Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Mai 2014, Az. 2 U 22/13
Vorinstanz: 4a O 147/11
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. April 2013 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 festgesetzt.
GRÜNDE:
I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 868 XXX (Klagepatent, Anlage K 1) sowie des deutschen Gebrauchsmusters 20 2006 020 9XX.Y (Klagegebrauchsmuster, Anlage K 2). Aus diesen Schutzrechten hat sie die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung Vernichtung der als patentverletzend angegriffenen Gegenstände sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung in Anspruch genommen.
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 26.01.2006 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 11.04.2005 eingereicht und am 26.12.2007 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 13.04.2011 im Patentblatt bekannt gemacht.
Das aus der dem Klagepatent zugrunde liegenden Anmeldung abgezweigte Klagegebrauchsmuster wurde ebenfalls am 26.01.2006 unter Inanspruchnahme der Priorität vom 11.04.2005 angemeldet. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte am 07.04.2011.
Die Klageschutzrechte betreffen ein Saugreinigungsgerät. Der Patentanspruch 1 des Klagepatents und der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lauten jeweils wie folgt:
„Saugreinigungsgerät mit einem Schmutzsammelbehälter (12), der einen Saugeinlass aufweist und über mindestens ein Filter (24) und zumindest eine Saugleitung mit mindestens einem Saugaggregat in Strömungsverbindung steht, und mit zumindest einem stromabwärts des mindestens einen Filters in die Saugleitung einmündenden Fremdlufteinlass (80), der mittels zumindest einem Schließventil (30) verschließbar ist, wobei das mindestens eine Schließventil (30) einen bewegbaren Ventilkörper aufweist, der in einer Schließstellung unter Ausbildung von einer oder mehreren Dichtungslinien (66, 67, 68) an mindestens einem Ventilsitz anliegt, wobei die mindestens eine Dichtungslinie eine Fläche begrenzt, die in der Schließstellung des Schließventils mit einem Differenzdruck beaufschlagt ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Quadrat der Gesamtlänge aller Dichtungslinien mindestens das 25- fache der Gesamtgröße aller von den Dichtungslinien begrenzten, mit Differenzdruck beaufschlagten Flächen beträgt.“
Wegen des Wortlauts der nur „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 2 bis 14, 19 bis 23 und 26 des Klagepatents und des Klagegebrauchsmusters wird auf die Klagepatent- sowie die Klagegebrauchsmusterschrift Bezug genommen.
Die nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen stammen aus der Klagepatentschrift und verdeutlichen die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, wobei Figur 1 eine schematische Schnittansicht eines erfindungsgemäßen Saugreinigungsgeräts zeigt. Figur 2 zeigt eine vergrößerte Schnittansicht dieses Saugreinigungsgeräts im Bereich eines Schließventils, Figur 3 zeigt eine ausschnittsweise Draufsicht einer Ventilhalterung des Schließventils, Figur 4 zeigt eine Schnittansicht längs der Linie 4-4 in Figur 3, Figur 5 zeigt eine Schnittansicht eines Ventilkörpers des Schließventils und Figur 6 zeigt eine schaubildlichen Darstellung des Ventilkörpers.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.04.2011 Einspruch gegen das Klagepatent eingelegt. Diesen hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts am 29.04.2014 zurückgewiesen. Die Beklagte hat am 04.03.2011 außerdem beim Deutschen Patent- und Markenamt ein Löschungsverfahren gegen das Klagegebrauchsmuster eingeleitet, in welchem eine Entscheidung bislang noch nicht ergangen ist.
Die Beklagte hat jedenfalls bis Anfang 2011 unter der Bezeichnung „B“ ein Saugreinigungsgerät hergestellt und vertrieben, welches sie in vier Varianten mit den Typenbezeichnungen CTL 26 E, CTM 26 E AC, CTL 36 E AC und CTM 36 E AC auf ihrer Internetseite beworben hat (angegriffene Ausführungsform). Die generelle Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aus den von der Klägerin als Anlagenkonvolut K 6 vorgelegten Fotografien, von denen nachstehend die – von der Klägerin mit Beschriftungen versehenen – Fotografien Nr. 1, 5, 6 und 7 wiedergegeben werden:
Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung der Klageschutzrechte. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht, dass die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents sowie des Klagegebrauchsmusters Gebrauch mache.
Die Beklagte, die um Klageabweisung und hilfsweise um Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einspruch gegen das Klagepatent sowie des Löschungsverfahrens gegen das Klagegebrauchsmuster gebeten hat, hat eine Verletzung der Klageschutzrechte in Abrede gestellt. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass die technische Lehre der Klageschutzrechte nicht neu sei, jedenfalls aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Durch Urteil vom 11.04.2013 hat das Landgericht dem Klagebegehren nach den zuletzt gestellten Anträgen entsprochen und wie folgt erkannt:
„I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
ein Saugreinigungsgerät mit einem Schmutzsammelbehälter, der einen Saugeinlass aufweist und über mindestens ein Filter und zumindest eine Saugleitung mit mindestens einem Saugaggregat in Strömungsverbindung steht, und mit zumindest einem stromabwärts des mindestens einen Filters in die Saugleitung einmündenden Fremdlufteinlass, der mittels zumindest einem Schließventil verschließbar ist, wobei das mindestens eine Schließventil einen bewegbaren Ventilkörper aufweist, der in einer Schließstellung unter Ausbildung von einer oder mehreren Dichtungslinien an mindestens einem Ventilsitz anliegt, wobei die mindestens eine Dichtungslinie eine Fläche begrenzt, die in der Schließstellung des Schließventils mit einem Differenzdruck beaufschlagt ist,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn das Quadrat der Gesamtlänge aller Dichtungslinien mindestens das 25-fache der Gesamtgröße aller von den Dichtungslinien begrenzten, mit Differenzdruck beaufschlagten Flächen beträgt;
2.
der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 13.04.2011 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und andere Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26.01.2008 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten,
-preisen und Typenbezeichnungen sowie die Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) die einzelnen Angebote aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten,
-preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgen, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns seit dem 13.05.2011,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;
4.
die vorstehend zu Ziffer I.1 bezeichneten, seit dem 13.04.2011 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;
5.
die (auch infolge des Rückrufs) in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.
II.
Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 26.01.2008 bis zum 12.05.2011 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 13.05.2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.“
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch mache. Sie verwirkliche sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1. Die angegriffene Ausführungsform verfüge entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere über ein „Schließventil“ im Sinne des Klagepatents; auch begrenzten bei ihr entsprechend den Vorgaben des Klagepatents die Dichtungslinien eine Fläche, die in der Schließstellung des Schließventils mit einem Differenzdruck beaufschlagt sei. Wegen der Verletzung des Klagepatents stünden der Klägerin die zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht zu. Eine Aussetzung des Rechtsstreits sei nicht veranlasst.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie sich (nur) gegen ihre Verurteilung zum Rückruf der vom Landgericht als patentverletzend eingestuften Saugreinigungsgeräte wendet. Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus:
Ein Rückrufanspruch scheidet schon mangels einer Patentverletzung aus. Eine solche liege nicht vor, weil die angegriffene Ausführungsform kein „Schließventil“ aufweise. Außerdem stellten bei ihrem Saugreinigungsgerät die Dichtungslinien keine Grenze für die Druckbeaufschlagung dar. Das Landgericht habe das Klagepatent hinsichtlich der in Rede stehenden Merkmale unrichtig ausgelegt. Jedenfalls bestehe ein Rückrufanspruch nicht für sämtliche Erzeugnisse, die sich seit dem 13.04.2011 im Besitz Dritter befänden. Der vom Landgericht zuerkannte Rückrufanspruch erfasse auch Erzeugnisse, die von ihr bereits vor Patenterteilung in den Verkehr gebracht worden seien; der Rückrufanspruch nach § 140a Abs. 3 PatG bestehe aber nur für Erzeugnisse, bei denen eine Benutzung entgegen den §§ 9 bis 13 PatG stattgefunden habe.
Darüber hinaus seien die Klageschutzrechte nicht rechtsbeständig, weshalb das Verfahren jedenfalls bis zur Entscheidung des Einspruchs- bzw. Löschungsverfahrens auszusetzen sei. Der Gegenstand des Klagepatents und des Klagegebrauchsmusters sei im Hinblick auf die zwischenzeitlich ermittelte US 4 329 XXZ nicht patent- bzw. schutzfähig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts hinsichtlich des Tenors zu I. 4. abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einspruch gegen das Klagepatent sowie das Löschungsverfahren gegen das Klagegebrauchsmuster auszusetzen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit dieses von der Beklagten mit der Berufung angefochten wird, und tritt dem Aussetzungsbegehrens der Beklagten entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten, die sich lediglich gegen die Verurteilung zum Rückruf der angegriffenen Saugreinigungsgeräte richtet, ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die angegriffene Ausführungsform als wortsinngemäße Übereinstimmung mit der in Patentanspruch 1 des Klagepatents unter Schutz gestellten technischen Lehre beurteilt. Da die Beklagte damit entgegen § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 PatG eine patentierte Erfindung benutzt hat, steht ihr auch ein Anspruch auf Rückruf der patentverletzenden Erzeugnisse nach § 140a Abs. 3 PatG zu. Der diesbezügliche Ausspruch des landgerichtlichen Urteils (Tenor zu I. 4.) ist dahin auszulegen, dass sich die Rückrufverpflichtung der Beklagten auf solche patentverletzenden Saugreinigungsgeräte bezieht, die die Beklagte ab dem 13.04.2011 in den Verkehr gebracht hat, die also ab dem 13.04.2011 in den Besitz Dritter gelangt sind. Eine Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Verletzungsrechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den von der Beklagten gegen das Klagepatent eingelegten Einspruch kommt nicht in Betracht.
A.
Das Klagepatent betrifft ein Saugreinigungsgerät.
Das Saugreinigungsgerät weist einen Schmutzsammelbehälter (12) auf, der über einen Saugeinlass (18) verfügt und über mindestens einen Filter (24) und zumindest eine Saugleitung (26) mit mindestens einem Saugaggregat (16) in Strömungsverbindung steht. Das Saugreinigungsgerät ist mit zumindest einem stromabwärts des mindestens einen Filters in die mindestens eine Saugleitung einmündenden Fremdlufteinlass (80) ausgestattet, der mittels zumindest eines Schließventils (30) verschließbar ist. Das mindestens eine Schließventil (30) weist einen bewegbaren Ventilkörper (34) auf, der in einer Schließstellung unter Ausbildung von einer oder mehreren Dichtungslinien (66, 67, 68) an mindestens einem Ventilsitz (32) anliegt, wobei die mindestens eine Dichtungslinie (66, 67, 68) eine Fläche begrenzt, die in der Schließstellung des Schließventils (30) mit einem Differenzdruck beaufschlagt ist (vgl. Anlage K 1 Abs. [0001]; die nachfolgenden Bezugnahmen beziehen sich jeweils auf die Klagepatentschrift).
Wie die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung ausführt, können derartige Saugreinigungsgeräte beispielsweise als Staubsauger oder auch als Kehrsauggerät ausgestaltet sein. Sie weisen einen Schmutzsammelbehälter auf, der von einem oder mehreren Saugaggregaten mit Unterdruck beaufschlagt werden kann, so dass sich eine Saugströmung ausbildet, unter deren Einfluss Schmutz in den Schmutzsammelbehälter eingesaugt werden kann. Der Schmutzsammelbehälter steht über mindestens einen Filter und zumindest eine sich daran anschließende Saugleitung mit dem Saugaggregat in Strömungsverbindung. Der Filter ermöglicht es, Feststoffe (z.B. Schmutzteilchen) aus der Saugströmung abzuscheiden. Im Laufe des Betriebes des Saugreinigungsgerätes sammeln sich immer mehr Feststoffe am Filter an, so dass der Filter einen zunehmenden Strömungswiderstand darstellt und deshalb abgereinigt werden muss. Hierzu kann der mindestens eine Filter entgegen der sich im Saugbetrieb ausbildenden Strömungsrichtung mit Fremdluft beaufschlagt werden, die stromabwärts des Filters über den Fremdlufteinlass in die Saugleitung einströmen kann. Als Fremdluft kann z.B. Umgebungsluft zum Einsatz kommen oder auch vom Saugreinigungsgerät unter Druck gesetzte oder in einem Vorratsbehälter unter Druck bevorratete Druckluft. Während des Saugbetriebes ist der Fremdlufteinlass von dem mindestens einen Schließventil dicht verschlossen, das zur Filterabreinigung geöffnet wird. Das mindestens eine Schließventil weist hierzu einen bewegbaren Ventilkörper auf, der sich während des Saugbetriebes dicht an zumindest einen zugeordneten Ventilsitz anlegt, wobei sich zwischen dem Ventilsitz und dem Ventilkörper zumindest eine Dichtungslinie ausbildet, entlang derer der Fremdlufteinlass dicht verschlossen wird. Die mindestens eine Dichtungslinie begrenzt eine Fläche, die in der Schließstellung des mindestens einen Schließventils mit einem Differenzdruck beaufschlagt wird (Abs. [0002]).
Derartige Saugreinigungsgeräte sind z.B. aus der DE 298 23 411 (Anlage D1 zur Anlage K 9) bekannt. In dieser Druckschrift wird vorgeschlagen, zur Filterabreinigung den Saugeinlass zu verschließen, so dass sich innerhalb des Schmutzsammelbehälters ein starker Unterdruck ausbildet. Anschließend soll dann ein Schließventil geöffnet und dadurch der Filter abgereinigt werden. Die Klagepatentschrift gibt an, dass dadurch zwar eine wirkungsvolle Abreinigung erzielt werden kann. Sie kritisiert jedoch als nachteilig, dass hierzu der Saugbetrieb vollständig unterbrochen werden muss (vgl. Abs. [0003]).
Um diesem Nachteil entgegenzuwirken, wird in der DE 199 49 095 (Anlage D2 zur Anlage K 9) vorgeschlagen, jeweils nur einen Teilbereich des Filters abzureinigen, so dass über einen anderen Teilbereich der Saugbetrieb aufrechterhalten werden kann. Hieran bemängelt die Klagepatentschrift als nachteilig, dass die Zuführung von Fremdluft jeweils nur an einen Teilbereich des Filters eine konstruktiv aufwendige Mechanik für das Schließventil erfordert (Abs. [0004]).
Vor diesem Hintergrund hat es sich das Klagepatent zur Aufgabe gemacht, ein Saugreinigungsgerät vorzusehen, bei welchem das mindestens eine Schließventil konstruktiv einfach ausgestaltet ist und bei dem zumindest der eine Filter innerhalb kurzer Zeit vollständig abgereinigt werden kann (Abs. [0005]).
Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 1 des Klagepatents ein Saugreinigungsgerät mit folgenden Merkmalen vor:
(1) Saugreinigungsgerät mit einem Schmutzsammelbehälter (12).
(2) Der Schmutzsammelbehälter (12)
(2.1) weist einen Saugeinlass (18) auf und
(2.2) steht über mindestens einen Filter (24) und
(2.3) zumindest eine Saugleitung (26) mit mindestens einem Saugaggregat (16) in Strömungsverbindung.
(3) Das Saugreinigungsgerät hat zumindest einen stromabwärts des mindestens einen Filters (24) in die Saugleitung (26) einmündenden Fremdlufteinlass (80).
(4) Der mindestens eine Fremdlufteinlass (80) ist mittels zumindest eines Schließventils (30) verschließbar.
(5) Das mindestens eine Schließventil (30) weist einen bewegbaren Ventilkörper (34) auf.
(6) Der Ventilkörper (34) liegt in einer Schließstellung unter Ausbildung von einer oder mehreren Dichtungslinien (66, 67, 68) an mindestens einem Ventilsitz (32) an.
(7) Die mindestens eine Dichtungslinie (66, 67, 68) begrenzt eine Fläche, die in der Schließstellung des Schließventils (30) mit einem Differenzdruck beaufschlagt ist.
(8) Das Quadrat der Gesamtlänge aller Dichtungslinien (66, 67, 68) beträgt mindestens das 25-fache der Gesamtgröße aller von den Dichtungslinien (66, 67, 68) begrenzten, mit Differenzdruck beaufschlagten Flächen.
Der Gegenstand der Erfindung wird in Absatz [0006] der Klagepatentbeschreibung wie folgt erläutert:
„In die Erfindung fließt der Gedanke mit ein, dass durch Bereitstellung von einer oder mehreren möglichst langen Dichtungslinien, die jedoch eine möglichst geringe Fläche begrenzen, beim Abheben des Ventilkörpers vom Ventilsitz innerhalb sehr kurzer Zeit eine sehr starke, schlagartig einsetzende Fremdluftströmung bereitgestellt werden kann, so dass auf der dem Schmutzsammelbehälter abgewandten Seite des mindestens einen Filters der Unterdruck schlagartig abfällt und das Filter in Gegenstromrichtung mit fremder Luft durchströmt wird. Der schlagartige Druckanstieg hat zur Folge, dass das Filter mechanisch erschüttert und abgereinigt wird, wobei die Reinigung innerhalb sehr kurzer Zeit erfolgen kann. Die Gesamtlänge aller Dichtungslinien ist deutlich größer gewählt als der Umfang einer Kreisfläche, deren Flächeninhalt dem Flächeninhalt der von den Dichtungslinien begrenzten Fläche entspricht. Das Verhältnis zwischen dem Quadrat der Gesamtlänge aller Dichtungslinien und der Größe der von den Dichtungslinien insgesamt begrenzten Fläche beträgt demgemäß mindestens 25 und ist damit mindestens doppelt so groß wie im Falle, dass nur eine Dichtungslinie vorliegt, die eine geschlossene Kreisfläche umgibt, deren Umfang von den Dichtungslinie definiert wird. Im Falle einer Kreisfläche ergibt sich für das Verhältnis aus dem Quadrat der Länge der Dichtungslinien und der Größe der Kreisfläche einen Wert ungefähr 12,5, nämlich dem vierfachen der Zahl (3, 14).“
In Absatz [0007] der Klagepatentbeschreibung heißt es ferner:
„Unter der von der mindestens einen Dichtungslinie begrenzten Fläche wird diejenige Fläche bezeichnet, die in der Schließstellung des Schließventils mit der sich über das Schließventil ausgebildeten Druckdifferenz beaufschlagt wird. Diese Fläche wird von der mindestens einen Dichtungslinie begrenzt, und erfindungsgemäß ist vorgesehen, dass bei Bereitstellung einer möglichst langen Dichtungslinie die mit dem druckbeaufschlagte Fläche möglichst gering gewählt wird. Da die vom Differenzdruck beaufschlagte Fläche die Kraft bestimmt, mit der das Schließventil in seiner Schließstellung beaufschlagt wird, kann durch Bereitstellung einer möglichst kleinen Fläche die mechanische Belastung des Schließventils reduziert werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass das Schließventil eine geringere Baugröße aufweisen kann, und dennoch kann über die mindestens eine, möglichst lang gewählte Dichtungslinie beim Öffnen des Schließventils eine starke Fremdluftströmung bereitgestellt werden zur Abreinigung des Filters.“
B.
Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die angegriffene Ausführungsform der unter Schutz gestellten technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß entspricht.
1.
Dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale (1) bis (3), (6) und (8) der vorstehend wiedergegebenen Merkmalsgliederung wortsinngemäß verwirklicht, steht zwischen den Parteien auch in der Berufungsinstanz außer Streit. Gleiches gilt für das Merkmal (5), soweit dieses kein „Schließventil“ voraussetzt.
2.
Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass die angegriffene Ausführungsform in wortsinngemäßer Verwirklichung des Merkmals (4) – sowie des Merkmals (5) – ein Schließventil im Sinne des Klagepatents aufweist und dass die angegriffene Ausführungsform auch den Vorgaben des Merkmals (7) entspricht, wonach die mindestens eine Dichtungslinie eine Fläche begrenzt, die in der Schließstellung des Schließventils mit einem Differenzdruck beaufschlagt ist, was es im Einzelnen begründet hat. Weshalb diese Beurteilung des Landgerichts falsch sein sollte, zeigt die Beklagte mit ihrer Berufung nicht ansatzweise auf. Der Senat vermag insoweit auch keine Rechtsfehler zu erkennen.
a)
Soweit die Beklagte in Bezug auf das Merkmal (4) in erster Instanz eingewandt hat, ein „Schließventil“ sei ein Ventil, das in Ruhestellung geöffnet sei und in der Arbeitsphase geschlossen werde, wohingegen ein „Öffnungsventil“ ein Ventil sei, das in der Ruhephase geschlossen sei und in der Arbeitsphase geöffnet werde, und sie hiervon ausgehend geltend gemacht hat, die angegriffene Ausführungsform sei nicht mit einem „Schließventil“ ausgestattet, weil deren Ventil im Ruhezustand geschlossen sei und in der Arbeitsphase von einem Elektromagneten nach oben gezogen werde, um das Ventil zum Zwecke der Frischluftzuführung für die Rückspülung (Abreinigung) zu öffnen, ist das Landgericht dem mit Recht nicht gefolgt. Das erfindungsgemäße Schließventil zeichnet sich anspruchsgemäß allein dadurch aus, dass es einen bewegbaren Ventilkörper aufweist, der in einer Schließstellung (unter Ausbildung von einer oder mehreren Dichtungslinien) an mindestens einem Ventilsitz anliegt. Mehr verlangt Patentanspruch 1 nicht. Er gibt insbesondere nicht vor, dass das Schließventil in einer Ruhestellung geöffnet ist und in einer Arbeitsstellung geschlossen ist. Hiervon ist weder im Patentanspruch noch in der Patentbeschreibung die Rede. In letzterer wird auch nicht etwa zwischen einem „Schließventil“ und einem „Öffnungsventil“ differenziert. Um ein „Schließventil“ handelt es sich bei dem patentgemäßen Ventil – wie sich bereits aus dem Anspruchswortlaut ergibt – allein deshalb, weil sein bewegbarer Ventilkörper in der „Schließstellung“ an dem Ventilsitz anliegt. In dieser (Schließ-)Stellung verschließt das Schließventil den in die Saugleitung einmündenden Fremdlufteinlass dichtend. Zur erfindungsgemäß angestrebten Filterabreinigung kann das Schließventil (kurz) geöffnet werden. Eben dies ist auch bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.
b)
Mit Recht hat das Landgericht auch das Merkmal (7) als wortsinngemäß verwirklicht angesehen. Soweit die Beklagte die Verwirklichung dieses Merkmals im ersten Rechtszug mit der Begründung in Abrede gestellt hat, bei der angegriffenen Ausführungsform begrenzten die Dichtungslinien nicht die Fläche, die in der Schließstellung des Schließventils mit dem Differenzdruck beaufschlagt sei, vielmehr liege der Differenzdruck über die gesamte Ventilfläche (also beidseitig der Dichtungslinien) an und nicht nur im Bereich der von den Dichtungslinien eingegrenzten Teilflächen, vermag letzteres nichts an der Verwirklichung des in Rede stehenden Merkmals zu ändern. Patentanspruch 1 verlangt nicht, dass die mindestens eine Dichtungslinie eine (einzige) Fläche begrenzt, die in der Schließstellung des Schließventils allein mit einem Differenzdruck beaufschlagt ist. Merkmal (7) schließt demgemäß nicht aus, dass in der Schließstellung des Schließventils an weiteren (nicht durch die mindestens eine Dichtungslinie begrenzten) Flächen ein Unterdruck anliegen kann, wie z.B. bei dem bevorzugten Ausführungsbeispiel des Klagepatents an dem in den Figuren 2, 4 und 5 dargestellten Randbereich der Ventilhalterung (32) außerhalb des Ventiltellers (34).
C.
Da die Beklagte, wie vorstehend dargelegt, entgegen § 9 S. 2 Nr. 1 PatG eine patentierte Erfindung benutzt hat, kann die Klägerin als Inhaberin des benutzten Klagepatents sie nach § 140a Abs. 3 S. 1 PatG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2, Art. 64 Abs. 1 und 3 EPÜ auch auf Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Klagepatents sind, in Anspruch nehmen. Dass der von der Klägerin geltend gemachte Rückrufanspruch unverhältnismäßig sei, macht die Beklagte nicht geltend und hierfür ist auch nichts ersichtlich.
Der der Klägerin gegen die Beklagte zustehende Rückrufanspruch bezieht sich auf von der Beklagten seit der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents (13.04.2011) in Verkehr gebrachte Saugreinigungsgeräte. In diesem Sinne ist der Tenor zu I. 4. des landgerichtlichen Urteils auszulegen. Soweit es in dem betreffenden Urteilsausspruch heißt, dass „die vorstehend zu Ziffer I.1 bezeichneten, seit dem 13.04.2011 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen“ sind, sind damit ersichtlich (nur) solche patentverletzenden Erzeugnisse gemeint, die die Beklagte seit dem 13.04.2011 in den Verkehr gebracht hat und die demgemäß ab diesem Zeitpunkt in den Besitz von Dritten gelangt sind. Andernfalls würde die Angabe „seit dem 13.04.2011“ nämlich keinen Sinn machen. Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht der Klägerin dem entgegen etwa auch für den Entschädigungszeitraum einen Rückrufanspruch zusprechen wollte, sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.
D.
Zu einer Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Verletzungsrechtsstreit (§ 148 ZPO) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den von der Beklagten gegen das Klagepatent eingelegten Einspruch besteht Veranlassung, nachdem das Europäische Patentamt den von der Beklagten gegen das Klagepatent eingelegten Einspruch am 29.04.2014 zurückgewiesen hat.
Nach ständiger, vom Bundesgerichtshof (vgl. GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligter Rechtsprechung des Senats ist bei der Aussetzung eines Patentverletzungsrechtsstreits wegen eines gegen das Klagepatent ergriffenen Rechtsbehelfs Zurückhaltung geboten. Eine zu großzügige Aussetzung hätte zur Folge, dass das ohnehin zeitlich begrenzte Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers praktisch suspendiert und Rechtsbehelfe gegen erteilte Patente geradezu herausgefordert würden. Sie stünde überdies im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass Rechtsbehelfen gegen Patente kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt. Deshalb sieht sich der Senat im Allgemeinen in derartigen Fällen nur dann zu einer Aussetzung nach § 148 ZPO veranlasst, wenn die Vernichtung bzw. der Widerruf des Klagepatents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist, zum Beispiel, weil das Klagepatent im Stand der Technik entweder neuheitsschädlich vorweggenommen oder die Erfindungshöhe so fragwürdig geworden ist, dass sich für ihr Zuerkennung kein vernünftiges Argument finden lässt. An diesen Grundsätzen hat sich auch durch die Entscheidung „Steinknacker“ des Senats (Mitt. 1997, 257 – 261) im Kern nichts geändert. Nach dieser Entscheidung ist die Frage der Aussetzung des Patentverletzungsstreites in zweiter Instanz lediglich unter etwas weniger strengen Gesichtspunkten zu beurteilen, wenn – wie hier – bereits ein erstinstanzliches Urteil zugunsten des Patentinhabers vorliegt, aus dem dieser gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann. So kann in einer solchen Situation der Umstand, dass ein gegen ein erteiltes Patent ergriffener Rechtsbehelf sich nur auf bereits gewürdigten Stand der Technik stützt, nicht von vornherein eine Zurückweisung des Aussetzungsbegehrens rechtfertigen. Aber auch nach dieser Entscheidung ist eine Aussetzung erst dann geboten, wenn die Vernichtung oder der Widerruf des Patents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist (vgl. z. B. Senat, InstGE 7, 139 = GRUR-RR 2007, 259, 263 – Thermocycler; Mitt. 2009, 400, 401 f. – Rechnungslegungsanspruch).
Hier lässt sich jedoch nicht feststellen, dass eine etwaige Beschwerde der Beklagten gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes wahrscheinlich zu einer Vernichtung des geltend gemachten Anspruchs 1 des Klagepatents führen wird, sondern im Gegenteil spricht der Umstand, dass die sachkundige Einspruchsabteilung unter Berücksichtigung der Entgegenhaltungen der Beklagten das Klagepatent mit dem Patentanspruch 1 aufrecht erhalten hat, gerade dafür, dass eine Beschwerde der Beklagten keinen weitergehenden Erfolg haben wird.
E.
Darauf, ob das Klagegebrauchsmuster die Voraussetzungen für den Schutz eines Gebrauchsmusters erfüllt, die Erfindung also gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu ist und auf einem erfinderischen Schritt beruht (§ 1 Abs. 1 GebrMG), kommt es im Rahmen des vorliegenden Berufungsverfahrens nicht an.
Das Landgericht hat die Verurteilung der Beklagten ausschließlich auf das Klagepatent und nicht auch auf das Klagegebrauchsmuster gestützt. Da sich die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nach seiner Auffassung bereits vollständig aus dem Klagepatent ergeben haben, hat es die Frage der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters ausdrücklich dahinstehen lassen. Zwar wäre das Landgericht an sich gehalten gewesen, eine Entscheidung auch über auf das Klagegebrauchsmuster gestützten Klageansprüche zu treffen, weil die Klägerin aus zwei Schutzrechten vorging und damit – trotz des gleichen Inhalts der Klageschutzrechte – unterschiedliche Streitgegenstände vorlagen, die von ihr im Wege kumulativer Klagehäufung (nicht hilfsweise und auch nicht alternativ) verfolgt wurden. Für das vorliegende Berufungsverfahren ist dies – worauf die Parteien bereits im Verhandlungstermin hingewiesen worden sind – jedoch ohne Relevanz.
1.
Dass das Landgericht eine Entscheidung auch über die auf das Klagegebrauchsmuster gestützten Ansprüche hätte treffen müssen, hat nicht etwa zur Folge, dass hier ein Teilurteil im Sinne des § 301 Abs. 1 ZPO vorliegt, dass möglicherweise wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen unzulässig und deshalb aufzuheben wäre. Dies gilt schon deshalb, weil ein Teilurteil voraussetzt, dass das Gericht erkennbar lediglich über einen abtrennbaren Teil des Verfahrensgegenstands befinden und den Rest später erledigen will. Dieser Wille muss in der Entscheidung selbst oder wenigstens in den Begleitumständen hinreichend zum Ausdruck kommen, weil sonst der Umfang der Rechtskraft unklar bliebe (BGH, NJW 1999, 1035; NJW 2002, 1115, 1116). Eine solche Absicht des Landgerichts ist hier gerade nicht gegeben. Denn das Landgericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass es nicht über auf das Klagegebrauchsmuster gestützte Klageansprüche entscheiden muss, weil die von der Klägerin gestellten Klageanträge bereits vollständig aus dem Klagepatent gerechtfertigt sind. Es wollte damit insgesamt und abschließend über die Klage entscheiden.
2.
Die Klägerin hat außerdem ihrerseits keine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt. Nicht anders als im Falle der Nichtbeantragung einer Urteilsergänzung ist die Rechtshängigkeit der vom Landgericht (bewusst) nicht beschiedenen, auf das Klagegebrauchsmuster gestützten Ansprüche hierdurch entfallen, weshalb sich die Frage eines Teilurteils nunmehr nicht mehr stellt. Wird ein nach dem Tatbestand erhobener Haupt- oder Nebenanspruch ganz oder teilweise übergangen, ist das Urteil auf Antrag durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen (§ 321 Abs. 1 ZPO). Nach § 321 Abs. 2 ZPO muss die nachträgliche Entscheidung binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit Zustellung des Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden. Wird der Antrag auf Urteilsergänzung nicht fristgerecht gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des übergangenen Anspruchs (vgl. BGH NJW 1991, 1683, 1684; NJW 2002, 1115, 1116; NJW-RR 2005, 790; BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 373/11, BeckRS 2013, 65448 m. w. Nachw.). Im Streitfall kam zwar eine Urteilsergänzung nicht in Betracht. Nach § 321 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil auf Antrag durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen, wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine solche Ergänzung nur in Betracht kommt, wenn ein Anspruch, also ein aktives Rechtsschutzbegehren, in einem Haupt- oder Nebenpunkt versehentlich nicht beschieden worden ist; übersehene Einwendungen oder die Richtigstellung anderer Fehler rechtfertigen eine Urteilsergänzung dagegen nicht. Gegen die aus einem solchen Grunde fehlerhafte Entscheidung kann sich die beschwerte Partei nur mit einem zulässigen Rechtsmittel wehren (BGH NJW 2003, 1463). Ein Anspruch ist danach nur „übergangen” im Sinne von § 321 Abs. 1 ZPO, wenn er versehentlich nicht beachtet worden ist, nicht dagegen, wenn er rechtsirrtümlich oder bewusst nicht beschieden wurde (BGH NJW 2006, 1351, 1352; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 321 Rdnr. 2). Trifft das Gericht – wie hier – bewusst keine Entscheidung über einen klageweise geltend gemachten Anspruch, weil es meint, über diesen nicht (mehr) entscheiden zu müssen, und nimmt der Kläger dies hin, in dem er kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlegt, kann hinsichtlich des Entfallens der Rechtshängigkeit des nicht beschiedenen Klageanspruchs nichts anderes gelten wie bei der unterbliebenen Stellung eines Antrags auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO bei einem (versehentlich) übergangenen Anspruch.
3.
Zwar kann ein in erster Instanz übergangener Antrag, dessen Rechtshängigkeit durch Ablauf der Frist nach § 321 Abs. 2 ZPO entfallen ist, in der zweiten Instanz durch Klageerweiterung wieder in den Prozess eingeführt werden, wenn der Rechtsstreit wegen anderer Teile des Prozessstoffs noch in der Berufungsinstanz anhängig ist (BGH, NJW 1991, 1683, 1684; NJW-RR 2005, 790, 791). Das kann auch im Wege einer Anschlussberufung gemäß § 524 Abs. 1 S. 1 ZPO geschehen. Der Gesetzgeber hat durch die Verweisungen in § 302 Abs. 2, § 599 Abs. 2, § 716, § 721 Abs. 1 S. 3 Halbs. 1 ZPO anerkannt, dass ein Urteil sowohl unvollständig i.S.v. § 321 ZPO als auch inhaltlich unrichtig sein kann, wenn tatbestandlich beurkundete Anträge übergangen werden. In diesen Fällen ist neben einer Urteilsergänzung nach § 321 ZPO der Rechtsmittelzug eröffnet (vgl. BGH NJW 2010, 1148 (Ls.) = NJW-RR 2010, 19 m. w. Nachw.; BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 373/11, BeckRS 2013, 65448). Hier hat die Klägerin ihre Klage in der Berufungsinstanz jedoch nicht im Wege einer Anschlussberufung erweitert.
4.
Über von der Klägerin nicht durch Klageerweiterung wieder in prozessual zulässiger Weise in den Prozess eingeführte Ansprüche darf der Senat nicht entscheiden, weil Ansprüche, über die das angefochtene Urteil nicht entschieden hat, in der Berufungsinstanz nicht anfallen (vgl. BGH NJW 1991, 1683, 1684).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.