4b O 145/13 – Spritzgussanlage

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2392

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. März 2015, Az. 4b O 145/13

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

TATBESTAND

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in deutscher Verfahrenssprache erteilten europäischen Patents EP 0 897 XXX (Klagepatent, Anlage K1), das die Bezeichnung „Verfahren zum Regeln einer Spritzgussanlage für Kunststoffmaterialien“ trägt. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 13.08.1998 unter Inanspruchnahme einer Schweizer Priorität vom 21.08.1997 eingereicht. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 24.02.1999. Am 22.03.2006 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte hat gegen das Klagepatent am 02.07.2014 Nichtigkeitsklage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Der in diesem Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
Verfahren zum Regeln einer Spritzgussanlage, in welcher durch eine steuerbare Einspritzvorrichtung (4) Kunststoffschmelzen in eine oder mehrere Kavitäten (2) eingespritzt werden, wobei der Werkzeuginnendruck (p) in mindestens einer der Kavitäten (2) gemessen und überwacht wird,
dadurch gekennzeichnet, dass nach einem Schuss auf Grund eines Vergleichs des gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlaufs mit einem bekannten Sollwerkzeuginnendruck-Kurvenverlauf mindestens einer der Regelparameter Einspritzgeschwindigkeit, Nachdruckhöhe, Nachdruckzeit und/oder Werkzeugtemperatur frühestens für den nächsten Schuss angepasst wird, wobei vor jedem nächsten Schuss ausreichend Reaktionszeit für die Regelung gewährleistet wird.

Hinsichtlich des Wortlauts des lediglich in Form eines Insbesondere-Antrags geltend gemachten Unteranspruchs 3 wird auf den Inhalt der Klagepatentschrift verwiesen.

Nachfolgend wird die Figur 1 der Klagepatentschrift wiedergegeben, die eine zur Durchführung des geschützten Verfahrens geeignete Spritzgussanlage zeigt:

Bei der Herstellung eines Spritzgussteils wird der Zylinder 7 über den Trichter 8 mit Kunststoffgranulat gefüllt, während die Schnecke 6 von der Antriebsvorrichtung 9 in Drehung versetzt und in ihre Grundstellung am hinteren Ende des Zylinders 7 zurückgezogen wird. Durch den Kontakt mit der beheizten Schnecke wird das Granulat aufgeschmolzen, so dass schließlich der Zylinder 7 mit Kunststoffschmelze gefüllt ist. Durch die Angussöffnung 3 wird die Schmelze in die Kavität 2 eingespritzt.

Bei der Beklagten handelt es sich um die deutsche Vertriebsgesellschaft des Schweizer Unternehmens A B AG mit Sitz in der Schweiz. In deren Verwaltungsrat ist Herr C tätig, der Erfinder des Klagepatents. Herr C war ehemals für die Klägerin tätig und hat sich nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen als Wettbewerber zur Klägerin positioniert.

Die Beklagte bietet in Deutschland unter der Bezeichnung „D“ ein modulares Qualitätssicherungssystem für den Spritzgussprozess an. Mit ihrer Klage greift die Klägerin die zugehörige Regelungssoftware „D-Typ E“, bestehend aus den Modulen „E Control-M“ und „E-Monitor“, an (angegriffene Ausführungsform). Das vorgenannte Softwaremodul dient der automatischen Prozessregelung für Spritzgussmaschinen. Zu diesem Zweck misst es den Druckverlauf des Werkzeuginnendrucks in den Kavitäten des Spritzgusswerkzeugs. Hinsichtlich der genauen Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform, die zwischen den Parteien im Streit steht, wird auf eine von der Klägerin vorgelegte Werbebroschüre (Anlage K6) sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Bedienungsanleitung der angegriffenen Ausführungsform (Anlage B1) Bezug genommen. Ergänzende Ausführungen finden sich außerdem in einem Auszug aus der Zeitschrift „Kunststoffe“ aus dem Jahr 2012, Heft 6 (Anlage K11), auf deren Inhalt verwiesen wird.

Die Klägerin ist der Auffassung, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform würden eine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des Klagepatents begründen. Insbesondere nehme die angegriffene Regelungssoftware einen Vergleich zwischen einem gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf und einem bekannten Sollwerkzeuginnendruck-Kurvenverlauf im Sinne des Klagepatents vor. Dass die angegriffene Ausführungsform lediglich die Eingabe eines Druck-Sollwertes, nicht aber eines Soll-Kurvenverlaufs vorsehe, stehe dieser Annahme nicht entgegen. Dies sei schon deshalb selbstverständlich, weil im Rahmen einer manuellen Eingabe stets nur Einzelwerte erfasst werden könnten. Neben der Eingabe des Druck-Sollwerts könne bei der angegriffenen Ausführungsform aber auch ein Nachdruckprofil als Referenzprofil importiert und gespeichert werden. Über dieses Soll-Nachdruckprofil werde der Werkzeuginnendruck geregelt. Das Verfahren der angegriffenen Ausführungsform entspreche damit exakt dem Verfahren nach dem Klagepatent.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
eine Regelungssoftware, die zur Ausübung eines Verfahrens zum Regeln einer Spritzgussanlage geeignet ist,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,
bei dem in einer Spritzgussanlage durch eine steuerbare Einspritzvorrichtung Kunststoffschmelzen in eine oder mehrere Kavitäten eingespritzt werden, wobei der Werkzeuginnendruck (p) in mindestens einer der Kavitäten gemessen und überwacht wird, wobei nach einem Schuss auf Grund eines Vergleichs des gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlaufs mit einem bekannten Sollwerkzeuginnendruck-Kurvenverlauf mindestens einer der Regelparameter Einspritzgeschwindigkeit, Nachdruckhöhe, Nachdruckzeit und/oder Werkzeugtemperatur frühestens für den nächsten Schuss angepasst wird, wobei vor jedem nächsten Schuss ausreichend Reaktionszeit für die Regelung gewährleistet wird;

2. ihr Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 22.04.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagte – die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 22.04.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der dieser durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 22.04.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform sei objektiv nicht geeignet zur Durchführung des klagepatentgemäßen Verfahrens, da der gemessene Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf nicht in erfindungsgemäßer Weise mit einem bekannten Sollwerkzeuginnendruck-Kurvenverlauf abgeglichen werde. Vielmehr werde bei der angegriffenen Ausführungsform vom Bediener lediglich ein Druck-Sollwert eingegeben, auch als „Zielwert“ bezeichnet. Dieser Zielwert sei der Sollwert für den Innendruck der Kavität. Zur Anpassung der Regelparameter werde aus dem gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf ein Kompressionswert in Abhängigkeit des maximalen Drucks definiert. Dieser definierte Wert werde dann mit dem Zielwert verglichen. Komme es hierbei zu einer Abweichung, könne über das in der Maschine gespeicherte Nachdruckprofil der Werkzeuginnendruck so angepasst werden, dass er dem Zielwert näher komme.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht (Art. 64 EPÜ i.V.m. den §§ 10, 139 Abs.1 und 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB) nicht zu.

I.
Die dem Klagepatent zugrundeliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Regeln einer Spritzgussanlage für Kunststoffe (Anlage K1 Abs. [0001]). Für die Herstellung eines Spritzgussteils wird typischerweise ein verflüssigter Kunststoff unter Druck in eine Spritzform, d. h. Kavität, eingeschossen. Der Druck kann dabei mittels einer in der Einspritzvorrichtung integrierten Schnecke gezielt verändert werden.

In der Serienherstellung strebt man eine möglichst gleichmäßige Einhaltung einer vorgegebenen Teilequalität an. Dies ist schwierig, wenn sich wesentliche Faktoren, wie z.B. die Zusammensetzung und Viskosität der Schmelze, verändern. Die Spritzgussanlage muss sich an diese sich verändernden Faktoren anpassen, um eine gleichbleibende Teilequalität zu gewährleisten (Anlage K1 Abs. [0001]).

Im Stand der Technik wurde dies dadurch erreicht, dass die Einspritzgeschwindigkeit während eines jeden Schusses so geregelt wurde, dass der auf die Schnecke zurückwirkende Druck jeweils einem bei der Herstellung eines Gutteils aufgenommenen Referenzverlauf folgt. Da die Regelung hierbei in Echtzeit erfolgt, die Regeleinheit also sehr rasch reagieren muss, ist der erforderliche Aufwand beträchtlich, insbesondere werden hohe Anforderungen an die Rechenleistung und die Speicherkapazität der Regeleinheit gestellt. Zudem ist die Regelung nur unter einer engen Einbeziehung der Maschinendynamik möglich, so dass eine Übertragung auf andere Anlagen nicht ohne weiteres möglich ist (Anlage K1 Abs. [0002]).

Diese Nachteile aus dem Stand der Technik sucht die Erfindung zu vermeiden und formuliert daher die Aufgabe (das technische Problem), ein Verfahren anzugeben, welches mittels einer verhältnismäßig einfach aufgebauten Auswerteeinheit durchführbar und auf einfache Weise an verschiedene Spritzgussanlagen anpassbar ist (Anlage K1 Abs. [0003]).

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht das Klagepatent in Anspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:

1. Verfahren zum Regeln einer Spritzgussanlage
2. In der Spritzgussanlage werden durch eine steuerbare Einspritzvorrichtung (4) Kunststoffschmelzen in mindestens eine oder mehrere Kavitäten (2) eingespritzt.
3. Dabei wird der Werkzeuginnendruck (p) in mindestens einer der Kavitäten (2) gemessen und überwacht.
4. Nach einem Schuss wird der Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf mit einem bekannten Sollwerkzeuginnendruck-Kurvenverlauf verglichen.
5. Auf der Grundlage dieses Vergleichs wird mindestens einer der Regelparameter Einspritzgeschwindigkeit, Nachdruckhöhe, Nachdruckzeit und/oder Werkzeugtemperatur frühestens für den nächsten Schuss angepasst.
6. Dabei wird vor jedem nächsten Schuss ausreichend Reaktionszeit für die Regelung gewährleistet.

Das patentgemäße Verfahren zeichnet sich gegenüber dem Stand der Technik dadurch aus, dass die Anpassung der den Werkzeuginnendruck bestimmenden Regelparameter nicht während eines Schusses (in Echtzeit), sondern erst danach, d.h. zwischen den Schüssen, erfolgt. Damit wird auf das Nachregeln und den damit verbundenen Aufwand während eines Schusses verzichtet. Insbesondere wird dem Regelsystem ausreichend Zeit gegeben für eine Analyse der Daten.

II.
Eine etwa erforderliche Anpassung der Regelparameter Einspritzgeschwindigkeit, Nachdruckhöhe, Nachdruckzeit und/oder Werkzeugtemperatur soll dabei anhand eines Vergleiches zwischen dem gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf und einem bekannten Sollwerkzeuginnendruck-Kurvenverlauf erfolgen, Merkmale 4, 5. Dies bedarf im Hinblick auf den Streit der Parteien der Auslegung.

Den Begriff des Kurvenverlaufs definiert die Klagepatentschrift zwar nicht ausdrücklich, für den Fachmann ist aber klar, dass es sich bei dem in Merkmal 4 genannten Kurvenverlauf um eine Vielzahl von Werten für den Werkzeuginnendruck über die Zeit handelt, die vom Beginn des Spritzgussvorganges bis zum Ende der Nachdruckphase auftreten. Einen entsprechenden Kurvenverlauf zeigt die Figur 3 der Klagepatentschrift, die den Werkzeuginnendruck p als Funktion der Zeit t darstellt:

Der Einspritzbeginn A kennzeichnet den Beginn der sogenannten Füllphase. In dieser Phase wird die Kavität mit Kunststoffschmelze gefüllt. Sobald die Kavität vollständig gefüllt und damit der sogenannte Umschaltpunkt P erreicht ist, erfolgt der Übergang in die Nachdruckphase. In dieser Phase übt die Schnecke auf die Schmelze eine bestimmte Kraft, den sogenannten Nachdruck, aus. Infolgedessen erhöht sich der in der Kavität herrschende Werkzeuginnendruck bis zu einem Druckmaximum M, um anschließend bis zum Druckabfallende B abzufallen.

Auf den in Figur 3 dargestellten Werkzeuginnendruck, d.h. den in der Kavität 2 herrschenden Druck, wirken sich dabei verschiedene Regelparameter aus, die in Merkmal 5 im Einzelnen aufgeführt sind: Die Einspritzgeschwindigkeit, die Nachdruckhöhe, die Nachdruckzeit und die Werkzeugtemperatur. Bei den Regelparametern handelt es sich nach dem Klagepatent um Größen, die an der Spritzgussmaschine unmittelbar eingestellt werden können. Hiervon abhängig ist der Werkzeuginnendruck, der nicht unmittelbar eingestellt, sondern nur mittelbar über die Regelparameter gesteuert werden kann.

Diese Steuerung erfolgt anhand eines Vergleichs des Soll-Werkzeuginnendruck-Kurvenverlaufs mit dem in der Kavität gemessenen Werkzeuginnendruckkurvenverlauf. Dabei muss dieser Vergleich nicht zwingend den Verlauf des Innendrucks vom Beginn der Füllphase bis zum Ende der Nachdruckphase umfassen. Der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 lässt vielmehr durchaus auch eine Auslegung zu, bei der ein Kurvenverlauf lediglich über einen zeitlichen Teilbereich des Spritzgießvorganges ermittelt wird, in der Figur 3 also etwa von Punkt A bis P oder P bis M. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der weiteren Anspruchsmerkmale, insbesondere Merkmal 5, und der Funktion des Werkzeuginnendruck-Kurvenverlaufs.

Dessen Funktion besteht darin, den Ist-Kurvenverlauf mit dem Soll-Kurvenverlauf zu vergleichen und anhand dieses Vergleichs einen bzw. mehrere Regelparameter anpassen zu können. Dafür ist aber nicht zwingend die Bestimmung des Werkzeuginnendruck-Kurvenverlaufs über die gesamte Füll- und Nachdruckphase erforderlich. Vielmehr reicht eine Beschränkung auf diejenige Phase, die die für die Regelung des jeweiligen Parameters notwendigen Messdaten enthält.

Für den anspruchsgemäßen Vergleich der Kurvenverläufe müssen diese nicht zwingend unmittelbar miteinander verglichen werden, sondern der Wortlaut und die Funktion des Merkmals 4 lassen durchaus auch eine Auslegung zu, bei der aus dem Soll-Kurvenverlauf und dem gemessenen Kurvenverlauf jeweils bestimmte Messgrößen abgeleitet werden, anhand derer der Vergleich vorgenommen wird. Dabei darf jedoch die Bezugnahme auf den Kurvenverlauf im Wortlaut des Anspruchs nicht völlig außer Acht gelassen werden. Dieser ist gekennzeichnet durch die Darstellung des Werkzeuginnendrucks p in Abhängigkeit von der Zeit t. Nur Größen bzw. Daten, die aus der jeweiligen Kurve und damit unter Berücksichtigung von Druck und Zeit ermittelt wurden, sind geeignet, für den erfindungsgemäßen Vergleich im Sinne von Merkmal 4 des Klagepatentanspruchs 1 herangezogen zu werden.
III.
Vor diesem Hintergrund ist die angegriffene Ausführungsform objektiv nicht geeignet zur Durchführung des mit dem Klagepatentanspruch 1 unter Schutz gestellten Verfahrens, so dass eine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des Klagepatents im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG ausscheidet.

In der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2015 hat die Beklagte die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform nochmal ausführlich erläutert. Hiernach werden die bei der Herstellung eines Gutteils über die Füll- und Nachdruckphase gemessenen Werte für den Werkzeuginnendruck herangezogen, um den Maximalwert des Werkzeuginnendrucks zu ermitteln. Dieser Wert wird mit einem bestimmten Faktor, beispielsweise 0,8, multipliziert, um den sogenannten Zielwert zu ermitteln. Dieser Zielwert, der im Übrigen auch auf andere Weise bestimmt oder aus Erfahrungswerten übernommen werden kann, wird als Referenzwert manuell in die Maschine eingegeben. Der gemessene Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf wird herangezogen, um in gleicher Weise aus dem Wert des maximalen Werkzeuginnendrucks den maßgeblichen Kompressionsdruck zu ermitteln. Sofern dieser von dem Zielwert abweicht, wird durch Nachregelung des Nachdruckprofils eine Anpassung vorgenommen. Dabei wird das Nachdruckprofil als solches insgesamt hoch oder runter geregelt, d.h. alle Werte des Profils werden mit einem bestimmten Faktor multipliziert. Der Verlauf des Nachdruckprofils als solches bleibt dabei gleich. Dessen optimaler Verlauf wird zuvor manuell ermittelt. Dieses optimierte Nachdruckprofil kann in die Maschine importiert werden.

Bei dieser Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform wird Merkmal 4 nicht verwirklicht. Denn es findet an keiner Stelle in der angegriffenen Ausführungsform ein Vergleich zwischen dem gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf und dem Soll-Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf statt.

Der Vergleich zwischen dem Zielwert und dem gemessenen Kompressionswert reicht hierfür nicht. Denn beide Werte können zwar einem Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf entnommen werden, sie bilden aber gerade nicht den Kurvenverlauf ab. Für ihre Ermittlung bedarf es allein der Bestimmung des maximalen Werkzeuginnendrucks und der Umrechnung in den Zielwert bzw. Kompressionswert. Die Zeitschiene t ist hierbei völlig ohne Bedeutung. Insbesondere fließt weder in den Zielwert noch in den Kompressionswert der Zeitfaktor t ein, zu dem der maximale Werkzeuginnendruck erreicht wird. Bei der angegriffenen Ausführungsform ist es daher durchaus möglich, dass sich der Zielwert und der gemessene Kompressionswert entsprechen, die Kurvenverläufe für den gemessenen Werkzeuginnendruck und den Soll-Werkzeuginnendruck hingegen auseinanderfallen. Darüber hinaus kann der Zielwert auch auf andere Weise – beispielsweise aus Erfahrungswerten – bestimmt und manuell eingegeben werden, ohne dass es hierzu überhaupt des Rückgriffs auf einen Kurvenverlauf bedarf. Insofern findet weder ein unmittelbarer, noch ein mittelbarer Vergleich von Kurvenverläufen im Sinne von Merkmal 4 des Klagepatentanspruchs 1 statt.

Der Rückgriff auf ein importiertes Nachdruckprofil ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn es ist klar zu unterscheiden zwischen dem Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf und dem Nachdruck-Profil. Letzteres zeigt den Regelparameter Nachdruckhöhe über die Nachdruckzeit an, wobei die Nachdruckhöhe an der Schnecke gemessen wird. Damit keineswegs identisch ist jedoch der Kurvenverlauf des Werkzeuginnendrucks im Inneren der Kavität in der Nachfüllphase. Insbesondere wirkt sich die Erhöhung des Nachdrucks gerade nicht linear auf den Werkzeuginnendruck aus. Insofern handelt es sich bei dem Nachdruckprofil eben nicht um einen Kurvenverlauf im Sinne von Merkmal 4. Das Nachdruckprofil wird nicht zum Vergleich mit einem gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf herangezogen, sondern dient allein der optimalen Regelung des Nachdrucks, der in Abhängigkeit des Vergleichs zwischen dem Zielwert und dem gemessenen Kompressionswert entweder nach oben oder unten korrigiert wird.

Dass die angegriffene Ausführungsform wesentlich anders funktioniert, insbesondere also den in Merkmal 4 beschriebenen Vergleich zwischen einem Soll-Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf und einem gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf vornimmt, vermochte die Klägerin nicht substantiiert vorzutragen. Insbesondere bieten die Anlagen K6, K11 und B1 für eine solche Annahme keine greifbaren Anhaltspunkte.

Auf S. 7 der Anlage K6 wird die Kompressionsregelung der angegriffenen Ausführungsform, d.h. im Sprachgebrauch des Klagepatents die Regelung des Werkzeuginnendrucks, beschrieben. Dort heißt es: „Um die Kompression eines Spritzteils zu reproduzieren, muss das Nachdruck-Profil der jeweiligen Maschine angepasst werden. Zu diesem Zweck wird der Werkzeuginnendruck während der Nachdruckphase analysiert und als Referenz gespeichert. Um die so ermittelte bzw. optimierte Kompression zu reproduzieren, wird das Nachdruck-Profil einer Spritzgiessmaschine so lange verändert, bis die optimierten Werte in der Kavität erreicht sind.“ Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt diese Textstelle keinen Rückschluss auf einen Vergleich zweier Kurvenverläufe zu. Vielmehr kann die Analyse und Speicherung des Werkzeuginnendrucks sich auch lediglich auf einen einzelnen Wert, nach dem Sprachgebrauch der Beklagten eben auf den sogenannten Zielwert, beziehen. Zur Reproduktion dieses Zielwertes wird das Nachdruckprofil verändert und zwar so lange, bis der Zielwert erreicht ist. Soweit in Anlage K6 an dieser Stelle von „optimierten Werten“ (im Plural) die Rede ist, liegt hierin nicht unbedingt die Beschreibung eines Kurvenverlaufs. Vielmehr kann die Formulierung auch dahin zu verstehen sein, dass die Maschine mehrere Kavitäten aufweist, in denen jeweils der Zielwert für die Kompression erreicht werden soll. Ggf. beziehen sich die „optimierten Werte“ neben dem Wert für den Werkzeuginnendruck noch auf andere Kennwerte der Maschine. Ebenso denkbar ist ein Verständnis dahingehend, dass die Anpassung an den Zielwert über mehrere Schüsse erfolgt und deshalb der Zielwert erst über „Zwischenstufen“ erreicht wird. Die Formulierung in der K6 mag ggf. auch eine sprachliche Ungenauigkeit darstellen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es sich bei der K6 um eine Werbebroschüre handelt, die zwar von technischen Fachleuten für die technisch versierte Fachkundschaft erstellt wurde, allerdings ohne die Beteiligung von Patentrechtlern und nicht mit dem Blick auf eine patentrechtliche Auseinandersetzung. Anders als beispielsweise bei der Formulierung eines Patentanspruches wird in einer Werbebroschüre sicher weniger Wert auf die exakte Wortwahl gelegt. Allein aus der Verwendung des Plurals kann daher kein Rückschluss darauf gezogen werden, dass die angegriffene Ausführungsform einen bekannten Soll-werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf speichert und zu Zwecken des Vergleichs mit einem gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf heranzieht. Die nach der zitierten Textstelle in der K6 wiedergegebene Abbildung zeigt keinen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf im Sinne von Merkmal 4 des Klagepatentanspruchs 1, sondern das Nachdruckprofil. Soweit hier eine Ist-Kurve neben einer Soll-Kurve dargestellt ist, stellt dies gerade nicht den mit Merkmal 4 bezeichneten Vergleich des gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlaufs mit einem bekannten Sollwerkzeuginnendruck-Kurvenverlauf dar. Die in K6 gezeigte Sollkurve zeigt vielmehr das importierte Nachdruckprofil, das den optimalen Verlauf der Nachdruckphase, der bei der Herstellung eines Gutteils aufgenommen wurde, wiedergibt.

Auch aus Anlage K10 ergibt sich kein anderes Bild. Soweit auf Seite 66 in Bild 7 die Regelung des Werkzeuginnendrucks anhand von Kurvenverläufen dargestellt ist, zeigt das linke Bild wiederum nur das Nachdruckprofil über die Dauer des Zyklus. In der rechten Abbildung ist die Regelung des Kompressionsdrucks über das Nachdruckprofil dargestellt. Soweit dort in einem Zyklus mehrere Nachdruckwerte angegeben sind, beruht dies darauf, dass der Nachdruck sich während eines Zyklus entsprechend der linken Abbildung verändert. In der rechten Abbildung sieht man deutlich das Absinken des Kompressionsdrucks infolge der Regelung. Nicht erkennbar ist hingegen, dass ein Vergleich zweier Werkzeuginnendruck-Kurvenverläufe stattgefunden hätte.

Schließlich bietet auch die Anlage B1 keine Anhaltspunkte für einen Vergleich zweier Werkzeuginnendruck-Kurvenverläufe im Sinne von Merkmal 4 des Klagepatentanspruchs 1. Vielmehr heißt es dort: „Eingabe des Druck-Sollwerts für die gewünschte Kompression, auf den geregelt werden soll [bar]).“ Ausdrücklich ist also nur die Rede von einem Druck-Sollwert, der maßgeblich sein soll für die Regelung der Maschine. Soweit im Weiteren die Möglichkeit eines Imports des abgespeicherten Nachdruck-Profils angesprochen wird, wurde hierzu schon ausgeführt, dass es sich bei dem Nachdruck-Profil gerade nicht um einen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf handelt. Vielmehr zeigt das Nachdruckprofil die Veränderung der Nachdruckhöhe über die Nachdruckzeit an. Soweit weiter von „Kurven der einzelnen Profile“ die Rede ist, kann sich dies sowohl auf Kurvenverläufe für die einzelnen Regelparameter als auch auf einen Kurvenverlauf für den Werkzeuginnendruck beziehen. Insofern ist unstreitig, dass der Ist-Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf bei der angegriffenen Ausführungsform gemessen wird. Allerdings ist der Anlage B1 an keiner Stelle zu entnehmen, dass ein bekannter Sollwerkzeuginnendruck-Kurvenverlauf gespeichert wird, der mit dem gemessenen Werkzeuginnendruck-Kurvenverlauf verglichen wird.

Nachdem es somit in den der Kammer vorgelegten Unterlagen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gibt, dass die angegriffene Ausführungsform – entgegen der substantiiert vorgetragenen Darstellung der Beklagten – einen Vergleich zweier Werkzeuginnendruck-Kurvenverläufe anstellt, war dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu entsprechen. Dies würde eine unzulässige Ausforschung des Sachverhalts darstellen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, vor § 284 Rn 5).

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wird auf 500.000,- EUR festgesetzt.