4b O 366/03 – Kniehebelspannvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  276

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. November 2004, Az. 4b O 366/03

I.
Die Beklagte wird unter Klageabweisung im übrigen verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000EUR -ersatzweise Ordnungshaft- oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

druckmittelbetätigbare Kniehebelspannvorrichtungen, insbesondere für Karrosserieteile, bestehend aus

1.1 einem ein- oder mehrteiligen Gehäuse mit einem Zylinderraum für den Kolben und einem Bewegungsraum für die Kolbenstange und die Kniegelenkanordnung;

1.2 Führungsmitteln am freien Kolbenstangenende für die Kolbenstange, die im Gehäuse und an einem Kolbenstangenbolzen angeordnet sind;

1.3 einer Lasche, die auf dem Kolbenstangenbolzen und auf einer Kniehebelgelenkachse schwenkbar gelagert ist;

1.4 einem zweiarmigen Hebel, dessen Antriebsende gleichfalls auf der Kniehebelgelenkachse gelagert ist;
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen

1.5 der zweiarmige Hebel eine aus einem Winkelhebel bestehende Schwinge bildet, deren Scheitel schwenkbar im Gehäuse gelagert ist und dessen abtriebsx-eitiges Ende über eine Schwenkachse mit einem Spannglied gekoppelt ist;

1.6 eine einarmige Schwinge von etwa gleicher Länge wie der abtriebseitige Hebelarm der zweiarmigen Schwinge schwenkbar im Gehäuse gelagert ist sowie parallel zum abtriebseitigen Hebelarm des Winkelhebels verläuft und über eine Schwenkachse mit dem Spannglied gekoppelt ist, wobei in der Spannstellung die gehäusefesten Schwenkachsen und die Kniehebelgelenkachse am antriebseitigen Ende des Winkelhebels nahezu auf einer gedachten Geraden liegen, die parallel zur Längsachse der Kolbenstange verläuft;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 25. Mai 1991 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und
-preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu I.1 bezeichneten, seit dem 25. Mai 1991 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 350.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

V.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 350.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem deutschen Patent DE 39 36 xxx (Anlage K 1, Klagepatent), welches am 02.11.1989 angemeldet und dessen Erteilung am 25.04.1991 veröffentlicht wurde.

Das Klagepatent betrifft eine druckmittelbetätigbare Kniehebelspannvorrichtung, insbesondere für Karosseriebauteile. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Druckmittelbetätigbare Kniehebelspannvorrichtungen, insbesondere für Karrosserieteile, bestehend aus

1.1 einem ein- oder mehrteiligen Gehäuse mit einem Zylinderraum für den Kolben und einem Bewegungsraum für die Kolbenstange und die Kniegelenkanordnung;

1.2 Führungsmitteln am freien Kolbenstangenende für die Kolbenstange, die im Gehäuse und an einem Kolbenstangenbolzen angeordnet sind;

1.3 einer Lasche, die auf dem Kolbenstangenbolzen und auf einer Kniehebelgelenkachse schwenkbar gelagert ist;

1.4 einem zweiarmigen Hebel, dessen Antriebsende gleichfalls auf der Kniehebelgelenkachse gelagert ist;

bei denen

1.5 der zweiarmige Hebel eine aus einem Winkelhebel bestehende Schwinge bildet, deren Scheitel schwenkbar im Gehäuse gelagert ist und dessen abtriebsseitiges Ende über eine Schwenkachse mit einem Spannglied gekoppelt ist;

1.6 eine einarmige Schwinge von gleicher Länge wie der abtriebsseitige Hebelarm der zweiarmigen Schwinge schwenkbar im Gehäuse gelagert ist sowie parallel zum abtriebsseitigen Hebelarm des Winkelhebels verläuft und über eine Schwenkachse mit dem Spannglied gekoppelt ist, wobei in der Spannstellung die gehäusefesten Schwenkachsen und die Kniehebelgelenkachse am antriebsseitigen Ende des Winkelhebels auf einer gedachten Geraden liegen, die parallel zur Längsachse der Kolbenstange verläuft.„

Die nachfolgend wiedergegebene Abbildung (Figur 1 des Klagepatents) veranschaulicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das sich ausweislich seines Internet-Auftritts mit Herstellung und Vertrieb von Pneumatikzylindern, Ventilen und Zubehör befaßt. Sie gehört zu der B Gruppe, deren Muttergesellschaft ihren Sitz in Italien hat. Zu dieser Unternehmensgruppe gehört weiter eine „B Power Clamps Division„, die gleichfalls ihren Hauptsitz in Italien hat. Letztere stellt Kniehebelspannvorrichtungen her, wie sie sich aus dem von der Klägerin als Anlage 11 zu der Akte gereichten Prospekt ergeben, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Zur weiteren Veranschaulichung der in Rede stehenden Kniehebelspannvorrichtungen ist nachfolgend eine Konstruktionszeichnung einer solchen wiedergegeben, die einen Unterflurspanner in geschlossener Stellung (d.h. die Werkstücke miteinander verspannend) zeigt (Anlage B 4, linke Darstellung):

Die Klägerin behauptet, die Beklagte vertreibe die in dem o.a. Prospekt abgebildeten Kniehebelspannvorrichtungen, insbesondere den in dem Prospekt abgebildeten „Pneumatischen Unterflurspanner Serie XYZ 50„, dessen dortige Abbildung nachfolgend vergrößert wiedergegeben ist:

Jedenfalls sei dieser von ihr –der Klägerin- zur Akte gereichte Prospekt auf dem „B – Stand„ der Hannover – Messe 2003 ausgelegt gewesen. Da dieser Prospekt auch in deutscher Sprache abgefaßt sei und die Anschrift der Beklagten auf der Rückseite wiedergegeben werde, handele es sich um eine Angebotshandlung, die sich die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland zurechnen lassen müsse.

Der Unterflurspanner XYZ 50 mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch, weswegen die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch nimmt.

Die Klägerin beantragt,

sinngemäß wie erkannt, wobei sie darüber hinaus auch beantragt, der Beklagten das Herstellen der angegriffenen Ausführungsform zu untersagen, und den Rechnungslegungsanspruch auf diese Begehungsform erstreckt, und zwar insgesamt ohne Wirtschaftsprüfervorbehalt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise begehrt sie,

1. ihr einen umfassenden (das heißt Abnehmer und Angebotsempfänger einschließenden) Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen;

2. ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Sie bestreitet, irgendwelche Verletzungshandlungen hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform begangen zu haben. Sie befasse sich weder mit Herstellung noch Vertrieb der Kniehebelspannvorrichtungen. Der von der Klägerin zur Akte gereichte Prospekt stamme von der italienischen Schwestergesellschaft. Den Prospekt habe sie, die Beklagte, zuvor auch nicht gekannt. Der Stand auf der Hannover – Messe sei von der italienischen Muttergesellschaft betrieben worden. Schließlich sei das von ihr zur Akte gereichte Muster eines Unterflurspanners (Anlage B 1) von der Muttergesellschaft ausschließlich zu Beweiszwecken an den Patentanwalt der Beklagten übergeben worden; sie selber habe diesen nie besessen.

Im übrigen mache der Unterflurspanner von der technischen Lehre des Klagepatents auch weder wortsinngemäß noch in äquivalenter Weise Gebrauch.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.10.2004 hat die Beklagte eingeräumt, dass sich auf ihrer Homepage ein Link zu der Homepage der italenischen Muttergesellschaft befunden hat, die sich auch in deutscher Sprache aufrufen läßt. Von dort aus gelangte man –jedenfalls bis zum 11.10.2004- auch zu der elektronischen Fassung des als Anlage 11 zur Akte gereichten Prospektes.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist überwiegend begründet, weswegen die Klägerin von der Beklagten wegen rechtswidrigen Gebrauchs der technischen Lehre des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform Unterlassung des Vertriebs, Schadenersatz und Rechnungslegung begehren kann. Unbegründet ist die Klage lediglich hinsichtlich der Handlungsalternative des Herstellens sowie des Rechnungslegungsbegehrens ohne den tenorierten Wirtschaftsprüfervorbehalt.

I.

Die Beklagte ist passiv legitimiert.

Als Anspruchsgegner kommt jeder in Betracht, der an patentverletzenden Handlungen in irgendeiner Form mitgewirkt hat. Nach § 9 Ziff. 1 PatG ist es jedem Dritten unter anderem verboten, ohne Zustimmung des Berechtigten ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten und in den Verkehr zu bringen.

1.
Dass die Beklagte die streitgegenständlichen Kniehebelspannvorrichtungen selber herstellt, ist von der Klägerin nicht schlüssig vorgetragen worden. Insoweit unterliegt die Klage der Abweisung. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die fraglichen Gegenstände von der dem italienischen Mutterkonzern angehörenden „Power Clamps Division„ gefertigt werden und sie sich alleine mit der Herstellung nicht streitgegenständlicher Bauteile befaßt.

2.
Die Beklagte trifft im Hinblick auf den als Anlage K 11 zur Akte gereichten Prospekt jedoch der Vorwurf, die angegriffene Ausführungsform „XYZ 50„ in der Bundesrepublik Deutschland angeboten zu haben. Hierfür kann es zunächst dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den –auch in deutscher Sprache verfassten- und auf der Hannover – Messe im Jahr 2003 verteilten Prospekt kannte, der den hier streitgegenständlichen Unterflurspanner darstellt. Denn der Internet-Auftritt der Beklagten mit der Verbindung zu der (auch deutschsprachigen) Internetseite der Muttergesellschaft, von der aus der Interessent zu dem elektronischen Katalog der „Power Clamps Division„ gelangen konnte, stellt in jedem Fall eine in der Bundesrepublik Deutschland untersagte Angebotshandlung im Sinne des Patentgesetzes dar. Wer in einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden auf seiner Internet-Homepage eine Möglichkeit schafft, ohne weiteres Hinzutun auf die Seite einer anderen konzernverbundenen Gesellschaft zu gelangen, ohne den Anwender ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass man sich von den Inhalten der dortigen Dateien distanziert, hat sich die von dem Dritten getätigten Aussagen und Inhalte zurechnen zu lassen. Dies hat insbesondere in den Fällen zu gelten, in denen der objektive Betrachter den Eindruck gewinnt, dass der Inhaber der Homepage sich die dortigen Inhalte zu eigen machen will. Vorliegend ist solches zu bejahen. Zunächst ist für den Betrachter auffällig, dass es sich bei den miteinander durch Links verbundenen Seiten um die ein und desselben Konzerns handelt. Dass die italienische Muttergesellschaft ihren Internetauftritt auch in deutscher Sprache anbietet, zeigt in Deutschland ansässigen Kunden, dass er die dortigen Produkte auch in Deutschland beziehen kann. Trifft er nun auf die angegriffene Ausführungsform und will er eine solche beziehen, erhält er auf der –deutschsprachigen- italienischen Homepage der Konzernmutter den Hinweis auf die Beklagte als Vertriebsgesellschaft für Produkte des Konzerns. Eine Einschränkung, dass über die deutsche Gesellschaft (die Beklagte) nicht alle von dem Konzern hergestellten und vertriebenen Gegenstände erworben werden können, findet sich nicht. Dies stellt –jedenfalls für einen vernünftigen Beobachter- einen deutlichen Hinweis darauf dar, dass er sich an die Beklagte wenden kann und soll, wenn er einen Unterflurspanner erwerben will.
Wollte die Beklagte sich von alledem distanzieren, so hätte sie davon absehen müssen, den Link auf ihrer Homepage zu installieren. Jedenfalls wäre ihr aber, nachdem sie ihre Internetseite mit diesem Link eingerichtet hatte, ein entsprechender –deutlicher- Hinweis abzuverlangen, dass sie sich von den Inhalten der –in Deutschland patentrechtswidrigen- Werbung distanziert. Fehl geht die im Verhandlungstermin vom 28.10.2004 geäußerte Ansicht der Beklagten, der Inhalt der verlinkten Internetseiten sei ihr nicht zurechenbar, weil sie keine Prüfungspflicht dahingehend treffe, ob und gegebenenfalls in welcher Hinsicht die verlinkte Seite verändert worden sei. Das Gegenteil ist richtig. Wer seine eigene Internetpräsentation und –werbung mit dem Internetauftritt eines dritten Unternehmens verlinkt, gibt zu erkennen, dass er deren Inhalte übernehmen und zum Bestandteil seiner eigenen Werbung machen will. Schon deswegen hat er zu überprüfen, welchen Inhalt diese in Bezug genommenen Internetseiten haben, und zwar nicht nur bei der ersten Verlinkung, sondern fortwährend, solange der Link besteht. Abgesehen davon ist der Einwand der Beklagten auch deshalb unerheblich, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der elektronische Katalog erst nachträglich in den verlinkten Internetauftritt aufgenommen worden ist.

Für die Frage der Passivlegitimation spielt es auch keine Rolle, dass nach dem Hinweis der Kammer auf den vorliegenden Sachverhalt der Prospekt nach Anlage K 11 auf der italienischen Internetseite nicht mehr aufgerufen werden konnte. Damit ist lediglich die Verletzung des Klagepatents eingestellt worden, was die Wiederholungsgefahr nicht ausräumt.

II.

Das Klagepatent betrifft eine druckmittelbetätigbare Kniehebelspannvorrichtung, insbesondere für Karosserieteile im Automobilbau.

Aus dem Stand der Technik ist eine Kniehebelspannvorrichtung gemäß der deutschen Patentschrift 34 19 878 C1 bekannt, wie sie aus den nachfolgenden Figuren 1 – 3 ersichtlich ist:

Bei dieser Kniehebelspannvorrichtung wird ein Gelenkviereck aus einem Spannhebel (1) und zwei Schwingen (2,3) gebildet. Die beiden Schwingen (2,3) sind dabei jeweils an einem Ende auf gehäusefesten Schwenkachsen (9,10) drehbar gelagert und am anderen Ende jeweils mittels einer Schwenkachse (4,5) mit dem Spannhaken verbunden. Durch die Wahl der Längenverhältnisse der beiden Schwingen sowie durch die Anordnung der gehäusefesten Schwenkachsen (9,10) und der Schwenkachsen (4,5) auf dem Spannhaken wird eine bestimmte Geometrie vorgegeben. Durch sie wird dabei festgelegt, welche Bewegung der Spannhaken ausführen kann. Im Allgemeinen umfaßt die mögliche Bewegung des Spannhakens in Abhängigkeit von der Geometrie eine Bewegungskomponente in der Zeichenebene der Fig. 1 bis 3, d.h. eine Translationskomponente sowie eine Rotationskomponente, die die Drehung des Spannhakens beschreibt. In der Patentschrift DE 34 19 878 C1 ist die Geometrie so gewählt, dass sich der Spannhaken in der Offenstellung vollständig unterhalb der Werkstückauflagefläche befindet. Beim Spannen führt er eine seitliche und vertikale Translationsbewegung sowie eine Rotationsbewegung um ca. 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn aus, um schließlich die in Fig. 3 gezeigte Spannstellung einzunehmen. Der Antrieb des Spannhakens erfolgt dabei über ein Kniegelenk, bestehend aus den beiden Schwingen 6´, welches durch einen pneumatischen Zylinder spannbar ist.

Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zu Grunde, die Geometrie des Gelenkvierecks so zu bestimmen bzw. zu verändern, dass der Spannhaken im Wesentlichen eine Translationsbewegung ausführt und zwar derart, dass der Spannhaken in der Offenstellung in einem Zentrierdorn (30 in Fig. 1 des Klagepatents) verbracht werden kann und beim Spannen aus diesem in Richtung der Werkstückauflagefläche hervortritt (vgl. die beiden Stellungen des Spannhakens 19 in Fig. 1 des Klagepatents), so dass beispielsweise zwei Bleche miteinander verspannt werden.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 die Kombination der folgenden Merkmale (ohne Bezugszeichen) vor:

Druckmittelbetätigbare Kniehebelspannvorrichtung, insbesondere für Karosserieteile, bestehend aus:

1.1 einem ein- oder mehrteiligen Gehäuse mit einem Zylinderraum für den Kolben und einem Bewegungsraum für die Kolbenstange und die Kniehebelgelenkanordnung;

1.2 Führungsmitteln am freien Kolbenstangenende, die im Gehäuse und an einem Kolbenstangenbolzen angeordnet sind;

1.3 einer Lasche, die auf dem Kolbenstangenbolzen und auf einer Kniehebelgelenkachse schwenkbar gelagert ist;

1.4 einem zweiarmigen Hebel, dessen Antriebsende gleichfalls auf der Kniehebelgelenkachse gelagert ist;

1.5 der zweiarmige Hebel bildet eine aus einem Winkelhebel bestehende Schwinge, deren Scheitel schwenkbar im Gehäuse (gehäusefeste Schwenkachse 16) gelagert ist und dessen abtriebsseitiges Ende über eine Schwenkachse mit einem Spannglied gekoppelt ist;

1.6 eine einarmige Schwinge von gleicher Länge wie der abtriebseitige Hebelarm der zweiarmigen Schwinge

1.6.1 ist schwenkbar im Gehäuse (Schwenkachse 21) gelagert,

1.6.2 verläuft parallel zum abtriebseitigen Hebelarm des Winkelhebels

1.6.3 und ist über eine Schwenkachse mit dem Spannglied gekoppelt,

1.6.4 wobei in der Spannstellung die gehäusefesten Schwenkachsen und die Kniehebelgelenkachse am antriebseitigen Ende des Winkelhebels auf einer gedachten Geraden liegen, die parallel zur Längsachse der Kolbenstange verläuft.

Gegenüber dem Stand der Technik gemäß DE 34 19 878 C1 werden also die Längen der gehäusefesten Schwingen gleich lang gewählt und die Schwenkachsen werden so angeordnet, dass die beiden Schwingen stets parallel verlaufen (Parallelogrammgetriebe). Es wird somit erreicht, dass der Spannhaken keine Rotationsbewegung durchführt, sondern lediglich eine Translationsbewegung entlang einer Kreisbahn K, wie in der Anlage B5 gezeigt.

III.

Der Unterflurspanner „XYZ 50„ der Beklagten macht von der vorstehend erläuterten Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Bezüglich der Merkmale 1. bis 1.5 steht dies außer Streit und bedarf deswegen keiner weiteren Erörterung.

1.
Wortsinngemäß verwirklicht sind auch die Merkmale 1.6 bis 1.6.3. Das Klagepatent geht von einer Spannvorrichtung aus, wie sie in der DE 34 19 878 C 1 beschrieben ist. Dieser Stand der Technik ermöglicht bereits eine Platzierung der Spannvorrichtung im wesentlichen unterhalb der Spann- und Bearbeitungsebene. Aufgrund des gewählten Antriebs für das Spannglied, wie er aus den oben wiedergegebenen Abbildungen ersichtlich ist, ist der Platzbedarf relativ groß, was zu einer entsprechenden Baugröße führt. Verantwortlich dafür ist der sich aus der Antriebskonstruktion ergebende Bewegungsablauf des Spannhebels beim Öffnen und Schließen des Spanngriffs, der den Spannhebel in einer Rotationsbewegung zunächst seitlich, alsdann vertikal aufwärts und alsdann wieder entgegengesetzt horizontal führt.

Im Gegensatz zu diesem vorbekannten (raumgreifenden) Antriebsmechanismus wählt das Klagepatent eine andere Art des Antriebs, nämlich ein Parallelogrammgetriebe. Mit seiner Ausgestaltung befassen sich namentlich die Merkmale 1.6 bis 1.6.3 der oben wiedergegebenen Merkmalsanalyse, die fordern,

• dass die einarmige Schwinge die gleiche Länge besitzt wie der abtriebsseitige Arm der zweiarmigen Schwinge (wobei mit Länge nicht die Außenabmessungen der betroffenen Bauteile gemeint sind, sondern der Abstand zwischen den jeweils beiden Gelenkpunkten der einarmigen Schwinge bzw. des abtriebsseitigen Arms der zweiarmigen Schwinge, welcher getriebetechnisch allein von Belang ist);

• dass die einarmige Schwinge parallel zum abtriebseitigen Arm der zweiarmigen Schwinge angeordnet ist

• und beide einerseits gehäusefest und andererseits schwenkbeweglich am Spannglied befestigt sind.

Infolge dieses Parallelogrammgestänges ergibt sich bei einer Auf- und Abwärtsbewegung der Kolbenstange keine Rotationsbewegung des Spannhebels mehr, sondern eine Translationsbewegung in vertikaler und horizontaler Richtung.

Da es dem Klagepatent mit den vorstehend erörterten Merkmalen ersichtlich darum geht, ein Parallelogrammgetriebe – im Unterschied zu dem gänzlich anders gelagerten Antrieb des Standes der Technik – zu umschreiben, erkennt der Fachmann, dass die scheinbar mathematisch und geometrisch exakt definierten Begriffe „gleiche Länge„, „parallel„ nicht philologisch eng zu verstehen sind. Bei Berücksichtigung des technisch verstandenen Wortsinns sind deshalb nicht nur unvermeidliche Toleranzabweichungen vom Idealzustand „gleicher Länge„ und „paralleler Anordnung„ unschädlich. Die gleiche Länge und eine parallele Anordnung liegen vielmehr auch dann noch vor, wenn -trotz der Abweichung vom Idealzustand „gleiche Länge„ und „parallele Anordnung„ – im Sinne der Zielstellung des Klagepatents ein Parallelogrammgetriebe erhalten wird, das die translatorische Bewegung des Spannhebels hervorbringt.

Im Streitfall hat die einarmige Schwinge eine Länge von 26 mm, während die abtriebseitige Schwinge des Winkelhebels eine Länge von 24 mm aufweist. Beide befinden sich deswegen allenfalls in einer einzigen Position exakt parallel zueinander. An einer wortsinngemäßen Benutzung der Erfindung ändert all dies nichts. Denn trotz der besagten Abweichung liegt ein Parallelogrammgetriebe vor, wie es dem Klagepatent entspricht. Dies belegt der Bewegungsablauf. Er ist –wie das Muster nach Anlage B 1 bestätigt- kein anderer als er sich nach Figur 1 der Klagepatentschrift einstellt.

Soweit die Beklagte Einwendungen hiergegen erhebt, sind diese sämtlich nicht geeignet, eine Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents in Abrede zu stellen:

• Die Zentrierdorne möglichst klein auszubilden, ist kein Anliegen der Erfindung.

• Dass die Spannfläche eine geringe Neigung einnimmt, mag sein. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sich hierdurch in irgendwie nennenswertem Umfang Handhabungsprobleme ergeben. Die Beklagte selbst erwähnt die Gefahr von Verkantungen mit dem zu spannenden Bauteil nur für Ausnahmefälle.

• Soweit die Beklagte auf eine unterschiedliche Beanspruchung der Gelenkstelle (17) einerseits und (22) andererseits verweist, ist gleichfalls nicht ersichtlich, dass sich aufgrund dessen ernstzunehmende Verschleißprobleme ergeben. Im übrigen sind solche Verschleißprobleme der besagten Art ohnehin nicht Gegenstand des Klagepatents.

2.
Von Merkmal 1.6.4 wird gleichfalls Gebrauch gemacht. Es verlangt, dass „in der Spannstellung„ die Achsen (13, 16 und 21) auf einer Gerade liegen und diese gedachte Gerade parallel zur Längsachse der Kolbenstange verläuft. Sinn und Zweck dieser Anweisung ist es, eine Totpunktstellung zu erreichen, in der sich der Spanngriff selbst dann nicht löst, wenn der Antrieb für die Kolbenstange ausfällt. Die Parteien sind sich darüber einig, dass derartiges auch bei der angegriffenen Ausführungsform erreicht wird, bei der der antriebseitige Hebelarm der zweiarmigen Schwinge nicht exakt rechtwinklig zur Kolbenstange steht, sondern von dieser sogar leicht weggeneigt ist. Dem Fachmann ist dies auch leicht einsichtig, nicht zuletzt deshalb, weil die Klagepatentschrift in Bezug auf die DE 34 19 878 (Anl. K 4) selbst erwähnt, dass ein Übertotpunktanschlag vorhanden ist, bei dem der Spannhebel mit der Kolbenstange einen Winkel von 85° – 90° einschließt. Auch in Bezug auf die im Merkmal 1.6.4 geforderte Parallelität besteht deshalb kein Grund zu einer engherzigen Betrachtung. Abweichungen der Achsen (13, 16 und 21) von einer exakten Geraden und eine Verfehlung exakt geometrischer Parallelität mit der Kolbenstangenlängsachse liegen vielmehr solange im technisch verstandenen Wortsinn, solange das Totpunktprinzip der Erfindung verwirklicht wird.

IV.

Da die Beklagte den Gegenstand des Klagepatents mit der angegriffenen Ausführungsform rechtswidrig benutzt hat, ist sie der Klägerin insoweit zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG. Die Beklagte hat der Klägerin außerdem Schadenersatz zu leisten § 139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentbenutzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Außerdem ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Gemäß § 140b PatG hat die Beklagte schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2 mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind. Hinsichtlich der Angebotsempfänger ist den Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin hinsichtlich der Begehungsalternative des Herstellens ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine weiteren Kosten verursacht. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709, 108 ZPO. Anlaß für eine Vollstreckungsschutzanordnung nach § 712 ZPO besteht nicht, weil die Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat (§ 714 Abs. 2 ZPO), dass ihr durch die Vollstreckung des Urteils ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen würde.

Dr. R1 Dr. R2 R3