Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. November 2014, Az. 2 U 137/09
Vorinstanz: 4a O 216/08
A.
Auf die Berufung der Klägerin wird das 13.10.2009 verkündete Urteil der
4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
Bezüge zum Anbringen an Kraftfahrzeugrädern vorgegebener Größe, um unter den Winterverhältnissen die Reibung zwischen dem Rad und der Straßenoberfläche zu erhöhen, die ein wesentlich aus textilem Material hergestelltes Band umfassen, das dafür vorgesehen ist, die Lauffläche des Rades zu umgeben und mittels flexibler innerer und äußerer seitlicher Abschnitte festgehalten zu werden, die mindestens an der inneren Seite des Rades mittels eines elastischen Gliedes festgespannt sind,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei das Band vorgesehen ist, die Lauffläche in einem sich durch den inneren Umfang des Bandes ergebenden Abstand zu umgeben, welcher Umfang um 4 bis 10 % größer ist als der größte Umfang der Lauffläche des Rades;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 14.01.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 14.01.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
B.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz, letztere mit Ausnahme der durch die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen im Verhandlungstermin am 30.10.2014 entstandenen Kosten, werden der Beklagten auferlegt. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten einschließlich der durch die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen im Verhandlungstermin am 30.10.2014 verursachten Kosten trägt die Streithelferin.
C.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,– EUR abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
D.
Die Revision wird nicht zugelassen.
E.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,– EUR festgesetzt.
GRÜNDE:
I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 1 165 AAA (Klagepatent, Anlage K 1; deutsche Übersetzung Anlage K 2). Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung der als patentverletzend beanstandeten Gegenstände sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 06.04.2000 unter Inanspruchnahme einer norwegischen Priorität vom 06.04.1999 eingereicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 14.12.2005 im Patentblatt bekannt gemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 600 24 AAB geführt. Am 22.03.2006 wurde eine um Schreibfehler korrigierte Patentschrift veröffentlicht. Einen gegen das Klagepatent eingelegten Einspruch wies das Europäische Patentamt mit rechtskräftiger Entscheidung vom 08.05.2008 (Anlage B 2) zurück.
Das Klagepatent betrifft eine Gleitschutzvorrichtung für Fahrzeuge. Die im vorliegenden Rechtsstreit von der Klägerin in Kombination geltend gemachten Patentansprüche 1 und 2 lauten wie folgt:
„1.
A device to be fitted on a vehicle wheel (1) of a predetermined size in order to increase the friction between the wheel and the road surface during winter conditions comprising a belt (3) made substantially from textile material and intended to encircle the tread (4) of the wheel (2) and be held in place by means of flexible inner and outer side portions (5, 8) which, at least on the inner side of the wheel, is tightened by means of an elastic member (7),
characterized in that
the belt (3) is to encircle the tread (4) with a clearance resulting from the internal circumference of the belt (3) being at least 4 % larger than the largest circumference of the tread (4) of the wheel (1).”
„2.
A device according to claim 1,
characterized in that
the internal circumference of the belt (3) is 4 – 10 %, preferably 5 – 6 % larger than the largest circumference of the tread (4) of the wheel.“
In der vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlichten deutschen Übersetzung (Anlage K 2) lauten diese Patentansprüche wie folgt:
„1.
Vorrichtung zum Anbringen an einem Fahrzeugrad (1) vorgegebener Größe, um unter den Winterverhältnissen die Reibung zwischen dem Rad und der Straßenoberfläche zu erhöhen, die ein wesentlich aus textilem Material hergestelltes Band (3) umfasst, das dafür vorgesehen ist, die Lauffläche (4) des Rades (1) zu umgeben und mittels flexibler innerer und äußerer seitlicher Abschnitte (5, 8) festgehalten zu werden, die, mindestens an der inneren Seite des Rades, mittels eines elastischen Gliedes (7) festgespannt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Band (3) vorgesehen ist, die Lauffläche (4) in einem durch den inneren Umfang des Bandes (3) ergebenden Abstand zu umgeben, der um mindestens 4 % größer als der größte Umfang der Lauffläche (4) des Rades (1) ist.“
„2.
Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der innere Umfang des Bandes (3) um 4-10 %, bevorzugt um 5-6 % größer als der größte Umfang der Lauffläche (4) des Rades ist.“
Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1A, 1B und 1C der Klagepatentschrift erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, wobei Figur 1A eine perspektivische Ansicht eines Fahrzeugrades von der Außenseite zeigt, das mit einer erfindungsgemäßen Gleitschutzvorrichtung versehen ist. Figur 1B zeigt das Rad mit aufgezogener Vorrichtung von der Innenseite aus und Figur 1C zeigt einen Teilquerschnitt durch das Rad mit aufgezogener Gleitschutzvorrichtung.
Der Beklagten wurde es durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 17.09.2008 (Az: 4a O 215/08) untersagt, rutschfeste Textilbezüge für Kfz-Reifen unter der Produktbezeichnung „B “ (angegriffene Ausführungsformen) auf der Messe „C “, die vom 16. bis zum 21.09.2008 in D stattfand, auszustellen. Herstellerin der angegriffenen Ausführungsformen ist die Streithelferin, die ihre Produkte in Deutschland auch über die Firma E S.r.I. vertreibt.
Nachstehend werden ein Bild eines solchen Überzuges (nachfolgend werden hierfür synonym auch die Begriffe Traktionshilfe oder Gleitschutzvorrichtung verwendet) sowie eine Montageanleitung wiedergegeben.
Aus der nachfolgend eingeblendeten Tabelle (vgl. Anlage K 29 und Gutachten Prof. F , Seite 8, Abb. 3) ergibt sich eine Zuordnung der angebotenen Größen des „B “ zu gängigen Reifentypen.
Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb dieser Textilüberzüge eine Verletzung des Klagepatents. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht:
Die angegriffenen Ausführungsformen machten wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie verwirklichten sämtliche Merkmale der Patentansprüche 1 und 2. Insbesondere sei der innere Umfang des die Lauffläche des Rades umgebenden textilen Bandes der angegriffenen Ausführungsformen – bei Einhaltung der Empfehlungen der Beklagten zur Wahl der richtigen Größe – stets um mindestens etwa 4 % größer als der größte Umfang der Lauffläche des jeweils zugeordneten Rades. Zur Bestimmung des Unterschiedes zwischen dem Innenumfang des Bandes und dem Außenumfang der Lauffläche der betreffenden Reifen habe sie für alle Größenstufen der angegriffenen Ausführungsformen und die dazugehörigen Reifen Messungen und Berechnungen durchgeführt. Die Verwirklichung des betreffenden Merkmals sei hierbei mit zwei Methoden festgestellt worden, nämlich zum einen mit der „Gauging“-Methode unter Heranziehung eines Vergleichsreifens mit Übergröße und zum anderen mittels der „Pinching“-Methode durch Abziehen und Nachmessen der Übergröße auf der Außenseite der angegriffenen Ausführungsformen. Bei der sog. Gauging-Methode werde für jede Größenstufe der Überzüge ein Referenzreifen vorbekannten Umfangs verwendet, der größer sei als diejenigen Reifen, für die die jeweilige Größe des Überzuges von der Beklagten empfohlen werde. Der Umfang des Reifens sei aber immer noch geringer als der Innenumfang des jeweiligen Überzuges. Nach Aufziehen des Überzuges werde geprüft, ob die Finger einer Hand des Testers problemlos zwischen den Überzug und den Reifen eingeschoben werden könnten. Sei dies noch möglich, stehe fest, dass das Band des Überzuges eine Länge habe, die zwangsläufig größer sei als der vorher gemessene, exakt feststehende Umfang des Referenzreifens. Da eine Person die Hand zwischen Reifen und Überzug schieben können, sitze der Überzug noch nicht völlig stramm, so dass der innere Umfang des Bandes immer noch etwas größer sei als der Umfang des Referenzreifens. Auf diese Weise könne zuverlässig eine Untergrenze für den inneren Durchmesser des Bandes des Überzuges bestimmt werden. Die Übergröße der Traktionshilfe werde ermittelt, indem die Differenz aus dem Umfang des Referenzreifens und dem Umfang der empfohlenen Reifengröße zueinander ins Verhältnis gesetzt würden. Bei der sog. Pinching-Methode werde der Überzug auf einen passenden Reifen aufgezogen, der auf einer Standardfelge montiert und mit dem empfohlenen Luftdruck aufgepumpt sei. Der Umfang dieses Reifens werde zuvor exakt gemessen. Nach dem Aufziehen werde der Überzug samt Reifen an der Oberseite angehoben, so dass der Überzug an der Unterseite gestraft werde und sich an der Oberseite eine Falte gebildet. Die Falte werde mit einer Hand in der Mitte des Reifens zusammengedrückt und mit Hilfe eines Lineals vermessen. Die gemessene Höhe werde mit zwei multipliziert, um die Übergröße des Überzuges zu erhalten und zu dem gemessenen Reifenumfang ins Verhältnis zu setzen. Die von ihr angewandten Messmethoden seien geeignet, den inneren Umfang des textilen Bandes in erfindungsgemäßer Weise zu bestimmen. Das Klagepatent sei dahingehend auszulegen, dass die Umfangsmessung im montierten Zustand stattzufinden habe. Der Umfang der Lauffläche des jeweils zugeordneten Rades könne über die offiziellen Reifentabellen der European Tyre and Rim Technical Organisation (E.T.R.T.O.) bestimmt werden, wobei allerdings der Abrieb bei Gebrauch der Reifen zu berücksichtigen sei.
Die Beklagte und ihre Streithelferin, die um Klageabweisung gebeten haben, haben eine Patentverletzung in Abrede gestellt. Sie haben geltend gemacht:
Die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent nicht, da bei keiner der angebotenen Größen der Mindestgrenzwert von 4 % erreicht sei. Zur Bestimmung des Größenunterschiedes zwischen dem inneren Umfang des textilen Bandes und dem größten Umfang der Lauffläche des zugeordneten Rades sei nach der erfindungsgemäßen Lehre das textile Band in ungedehntem Zustand zu messen. Hierzu sei die von ihnen selbst gewählte Messmethode geeignet, bei der das textile Band aufgeschnitten, der Länge nach ausgebreitet und anschließend ausgemessen werde. Die Messergebnisse könnten sodann mit den Angaben der E.T.R.T.O. über den Reifenumfang verglichen werden, wobei ein Abrieb außer Betracht zu bleiben habe. Zum Vergleich heranzuziehen sei ein Neureifen ohne abgefahrenes Profil. Die von der Klägerin angewandten Methoden, die ergebnisorientiert ausgewählt worden seien, kämen nur deshalb zu einer Verwirklichung des in Rede stehenden Merkmals, weil die Geleitsschutzvorrichtungen bei der Messung gedehnt worden seien.
Durch Urteil vom 13.10.2009 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei der innere Umfang des Bandes nicht mindestens 4 % und höchstens 10 % größer als der größte Umfang der Lauffläche des Rades. Weder dem Wortlaut der Patentansprüche noch der Beschreibung sei zu entnehmen, dass der innere Umfang des Bandes im aufgezogenen und hierdurch ggf. gedehnten Zustand gemessen werden solle. Dass das textile Band die Lauffläche des Rades in einem Abstand umgeben solle, bezeichne lediglich die Lage des Bandes am Rad, enthalte aber keinen Hinweis auf ein bestimmtes Messverfahren. Bei funktionaler Betrachtung sei der Klagepatentschrift vielmehr zu entnehmen, dass es auf eine Montage des Bandes mit ggf. damit einhergehender Dehnung des Bandes für die Bestimmung des Abstandes zwischen der Gleitschutzvorrichtung und dem Reifen nicht ankommen könne. Denn dieser Abstand habe nach der Patentbeschreibung den Zweck, die Gleitschutzvorrichtung auch dann an dem Reifen befestigen zu können, wenn dieser mit dem vollen Gewicht des Fahrzeugs auf der Straßenoberfläche ruhe. Daraus und aus dem Umstand, dass der Abstand mindestens 4 % betragen soll, sei für den Fachmann ersichtlich, dass der größere Umfang der Gleitschutzvorrichtung gegenüber dem Reifenumfang nicht erst durch eine Dehnung erreicht werden solle, sondern auf den ungespannten Zustand bezogen sei, weil nur hierdurch ermöglicht werde, die Gleitschutzvorrichtung auf das auf der Straßenoberfläche ruhende Rad aufzuziehen. Der solchermaßen ermittelte innere Umfang des Bandes sei ins Verhältnis zu setzen zu dem Umfang der Lauffläche eines vorgegebenen Rades. Aus der Bezugnahme auf einen vorgegebenen Reifen entnehme der Fachmann, dass nicht jeder beliebige Reifen, sondern eben ein bestimmter Reifen für die Umfangsmessung maßgebend sei. Für die Messung sei ein bestimmter, vorschriftsmäßig aufgepumpter Neureifen heranzuziehen. Insofern sei dem Fachmann bekannt, dass es genormte Größen für Reifen und Felgen gebe, so dass er die Gleitschutzvorrichtung entsprechend für diese Größen konzipiere. Auch der Anwender, der eine Gleitschutzvorrichtung benutze, werde sich an den für Neureifen bekannten Größen, etwa den von der E.T.R.T.O. veröffentlichten Tabellen, orientieren.
Vor diesem Hintergrund könne nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen Ausführungsformen die betreffenden Vorgaben verwirklichten. An den von der Klägerin angewandten Messverfahren erscheine problematisch, dass diese weitere Schritte vorsähen als eine einfache Längenmessung mit dem Metermaß. Zweifel an der Genauigkeit der von der Klägerin vorgelegten Messergebnisse ergäben sich auch deshalb, weil die Messergebnisse nach der „Gauging“-Methode teilweise stark von den Ergebnissen nach der „Pinching“-Methode abwichen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich im Hinblick auf den niedrigen Grenzwert von 4 % auch geringe Abweichungen in den Messergebnissen auf die Frage einer Patentverletzung auswirken könnten, seien die festgestellten Differenzen zwischen den Messergebnissen nach den beiden Methoden jedenfalls nicht unerheblich. Soweit die Klägerin meine, die seitens der Beklagten und der Streithelferin vorgelegten Gutachten gelangten bereits deshalb zu fehlerhaften Messergebnissen, weil die Gleitschutzvorrichtung nicht in montierten, sondern in aufgeschnittenem und ausgebreitetem Zustand gemessen worden sei, vermöge dieses Argument nicht zu überzeugen, weil die Klagepatentschrift es gerade nicht erfordere, dass der innere Umfang des textilen Bandes in aufgezogenem Zustand gemessen werde. Vielmehr sei die Messung an dem ungespannten Band vorzunehmen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Klagebegehren weiter. Unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrages macht sie geltend:
Der landgerichtliche Ansatz, es dürfe nicht bei aufgezogener Traktionshilfe gemessen werden, sei falsch. Der Patentanspruch gehe davon aus, dass bei aufgezogener Traktionshilfe, nämlich dann, wenn das Band die Lauffläche umgebe, ein Abstand vorhanden sein solle; für diesen Abstand gebe der Anspruch das Übermaß von 4 % vor. Zudem könne das Umfangsgrößenverhältnis am genauesten direkt gemessen werden, wenn die in Verhältnis zu setzenden Umfangsgrößen aneinander lägen, da das Maß der Übergröße und damit das Größenverhältnis dann direkt ables- und messbar sei. Der Hinweis der Kammer auf den Absatz [0005] der Klagepatentbeschreibung greife zu kurz, da auch die weiteren Ausführungen in den nachfolgenden beiden Absätzen Berücksichtigung finden müssten. Verfehlt sei auch die Annahme der Kammer, dass die Bestimmung des Abstands zwingend einen Neureifen erfordere; das verlangten die Patentansprüche nicht. Zu Unrecht habe die Kammer die Grundsätze der Senats-Entscheidung „Umlenktöpfe“ nicht auf den Entscheidungsfall übertragen. Die Kammer lasse unberücksichtigt, dass auch die Abnutzung eines Reifens einer Norm unterliege. Im Übrigen sei zu beachten, dass die von ihr – der Klägerin – durchgeführten Tests auch bezüglich Neureifen eine Verletzung belegten, hinsichtlich der Methode „Pinching“ zumindest in Bezug auf mehrere Reifengrößen. Sowohl die „Gauging“- als auch die „Pinching“-Methode seien für eine praxisgerechte Bestimmung des patentgemäßen Abstandsmaßes geeignet. Dies gelte insbesondere mit Blick darauf, dass es nicht um die Bestimmung der exakten Umfänge gehe, sondern um die Feststellung der Umfangsgrößenverhältnisse. Bei keinem der in ihrem Auftrag durchgeführten Tests sei der Überzug so starken Kräften ausgesetzt gewesen, dass damit eine Längenänderung verbunden gewesen wäre. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich keine unterschiedlichen Messergebnisse nach der „Pinching“- und der „Gauging“-Methode ergeben dürften. Bei der von der Beklagten angewandten Messmethode seien erst recht weitergehende Schritte erforderlich, die auch wesentlich einschneidender als bei den von ihr – der Klägerin – angewandten Methoden seien. Insbesondere habe die Beklagte – unstreitig – die Überzüge zerstört, was zu einer Verfälschung der Messergebnisse geführt habe.
Unter Berücksichtigung der Reifenabnutzung liege, was sie hilfsweise geltend mache, selbst unter Zugrundelegung der von der Beklagten angewandten Messmethode eine Patentverletzung vor. Bei sachgerechter Durchführung dieser Methode ergebe sich eine patentgemäße Übergröße für jede Größenstufe der angegriffenen Überzüge bei mindestens einem Reifen.
Um die bisher durchgeführten Tests zu überprüfen, habe sie außerdem einen weiteren Test mit einem abgetrennten Textilgürtel, der in seiner Ringform belassen worden sei, durchgeführt. Dieser Test (Anlage K 17) habe ergeben, dass lediglich zwei Werte für die Größenverhältnisse unter 4 % lägen. Bei den Kontrolltests hätten sich verschiedene Faktoren zugunsten der Beklagten ausgewirkt. Die vermeintlich verfälschende Dehnung bei den Methoden „Pinching“ und „Gauging“ sei in Wirklichkeit lediglich eine Glättung von Falten sowie eventuell eine Dehnung des im Flankenbereich angeordneten elastischen Bandes.
Ferner verweist die Klägerin zur Untermauerung des Verletzungsvorwurfs auf einen als Anlage K 22 überreichten weiteren Testbericht, welcher u.a. die Bestimmung des Umfangsverhältnisses der Traktionshilfen der Beklagten mit abgetrennten Seitenteilen nach der „Pinching“-Methode zum Gegenstand hat (vgl. auch Anlage K 21), sowie auf einen Bericht (Anlage K 25) über einen anderen Test, bei dem Reifen und Überzug auf der gleichen Wellenlänge abrollen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß (Bl. 168 – 171 und Bl. 769 GA),
das landgerichtliche Urteil abzuändern und zu erkennen wie geschehen,
insbesondere wenn zugleich die Merkmale des Unteranspruchs 3 und/oder des Unteranspruchs 4 erfüllt sind,
und die Beklagte 2. außerdem zu verurteilen, die in ihrem – der Beklagten – Besitz oder Eigentum der Beklagten in Deutschland befindlichen, im Tenor unter Ziffer I. 1. bezeichneten Gegenstände zu vernichten.
Die Streithelferin der Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Für die Beklagte selbst, die angekündigt hat, die Zurückweisung der Berufung zu beantragen, ist im Haupttermin am 30.10.2014 trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen.
Die Beklagte und ihre Streithelferin verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, wobei sie im Wesentlichen geltend machen:
Die deutsche Übersetzung des kennzeichnenden Teils des Klagepatentanspruchs sei sinnentstellend. Für den Fachmann sei es offensichtlich, dass die Gleitschutzvorrichtung bei der Messung ihres inneren Umfanges nicht gedehnt werden dürfe und dass die Messung des größten Umfanges der Lauffläche an einem neuen, vorschriftsgemäß aufgepumpten Referenzreifen vorgenommen werden müsse. Der Anspruch stelle auf ein „Fahrzeugrad vorgegebener Größe“ ab. Zudem gebe es – unstreitig – von der E.T.R.T.O. genormte/standardisierte Größen für Reifen und Felgen für Neureifen, nicht aber für abgenutzte Reifen. Die Auslegung des Landgerichts sei auch deshalb überzeugend, weil sie sich mit jener des Europäischen Patentamtes (Anlage B 2) und derjenigen des gerichtlichen Sachverständigen in einem italienischen Parallelverfahren (Anlage B 4/2) decke. Der Patentanspruch besage gerade nicht, dass die gelehrten Umfangsverhältnisse erst dann erfüllt sein müssten, wenn die Vorrichtung am Fahrzeugrad angebracht sei. Gegen ein solches Verständnis spreche auch die Aufgabenstellung, wonach aufgrund der entsprechenden Übergröße eine Selbstmontage ermöglicht werden solle. Messungen im gedehnten Zustand führten zu willkürlichen, nicht reproduzierbaren Ergebnissen, wie insbesondere ein Vergleich der Tests gemäß Anlagen K 12 und K 17 zeige. Bei der Bestimmung der anzuwendenden Messmethode lege der Fachmann die Europäische Norm EN 1773 (Anlage B 3) zugrunde. Ihm sei klar, dass zur Messung des inneren Umfanges des Bandes ein Maßband direkt an der Innenseite des Bandes anzulegen sei; dass im Rahmen ihrer Messungen das Band aufgeschnitten worden sei, habe keinen Einfluss auf die Messgenauigkeit gehabt, insbesondere trete durch diese Behandlung des Prüfkörpers keine Verkürzung des Bandes ein. Die in den Gutachten der Klägerin zugrunde gelegten Messmethoden seien demgegenüber ungeeignet, da es bei Anwendung derselben zu unzulässigen Dehnungen der Gleitschutzvorrichtung komme. Dies werde durch eigene Versuche belegt.
Die Streithelferin hat sich ferner auf in ihrem Auftrag durchgeführte Messungen weiterer Größen des streitgegenständlichen Produkts berufen (Anlagen N 12, N 13) und vorgetragen, dass bei Neureifen die größte gemessene Differenz 2,45 % betrage. Selbst wenn man diesen Wert um 1,5 % erhöhe, um den geringeren Umfang eines abgefahrenen Reifens Rechnung zu tragen, liege die größte Differenz unterhalb des Grenzwerts von 4 %.
Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 29.09.2010 (Bl. 270-275 GA) die Einholung des schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen und überdies gemäß Beschlüssen vom 25.03.2013 (Bl. 475-476 GA), 23.05.2013 (Bl. 499 GA), 07.08.2013 (Bl. 537-538 GA), 18.12.2013 (Bl. 660 GA), 21.05.2014 (Bl. 655 GA) und 16.09.2014 (Bl. 750-751 GA) schriftliche Ergänzungen des Gutachtens angeordnet. Außerdem hat er den Sachverständigen im Verhandlungstermin am 30.10.2014 auf Antrag der Streithelferin angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das von Professor Dr. F unter dem 29.09.2011 erstattete schriftliche Gutachten (Anlage zu den Gerichtsakten; nachfolgend: Gutachten), auf sein schriftliches Ergänzungsgutachten vom 06.05.2014 (Anlage zu den Gerichtsakten; nachfolgend: Ergänzungsgutachten 1) und seine weiteren schriftlichen Ergänzungen vom 11.06.2014 (Anlage zu den Gerichtsakten; nachfolgend: Ergänzungsgutachten 2) und 02.10.2014 (Anlage zu den Gerichtsakten; nachfolgend: Ergänzungsgutachten 3) sowie auf die Niederschrift über den Verlauf der Sitzung vom 30.10.2014 (Bl. 769-773 GA, nachfolgend: Anhörungsprotokoll) Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist im Wesentlichen begründet. Der Klägerin stehen die nunmehr zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz zu, weil die Beklagte mit den angegriffenen Ausführungsformen entgegen der Auffassung des Landgerichts von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Soweit die Formulierungen im Urteilstenor teilweise von denen im Klageantrag abweichen, beruht dies auf rein sprachlichen Gründen; eine inhaltliche Änderung ist hiermit nicht verbunden. Nicht in den Unterlassungstenor aufgenommen hat der Senat insbesondere das in dem Berufungsantrag zu II. 1. enthaltene Wort „mindestens“. Denn die Klägerin macht vorliegend die Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents in Kombination geltend. Während nach Patentanspruch 1 der innere Umfang des Bandes um „mindestens 4%“ größer ist als der größte Umfang der Lauffläche des Rades, ist er nach Patentanspruch um „4-10%“ und nicht um „mindestens 4-10%“ größer. Keinen Erfolg hat die Berufung hinsichtlich des von der Klägerin mit der Berufung ebenfalls weiterverfolgten Vernichtungsanspruchs, weil ein solcher Anspruch gegen die im Ausland geschäftsansässige Beklagte nicht besteht.
A.
Es ist nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO gekommen, weil in Italien lediglich ein „Vergleichsverfahren“, aber kein förmliches Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet worden ist. Gegenteiliges wird von den Parteien auch nicht geltend gemacht.
Über die Berufung der Klägerin ist trotz der Säumnis der Beklagten im Verhandlungstermin durch streitiges Urteil und nicht durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil ihre dem Rechtsstreit unbeanstandet beigetretene Streithelferin in der Verhandlung aufgetreten ist und ihren Berufungsantrag verlesen hat. Hierzu war sie nach § 67 Halbs. 2 ZPO berechtigt (vgl. BGH, NJW 1994, 2022, 2023; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 67 Rdnr. 3).
B.
Das Klagepatent betrifft eine Gleitschutzvorrichtung für Fahrzeugräder mit den den Oberbegriff seines Patentanspruchs 1 bildenden Merkmalen a) bis e) der unten wiedergegeben Merkmalsgliederung.
Eine solche Vorrichtung ist aus der US-Patentschrift 2 682 AAC (Anlage K 4) bekannt, deren Figuren 1, 2 und 3 nachfolgend wiedergegeben werden. Diese Vorrichtung ist symmetrisch um ihre Mittelebene und besteht aus einem einzelnen Teil aus grobem Gewebe oder Segeltuch, das so gefaltet ist, dass entlang irgendeiner der äußeren beiden Kanten eine fortlaufende Tasche gebildet ist, die ein elastisches Element in Form einer Schraubenfeder aufnimmt. Der das mit der Straßenfläche in Kontakt kommende Band bildende Bereich (22, Bezugszeichen entsprechen der nachstehend wiedergegebenen Figurendarstellungen) ist mittels Klebemittel mit einer Beschichtung aus Aluminiumoxid, imprägniert mit abrasiven Partikeln, versehen, um die Reibung gegen die Straßenfläche wesentlich zu erhöhen (Anlage K 2, Abs. [0001]; die nachfolgenden Bezugnahmen beziehen sich jeweils auf die Klagepatentschrift).
Diese bekannte Vorrichtung muss zwar ein gewisses Übermaß gegenüber dem zu überziehenden Reifen aufweisen, weil sie ihn anderenfalls nicht aufnehmen könnte, aber das Übermaß ist nicht definiert und so gering, dass die Klagepatentschrift beanstandet, weil die Vorrichtung sehr eng am Fahrzeugrad liege, könne sie nur auf das Rad montiert werden, wenn es vom Fahrzeug abgenommen sei; anderenfalls müsse das Rad vom Boden angehoben werden. Da die Vorrichtung überdies symmetrisch an beiden Seiten mit Federn ausgerüstete flexible Seitenbereiche aufweise, könne sie, etwa bei Kurvenfahrt auf trockener Straße, zur Innenseite vom Rad herunter laufen und den Lenkmechanismus des Fahrzeuges oder Bremsleitungen beschädigen. Habe sich die Vorrichtung einmal zur Innenseite des Rades bewegt, könne sie nicht entfernt werden, ohne sie zu zerstören oder das Rad vom Fahrzeug zu entfernen (Abs. [0004]).
Als Aufgabe (technisches Problem) der vorliegenden Erfindung gibt die Klagepatentschrift, soweit Patentanspruch 1 betroffen ist, vor diesem Hintergrund objektiv zutreffend an, eine Vorrichtung der eingangs genannten Art so weiter zu entwickeln, dass sie am Fahrzeugrad auch dann befestigt werden kann, wenn es belastet mit dem Gewicht des Fahrzeuges auf der Straßenfläche ruht, vorzugsweise auch dann, wenn es mehr oder weniger tief im Schnee steckt (Abs. [0005]), wobei der letzte durch den Bodenkontakt des Rades zunächst nicht aufziehbare Bereich sich nach einem Drehen des Rades von selbst aufziehen soll (vgl. Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes, Entscheidung vom 08.05.2008, Seite 9 Abschnitt 5; Anlage K 2, Abs. [0006]).
Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
a) Es handelt sich um eine Vorrichtung zum Anbringen an einem Fahrzeugrad (1) vorgegebener Größe, um unter den Winterverhältnissen die Reibung zwischen dem Rad und der Straßenoberfläche zu erhöhen.
b) Die Vorrichtung umfasst ein wesentlich aus textilem Material hergestelltes Band (3).
c) Das Band ist dazu vorgesehen, die Lauffläche (4) des Rades zu umgeben.
d) Das Band ist ferner dazu vorgesehen, mittels flexibler innerer und äußerer Abschnitte (5, 8) festgehalten zu werden.
e) Der seitliche Abschnitt ist zumindest an der inneren Seite des Rades mittels eines elastischen Gliedes (7) festgespannt.
f) Das Band ist vorgesehen, die Lauffläche in einen sich durch den inneren Umfang des Bandes ergebenden Abstand zu umgeben, welcher Umfang
f1) um mindestens 4% größer ist als der größte Umfang der Lauffläche des Rades.
Patentanspruch 2 schlägt ferner vor, dass der innere Umfang des Bandes
f2) um 4-10 %, bevorzugt um 5-6 %, größer ist als der größte Umfang der Lauffläche des Rades.
Zu den Vorteilen des Gegenstandes der Erfindung hebt die Klagepatentschrift in den Absätzen [0006] und [0007] der Klagepatentbeschreibung hervor:
„[0006] … In sehr überraschender Weise ist festgestellt worden, dass es eine Übergröße möglich macht, den inneren Seitenbereich über die Lauffläche des Rads an der Innenseite des Rads entlang eines solchen langen Teils des Umfangs des Rads, der nicht in Kontakt mit der Straßenfläche steht, zu befestigen, so dass dann, wenn das Rad danach gedreht wird, …, der verbleibende Teil des inneren Seitenbereichs seinen Platz auf der inneren Seite des Rads annehmen wird und das Band an Ort und Stelle entlang der Lauffläche des Rads ziehen wird.“
„[0007] Es ist auch in überraschender Weise festgestellt worden, dass mit dieser Übergröße, die bis zu 8 % oder mehr zugelassen werden kann, und zwar etwas abhängend von Raumbedingungen in dem Radgehäuse des Fahrzeugs, die Vorrichtung an Ort und Stelle auf dem Rad sogar dann verbleiben wird, wenn auf einer trockenen und kurvenreichen Straße unter Geschwindigkeiten zumindest so schnell gefahren werden kann, wie dies herkömmliche Schneeketten zulassen würden.“
Dieses vorausgeschickt, bedürfen im Hinblick auf den Streit der Parteien das Merkmal a) und die Merkmale der Merkmalsgruppe f) näherer Erläuterung:
1.
Das Klagepatent bezieht sich, soweit es um seine Ansprüche 1 und 2 geht, auf eine Vorrichtung zum Anbringen an einem Fahrzeugrad und nicht auf die Kombination einer solchen Vorrichtung mit einem Fahrzeugrad. Aus der Zweckangabe „zum Anbringen an einem Fahrzeugrad“ folgt nur, dass die Gleitschutzvorrichtung so ausgestaltet ist, dass sie an einem Fahrzeugrad montiert werden kann. Nähere Vorgaben in Bezug auf das Fahrzeugrad, auf das die erfindungsgemäße Vorrichtung angebracht werden kann, macht Patentanspruch 1 – ebenso wie Patentanspruch 2 – nicht. Soweit Anspruch 1 von einem „Fahrzeugrad vorgegebener Größe“ spricht, wird damit nur zum Ausdruck gebracht, dass die Vorrichtung auf einen Reifen eines bestimmten Typs montiert werden kann, wobei dieser Reifen das Bezugsobjekt für die Gleitschutzvorrichtung darstellt und den Referenzwert für die Bestimmung des Übermaßes gemäß Merkmal f1) liefert.
2.
Zur Verwirklichung der Lehre des Patentanspruchs 1 genügt es, dass das in Merkmal f1) genannte Übermaß von mindestens 4 % erreicht wird; ob es mit diesem Übermaß im Einzelfall möglich ist, auch den vom Europäischen Patentamt als angestrebt in den Vordergrund gestellten, insbesondere in Absatz [0006] der Klagepatentschrift angesprochenen „Selbstaufzieheffekt“ zu erreichen, ist unerheblich. Sind nämlich im Anspruch in ihrer räumlich-körperlichen Ausgestaltung beschriebene Merkmale bei einer Ausführungsform vorhanden, kommt es nicht mehr darauf an, ob die diese Merkmale verwirklichenden Funktionsteile sämtliche mit der Erfindung bezweckten Vorteile erreichen oder nicht (vgl. BGH GRUR 2006, 131, 134 – Seitenspiegel; GRUR 1991, 436, 439 – Befestigungsvorrichtung II).
3.
Die eingetragene deutsche Übersetzung des Patentanspruchs 1 ist in Bezug auf die Merkmalsgruppe f) unrichtig, soweit dort verlangt wird, dass der „Abstand“, in dem die innere Bandlauffläche das Rad umgibt, mindestens 4 % größer als der größte Umfang der Lauffläche des Rades sein muss. Die in der vorstehenden Merkmalsgliederung wiedergegebene Fassung stimmt mit dem maßgeblichen englischsprachigen Wortlaut des Anspruchskennzeichens überein, und die Beschreibung der Klagepatentschrift lässt auch in ihrer deutschen Übersetzung hinreichend deutlich erkennen, dass nicht der Abstand der Gleitschutzvorrichtung vom Rad 4 % der größten Lauffläche betragen muss, sondern das Längenübermaß des Bandinnenumfangs der Gleitschutzvorrichtung (Übersetzung Abs. [0018]; unrichtig wie die eingetragene Anspruchsfassung allerdings Übersetzung Abs. [0006]). Die maßgebliche englische Fassung der Klagepatentschrift stimmt in Abs. [0006] mit der englischen Anspruchsfassung ebenfalls überein.
4.
Hinsichtlich der Ermittlung des „Abstandsverhältnisses“ ergibt sich aus der Merkmalsgruppe f) nur, dass der innere Umfang des Bandes in seiner Länge mit dem größten Umfang der Lauffläche des Rades zu vergleichen ist. Über die Art und Weise, wie die hierzu erforderlichen Messungen auszuführen sind, gibt das Klagepatent dagegen keine Auskunft (vgl. Gutachten Prof. F , Seite 27 unten).
Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Länge der Lauffläche des inneren Bandes in dessen ungedehntem Zustand zu messen ist (vgl. auch Gutachten Prof. F , Seite 28). Ob sich das – wie das Landgericht angenommen hat – aus Absatz [0005] der Klagepatentbeschreibung herleiten lässt, kann dahinstehen. Jedenfalls ist zu beachten, dass das Übermaß des Bandes gegenüber der Radlauffläche dazu dient, das Anbringen der Gleitschutzvorrichtung auf dem Rad zu erleichtern. Deshalb muss das beanspruchte Größenverhältnis schon vor dem Aufziehen der Gleitschutzvorrichtung vorhanden sein. Ist dieses Übermaß gegeben, bleibt die Traktionshilfe auch nach dem Aufziehen auf den Reifen ungedehnt. Etwaige Dehnungen des Bandes müssen entgegen der Auffassung der Klägerin bei der Messung außer Betracht bleiben, weil bei ihrer Berücksichtigung der Geltungsbereich des Klagepatentanspruches 1 nicht zuverlässig bestimmt werden könnte.
Dass das Band patentgemäß dazu vorgesehen ist, die Radlauffläche in dem vorbezeichneten Abstand zu umgeben, besagt entgegen der Auffassung der Klägerin nichts Gegenteiliges. Es ändert nichts daran, dass diese Größe technisch nur die Funktion einer Montageerleichterung hat; einmal auf den Reifen aufgezogen, hat der Längenunterschied keine erfindungsrelevante weitere Bedeutung mehr. Dementsprechend erläutert die Klagepatentschrift (Abs. [0006]) im Zusammenhang mit der Umfangsbestimmung auch nur den Gesichtspunkt der Montageerleichterung; andere Textstellen und Aussagen, die sich mit dem Sinn und Zweck des Übermaßverhältnisses befassen, enthält die gesamte Beschreibung nicht. Dass die Vorrichtung während der Fahrt auf dem Reifen nicht verrutschen darf, verlangt ebenfalls keine Messung im gedehnten Zustand. Das wäre nur anders, wenn zur Sicherung gegen ein Abgleiten der Vorrichtung der sich aus Merkmal f1) ergebende Abstand genau eingehalten werden müsste und nicht überschritten werden dürfte. Anspruch 2 belegt jedoch zusammen mit der zugehörigen Beschreibung (Abs. [0007]), dass das Klagepatent sogar Längenunterschiede von bis zu 10 % als für das Verbleiben auf dem Reifen unschädlich betrachtet. Die Sicherung gegen ein Verrutschen soll erfindungsgemäß im Wesentlichen auch erst durch die Gestaltung des äußeren Seitenbereiches entsprechend den Unteransprüchen 3 bis 5 erreicht werden. Wichtig ist demzufolge, dass die Länge des inneren Bandumfangs im ungespannten Zustand bestimmt wird.
Ferner ist zu beachten, dass der innere Umfang des Bandes um mindestens
4 % größer als der Umfang der Lauffläche des Rades ist. Bei der so umschriebenen Eigenschaft handelt es sich um eine absolut gültige Anforderung, die nicht erst dann zum Tragen kommt, wenn die Gleitschutzvorrichtung über den Reifen gezogen ist.
In Übereinstimmung hiermit ist auch der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.09.2011 (Seiten 28, 30) davon ausgegangen, dass die Bandlänge vor dem Aufziehen auf den Reifen und im ungespannten Zustand zu messen ist.
Für die gegenteilige Ansicht der Klägerin streitet aus vorgenannten Gründen auch nicht, dass das beanspruchte Übermaß durch eine Verhältnisgröße quantifiziert ist, und das Umfangsgrößenverhältnis am genauesten direkt gemessen werden kann, wenn die betreffenden Umfangsgrößen aneinander liegen. Daran vermögen auch die Vorteilsangaben in den Absätzen [0007] und [0011] der Klagepatentschrift sowie die Demonstration der auftretenden Kräfte gemäß der von der Klägerin zu den Akten gereichten Anlage K 18 nichts zu ändern. Die vorteilhaften Auswirkungen der erfindungsgemäßen Lehre mögen sich zwar erst nach dem Überziehen der gelehrten Vorrichtung bzw. nach dem Losfahren (vgl. Absatz [0006]: „… dann, wenn das Rad gedreht wird…“ ) mit dem so ausgestatteten Kraftfahrzeug zeigen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die betreffende Anforderung an die Gleitschutzvorrichtung nur im aufgezogenen Zustand überprüft werden dürfte oder könnte. Ebenso unerheblich ist der Hinweis der Klägerin, dass der Durchschnittsfachmann im Entwurfsstadium testweise hergestellte Überzüge anhand eines tatsächlichen Reifens überprüfen wird.
Der Annahme, dass in ungedehntem Zustand zu messen ist, steht auch nicht folgender Einwand der Klägerin entgegen: Neben dem die Lauffläche umgebenden Textilband sei ein zusätzlicher seitlicher, flexibler Abschnitt vorhanden, der mittels eines elastischen Gliedes festzuspannen sei. Dieses Element müsse beim Aufziehen zwangsläufig elastisch gedehnt werden. Auch übe dieses Seitenteil im nicht aufgezogenen Zustand des Überzuges eine Kraft auf das Band aus, die eine Längenmessung verfälsche. Vor allem diese Kraft müsse bei „Gauging“ und „Pinching“ überwunden werden; das Band selbst werde nicht gedehnt. Die Klägerin vermengt insoweit die Frage, ob das Band als solches in ungedehntem Zustand zu messen ist und ob bei den von ihr angewandten Methoden „Gauging“ und „Pinching“ diese Anforderung erfüllt ist. Das erste ist eine aus vorgenannten Gründen zu bejahende Rechtsfrage. Das zweite ist eine Tatsachenfrage. Gleiches gilt für den Einwand, dass das Textilband eine dreidimensionale, aus Maschen bestehende Gewebestruktur habe, die bereits bei Kräften verformt werde, welche unter den betriebsgemäßen Fliehkräften lägen. In Wahrheit handele es sich nicht um eine Dehnung, sondern um eine bestimmungsgemäße Krümmung der Maschen, um die erfindungsgemäße Wirkung zu erzielen. Ob es bei der von der Klägerin angewandten „Pinching“-Methode zu einer mehr als erfindungsgemäß notwendigen Verformung kommt, ist wiederum Tatfrage.
5.
Nicht zu folgen vermag der Senat jedoch der Ansicht des Landgerichts, aus der Bezugnahme auf einen vorgegebenen Reifen in Merkmal a) entnehme der angesprochene Durchschnittsfachmann, nur ein bestimmter vorschriftsmäßig aufgepumpter Neureifen könne und solle die für die Bestimmung des Radumfangs erforderlichen Referenzwerte liefern. Patentanspruch 1 ist vielmehr dahin auszulegen, dass das Merkmal f1) auch erfüllt ist, wenn sich das geforderte Überlängenverhältnis von mindestens 4 % auf einem Reifen des für die Traktionshilfe empfohlenen Typs im Verschleißprozess bis zu einer Profiltiefe von 1,6 mm einstellt, bis zu deren Erreichen der Reifen verwendet werden darf.
a)
Die wenigsten Benutzer haben ihr Fahrzeug mit völlig ungebrauchten Reifen ausgerüstet, wenn sie die hier in Rede stehenden Traktionshilfen aufziehen. In aller Regel sind die Reifen, wenn die Gleitschutzvorrichtung montiert wird, mehr oder weniger stark abgefahren; sie werden nicht schon nach ganz geringfügigem Verschleiß ausgewechselt, sondern zumindest solange weitergefahren, bis ihr Abnutzungsgrad die vom ADAC für einen Austausch empfohlene Profiltiefe von vier Millimetern erreicht. Oftmals werden sie darüber hinaus solange weitergefahren, bis ihr Abnutzungsgrad die gesetzliche Mindestprofiltiefe von 1,6 mm erreicht. Bei ca. 40 Millionen zugelassenen Kraftfahrzeugen (PKW) in Deutschland und vier Reifen pro Fahrzeug entspricht es insoweit der Lebenserfahrung, dass Traktionshilfen – wie die angegriffenen Überzüge – auch auf derart abgefahrene Reifen aufgezogen werden. Vielfach ist der später mit der Traktionshilfe ausgerüstete Reifen schon im Zeitpunkt ihres Erwerbs nicht mehr neu; in anderen Fällen vergeht bis zum Einsatz der Vorrichtung weitere und mit einer zusätzlichen Abnutzung des Reifens einhergehende Zeit. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dieses Benutzerverhalten auch den Anbietern der hier in Rede stehenden Gleitschutzvorrichtungen bekannt ist. Wenn sie diese Traktionshilfen nach Reifengrößen staffeln und für bestimmte Reifentypen bzw. –gruppen jeweils eine Traktionshilfe bestimmter Größe vorsehen, ist ihnen bewusst, dass die jeweilige Vorrichtung für Reifen dieses Typus in unterschiedlichen Abnutzungszuständen verwendet wird. Dieser Reifentypus entspricht unabhängig vom jeweiligen Abnutzungszustand der vorgegebenen Größe des Fahrzeugrades im Sinne des Merkmals, wobei für den Reifenumfang im unbenutzten Zustand aus der Sicht des von der Klagepatentschrift angesprochenen Durchschnittsfachmanns die Tabellenwerte der Regelung Nr. 30 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) — Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Luftreifen für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger (nachfolgend: ECE R30) herangezogen werden können.
Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich aus Merkmal a) („Fahrzeugrad vorgegebener Größe“) nicht herleiten, dass allein ein Neureifen Bezugsobjekt der Erfindung sein könne: Wer die erfindungsgemäße Gleitschutzvorrichtung für einen bestimmten Reifentypus anbietet, bezieht nämlich jeden praktisch relevanten Abnutzungszustand mit ein und nimmt in Kauf, dass sich beim Benutzer die in Anspruch 1 gelehrten Übermaßverhältnisse auch erst nachträglich ergeben können. Stellen sich bei einem dieser Betriebszustände des jeweiligen Reifentypus die in der Merkmalsgruppe f) angegebenen Größenverhältnisse ein, verwirklicht sich insoweit die unter Schutz gestellte Lehre. Dem steht nicht entgegen, dass bei einem Neureifen diese Verhältnisse noch nicht gegeben sein müssen. Auch wenn das Übermaß des Laufbandes gegenüber der Lauffläche des Reifens die geforderten vier Prozent im Neuzustand noch unterschreitet, steht im Zeitpunkt der Lieferung an den Benutzer und auch im Zeitpunkt der Herstellung schon hinreichend sicher fest, dass bei der unvermeidlich fortschreitenden Abnutzung des Reifens das in seiner Länge jedenfalls nicht kürzer werdende Laufband der Traktionshilfe das erfindungsgemäße Größenverhältnis erreicht, bevor der Reifen erneuert werden muss. Diese Eigenschaft ist den betreffenden Gleitschutzvorrichtungen unabänderlich immanent (vgl. Senat, GRUR 1978, 425, 427 – Umlenktöpfe). Diese latenten Eigenschaften sind entgegen dem Landgericht nicht nur dann vorhanden, wenn die angegriffene Ausführungsform selbst bei bestimmungsgemäßem Gebrauch Veränderungen unterliegt und sich im Laufe dieses Änderungsprozesses die Verwirklichung der unter Schutz gestellten technischen Lehre einstellt, sondern auch, wenn – wie hier – die angegriffene Traktionshilfe selbst unverändert bleibt, die unter Schutz gestellte Lehre aber verwirklicht wird, wenn die Gleitschutzvorrichtung mit einem Reifen in Verbindung gebracht wird, dessen Umfang sich während seiner voraussehbaren Lebensdauer so weit verringert, dass sich die im Klagepatentanspruch 1 gelehrten Größenverhältnisse einstellen. Da deren Eintritt notwendigerweise die Verbindung der Traktionshilfe mit einem Reifen voraussetzt, mag die geforderte Überlänge möglicherweise beim Aufziehen auf einen Neureifen noch fehlen, die Vorrichtung hat aber schon im Lieferzustand allein aufgrund ihrer Abmessungen die Eigenschaft, montiert auf einem entsprechend weit abgefahrenen Reifen des empfohlenen Typus, die erfindungsgemäß beanspruchte Überlänge zu erreichen.
Die Forderung des Patentanspruchs nach einem Fahrzeugrad „vorgegebener Größe“ besagt nach allem nur, dass jeder Gleitschutzüberzug nur mit zur für ihn vorgesehenen Reifenkategorie in Beziehung gesetzt werden darf, so dass es ausscheidet, das geforderte Übermaß von mindestens 4 % dadurch zu begründen, dass ein an sich für einen größeren Reifen vorgesehener Überzug an einem unpassenden kleineren Reifen gemessen wird.
b)
Diese Auslegung steht nicht in zwingendem Widerspruch zu den Ausführungen der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes in ihrer Entscheidung vom 08.05.2008, die der Senat bei der Auslegung des Klagepatents als sachverständige Äußerung zu berücksichtigen und zu würdigen hat (vgl. BGH, GRUR 1996, 757, 759 – Zahnkranzfräse; GRUR 1998, 895 – Regenbecken; GRUR 2010, 950, 951/952 – Walzenformgebungsmaschine). Soweit dort ausgeführt ist, es liege für den angesprochenen Fachmann nahe, im ungedehnten Zustand zu messen und als Referenzgröße einen Neureifen zu verwenden, ist zu beachten, dass damit lediglich eine Möglichkeit zum Nacharbeiten der Lehre des Klagepatentes aufgezeigt und zum Ausdruck gebracht wird, dass die Erfindung in jedem Fall verwirklicht ist, wenn eine ungedehnte Traktionsvorrichtung 4 % länger ist als die Lauffläche eines Neureifens. Mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Erfindung bei Gebrauchtreifen benutzt wird, hat sich die Einspruchsabteilung nicht befasst.
Ähnliches gilt auch für die Ausführungen des im Verfahren vor dem Tribunale di Milano tätigen gerichtlichen Sachverständigen. Dieser hat in seinem Gutachten vom 01.12.2008 (vgl. Anlage B 4/2; siehe das Urteil gemäß Anlage N 15) die Ansicht vertreten, er sei nicht völlig davon überzeugt, dass diese Methode eindeutig dem Wortlaut des Patents zu entnehmen ist, halte die Verwendung eines neuen und vorschriftsmäßig aufgepumpten Referenzreifens aber für sinnvoll, um zu einem eindeutigen Messergebnis zu gelangen. Auch der italienische Sachverständige – sowie das ihm in seiner als Anlage N 15 ohne deutsche Übersetzung vorgelegten Entscheidung vom 27.10.2010 folgende italienische Gericht – hat nicht berücksichtigt, dass der Benutzer die erfindungsgemäße Traktionshilfe in aller Regel auf abgefahrene Reifen montiert. Entsprechendes gilt ebenso für die als Anlage N 14 vorgelegte, lediglich auszugsweise übersetzte (Bl. 344j GA) Entscheidung des spanischen Gerichts vom 02.11.2007, mit der ein Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Dritten zurückgewiesen worden ist.
c)
Zwar ist auch der vom Senat bestellte Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.09.2011 davon ausgegangen, dass sich die Übermaßangaben für die Gleitschutzvorrichtung auf einen vorschriftsmäßig aufgezogenen Neureifen beziehen (vgl. Gutachten, Seiten 31–38, insb. Seiten 37 und 38). Die Begründung des Sachverständigen dafür, dass ausschließlich Neureifen für die Messung heranzuziehen sind, überzeugt allerdings nicht.
Der Sachverständige meint, es komme andernfalls zu Widersprüchen; insbesondere könne es zu Übergrößen von mehr als 10 % kommen, so dass das Übermaß der Vorrichtung bezogen auf den Reifen nicht eingehalten werden könne. Letzteres Argument, welchem der Gerichtsgutachter ersichtlich entscheidende Bedeutung beigemessen hat, geht jedoch schon deshalb fehl, weil die Obergrenze von 10 % lediglich dem Unteranspruch 2 zu entnehmen ist. Der allgemeine Hauptanspruch enthält lediglich die Untergrenze von 4 %, nicht aber eine Obergrenze. Auch in Absatz [0006] der allgemeinen Patentbeschreibung ist ausschließlich die Untergrenze von 4 % erwähnt. Ferner heißt es im nachfolgenden Absatz [0007], dass eine Übergröße von „bis zu 4 % oder mehr“ zugelassen werden kann. Auch hier wird das besondere Gewicht auf die Untergrenze gelegt, wohingegen eine Obergrenze nicht festgelegt wird. Zwar hat die Klägerin vorliegend den Unteranspruch 2 zum Gegenstand ihres Hauptantrages gemacht. Mit Blick auf die Auslegung des Klagepatents ist gleichwohl zu beachten, dass die Obergrenze von 10 % lediglich bevorzugt gelehrt wird und daher nicht allgemein als Argument gegen die Berücksichtigung der Abnutzung von Reifen streiten kann. Abgesehen davon führt die Berücksichtigung einer Reifenabnutzung auch im Hinblick auf den hier in Kombination mit Patentanspruch 1 geltend gemachten Unteranspruch 2 nicht zu „Widersprüchen“: Es reicht aus, wenn sich das von Unteranspruch 2 geforderte Übermaß des Laufbandes gegenüber der Lauffläche des Reifens von 4 bis 10 % (Merkmal f2) im Rahmen der bestimmungsgemäßen Benutzung des Reifens einstellt. Auch in einem solchen Fall steht im Zeitpunkt der Lieferung der Vorrichtung an den Benutzer und auch im Zeitpunkt der Herstellung schon hinreichend sicher fest, dass bei der unvermeidlich fortschreitenden Abnutzung des Reifens im Rahmen seiner bestimmungsgemäßen Benutzung das Laufband der Traktionshilfe das erfindungsgemäße Größenverhältnis erreicht. Dass es im Rahmen einer weiteren Abnutzung des Reifens bis zu einer Profiltiefe von 1,6 mm möglicherweise zu einer Übergröße von mehr als 10 % kommen kann, steht einer Verletzung des Patentanspruchs 2 nicht entgegen. Es genügt vielmehr, wenn sich die patentgemäßen Verhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt im Rahmen der bestimmungsgemäßen Benutzung des Reifens einstellen.
Soweit der gerichtliche Sachverständige ferner anführt, der Fachmann gehe bei Bauteilen grundsätzlich von Nennmaßen aus (Anhörungsprotokoll, Seite 3 [Bl. 771 GA]), spricht dies ebenfalls nicht gegen die Berücksichtigung einer Abnutzung des Reifens. Denn der Fachmann – als solcher ist hier ein an einer Fachhochschule oder Universität ausgebildeter Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau und Vertiefung Kraftfahrwesen anzusehen, der mindestens drei Jahre Berufserfahrung hat und zumindest auch Grundkenntnisse auf dem Gebiet der Kautschuk- und Textilanwendung besitzt (vgl. Gutachten, Seite 7) – geht bei seinen Überlegungen durchaus von den sich aus den einschlägigen Normen ergebenden Reifenmaßen aus (dazu sogleich). Da – was der Fachmann weiß – Gleitschutzvorrichtungen in aller Regel auf mehr oder weniger abgefahrene Reifen montiert werden, berücksichtigt er aber eben auch zusätzlich eine zwangsläufige Reifenabnutzung.
Der Senat ist an die Auffassung des Sachverständigen nicht gebunden. Wie ein Patent auszulegen ist, ist eine Rechtsfrage, (st. Rspr.; siehe nur BGHZ 142, 7, 15 = GRUR 1999, 977 – Räumschild; BGH GRUR 2006, 131, 133 – Seitenspiegel). Der Tatrichter darf daher die richterliche Aufgabe der Auslegung des Patentanspruchs nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen, indem er von der Annahme ausgeht, dass der gerichtliche Sachverständige „als Durchschnittsfachmann das Patent ausleg(e)”. Zwar bildet das Verständnis des Fachmanns von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs die Grundlage der Auslegung. Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen muss, wenn es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können. Denn der gerichtliche Sachverständige hat insbesondere die Aufgabe, dem Gericht Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns sowie die Arbeitsweise zu vermitteln, mit der dieser technische Probleme seines Fachgebiets zu bewältigen trachtet (BGH, GRUR 2006, 131, 133 – Seitenspiegel). Das Verständnis des Patentanspruchs durch den Durchschnittsfachmann ist hingegen unmittelbarer Feststellung regelmäßig entzogen (BGHZ 160, 204, 213] = GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH GRUR 2006, 131, 133 – Seitenspiegel). Erst recht dürfen die Ausführungen des Sachverständigen zu seinem Verständnis des Patentanspruchs nicht als „Feststellungen” zum Inhalt des Patentanspruchs behandelt werden, die wie tatrichterliche Feststellungen nur noch einer Kontrolle auf Rechtsfehler unterzogen werden. Das Gericht darf die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens nicht ohne weiteres übernehmen; sachverständige Äußerungen sind vom Tatrichter vielmehr eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen (Senat, GRUR 2001, 770 – Kabeldurchführung II; GRUR 2006, 131, 133 – Seitenspiegel).
d)
Verwirklicht ist der Patentanspruch 1 bei zutreffender Auslegung, wenn sich das Überlängenverhältnis von mindestens 4 % auf einem Reifen des für die Traktionshilfe empfohlenen Typus im Verschleißprozess bis zu einer Profiltiefe von 1,6 mm einstellt, bis zu deren Erreichen der Reifen verwendet werden darf. Ebenso wird von der Lehre des Patentanspruchs 2 Gebrauch gemacht, wenn sich das Überlängenverhältnis von 4 bis 10 % auf einem Reifen des für die Traktionshilfe empfohlenen Typus im Verschleißprozess bis zu einer Profiltiefe von 1,6 mm einstellt.
Soweit der Senat in seinem in der Sache I – 2 U 136/09 ergangenen Urteil vom 29.07.2010 noch angenommen hat, Anspruch 1 sei verwirklicht, wenn sich das Überlängenverhältnis von 4 % auf einem Reifen des für die Traktionshilfe empfohlenen Typus im Verschleißprozess bis zu einer Profiltiefe von 4 mm einstellt, bei deren Erreichen der Austausch des Reifens empfohlen wird, hält er hieran nicht fest. Der in dem damaligen Urteil zugrunde gelegte Wert beruht auf einer Empfehlung des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs e.V. (ADAC), nach der Pkw-Reifen bei einer Abnutzung bis auf 4 mm Profiltiefe nicht mehr verwendet werden sollen. Hierbei handelt es sich allerdings bloß um eine (unverbindliche) Empfehlung eines Automobilclubs. Die Benutzung von Reifen mit geringerer Profiltiefe ist gesetzlich zulässig. Außerdem stellt sich die Frage, wem die betreffende Empfehlung überhaupt bekannt ist und wie viele Autobesitzer sich tatsächlich an diese halten. Ist eine Abnutzung zu berücksichtigen, kann nur darauf abgestellt werden, dass es nach deutschem Straßenverkehrszulassungsrecht (§ 36 Abs. 2 StVZO) für jeden Autoreifen einen zulässigen Höchstwert für die Abnutzung bzw. ein gesetzliches Mindestprofilmaß gibt: Danach dürfen Kfz-Reifen erst ab weniger als 1,6 mm Profiltiefe nicht mehr verwendet werden. Bei Berücksichtigung einer Reifenabnutzung wird der Fachmann auf eben dieses gesetzliche Mindestprofilmaß abstellen. Denn er wird die gesetzlichen Vorschriften als Basis nehmen, um die nach dem zulässigen Verschleiß vorhandenen Abmessungen zu errechnen (vgl. auch Gutachten Prof. F , Seite 34).
e)
Entgegen der Ansicht der Beklagten bleibt der Schutzbereich des Klagepatents auch bei der hier vertretenen Betrachtungsweise abgrenzbar und vorhersehbar. Anspruch 1 ist danach verwirklicht, wenn sich das Überlängenverhältnis von 4 % auf einem Reifen des für die Traktionshilfe empfohlenen Typus im Verschleißprozess bis zu einer Profiltiefe von 1,6 mm einstellt, bei deren Erreichen der Austausch des Reifens vorgeschrieben ist. Ebenso wird von der Lehre des Patentanspruchs 2 Gebrauch gemacht, wenn sich das Überlängenverhältnis von mindestens 4 % und höchstens 10 % auf einem Reifen des für die Traktionshilfe empfohlenen Typus im Verschleißprozess bis zu einer Profiltiefe von 1,6 mm einstellt. Darauf können sich Hersteller der in Rede stehenden Traktionshilfen einrichten, weil ausgehend von den Werten für Neureifen berechenbar ist, ob im Verlauf der Abnutzung des Reifens die in Anspruch 1 bzw. Anspruch 2 gelehrten Größenverhältnisse eintreten.
f)
Der Heranziehung eines gebrauchten Reifens mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestprofilmaß von 1,6 mm als für die Bestimmung des Radumfangs maßgeblichen Referenzreifen steht nicht entgegen, dass das Klagepatent der deutsche Teil eines europäischen Patents ist. Bei einem europäischen Patent handelt es sich um ein „Bündelpatent“, das gemäß Art. 2 Abs. 2 EPÜ in jedem Vertragsstaat dieselbe Wirkung entfaltet und denselben Vorschriften wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent unterliegt soweit das EPÜ nichts Anderes bestimmt. Ein europäisches Patent behält zwar seine europäische Prägung; es bleibt – wie auch die Präambel zeigt – den einheitlichen Vorschriften des EPÜ unterworfen (Jestaedt/Kolle, in: Benkard, EPÜ, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 2). Gerade für die Auslegung ist Art. 69 EPÜ zu beachten. Geht es bei wortgleichen Schutzrechtsteilen und identischen angegriffenen Ausführungsformen um die Kategorie wortsinngemäßer Benutzung, hat die Patentauslegung und Schutzbereichsbestimmung in sämtlichen Benennungsstaaten hiernach nach denselben rechtlichen Regeln stattzufinden. Die Bejahung einer Verletzung in Bezug auf den einen Schutzrechtsteil bedeutet deswegen regelmäßig, dass mit denselben technischen und rechtlichen Erwägungen Ansprüche wegen Patentverletzung auch hinsichtlich der anderen parallelen Schutzrechtsteile anzunehmen sind (vgl. Senat, Mitt. 2000, 369 – Human-Interferon-alpha; Urteil vom 12.05.2005 – I-2 U 67/03, BeckRS 2008, 05162; Beschluss vom 20.03.2012 – I-2 W 8/14). Vor diesem Hintergrund könnten hier auf den ersten Blick Zweifel daran bestehen, ob der Durchschnittsfachmann für die einzelnen nationalen Teile auf die jeweiligen nationalen Straßenverkehrszulassungsbestimmungen abstellt, die ggf. ganz andere untere Grenzwerte ausweisen können. Dies könnte nämlich zu dem Ergebnis führen, dass bei wortgleichen Schutzrechtsteilen und identischen angegriffenen Ausführungsformen die angegriffene Ausführungsform in dem Benennungsstaat A als wortsinngemäße Übereinstimmung mit der unter Schutz gestellten technischen Lehre zu qualifizieren ist, wohingegen in dem Benennungsstaat B eine wortsinngemäße Patentbenutzung zu verneinen ist. Letzteres mag zwar ein nicht wünschenswertes Ergebnis sein, steht jedoch rechtlich einem Abstellen auf die in den einzelnen Benennungsländern geltenden nationalen Straßenverkehrszulassungsbestimmungen nicht entgegen. Indem nämlich jeweils auf die in dem jeweiligen Bennenungsstaat geltenden nationalen Straßenverkehrszulassungsbestimmungen abgestellt wird, findet die Patentauslegung in sämtlichen Benennungsstaaten einheitlich und nach denselben rechtlichen Regeln statt. Aufgrund des in dem jeweiligen Bennenungsstaat geltenden Straßenverkehrszulassungsrechts kann diese einheitliche Auslegung bloß zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das ist hinzunehmen. Denn bei einem europäischen Patent handelt es sich eben nicht um ein einheitliches Schutzrecht, sondern um ein Bündel nationaler Patente. Der Gerichtshof der Europäischen Union betont dementsprechend in seiner Rechtsprechung, dass ein europäisches Patent, wie sich eindeutig aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 64 Abs. 1 EPÜ ergibt, weiterhin dem nationalen Recht jedes der Vertragsstaaten, für die es erteilt worden ist, unterliegt und infolgedessen jede Klage wegen Verletzung eines europäischen Patents, wie Art. 64 Abs. 3 EPÜ zu entnehmen ist, anhand des einschlägigen nationalen Rechts zu prüfen ist, das in jedem der Staaten, für die das Patent erteilt worden ist, gilt (EuGH, GRUR 2007, 47, 48 – Roche Nederland u. a./Primus und Goldenberg; GRUR 2012, 1169, 1170 – Solvay).
g)
Eine Auslegung des Anspruchs 1 dahin, dass das Merkmal f1) erfüllt ist, wenn sich das Überlängenverhältnis von 4 % auf einem Reifen des für die Traktionshilfe empfohlenen Typus im Verschleißprozess bis zu einer Profiltiefe von 1,6 mm einstellt, bis zu deren Erreichen der Reifen verwendet werden darf, führt entgegen der Auffassung der Streithelferin auch nicht dazu, dass aus der US-Patentschrift 2 682 AAC (Anlage K 4) bekannte Vorrichtungen in den Schutzbereich des Klagepatents einbezogen werden.
aa)
Wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat (Gutachten, Seiten 32 ff.; Schreiben vom 07.06.2013, Seiten 3 ff. [Bl. 507 ff GA]; Ergänzungsgutachten 1, Seite 25), geht der Fachmann, der prinzipiell in Nennmaßen denkt (Gutachten, Seite 32; Anhörungsprotokoll, Seite 3), als Basis seiner Überlegungen von dem Nenndurchmesser eines Reifens aus, wie er sich aus der ECE R30 (Anlage N 17) ergibt. Die ECE-Regelungen bezeichnen einen Katalog von international vereinbarten, einheitlichen technischen Vorschriften für Kraftfahrzeuge sowie für Teile und Ausrüstungsgegenstände von Kraftfahrzeugen. Die meisten der ECE-Regelungen sind von einer großen Mehrheit der Vertragsstaaten angenommen und jeweils in nationales Recht integriert; sie erfassen die meisten Teile und Ausrüstungen von Kraftfahrzeugen, die für die Erteilung einer Betriebserlaubnis von Belang sind (vgl. Anlage N 16). Die hier einschlägige ECE R30 legt die für Reifen maßgeblichen Werte fest und führt sie in einer zugehörigen Tabelle auf. An sie haben sich die Hersteller zu halten, wenn sie eine Zulassung des Reifens erhalten wollen (Schreiben Prof. F vom 07.06.2013, Seite 4 [Bl. 508 GA]). Da in der Norm klare Bedingungen für die angegebenen Reifenmaße genannt werden, geht der Fachmann bei seinen Überlegungen von den dort angegebenen Werten aus (Schreiben Prof. F vom 07.06.2013, Seite 5 [Bl. 508a GA]). Demgegenüber handelt es bei den von der European Tyre and Rim Technical Organisation (E.T.R.T.O.) veröffentlichten Reifenwerten, von denen die Parteien ausgegangen sind, lediglich um solche, die ein Gremium namhafter Reifenhersteller für sich festgelegt hat. Auf die sich hieraus ergebenden Werte wird der Fachmann daher lediglich hilfsweise zurückgreifen, wenn die einschlägige ECE R30 keine Angaben zu einem bestimmten Reifentyp enthält.
Aus dem Anhang V Tabelle II der ECE R-30 ergibt sich der Durchmesser für verschiedene Reifentypen. Nimmt man z.B. den Reifen des Typs 155 R15, hat dieser ausgehend von einem in der Tabelle angegebenen Außendurchmesser (D) von 630 mm einen Umfang (U = π * D) von 1979 mm (3,14 * 630 mm). Dies entspricht dem Nennmaß (N) des Umfangs der Lauffläche eines Neureifens nach der ECE R30. Dieses Maß ist für den Durchschnittsfachmann vorliegend die Grundlage seiner Überlegungen (Gutachten, Seite 34 oben).
Darüber hinaus berücksichtigt der Fachmann, dass die ECE R30 Angaben zur zulässigen Toleranz der Maßabweichungen vom Nennmaß (Außendurchmesser D) enthält. Diese betragen + 1,5 % nach oben, dies entspricht dem maximal zulässigen Durchmesser, und – 2,5 % nach unten, dies entspricht dem minimal zulässigen Durchmesser (Gutachten, Seite 34). Für den oben beispielhaft angesprochenen Neureifen des Typs 155 R15 ergibt sich hiernach das zulässige maximale Maß des Umfangs (URmax) von 2008,69 mm (= 1.979 mm + 29,69 mm) sowie das zulässige minimale Maß des Reifenumfangs (URmin) von 1.929,53 mm (= 1.979 mm – 49,48 mm) im Neuzustand.
Die Profiltiefe von industriell hergestellten Pkw-Reifen beträgt 8 mm. Da der Reifen eine Profiltiefe von mindestens 1,6 mm aufweisen muss, darf sich der Durchmesser eines solchen Reifens daher maximal um 16 mm – 3,2 mm (zweimal maximale Pro-filtiefe minus zweimal minimale Profiltiefe) verringern.
Die nachfolgend eingeblendete Abbildung (Gutachten, Seite 36 Abb. 16) veranschaulicht unter Berücksichtigung der zulässigen Toleranzen sowie des zulässigen Verschleißmaßes schematisch die sich hieraus ergebenden Umfangsmaße:
Die für den vorstehend angesprochenen Beispielsreifen des Typs 155 R15 möglichen Durchmesser und Umfänge ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle (Gutachten, Seite 36 Abb. 17), und zwar bezogen auf einen Neureifen und einen gebrauchten Reifen mit maximal zulässigem Verschleiß:
Ein Neureifen des Typs 155 R15 kann danach im Hinblick auf die zulässigen Durchmessertoleranzen einen zulässigen minimalen Umfang URmin haben, bei dem es sich um den für den Patentinhaber bei der Verletzungsprüfung günstigsten Reifenumfang der angegriffenen Traktionshilfen handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 21.05.2014 [Bl. 685 GA]). Wird ein solcher Reifen bis zum gesetzlichen Mindestprofil (1,6 mm) abgefahren, hat er den Umfang URminv.
bb)
Hinsichtlich der für die Bestimmung des Radumfangs erforderlichen Referenzwerte kann damit auf einen Reifen nach ECE R30 mit maximaler negativer Durchmessertoleranz und maximal zulässigem Verschleiß abgestellt werden. Dementsprechend hat der Senat dem gerichtlichen Sachverständigen mit Beschluss vom 21.05.2014 (Bl. 685 GA) vorgegeben, als Ausgangsgröße nur die jeweiligen ECE R30-Werte heranzuziehen, von diesen Nennwerten aus zunächst den für den Patentinhaber günstigsten Umfang des Neureifens zu berechnen (URmin) und weiterhin den Umfang des Gebrauchtreifens zu berechnen, der im Neuzustand dem Umfang URmin entsprach, aber bis zum gesetzlichen Mindestprofilmaß von 1,6 mm abgefahren wurde (URminv).
cc)
Eine entsprechende Anspruchsauslegung führt nicht zu einer Einbeziehung der aus der US-Patentschrift 2 682 AAC bekannten Vorrichtung in den Schutzbereich des Klagepatents.
(1)
Für die kleinste und größte Größe der angegriffenen Ausführungsformen sollen sich nach den Angaben der Klägerin unter Zugrundelegung einer zulässigen Reifenabnutzung bis auf 1,6 mm Übergrößen-Zuwächse von ca. 2,4 bzw. 1,7 % ergeben (Bl. 314 GA). Diese von der Klägerin angegebenen Werte stehen im Wesentlichen im Einklang mit den Angaben in der Tabelle A2 des von der Klägerin als Anlage K 16 vorgelegten Untersuchungsberichts. Wertet man die dort angegebenen Zahlen aus, ergeben sich Zuwächse von 1,7 bis 2,5 %. In diesem Bereich liegen auch die sich aus den von der Klägerin als Anlagen K 27 und K 28 vorgelegten, von ihr auf Basis der von der Beklagten behaupteten Messergebnisse erstellten Tabellen ergebenden Zuwächse. Die von der Klägerin für die kleinste und größte Überzugsgröße unter Zugrundelegung einer Reifenabnutzung auf 1,6 mm angegebene Zuwächse von 2,4 bis 1,7 % liegen deutlich unterhalb des erfindungsgemäßen Wertes. Unter Zugrundelegung der von der Klägerin angegebenen Zahlen wird das Merkmal f1) noch nicht verwirklicht, wenn die Überlänge gegenüber einem Neureifen 1,49 bis 2,2 % beträgt. Da die aus der
US-Patentschrift 2 682 AAC bekannte Vorrichtung aber eng am Reifen anliegt, ist ihre Überlänge gegenüber einem Neureifen mit Nennmaß sogar noch geringer.
(2)
Selbst wenn die von der Klägerin angegebenen Werte nicht richtig sein sollten, zeigen die Beklagte und die Streithelferin jedenfalls nicht auf, dass ausgehend vom Nennmaß eines Neureifens (DRnenn) bei der aus der US-Patentschrift 2 682 AAC bekannten Vorrichtung das Größenverhältnis beim Abfahren des Reifens von 8 mm auf 1,6 mm Profiltiefe so zunimmt, dass das Merkmal f1) erfüllt wird. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Nimmt man z.B. den vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 28.09.2011 angesprochenen Beispielsreifen des Typs 155 R15, ergibt sich folgendes Bild: Der Nennumfang dieses Reifens im Neuzustand (URnenn) beträgt nach der ECE R30 1979 mm; der Umfang dieses Reifens bei maximal zulässigem Verschleiß (URnennv) beträgt 1937 mm. Letzteres ist der Umfang des maximal zulässig verschlissenen Reifens mit Nenndurchmesser, d.h. ohne Durchmessertoleranzen, bei einer Restprofiltiefe von 1,6 mm. Die Um-fangsdifferenz, die sich gemäß der Formel URnenn – URnennv =
Δ Unenn errechnet, beträgt 42 mm (= 1979 mm – 1937mm). Dies entspricht bezogen auf URnennv: AWnenn = (42mm * 100%)/1937mm = 2,17%. Merkmal f1) wird danach noch nicht verwirklicht, wenn die Überlänge gegenüber einem Neureifen
1,82 % beträgt. Da die aus der US-Patentschrift 2 682 AAC bekannte Vorrichtung aber eng am Reifen anliegt, ist ihre Überlänge gegenüber einem Neureifen mit Nennmaß noch geringer. Das Ergebnis ist kein anderes, wenn man berücksichtigt, dass die ECE R30 eine Abweichung vom Nennmaß um + 1,5 % nach oben zulässt. Legt man den maximal zulässigen Durchmesser zugrunde, beträgt der maximale Umfang des Reifens im Neuzustand (URmax) 2008 mm; der Umfang dieses Reifens bei maximal zulässigem Verschleiß (URmaxv) beträgt 1965 mm. Hieraus ergibt sich eine Umfangsdifferenz von 43 mm, was 2,18% entspricht. Geht man von dem minimal zulässigen Durchmesser aus, ergibt sich eine Umfangsdifferenz von 2,17 %.
(3)
Etwas anderes gilt nur dann, wenn man berücksichtigt, dass die bekannte Gleitschutzvorrichtung innerhalb der zulässigen Toleranzen z.B. für einen Neureifen des Typs X mit maximal zulässigem Reifenumfang (URmax) ausgelegt ist, auf dem sie nach ihrer Montage eng anliegt, die Vorrichtung aber tatsächlich auf einen Gebrauchtreifen des Typs X montiert wird, der im Neuzustand den minimal zulässigen Umfang (URmin) eines Reifens des Typs hatte und nunmehr maximal zulässig verschlissen ist und damit jetzt den Umfang URminv hat. Dann ergibt sich nämlich in Bezug auf den Beispielreifen des Typs 155 R15 eine Umfangsdifferenz von 120 mm, was 6,3 % entspricht. Ausgehend von einem maximal zulässigen Reifenumfang ohne Verschleiß bis zu einem minimalen Reifenumfang mit maximalem Verschleiß kommt es dann in der Tat zu einer Umfangsänderung von mehr als 4 %. Gleiches kommt in Betracht, wenn man – wie die Streithelferin in ihrem letzten Schriftsatz – davon ausgeht, dass die bekannte Gleitschutzvorrichtung für einen Neureifen des Typs X mit Nenndurchmesser ausgelegt ist, auf dem sie eng anliegt, dieselbe Traktionsvorrichtung aber auf einen Gebrauchtreifen des Typs X montiert wird, der im Neuzustand den minimal zulässigen Umfang (URmin) eines Reifens der Dimension X hatte und nunmehr maximal zulässig verschlissen ist. In Bezug auf den angesprochenen Beispielreifen der Dimension 155 R15 ergibt sich dann ebenfalls eine Umfangsänderung von mehr als 4 %.
Diese Überlegungen stehen der hier vertretenen Anspruchsauslegung jedoch nicht entgegen, weil in beiden erwähnten Fallkonstellationen die Anbringung der Traktionshilfe auf dem Gebrauchtreifen nicht der Lehre der US-Patentschrift 2 682 AAC entspricht. Die vorbekannte Gleitschutzvorrichtung zeichnet sich – wie auch der gerichtliche Sachverständige betont hat (Anhörungsprotokoll, Seite 4 [Bl. 772 GA] – dadurch aus, dass sie eng am Reifen anliegt. Wird z.B. eine für einen Neureifen des Typs X mit Nenndurchmesser ausgelegte Gleitschutzvorrichtung, auf dem sie eng anliegt, tatsächlich auf einen Gebrauchtreifen des Typs X montiert, der im Neuzustand den minimal zulässigen Umfang eines Reifens des Typs X hatte und nunmehr maximal zulässig verschlissen ist, ist dies aber nicht der Fall. Eine solche Anbringung der Vorrichtung entspricht daher nicht der Lehre der US-Patentschrift.
Die hier vertretene Auslegung des Patentanspruchs 1 führt deshalb keineswegs zu einer Einbeziehung der aus der US-Patentschrift 2 682 AAC bekannten Vorrichtung in den Schutzbereich des Klagepatents. Die von der Streithelferin angestellte Überlegung bezieht sich nicht auf ein und denselben Reifen, der im Neuzustand einen bestimmten Umfang hatte und der im maximal verschlissenen Zustand einen infolge seiner Abnutzung entsprechend kleineren Umfang hat, sondern auf den Vergleich unterschiedlicher Reifen eines Typs. Die Auslegung des Patentanspruchs 1 durch den Senat basiert hingegen darauf, dass der Referenzwert für die notwendige Bestimmung des Radumfangs von einem Reifen geliefert wird, der im Neuzustand einen bestimmten Umfang hatte (konkret: URmin) und der bis zum gesetzlichen Mindestprofilmaß von 1,6 mm abgefahren wurde und daher nunmehr in diesem verschlissenen Zustand einen entsprechend kleineren Umfang hat (konkret: URminv). Betrachtet wird ein bestimmter Reifen, nicht aber unterschiedliche Reifen eines bestimmten Typs. Den für die Bestimmung des Radumfangs erforderlichen Referenzwert liefert jeweils ein konkreter Fahrzeugreifen, der im Neuzustand einen bestimmten Umfang (URmin) hat und der im verschlissenen Zustand einen – bezogen auf eben diesen Ausgangsumfang – entsprechend kleineren Umfang (aus URmin wird URminv) hat. Dass diese Betrachtung zur Einbeziehung der aus der älteren US-Patentschrift bekannten Gleitschutzvorrichtung in den Schutzbereich des Klagepatents führt, behaupten weder die Beklagte noch ihre Streithelferin.
h)
Auch die weiteren Argumente der Streithelferin zwingen schließlich nicht zu der Annahme, dass nur ein Neureifen als Vergleichsobjekt diene dürfe: Dass Sommerreifen und Winterreifen im Neuzustand unterschiedliche Profiltiefen aufweisen, spricht nicht gegen die Berücksichtigung der Abnutzung. Gleiches gilt für den Hinweis, dass nicht alle Reifen mit dem gleichen Reifendruck gefahren würden und sich die Höhe über dem Meeresspiegel der Region, in der der Reifen gefahren wird, auf die Abnutzung auswirke. Denn es sind durchschnittliche Bedingungen zugrunde zu legen.
C.
Von der oben erläuterten Lehre der Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents macht die Beklagte mit den angegriffenen Textilüberzügen Gebrauch.
1.
Dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale a) bis e) der oben unter B. wiedergegebenen Merkmalsgliederung wortsinngemäß verwirklichen, steht zwischen den Parteien – zu Recht – außer Streit.
2.
Nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme verwirklichen die von der Beklagten angebotenen Überzüge auch die Merkmale der Merkmalsgruppe f) wortsinngemäß.
a)
Der gerichtliche Sachverständige hat eigene Messungen an von der Klägerin zu den einzelnen Größen vorgelegten Traktionshilfeexemplaren durchgeführt. Er ist hierbei davon ausgegangen, dass der Fachmann zur Feststellung einer Verwirklichung des Merkmals f1) ein Messverfahren anwenden wird, das insbesondere
(1) eindeutig reproduzierbar sein
(2) eine möglichst direkte Messung der betrachteten Größe ermöglichen
(3) hinreichend genau sein und,
(4) da es um eine Längenmessung geht, möglichst dem Abbé schen Komparatorprinzip (zu messendes Längenmaß und Messmittel liegen in einer Linie) genügen
soll (Ergänzungsgutachten 1, Seiten 12 und 18). Außerdem berücksichtigt der Fachmann bei der vorzunehmenden Messung, dass das textile Band der Vorrichtung straff, aber ungedehnt gemessen werden soll (Ergänzungsgutachten 1, Seite 19).
Hiervon ausgehend hat der Sachverständige eine geeignete Messmethode gewählt, die er in seinem ersten Ergänzungsgutachten (Seiten 19 ff) im Einzelnen erläutert hat. Aufgrund der Faltenbildung auf der Seite des Kreuzbandes der Traktionshilfe und um Messungenauigkeiten durch das elastische Band auf der Radinnenseite des Überzuges zu vermeiden, hat der Sachverständige diese beiden seitlich der textilen Lauffläche der Traktionshilfe angenähten Flächen bei allen gemessenen Mustern entfernt, so dass ein textiler Ring für die Messung zur Verfügung stand (Ergänzungsgutachten 1, Seite 19). Die von ihm für diesen Ring eingesetzte Messvorrichtung besteht im Wesentlichen aus zwei parallelen, senkrecht übereinander angeordneten Rollen bzw. Umlenkungen. Die untere Rolle, die in senkrechter Richtung frei beweglich ist, dient zusätzlich zur Erzeugung einer Gewichtskraft zur faltenfreien Straffung des Textils. Sie besitzt an ihren Stirnseiten mittig jeweils einen Ableseindex zum Ablesen eines Längenmaßes an jeweils einem Maßstab. Die Maßstäbe sind parallel und senkrecht zur Achse der Rollen angeordnet, so dass an ihnen mithilfe der Zeiger eine Länge abgelesen werden kann. Durch die gegenüberliegende, doppelte Anordnung der Ableseeinrichtungen können etwaige Schiefstellungen der Rollen zueinander herausgerechnet werden. Mithilfe der Rollendurchmesser und der abgelesenen und ggf. korrigierten Längenmessung kann der Wert des inneren Umfangs des textilen Bandes bestimmt werden. Die mittels dieser Messvorrichtung nach der im Gutachten angegebenen Formel ermittelten Messwerte der Länge „L“ hat der Sachverständige nicht direkt in Ansatz gebracht. Da das Eigengewicht der zum Glätten des Textils verwendeten Rolle zu einer Dehnung des zu messenden Textils führt, musste diese Dehnung nämlich wieder aus den ermittelten Werten heraus gerechnet werden, um korrekte Werte für „L“ zu erhalten. Infolge seiner Voruntersuchungen (Ergänzungsgutachten 1, Seiten 12-18) mit Hilfe einer kalibrierten Zugprüfmaschine war es dem Sachverständigen insoweit möglich, die entsprechende Dehnung in Abhängigkeit von der Gewichtskraft exakt zu bestimmen, so dass er den Fehlwert korrigieren konnte (Ergänzungsgutachten 1, Seite 22).
b)
Zwar stammt die überwiegende Anzahl der von der Klägerin für die Untersuchungen des Sachverständigen vorgelegten und von diesem untersuchten Traktionshilfeexemplare aus dem Jahre 2011 und sind diese von der Klägerin nicht in Deutschland erworben worden. Die Streithelferin hat vorgetragen, dass diese Muster einer geänderten Spezifikation folgen. Sie habe nämlich im Jahr 2009 die Spezifikation zur Herstellung der Überzüge geändert. Bis dahin habe es eine gültige Spezifikation für das Material der textilen Bänder der Traktionshilfe gegeben, die für das textile Band (schwarzes Material) ein Textilflächengewicht von 560 g/m2 vorgesehen habe. Nach der Änderung der Spezifikation betrage dieses Flächengewicht hingegen 660 g/m2. Auch sei das gitterartige Textil der Außenseite geändert worden. Bis 2009 habe dessen Flächengewicht 310 g/m2 betragen, danach 320 g/m2. Diese Werte hat der Gerichtsgutachter auch zumindest phänomenologisch durch seine Untersuchungen nachvollziehen können (Ergänzungsgutachen 1, Seiten 10 und 13 f.). Nach dem unwiderlegten Vorbringen der Streithelferin sind Überzüge gemäß der geänderten Spezifikation zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten in Deutschland vertrieben worden. Soweit die Klägerin behauptet, die Überzüge würden von der Beklagten weiterhin im Internet auf der Internetseite „G“ angeboten, wird die betreffende Internetseite nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Streithelferin nicht von der Beklagten, sondern von einem anderen italienischen Unternehmen betrieben.
Auch wenn damit nicht feststellbar ist, dass die Beklagte Traktionshilfen gemäß den von der Klägerin vorgelegten Mustern aus dem Herstellungsjahr 2011 in Deutschland angeboten oder vertrieben hat, und ferner die Einlassung der Streithelferin schlüssig ist, dass diesen Mustern im Vergleich zu den Erzeugnissen aus der Zeit vor 2009 eine geänderte Spezifikation nach Maßgabe ihrer Angaben zugrunde liegt, so sind gleichwohl die von dem gerichtlichen Sachverständigen insoweit erzielten Messergebnisse aussagekräftig für ein Erzeugnis, das der älteren Spezifikation folgt.
Wie der Gerichtsgutachter plausibel und nachvollziehbar erläutert hat, geht es im Rahmen der Verletzungsprüfung ausschließlich um geometrische Größen, genauer gesagt um die Bestimmung von Längenmaßen. Diese sind unabhängig vom verwendeten Material. Zwar ergibt sich – wie bereits erläutert – bei dem vom Sachverständigen angewandten Messverfahren ein (minimaler) Einfluss durch die zum Glätten des Textils verwendete untere Rolle der Messvorrichtung, da deren Eigengewicht zu einer Dehnung des zu messenden Textils führt. Diese Dehnung und damit den Materialeinfluss hat der Sachverständigen jedoch heraus gerechnet. Der Sachverständige ist daher zu dem eindeutigen Ergebnis gelangt, dass die von der Streithelferin mitgeteilte Änderung der Spezifikation im vorliegenden Zusammenhang nicht von Relevanz ist (Ergänzungsgutachten 2, Seiten 10 und 31).
Gleiches gilt für die von der Streithelferin außerdem angeführte Änderung des Materials für das Kreuzband. Denn der Sachverständige hat – wie bereits erwähnt – zur Durchführung der Längenmessung des textilen Bandes der Gleitschutzvorrichtung alle nicht relevanten Elemente entfernt. Dazu gehört auch das Kreuzband (Ergänzungsgutachten 2, Seite 10).
c)
Nach der Rechtsprechung des Senates (Urt. v. 26.04.2012 – I-2 U 30/09, zitiert bei Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage, Rdnr. 81) reicht es, dass jeweils ein einziges Exemplar der angegriffenen Textilbezüge gegenüber einem einzigen Reifen der zugehörigen Größe – innerhalb des gesetzlich zulässigen Abnutzungsspielraumes bis zu 1,6 mm Profiltiefe – das in Anspruch 1 des Klagepatents angegebene Größenmaß von mindestens 4 % erreicht. Jedes einzelne dem Sachverständigen zur Verfügung gestellte Exemplar (vgl. Ergänzungsgutachten 1, Seiten 4-8) ist daher mit seinem konkret gemessenen Längenwert („mittlere L ohne Dehnung“ in der Tabelle im Anhang des Ergänzungsgutachtens 1 sowie „Umfang Socken“ in der Tabelle zum Ergänzungsgutachten 2) und nicht mit dem für die gesamte Gruppe von Exemplaren desselben Typs errechneten Mittelwert („mittlere L“ in der Tabelle im Anhang des Ergänzungsgutachtens 1) der Verletzungsprüfung zugrunde zu legen, wie dies der Sachverständige in seinem zweiten Ergänzungsgutachten zutreffend getan hat.
Dass die Klägerin nicht aufgezeigt hat, dass die angegriffenen Ausführungsformen in mindestens einem Fall von einem Abnehmer auf einen verschlissenen Reifen mit einer Profiltiefe von 1,6 mm montiert worden sind, ist ohne Bedeutung. Zum einen handelt es sich bei dem Klagepatent – wie bereits ausgeführt – nicht um ein Kombinationspatent. Zum anderen ist ein „Fahrzeugrad vorgegebener Größe“, auf das die patentgemäße Gleitschutzvorrichtung montierbar sein muss, auch ein solches, welches im entsprechend verschlissenen Zustand eine bestimmte (feststehende) Größe hat. Bei ca. 40 Millionen zugelassenen Kraftfahrzeugen(PKW) in Deutschland und vier Reifen pro Fahrzeug kann im Übrigen nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass die angegriffenen Überzüge auch schon auf derart abgefahrene Reifen aufgezogen worden sind.
d)
Die von dem gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Längenwerte sind zu vergleichen mit dem Umfang eines Reifens, für den sie empfohlen sind, wobei ein solcher Reifen den Referenzwert für die Bestimmung des Radumfangs liefert, der im Neuzustand den minimal zulässigen Umfang nach der ECE R 30 hatte und der bis zur zulässigen Mindestprofiltiefe von 1,6 mm verschlissen ist.
Ausgangspunkt sind die sich für die jeweiligen Reifen aus der ECE R30 ergebenden Nennmaße, wobei der dort angegebene Nenndurchmesser um 2,5 % zu reduzieren ist. Dies ist die maximal zulässige negative Durchmessertoleranz für einen Reifen nach der ECE R30. Die entsprechenden Werte für die Reifen, für die die angegriffenen Textilüberzüge empfohlen werden, sind in der siebten Spalte der Tabelle zum zweiten Ergänzungsgutachten des gerichtlichen Sachverständigen unter der Rubrik „ECE D R min“ angegeben. Der mit diesem Durchmesser ermittelte Reifenumfang ist der Umfang „URmin“. Bei diesem Umfang handelt sich im Rahmen der Verletzungsprüfung um den für den Patentinhaber günstigsten Umfang im Neuzustand. Die entsprechenden Werte für diejenigen Reifen, für die die angegriffenen Ausführungsformen empfohlen werden, sind in der sechsten Spalte der Tabelle zum zweiten Ergänzungsgutachten des Sachverständigen unter der Rubrik „ECE U R min von Reifen“ angegeben.
Da – wie ausgeführt – ein gebrauchter Reifen, der im Neuzustand eine Nennprofiltiefe von 8 mm hatte und der bis zur gesetzlich zulässigen Mindestprofiltiefe von 1,6 mm abgefahren ist, die für die Bestimmung des Radumfangs erforderlichen Referenzwerte liefert, sind von dem so ermittelten Durchmesser des Reifens jeweils 12,8 mm (16 mm – 3,2 mm) abzuziehen. Der mit diesem Reifendurchmesser ermittelte Reifenumfang ist der Umfang „URminv“. Die entsprechenden Umfangswerte ergeben sich aus der achten Spalte der Tabelle zum zweiten Ergänzungsgutachten des Gerichtsgutachters („ECE UR min v“).
e)
Ausgehend von diesen Werten hat der gerichtliche Sachverständige in seinem zweiten Ergänzungsgutachten zunächst die Übergröße jedes gemessenen Traktionshilfeexemplars gegenüber dem zulässigen kleinsten Umfang der empfohlenen Reifen nach ECE R 30 ermittelt (Tabelle im Anhang, 10. Spalte, „V U R min % U R min“). Ferner hat er, ausgehend von diesem Reifenumfang, die Übergröße der entsprechenden Traditionshilfe bei maximal zulässiger Abnutzung des Reifens auf 1,6 mm Profiltiefe ermittelt (Tabelle im Anhang, 11. Spalte, „V U R min V % U R min V“). Nach seinen – von den Parteien nicht angegriffenen – Berechnungen beträgt bei den Größen 69, 73, 74, 76, 77, 81, 83, 85 und 87 die Übergröße bei mindestens einem Exemplar der angegriffenen Ausführungsformen bereits ausgehend von dem zulässigen kleinsten Umfang eines Neureifens nach der ECE R30 (URmin; in der Tabelle zum zweiten Ergänzungsgutachten „ECE URmin von Reifen“) mehr als 4 %. Außerdem beträgt danach bei den Größen 69, 71, 73, 74, 76, 77, 79, 81, 83, 85 und 87 die Übergröße bei jedem untersuchten Exemplar mehr als 4 % gegenüber dem Umfang „URminv“ eines gebrauchten Reifens, so dass jedenfalls die Berücksichtigung der gesetzlich maximal zulässigen Abnutzung bei allen vorgenannten Größen zu einer Übergröße von mindestens 4 % und damit zu einer Verwirklichung des Merkmals f1) führt.
f)
Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen der Größen 80 und 93 gilt im Ergebnis nichts anderes.
Zu diesen beiden Ausführungsformen enthält das zweite Ergänzungsgutachten des Sachverständigen keine Berechnungen, weil es für die von der Beklagten hierzu empfohlenen Reifentypen keine Angaben in der ECE R30 gibt. Mangels entsprechender Angaben in der ECE R30 stellt der Fachmann insoweit auf die Größenangaben gemäß E.T.R.T.O ab, von deren Anwendbarkeit die Parteien ursprünglich übereinstimmend ausgegangen sind. Die Größenangaben gemäß E.T.R.T.O sind in der Tabelle 2 des ersten Ergänzungsgutachten des gerichtlichen Sachverständigen vom 06.05.2014 (Seiten 27 ff.) aufgelistet.
Zu der Größe 80 ist in dieser Tabelle u.a. der Reifentyp 215/45 R17 genannt. Dieser hat als Neureifen nach E.T.R.T.O einen Durchmesser von 625,30 mm und einen Umfang von 1964,44 mm. In der Tabelle 2 des ersten Ergänzungsgutachtens hat der gerichtliche Sachverständige hierzu eine Abweichung von 2,44 % ermittelt. Die Klägerin trägt vor, dass der minimal erlaubte Durchmesser dieses Reifens gemäß E.T.R.T.O nach ihren Feststellungen 620 mm beträgt. Gemäß ihren Angaben führt dies bei einem Neureifen mit minimalem Durchmesser (620 mm) zwar nur zu einer Übergröße von 3,3 %, bei Berücksichtigung der maximal zulässigen Abnutzung bis auf 1,6 mm Profiltiefe jedoch zu einer Übergröße von 5,5 %. Zur angegriffenen Ausführungsform der Größe 93 ist in der in Rede stehenden Tabelle u.a. der Reifentyp 215/75 R16 angegeben, der nach E.T.R.T.O einen Durchmesser von 728,90 mm und einen Umfang von 2289,91 mm im Neuzustand aufweist. Die Klägerin trägt hierzu vor, dass der minimal erlaubte Durchmesser dieses Reifens gemäß E.T.R.T.O nach ihren Feststellungen 718 mm beträgt. Gemäß ihren Angaben führt dies bei einem Neureifen mit minimalem Durchmesser (718 mm) zwar nur zu einer Übergröße von 3,8 %, bei Berücksichtigung der maximal zulässigen Abnutzung bis auf 1,6 mm Profiltiefe jedoch zu einer Übergröße von 5,6 %. Unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin, dem weder die Beklagte noch die Streithelferin konkret entgegengetreten sind, verwirklichen damit auch diese Ausführungsformen das Merkmal f1).
Der gerichtliche Sachverständige kommt insoweit sogar noch zu für die Klägerin günstigeren Werten. In Bezug auf die angegriffene Ausführungsform Größe 80 kommt er in seinem Ergänzungsgutachten vom 02.10.2014 (Ergänzungsgutachten 3) zu dem Ergebnis, dass die Umfangsdifferenz zwischen einem Neureifen des Typs 215/45 R17 mit minimal zulässigem Durchmesser und dem angegriffenen Überzug Größe 80 5,1 % und dass die Umfangsdifferenz zwischen einem entsprechenden Reifen des Typs 215/45 R17 mit maximal zulässiger Abnutzung bis auf 1,6 mm Profiltiefe und der angegriffenen Ausführungsform Größe 80 7,3 % beträgt. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform der Größe 93 kommt er zu dem Ergebnis, dass die Umfangsdifferenz zwischen einem Neureifen des Typs 215/75 R16 mit minimal zulässigem Durchmesser und dem angegriffenen Überzug Größe 93 4,8 % und dass die Umfangsdifferenz zwischen einem entsprechenden Reifen mit maximal zulässiger Abnutzung bis auf 1,6 mm Profiltiefe und der angegriffenen Ausführungsform Größe 93 6,8 % beträgt. Gegen die Berechnungen und Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen, die sich die Klägerin hilfsweise zu Eigen gemacht hat, haben die Beklagte und die Streithelferin keine Einwände erhoben. Das Merkmal f 1) ist daher sowohl unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin als auch nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen erfüllt.
g)
Verwirklicht ist schließlich auch das Merkmal f2). Nach den Messergebnissen des gerichtlichen Sachverständigen beträgt bei den Größen 69, 71, 73, 74, 76, 77, 79, 81, 83, 85 und 87 die Übergröße bei jedem untersuchten Muster 4 bis 10 % gegenüber dem Umfang „URminv“ eines gebrauchten Reifens, so dass jedenfalls die Berücksichtigung der gesetzlich maximal zulässigen Abnutzung bei allen vorgenannten Größen zu einer Übergröße von mindestens 4 % und höchstens 10 % führt. Entsprechendes gilt für die angegriffenen Ausführungsformen Größen 80 und 93, und zwar sowohl unter Zugrundelegung der von der Klägerin angegebenen Zahlen als auch unter Zugrundelegung der von dem Gerichtsgutachter ermittelten Werte.
h)
Soweit die Beklagte und die Streithelferin im Vorfeld zu abweichenden Messergebnissen gelangt sind, mag dies an der unterschiedlichen Messmethode liegen. Zwecks Messung des inneren Umfanges des Bandes haben sie nämlich jeweils das ringförmige Band aufgeschnitten und auf einer ebenen Fläche ausgebreitet, wohingegen der Sachverständige das textile Band nicht aufgeschnitten und damit unversehrt gelassen hat. Abgesehen davon hat der gerichtliche Sachverständige zur Kontrolle der mit Hilfe der von ihm verwendeten Messvorrichtung ermittelten Maße die ihm vorliegenden Traktionshilfeexemplare stichprobenartig entsprechend der von der Beklagten und der Streithelferin für einschlägig gehaltenen DIN EN 1773 vermessen. Er hat die textilen Bänder der angegriffenen Ausführungsformen hierzu quer aufgetrennt, glatt gestrichen und zur faltenfreien Messung eine Glättungsleiste auf das ausgebreitete textile Band gelegt. Die Ergebnisse beider Messmethoden weichen nach seinen Angaben nur bis zu 0,5 % voneinander ab, was der gerichtliche Sachverständige als akzeptablen Wert eingestuft hat (Ergänzungsgutachten 2, Seite 24). Selbst wenn man die von dem gerichtlichen Sachverständigen nach der von ihm für zutreffend erachteten Messmethode ermittelten Übergrößen der angegriffenen Ausführungsformen um diesen Wert kürzt, kommt man im Übrigen zu dem Ergebnis, dass – was bereits für eine Patentverletzung ausreicht – die Übergröße bei mindestens einem Exemplar der untersuchten Ausführungsformen gegenüber dem maßgeblichen Umfang URminv eines Gebrauchtreifens mindestens 4 % beträgt.
i)
Werden die streitigen Merkmale von den angegriffenen Ausführungsformen somit auch nach den Messungen des gerichtlichen Sachverständigen verwirklicht, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den von der Klägerin angewandten Messverfahren.
D.
Aus der vorstehend dargelegten Schutzrechtsverletzung bzw. –benutzung ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
1.
Da die Beklagte entgegen § 9 Nr. 1 PatG eine patentierte Erfindung benutzt hat, kann die Klägerin sie nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Die Gefahr weiterer künftiger Rechtsverletzungen ergibt sich daraus, dass die Beklagte im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit die angegriffenen Handlungen bereits vorgenommen hat und deshalb vermutet wird, dass sie dieses Verhalten auch in Zukunft wiederholen wird.
2.
Nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG hat die Beklagte der Klägerin außerdem allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die schutzrechtsverletzenden Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. Die Beklagte hat die ihr zur Last gelegten schutzrechtsverletzenden Handlungen schuldhaft begangen, nämlich zumindest fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hätte sie als einschlägig tätige Gewerbetreibende die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet, hätte sie sich vor der Aufnahme der Verletzungshandlungen über die Schutzrechtslage informiert; im Rahmen dieser Nachforschungen wäre sie auf das Klagepatent gestoßen und hätte jedenfalls bei zutreffender rechtlicher Beratung feststellen können, dass die angegriffenen Textilüberzüge von der dort unter Schutz gestellten Lehre Gebrauch machen und dass ihr kein Recht zur Benutzung des Klagepatents zusteht. Die Klägerin hat auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse daran, die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz zunächst nur dem Grunde nach feststellen zu lassen, statt auf Leistung zu klagen. Dass ihr die schutzrechtsverletzenden Handlungen der Beklagten Schaden zugefügt haben, erscheint hinreichend wahrscheinlich; beziffern kann die Klägerin die ihr daraus erwachsenden Ansprüche jedoch erst, wenn die Beklagte ihr über den Umfang der begangenen angegriffenen Handlungen Rechnung gelegt hat.
3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuer-kannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht ver-fügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
4.
Ein Vernichtungsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG steht der Klägerin gegen die Beklagte allerdings nicht zu, weil die Beklagte im Ausland geschäftsansässig ist. Ein Vernichtungsanspruch nach § 140a Abs. 1 PatG gegen einen im Ausland ansässigen Beklagten besteht nur, wenn der ausländische Beklagte verletzende Gegenstände im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Inland im Besitz/Eigentum hat (Senat, InstGE 7, 139 – Thermocycler; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl., Rdnr. 1396). Dies behauptet die Klägerin nicht und hierfür ist auch nichts ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Nach der letztgenannten Vorschrift sind die durch die Nebenintervention verursachten Kosten der Streithelferin aufzuerlegen gewesen. Zu den Kosten, die der Nebenintervenient zu tragen hat, gehören auch die Kosten einer allein von ihm verursachten Beweisaufnahme (Zöller/Herget, a.a.O., § 101 Rdnr. 3). Dies trifft hier jedenfalls auf die durch die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen im Verhandlungstermin am 30.10.2014 entstandenen Kosten zu, weil der Senat die Anhörung des Sachverständigen nur aufgrund des entsprechenden Anhörungsantrages der Streithelferin im Verhandlungstermin angeordnet hat (vgl. Sitzungsprotokoll, Seiten 1 und 2 [Bl. 769 – 770 GA]).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.