eine Antragsgegnerin zu 2) bzw. im weiteren Verfahren eine Verfügungsbeklagte zu 2) genannt wurde, wird klargestellt, dass hiermit ebenfalls die Verfügungsbeklagte gemeint ist. Bei den vermeintlich zwei Verfügungsbeklagten handelt es sich um nur eine juristische Person, die ihren Namen geändert hat. Der Sache nach gab es während des gesamten Verfahrens nur eine Antragsgegnerin bzw. Verfügungsbeklagte.
Diese offensichtliche Fehlbezeichnung ließ sich berichtigen, indem die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2014 klargestellt hat, dass sich die Anträge der Sache nach nur gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) – also gegen die Verfügungsbeklagte unter ihrer jetzigen Bezeichnung – richten.