Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. April 2015, Az. 4c O 43/14
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND:
Die Klägerin ist ein französisches Unternehmen, das sich mit der Entwicklung und der Herstellung von Tintenstrahldruckern beschäftigt. Sie ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des in englischer Verfahrenssprache abgefassten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 827 XXX B1 (Anlage FR 1a, im Folgenden: „Klagepatent“) betreffend die Reinigung von Druckköpfen von Tintenstrahldruckern. Eine deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift liegt als Anlage FR 1b vor.
Das Klagepatent nimmt eine Priorität der FR 0453XXX vom 23. Dezember 2004 in Anspruch und wurde am 22. Dezember 2005 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 5. September 2007, die Erteilung des Klagepatents wurde am 28. August 2013 bekanntgemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft.
Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Ansprüche 1 und 9 des Klagepatents lauten:
Anspruch 1:
„Verfahren zum Reinigen eines Druckkopfs eines Tintenstrahldruckers, umfassend wenigstens eine Tintenkanone mit einer Ausstoßdüse, eine Tintensammelrinne, eine Tintenkammer, eine Lösungsmittelkammer und eine Vakuumquelle, wobei die Tintenkammer, die Lösungsmittelkammer und die Quelle mittels einer Vorrichtung, die steuerbar ist, mit der Stimulationskammer der Tintenkanone hydraulisch verbunden sind, umfassend die nachfolgenden Schritte:
– Unterbrechen einer hydraulischen Verbindung zwischen der Tintenkanone und der Tintenkammer, so dass die Tintenkanone nicht mehr mit Tinte versorgt wird,
– Herstellen einer hydraulischen Verbindung zwischen der Stimulationskammer der Tintenkanone und der Vakuumquelle, so dass die Tinte in der Stimulationskammer der Tintenkammer zur Vakuumquelle gesaugt wird,
– Herstellen einer Verbindung zwischen der Lösungsmittelkammer und der Vakuumquelle mittels eines hydraulischen Kreises, umfassend die Tintenkanone, wobei das Lösungsmittel nicht durch die Düse strömt, so dass die Tintenkanone ohne Ausstoß von Lösungsmittel durch die Düse gereinigt wird.“
Anspruch 9:
„Druckerdruckkopf, umfassend ein erstes Fach, in dem wenigstens eine Tintenkanone aufgenommen ist, die mit einer Ausstoßdüse ausgestattet ist, sowie eine Sammelrinne, dadurch gekennzeichnet, dass er für jede Kanone Folgendes umfasst:
– ein Solenoid zum Waschen der Tintenkanone und Steuern einer direkten Verbindung, die nicht die Düse zwischen einer Lösungsmittelkammer und der Tintenkanone enthält,
– ein Ausgabesolenoid, das eine Verbindung zwischen der Tintenkanone und einer Vakuumquelle steuert, und
– ein Tintensolenoid, das eine Verbindung zwischen einer Tintenkammer und der Tintenkanone steuert.“
Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und zeigen erfindungsgemäße Ausführungsbeispiele. Figur 1 stellt ein Hydraulikdiagramm eines Tintenstrahldruckers dar, der imstande ist, das erfindungsgemäße Verfahren auszuführen
Figur 3A zeigt eine schematisch perspektivische Ansicht eines Druckkopfs, der zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens besonders geeignet ist:
Die Beklagte zu 1) ist ein britisches Unternehmen, das sich ebenfalls mit der Herstellung von Tintenstrahldruckern befasst. Die Beklagte zu 2) ist ein Tochterunternehmen der Beklagten zu 1), das deren Tintenstrahldrucker in Deutschland bewirbt und vertreibt. Hierzu gehören auch Tintenstrahldrucker mit den Bezeichnungen „Tintenstrahldrucker A“ und „B-Codierer C“, die von der Beklagten zu 1) hergestellt und von beiden Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland beworben und vertrieben werden (im Folgenden „angegriffene Ausführungsformen“). Deutschsprachige Werbebroschüren der Beklagten für die angegriffenen Ausführungsformen wurden vorgelegt als Anlage FR 4b und Anlage FR 5, Auszüge aus dem Produkthandbuch für die Modelle A und C, aus dem sich die Arbeitsweise beider angegriffenen Ausführungsformen ergibt, liegen vor als Anlage FR 6b. Aus den Werbebroschüren (Anlagen FR 4b und 5) ergibt sich, dass die angegriffenen Ausführungsformen jeweils aus einem Druckerdruckkopf bestehen, den es in verschiedenen Ausführungen gibt (z.B. als Duo-Druckkopf, Pinpoint-Druckkopf etc.) und der mit einem Kabel mit dem aus einem separaten Bauteil bestehenden Gehäuse (sog. „Cabinet“) verbunden ist. Im sog. Cabinet sind die Ventile (sog. Solenoide) für die verschiedenen Kammern angeordnet. Die nachfolgend eingeblendete Abbildung ist der Werbebroschüre der Beklagten für das Modell A (Anlage FR4b) entnommen und verdeutlicht den Aufbau der angegriffenen Ausführungsformen:
Ausweislich der Angaben im Produkthandbuch auf Seite 2 (Anlage FR 6b) wird bei den angegriffenen Ausführungsformen ein Reinigungsverfahren (sog. Spülzyklus) durchgeführt, in dessen Verlauf der Drucker automatisch nach seinem Ausschalten Lösungsmittelflüssigkeit durch den Druckkopf spült, um zu verhindern, dass der Druckkopf durch Tintenrückstände verschmutzt wird. Unstreitig kommt es bei der Durchführung dieses Spülzyklus zu einem Austritt von Lösungsmittel durch die Druckerdruckkopfdüse nach außen.
Die Klägerin hat eine Untersuchung der Ventilzustände des Druckerkopfes während des Spül-Zyklus bei der angegriffenen Ausführungsform A durchführen lassen, hinsichtlich deren Ergebnis auf die nachfolgend eingeblendete, von der Klägerin als Anlage FR7 zu den Akten gereichte Graphik Bezug genommen wird
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten Anspruch 9 des Klagepatents unmittelbar sowie Anspruch 1 des Klagepatents mittelbar. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten Anspruch 9 des Klagepatents wortsinngemäß, da das Klagepatent nicht voraussetze, dass die Solenoide im Gehäuse des Druckerkopfes angeordnet seien. Daher sei es für die Verletzung unschädlich, dass sich die Solenoide bei den angegriffenen Ausführungsformen im sog. Cabinet befinden. Die angegriffenen Ausführungsformen seien zudem zur Durchführung des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Klagepatents bestimmt und geeignet. Insbesondere schließe Anspruch 1 des Klagepatents nicht aus, dass nach Abschluss des dort beschriebenen dritten Verfahrensschritts zu irgendeinem Zeitpunkt Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone tritt. Die Aufgabe des Klagepatents – das Einsparen von Lösungsmittel – werde nämlich auch dann erfüllt, wenn nach der Durchführung des patentgemäßen Verfahrens noch ein nachgelagerter Verfahrensschritt stattfinde, bei dem Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone gelangt, weil in diesem Zeitpunkt die Verletzung bereits abgeschlossen sei. Das – dem patentgemäßen Verfahren – nachgelagerte Austreten von Lösungsmittel durch die Düse des Druckerdruckkopfes führe lediglich dazu, dass die angegriffenen Ausführungsformen als verschlechterte Ausführungsformen anzusehen seien.
Die Klägerin beantragt, nachdem sie den zuvor lediglich „insbesondere“ geltend gemachten Anspruch 2 des Klagepatents nunmehr hilfsweise stellt,
I. die Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
Druckerdruckköpfe in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, welche jeweils die folgenden Merkmale aufweisen:
– ein erstes Fach, in dem wenigstens eine Tintenkanone aufgenommen ist, die mit einer Ausstoßdüse ausgestattet ist, sowie
– eine Sammelrinne,
– wobei der Druckerdruckkopf für jede Kanone Folgendes umfasst:
• ein Solenoid zum Waschen der Tintenkanone und Steuern einer direkten Verbindung zwischen einer Lösungsmittelkammer und der Tintenkanone, die nicht die Düse enthält,
• ein Ausgabesolenoid, das eine Verbindung zwischen der Tintenkanone und einer Vakuumquelle steuert, und
• ein Tintensolenoid, das eine Verbindung zwischen einer Tintenkammer und der Tintenkanone steuert;
2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
Tintenstrahldrucker in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern, die jeweils zur Durchführung des folgenden Verfahrens bestimmt und geeignet sind:
– das Verfahren dient zum Reinigen eines Druckkopfs des Tintenstrahldruckers, der wenigstens eine Tintenkanone mit einer Ausstossdüse, eine Tintensammelrinne, eine Tintenkammer, eine Lösungsmittelkammer und eine Vakuumquelle umfasst, wobei die Tintenkammer, die Lösungsmittelkammer und die Quelle mittels einer Vorrichtung, die steuerbar ist, mit der Stimulationskammer der Tintenkanone hydraulisch verbunden sind,
– und umfasst die folgenden Schritte:
• Unterbrechen einer hydraulischen Verbindung zwischen der Tintenkanone und der Tintenkammer, so dass die Tintenkanone nicht mehr mit Tinten versorgt wird,
• Herstellen einer hydraulischen Verbindung zwischen der Stimulationskammer der Tintenkanone und der Vakuumquelle, so dass die Tinte in der Stimulationskammer der Tintenkanone zur Vakuumquelle gesaugt wird,
• Herstellen einer Verbindung zwischen der Lösungsmittelkammer und der Vakuumquelle mittels eines hydraulischen Kreises, umfassend die Tintenkanone, wobei das Lösungsmittel nicht durch die Düse strömt, so dass die Tintenkanone ohne Ausstoß von Lösungsmittel durch die Düse gereinigt wird,
hilfsweise,
wenn dann, wenn die Verbindung zwischen der Lösungsmittelkammer und der Vakuumquelle hergestellt wird, die Verbindung zwischen der Lösungsmittelkammer und der Tintenkanone periodisch unterbrochen wird, so dass die Tintenkanone jedes Mal von dem Lösungsmittel, das sie enthält, freigeräumt wird;
3. der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch Vorlage eines geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 28. September 2013 die unter Ziffern I.1 und I.2 bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des jeweils erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser bezeichneten, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist, und
wobei die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
4. die vorstehend in Ziffern I.1 und I.2 bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen und nach dem 28. September 2013 in der Bundesrepublik Deutschland angebotenen und/oder an Dritte in den Verkehr gebrachten und/oder gebrauchten und/oder zu diesen Zwecken besessenen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 827 XXX B1 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse, oder der Austausch der Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendekosten für die Rückgabe zugesagt wird, und die zurückgerufenen und an sie zurückgegebenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
III. die Beklagten zu verurteilen, die in der Bundesrepublik Deutschland in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, zu vorstehend in Ziffern I.1 bis I.2 bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben;
IV. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter I.1 und I.2 bezeichneten, in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 28. September 2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, dass die angegriffenen Ausführungsformen kein Mittel darstellen, das zur Durchführung des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Klagepatents geeignet und bestimmt sei, weil bei den angegriffenen Ausführungsformen während des Reinigungsvorgangs Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone austrete, was das Klagepatent gerade vermeiden wolle. Auch Anspruch 9 des Klagepatents werde durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verletzt, weil die im Klagepatent beschriebenen Solenoide bei den angegriffenen Ausführungsformen zwar vorhanden, nicht aber im Gehäuse des Druckerkopfes angeordnet seien, sondern sich in einem separaten Bauteil – dem sog. „Cabinet“ – befinden. Das Klagepatent setze jedoch voraus – so die Beklagten – dass zur Nutzung „kurzer Wege“ alle Solenoide dicht an der Druckerdruckkopfdüse und damit räumlich-körperlich innerhalb des Druckerdruckkopfes angeordnet seien.
Die Beklagten berufen sich zudem auf ein privates Vorbenutzungsrecht. Hierzu behaupten sie, sie hätten bereits vor dem Prioritätszeitpunkt des Klagepatents, nämlich seit 1998 Drucker und Druckköpfe vertrieben, die unverändert geblieben seien im Hinblick auf die Tatsache, dass ein automatischer Spül-Zyklus, in dessen Verlauf Lösungsmittel durch die Düse des Druckerdruckkopfs ausgestoßen werde. Der angegriffene Drucker A und der angegriffene C hätten zu der „A“-Serie gehört, die die Beklagten seit 1998 in Deutschland verkauft und vertrieben hätten. Der A sei im November 2010 herausgekommen und der Druckkopf, der für den A benutzt worden sei, mache von derselben Tropfenerzeugung und denselben Flüssigkeitsverbindungen Gebrauch wie die vorangehenden zwei Generationen der Drucker, der A200+ und der A200. Diese früheren Drucker der „A“-Serie seien ungefähr im Januar 2006 bzw. April 1998 herausgekommen und seien von einer Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), der D Ink Systeme GmbH verkauft worden.
In diesem Zusammenhang bestreitet die Klägerin, dass die angegriffenen Ausführungsformen in der jetzigen Ausgestaltung in Bezug auf die Funktionsweise des Reinigungszyklus schon vor dem Prioritätszeitpunkt des Klagepatents vertrieben wurden. Es habe vielmehr eine Weiterentwicklung der Drucker und Druckerdruckköpfe in dieser Hinsicht stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2015 (Bl. 93 ff. d.A.) Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten nicht zu. Es lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffenen Ausführungsformen Anspruch 9 des Klagepatents unmittelbar sowie Anspruch 1 des Klagepatents mittelbar verletzen.
I.
Das Klagepatent betrifft die Reinigung von Druckerköpfen bei Tintenstrahldruckern.
Einleitend führt das Klagepatent aus, dass der Druckkopf eines Tintenstrahldruckers zusätzlich zum Anschluss an eine mit Druck beaufschlagte Tintenkammer, die die Tintenkanone mit Tinte versorgt, in der Regel auch an eine Tintenlösungsmittelkammer angeschlossen ist. Das Lösungsmittel soll die Fluidität der Tinte während des Betriebs regeln und während der Stopphasen die Kanäle und Durchlässe reinigen, die gemeinsam den Tintenkreislauf bilden, so dass ein trockener Rückstand in den Kanälen vermieden wird. Denn getrocknete Tinte kann Druckdefekte erzeugen, Teilchen getrockneter Tinte können sogar Düsen oder Filter der Kanäle blockieren. Daher ist es notwendig, Kanäle und die übrigen Elemente, die den Tintenkreislauf bilden, periodisch zu reinigen, insbesondere auf der Ebene des Druckkopfs, der das empfindlichste Element des Kreislaufs darstellt.
Aus dem Stand der Technik (EP 424 008) ist ein Reinigungsvorgang mit Hilfe eines Tintenkreislaufs vorbekannt, bei dem ein Lösungsmittel aus seiner Kammer strömt und durch ein sog. Solenoid, d.h. ein Ventil, die Tintenversorgung und die Kanone durchspült. Das Lösungsmittel wird dann von der Tinte weggespült, die unter Druck von der Tintenkammer u.a. durch die Tintenversorgung, die Kanone und die Düse der Kanone strömt. An diesem Verfahren sieht es das Klagepatent als Vorteil an, dass außer jenen, die für die Tinte notwendig sein, kein weiteres Mittel zur Druckbeaufschlagung des Lösungsmittels notwendig ist. Das Klagepatent kritisiert jedoch, dass das Verfahren Tinte-Lösungsmittel- und Lösungsmittel-Tinte-Übergänge in dem in dem Strom durch die Düse der Kanone beinhalte. Diese Übergänge führen – so das Klagepatent – zu einer Richtungsinstabilität des Tintenstrahls, der die Düse verlässt, wodurch komplexe Kompromisse und Änderungen in der Form und Auslegung der Düse erforderlich werden. Es macht zudem die Tintenstrahlrichtung anfällig, sich zu den Lade- oder Ablenkelektroden zu bewegen und dort abgeschieden zu werden oder sogar dort zu trocknen. Die nassen oder trockenen Tintenpartikel bewirken Veränderungen an der Oberfläche der Elektroden und somit an äquipotentialen Oberflächen in der Zone, durch welche der Strahl geht, so dass sich der Nennwert des Potentials, das auf der Ebene dieser Zonen erzeugt wird, vom Sollwert abweicht. Zudem könne die Verunreinigung mit Tintenpartikeln auch zu einer Funktionsstörung der Elektroden führen, in einigen Fällen kann es sogar zum Kurzschluss kommen.
Vor dem geschilderten technischen Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als ihre Aufgabe, alle Leitungen und die Kanone gründlich zu reinigen, gleichzeitig jedoch die Risiken einer Instabilität des Strahls während der Tinte-Lösungsmittel-Tinte-Übergänge auszuschließen.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
1. Verfahren zum Reinigen eines Druckkopfs eines Tintenstrahldruckers,
2. der Tintenstrahldrucker umfasst
2.1 wenigstens eine Tintenkanone (50) mit einer Ausstoßdüse,
2.2 eine Tintensammelrinne (22),
2.3 eine Tintenkammer (2),
2.4 eine Lösungsmittelkammer (8) und
2.5 eine Vakuumquelle (16),
2.6 wobei die Tintenkammer (2), die Lösungsmittelkammer (8) und die Vakuumquelle (16) mittels einer steuerbaren Vorrichtung (4, 10, 18) mit der Stimulationskammer der Tintenkanone hydraulisch verbunden sind,
3. das Verfahren umfasst die nachfolgenden Schritte:
3.1 Unterbrechen einer hydraulischen Verbindung zwischen der Tintenkanone (50) und der Tintenkammer (2), so dass die Tintenkanone nicht mehr mit Tinte versorgt wird,
3.2 Herstellen einer hydraulischen Verbindung zwischen der Stimulationskammer der Tintenkanone (50) und der Vakuumquelle (16), so dass die Tinte in der Stimulationskammer der Tintenkanone zur Vakuumquelle gesaugt wird,
3.3 Herstellen einer Verbindung zwischen der Lösungsmittelkammer (8) und der Vakuumquelle (16) mittels eines hydraulischen Kreises (12, 14), umfassend die Tintenkanone (50), wobei das Lösungsmittel nicht durch die Düse (54) strömt, so dass die Tintenkanone ohne Ausstoß von Lösungsmittel durch die Düse gereinigt wird.
In seinem Anspruch 9 schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
1. Der Druckerdruckkopf (40) umfasst
1.1 ein erstes Fach, in dem wenigstens eine Tintenkanone (50) aufgenommen ist,
1.2 sowie eine Sammelrinne (44),
2. die Tintenkanone ist mit einer Ausstoßdüse (54) ausgestattet,
3. der Druckerdruckkopf umfasst für jede Kanone (50) Folgendes:
3.1 ein Solenoid (10) zum Waschen der Tintenkanone und Steuern einer direkten Verbindung zwischen einer Lösungsmittelkammer (8) und der Tintenkanone (50), die nicht die Düse enthält,
3.2 ein Ausgabesolenoid (18), das eine Verbindung zwischen der Tintenkanone (50) und einer Vakuumquelle (16) steuert, und
3.3 ein Tintensolenoid (4), das eine Verbindung zwischen einer Tintenkammer (2) und der Tintenkanone (50) steuert.
II.
Eine unmittelbare Verletzung von Anspruch 9 des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen lässt sich nicht feststellen. Auch eine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen liegt nicht vor.
1.
Die Beklagten verletzen durch das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland die technische Lehre von Anspruch 1 des Klagepatents nicht mittelbar.
a.
Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich des Patentgesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Das Anbieten einer Vorrichtung, mit der ein patentgeschütztes Verfahren ausgeführt werden kann, stellt regelmäßig ein Anbieten von Mitteln, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, dar (BGH GRUR 2007, 773, 775 – Rohrschweißverfahren).
Die angegriffenen Ausführungsformen sind keine Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen.
Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Wesentlich ist ein Element der Erfindung regelmäßig bereits dann, wenn es – wie vorliegend – Bestandteil des Patentanspruchs ist (vgl. BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler).
Die angegriffenen Ausführungsformen sind Tintenstrahldrucker, die wenigstens eine Tintenkanone mit einer Ausstoßdüse, eine Tintensammelrinne, eine Tintenkammer, einen Lösungsmittelkammer und eine Vakuumquelle umfassen, wobei die Tintenkammer, die Lösungsmittelkammer und die Vakuumquelle mittels einer steuerbaren Vorrichtung mit der Stimulationskammer der Tintenkanone hydraulisch verbunden sind. Daher sind die angegriffenen Ausführungsformen Bestandteil des Patentanspruchs und ein wesentliches Element der Erfindung nach dem Klagepatent.
b.
Zwischen den Parteien ist einzig die Frage streitig, ob die angegriffenen Ausführungsformen geeignet und bestimmt sind, ein Verfahren durchzuführen, das Merkmal 3.3 des Anspruchs 1 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß verwirklicht, so dass Ausführungen der Kammer zu den übrigen Merkmalen von Anspruch 1 nicht veranlasst sind.
Die Feststellung, dass die angegriffenen Ausführungsformen ein wesentliches Mittel zur Durchführung eines Verfahrens, der auch den in Merkmal 3.3 des Anspruchs 1 beschriebenen Verfahrensschritt umfasst, darstellt, lässt sich jedoch nicht treffen.
aa.
Merkmal 3.3 setzt voraus, dass das Verfahren zum Reinigen eines Druckkopfs eines Tintenstrahldruckers einen Schritt umfasst, bei dem eine Verbindung zwischen der Lösungsmittelkammer (8) und der Vakuumquelle (16) mittels eines hydraulischen Kreises (12, 14), umfassend die Tintenkanone (50) hergestellt wird, wobei das Lösungsmittel nicht durch die Düse (54) strömt, so dass die Tintenkanone ohne Ausstoß von Lösungsmittel durch die Düse gereinigt wird.
Dies bedeutet, dass während der Durchführung des in Patentanspruch 1 beschriebenen gesamten Reinigungsverfahrens zu keinem Zeitpunkt Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone nach außen treten soll, nicht lediglich während des Zeitraums, in dem eine Verbindung zwischen Lösungsmittelkammer und der Vakuumquelle hergestellt worden ist und besteht.
Dieses Verständnis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Anspruchs. Merkmal 3.3 führt aus, dass während des Herstellens der Verbindung zwischen der Lösungsmittelkammer und der Vakuumquelle mittels eines hydraulischen Kreises das Lösungsmittel nicht durch die Düse strömt. Im letzten Halbsatz enthält Merkmal 3.3 zudem die Vorgabe, dass die Tintenkanone ohne Ausstoß von Lösungsmittel durch die Düse gereinigt wird. Diese Formulierungen versteht der Fachmann dahingehend, dass – zum einen – während des in Merkmal 3.3 beschriebenen Verfahrensschritts kein Lösungsmittel durch die Düse strömen soll und – zudem – der Reinigungsvorgang der Tintenkanone insgesamt gemäß der Erfindung nach dem Klagepatent dergestalt von statten gehen soll, dass zu keinem Zeitpunkt Lösungsmittel durch die Düse ausgestoßen wird. Denn der Fachmann erkennt, dass der letzte Halbsatz redundant wäre, wenn er lediglich das zuvor ausgeführte Erfordernis – dass während des Herstellens der Verbindung zwischen der Lösungsmittelkammer und der Vakuumquelle kein Lösungsmittel durch die Düse strömen soll – wiederholen würde. Dem Fachmann erschließt sich daher, dass der Zusatz in Merkmal 3.3 „… so dass die Tintenkanone ohne Ausstoß von Lösungsmittel durch die Düse gereinigt wird“ eine weitergehende und über den zeitlichen Rahmen des in Merkmals 3.3 beschriebenen Verfahrensschritts – Herstellen einer Verbindung zwischen Lösungsmittelkammer und Vakuumquelle – hinausgehende Bedeutung hat.
Auch aus technischer Hinsicht ergibt sich das genannte Verständnis. Gemäß seiner Aufgabenstellung (Abs. [0016]) will das Klagepatent eine gründliche Reinigung der Leitungen und der Tintenkanone eines Tintenstrahldruckers erreichen und gleichzeitig die Risiken einer Instabilität des Strahls während Tinte-Lösungsmittel-Tinte-Übergängen eliminieren. Durch das letztgenannte Ziel der Erfindung – Minimierung des Risikos der Strahl-Instabilität – will es sich vom Stand der Technik, namentlich der ausdrücklich genannten Druckschrift EP 0 424 008 (Anlage FR2) abgrenzen, an dem es in Abs. [0015] Kritik übt. Auch das als Stand der Technik dem Fachmann bekannte EP 0 908 316 der Beklagten zu 1) (Anlage rop 6) sieht vor, dass Lösungsmittel durch die Düse nach außen gedrückt wird (Abs. [0015]). Da das als nachteilig kritisierte Risiko der Richtungsinstabilität durch Übergänge von Tinte-Lösungsmittel und Lösungsmittel zu Tinte durch die Düse der Tintenkanone (Abs. [0015]) ausgelöst wird, sollen solche Übergänge im Bereich der Düse der Tintenkanone dadurch vermieden werden, dass zu keinem Zeitpunkt Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone fließt. Entsprechendes stellt das Klagepatent in Abs. [0021] heraus, wonach die Tintenkanone gemäß der Erfindung nach dem Klagepatent gereinigt werden soll, ohne dass Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone tritt. Klarstellend verweist das Klagepatent auch in Abs. [0025] darauf, dass nur Tinte, die die erwünschten Eigenschaften in Bezug auf Viskosität etc. besitzt, durch die Düse der Tintenkanone strömen soll. Schließlich sieht das Klagepatent auch in Abs. [0017] vor, dass zu keinem Zeitpunkt („never“) Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone treten soll. Aus all diesen Hinweisen aus der Beschreibung ergibt sich für den Fachmann, dass es nach der Lehre der Erfindung nach dem Klagepatent unerwünscht ist, dass zu irgend einem Zeitpunkt Lösungsmittel oder Gemische aus Lösungsmittel und Tinte durch die Düse der Tintenkanone gespült oder gedrückt werden.
Für ein einschränkendes Verständnis, wonach nur während der Durchführung des in Merkmal 3.3 beschriebenen Verfahrensschritts kein Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone gelangen soll, findet sich in der Klagepatentschrift kein Anhaltspunkt. Denn auch wenn das Klagepatent in Abs. [0042] ausführt, dass infolge des Vakuums, das bei Durchführung des in Merkmal 3.3 beschriebenen Verfahrensschritts in der Tintenkanone eintritt, kein Lösungsmittel durch die Düse hindurch treten kann, erkennt der Fachmann, dass das Unterbinden des Ausstoßes von Lösungsmittel durch die Düse nicht auf den in Merkmal 3.3 beschriebenen Verfahrensschritt beschränkt sein soll. Denn dem Fachmann ist bewusst, dass das Ziel der Erfindung, infolge von Übergängen von Tinte-Lösungsmittel und Lösungsmittel zu Tinte auftretende Richtungsinstabilitäten des Tintenstrahls zu vermeiden, vereitelt und die erfindungsgemäßen Vorteile gerade nicht eintreten würden, wenn zwar in dem in Merkmal 3.3 beschriebenen (3.) Verfahrensschritt kein Lösungsmittel durch die Düse der Kanone heraustritt, dies jedoch in einem nachfolgenden Schritt des Reinigungsverfahrens der Fall ist. Denn in diesem Fall ließen sich Lösungsmittel-Tinte-Übergänge, die das Klagepatent gerade in Bezug auf den Bereich der Kanonendüse ausschließen will, nicht vermeiden. Dieses Verständnis kann der Fachmann auch der Beschreibung in Abs. [0055] entnehmen. Dort beschreibt das Klagepatent, dass es wünschenswert sein kann, das Lösungsmittel allmählich mit Tinte in der Kanone zu ersetzen. Dieser dort beschriebene Vorgang bezieht sich jedoch allein auf den (Innen-)Raum der Tintenkanone und gerade nicht auf die Düse. Dies ergibt sich aus dem ebenfalls in Abs. [0055] enthaltenen Hinweise, dass das Tinten-Lösungsmittel-Gemisch gerade nicht durch die Düse der Tintenkanone hindurch treten soll („…. ohne einen Strahl durch die Düse….zu erzeugen.“), sondern eine Spülung ausschließlich des Innenraums der Kanone mit Lösungsmittel und anschließendem Einströmen von Tinte erfolgen soll.
Zwar erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent es nicht ausschließt, dass den in Merkmalsgruppe 3 vorgesehenen Verfahrensschritten noch ein weiterer oder sogar weitere Schritte folgen und das Klagepatent selbst in Abs. [0023] und [0047] als zusätzlichen, optionalen Verfahrensschritt die Reinigung der Sammelrinne vorsieht. Aber auch bei solchen, möglicherweise nachfolgenden, zusätzlichen Verfahrensschritten soll entsprechend der Aufgabenstellung nach der Erfindung nach dem Klagepatent ein Austritt von Lösungsmittel durch die Düse vermieden werden. Dementsprechend wird auch bei dem im Klagepatent beschriebenen Reinigungsvorgang der Sammelrinne kein Austritt von Lösungsmittel durch die Düse beschrieben.
bb.
Ausgehend von diesem Verständnis sind die angegriffenen Ausführungsformen nicht geeignet und bestimmt, Merkmal 3.3 zu verwirklichen. Bei der Durchführung des in dem Produkthandbuch (Anlage FR 6b) beschriebenen sog. Spül-Zyklus kommt es – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – vor Abschluss des gesamten Reinigungsverfahrens zu einem Austritt von Lösungsmittel aus der Düse der Tintenkanone der angegriffenen Ausführungsformen nach außen. Der bei den angegriffenen Ausführungsformen durchgeführte Spül-Zyklus lässt sich auch nicht einen patentgemäßen und einen nachfolgenden nicht-patentgemäßen Verfahrensabschnitt unterteilen. Eine solche Unterteilung käme einer künstlichen Stückelung eines einheitlichen (Reinigungs-)Verfahrens gleich, für die der Fachmann aufgrund der Verfahrensweise des Reinigungsvorgangs bei den angegriffenen Ausführungsformen keinerlei Anhaltspunkt hat.
Es wird auch nicht verkannt, dass es zu einem Austritt von Lösungsmittel durch die Düse der Tintenkanone bei den angegriffenen Ausführungsformen erst zu einem späteren Zeitpunkt im Verlauf des Spül-Zyklus kommt, während zuvor ein solcher Ausstoß nicht stattfindet. Das Klagepatent will die von ihm am Stand der Technik kritisierten Nachteile jedoch während des gesamten Reinigungsvorgangs vermeiden, so dass es nicht darauf ankommen kann, zu welchem Zeitpunkt während des Spül-Zyklus bei den angegriffenen Ausführungsformen ein – vom Klagepatent gerade unerwünschter – Austritt von Lösungsmittel durch die Düse stattfindet.
2.
Die angegriffenen Ausführungsformen verletzen auch Anspruch 9 des Klagepatents nicht.
Die Parteien streiten ausschließlich über die Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale der Merkmalsgruppe 3 des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß erfüllen, so dass sich Ausführungen der Kammer zu den übrigen Merkmalen erübrigen. Eine Verwirklichung der Merkmale der Merkmalsgruppe 3 durch die angegriffenen Ausführungsformen liegt jedoch nicht vor.
a.
Merkmalsgruppe 3 setzt voraus, dass der Druckerdruckkopf (40) für jede Kanone folgendes umfasst: ein Solenoid (10) zum Waschen der Tintenkanone und Steuern einer direkten Verbindung zwischen einer Lösungsmittelkammer (8) und der Tintenkanone (50), die nicht die Düse enthält, ein Ausgabesolenoid (18), das eine Verbindung zwischen der Tintenkanone (50) und einer Vakuumquelle (16) steuert, und ein Tintensolenoid (4), das eine Verbindung zwischen einer Tintenkammer (2) und der Tintenkanone (50) steuert. Dies bedeutet, dass erfindungsgemäß die aufgeführten Solenoide – Waschsolenoid, Ausgabesolenoid und Tintensolenoid – mit den beschriebenen Funktionen vorhanden und zudem räumlich-körperlich in dem Druckerdruckkopf angeordnet sein müssen. Nicht ausreichend nach der technischen Lehre des Klagepatents ist es hingegen, wenn die Solenoide lediglich vorgesehen, aber nicht räumlich-körperlich innerhalb des Gehäuses der Druckerdruckkopfes, sondern z.B. in einem separaten Bauteil angeordnet sind.
Dieses Verständnis folgt zunächst aus dem Wortlaut der Merkmale von Merkmalsgruppe 3. Der Anspruch sieht in Merkmalsgruppe 3 vor, dass der Druckerdruckkopf die drei Solenoide umfasst. Aus der Tatsache, dass der Anspruch auf den Druckerdruckkopf und nicht auf den Tintenstrahldrucker insgesamt Bezug nimmt, folgt für den Fachmann, dass gemäß der Erfindung nach dem Klagepatent die Solenoide dem Druckerdruckkopf nicht nur funktionell, sondern auch räumlich-körperlich zugeordnet werden sollen. Denn der Fachmann weiß zum einen, dass ein Tintenstrahldrucker aus mehreren, baulich voneinander getrennten Komponenten bestehen kann und die Solenoide daher auch in einem anderen Bauteil des Tintenstrahldruckers außerhalb des Druckerdruckkopfs angeordnet werden können. Daher entnimmt er der Formulierung in Merkmalsgruppe 3 und der dortigen Zuordnung der Solenoide zum Druckerdruckkopf, dass die Solenoide innerhalb des Druckerdruckkopfs auch räumlich-körperlich verortet sein sollen.
Auch die Beschreibung des Klagepatents stützt das geschilderte Verständnis. In Abs. [0030] sieht das Klagepatent vor, dass die Lösungsmittelkammer, die Tintenkammer und die Vakuumquelle(n) nicht Teil des Druckkopfs sind. Hieraus lässt sich aufgrund der Tatsache, dass die Solenoide an dieser Stelle nicht genannt werden, der Umkehrschluss ziehen, dass die Solenoide gerade Teil des Druckkopfs sein sollen. Denn die Solenoide werden im zweiten Satz des Abs. [0030] ausdrücklich erwähnt.
Dem dargelegten Verständnis steht auch nicht Unteranspruch 12 entgegen. Unteranspruch 12, der auf die Ansprüche 9-11 rückbezogen ist, sieht vor, dass die Solenoide in einem zweiten Fach untergebracht sind. Im Einklang mit dem dargelegten Verständnis von Anspruch 9 bedeutet dies, dass die Solenoide vorzugsweise in einem gemeinsamen Fach innerhalb des Druckerdruckkopfes angeordnet sein sollen. Dementsprechend führt auch Abs. [0028] aus, dass die Soenoide vorzugsweise in derselben Aussparung angeordnet sein sollen, was wiederum dahingehend zu verstehen ist, dass sie sich in derselben Aussparung innerhalb des Druckerdruckkopfes befinden sollen.
Schließlich spricht für die dargelegte Auslegung die Tatsache, dass auch bei sämtlichen in den Figuren 3 A und B gezeigten bevorzugten Ausführungsbeispielen gemäß ihrer Beschreibung in Abs. [0058] ff. zum Zwecke einer maximalen Kompaktheit des Druckerdruckkopfes, die eine einfache Montage ermöglichen soll, die Solenoide innerhalb des Druckerdruckkopfs angeordnet sind, vorzugsweise in einem Fach innerhalb des Druckerdruckkopfs.
Es mag technisch ohne größere Bedeutung sein, ob die Solenoide in räumlicher Nähe zur Tintenkanone angeordnet sind. In funktionaler Hinsicht können die Solenoide ihre Aufgabe auch erfüllen, wenn sie an irgendeiner Stelle im System des gesamten „Tintenstrahldruckers“ angeordnet sind und an den von der technischen Lehre des Klagepatents vorgesehenen Schaltkreis angeschlossen sind. Denn es genügt aus technischer Sicht, wenn die Solenoide außerhalb des Druckerdruckkopfes ihre Aufgabe wahrnehmen würden, als Ventile die Zu- und Abflüsse von Tinte und Lösungsmittel im Rahmen eines hydraulischen Kreislaufs zu regeln, insbesondere auch deshalb, weil gem. Abs. [0030] die Lösungsmittel- und die Tintenkammer ausdrücklich nicht im Gehäuse des Druckerdruckkopfes angeordnet sein sollen. Die gebotene funktionale Betrachtung darf bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen jedoch nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal zu eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185 – WC-Sitzgelenk; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2013 – I-2 U 58/11).
b.
Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen Merkmalsgruppe 3 nicht. Denn bei den angegriffenen Ausführungsformen befinden sich die Solenoide unstreitig außerhalb des Druckerdruckkopfes und sind in einem separaten Bauteil des Druckers, dem sog. Cabinet angeordnet.
III.
Da eine Verletzung von Anspruch 9 des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht festgestellt werden kann, kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines von den Beklagten geltend gemachten Vorbenutzungsrechts in Bezug auf die Funktionsweise des „Spül-Zyklus“ bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht an, so dass sich insoweit Ausführungen der Kammer erübrigen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 € festgesetzt.