4b O 196/03 – GSM-Mobilfunktelefone

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  265

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Januar 2004, Az. 4b O 196/03

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– € -ersatzweise Ordnungshaft- oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Mobiltelefone zum Einsatz in einem Funkübertragungssystem mit ortsfesten Funkstationen, denen mindestens ein Organisationskanal zugeordnet ist und wobei die ortsfeste Funkstation zu veränderbaren Zeitabständen Verweise auf andere bestehende Organisationskanäle sendet,

im Geltungsbereich des deutschen Anteils des europäischen Patents 0 240 073 anzubieten und / oder in den Verkehr zu bringen,

wenn jede ortsfeste Funkstation auf einem Nachrichtenübertragungskanal, welcher ein Simplex-Nachrichtenübertragungskanal ist, zur Information über die Gestaltung von Organisationskanälen Verweise auf Nachrichtenübertragungskanäle benachbarter ortsfester Funkstationen sendet, wenn auf dem Nachrichtenübertragungskanal mindestens ein Verweis auf einen der ortsfesten Funkstation zugeordneten Organisationskanal gesendet wird und wenn Inhalt eines Verweises mindestens die dem Nachrichtenübertragungskanal bzw. Organisationskanal zugeordneten Adressen sind;

2.

der Klägerin Auskunft über den Umfang der seit dem 07. November 1987 begangenen, zu I.1. bezeichneten Handlungen zu erteilen, unter Angabe

a)

der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b)

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, Angebotsdaten und Angebotspreisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

· sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem 01. Mai 1992 begangenen Handlungen auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 02. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt,

· die Angaben zu a) nur für die Zeit seit dem 01. Juli 1990 zu machen sind,

· die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 11. März 1993 zu machen sind,

· der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger an Stelle der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn gleichzeitig beauftragt und ermächtigt, der Klägerin auf Verlangen Auskunft darüber zu erteilen, ob ein bestimmt bezeichneter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II.

Es wird festgestellt,

1.

dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 07. November 1987 bis zum 10. März 1993 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2.

dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr oder ihren Rechtsvorgängern durch die zu der Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 11. März 1993 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3 auferlegt.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte hinsichtlich der Kosten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 €; für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000 €. Die jeweiligen Sicherheiten können auch durch unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaften von als Zoll- und Steuerbürgen anerkannten inländischen Kreditinstituten erbracht werden.

V.

Der Streitwert wird auf 2.000.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist durch Umfirmierung der K1 GmbH entstanden, die im Wege der Umschreibung unter dem 26.10.1999 als Inhaberin des ursprünglich auf die K2 AG unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland registrierten europäischen Patents 0 240 073 (Anlage K 12, Klagepatent) eingetragen wurde. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 04.04.1986 am 25.03.1987 angemeldet. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 10.02.1993 bekannt gemacht.

Das Klagepatent betrifft, soweit es vorliegend von Interesse ist, ein Verfahren zum Auswählen eines Organisationskanals in einer beweglichen Funkstation eines Funkübertragungssystems. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat in seiner deutschen Fassung folgenden Wortlaut:

„Verfahren zum Auswählen eines Organisationskanals (CCH) durch eine bewegliche Funkstation (MS) eines Funkübertragungssystems mit ortsfesten Funkstationen (BS), welchen mindestens ein Organisationskanal (CCH) zugeordnet ist, wobei die ortsfeste Funkstation (BS) zu veränderbaren Zeitabständen Verweise auf andere bestehende Organisationskanäle (CCH) sendet, dadurch gekennzeichnet, dass jede ortsfeste Funkstation (BS) auf einem Nachrichtenübertragungskanal (COCH), welcher ein Simplex- Nachrichtenübertragungskanal ist, zur Information über die Gestaltung von Organisationskanälen (CCH) Verweise (NC) auf Nachrichtenübertragungskanäle (COCH) benachbarter ortsfester Funkstationen (BS) sendet und dass auf dem Nachrichtenübertragungskanal (COCH) mindestens ein Verweis (CC) auf einen der ortsfesten Funkstation (BS) zugeordneten Organisationskanal (CCH) gesendet wird, wobei Inhalt eines Verweises (NC,CC) mindestens die dem Nachrichtenübertragungskanal (COCH) bzw. Organisationskanal (CCH) zugeordneten Adressen sind.“

Das Klagepatent wird von dem European Telecommunication Standards Institute (ETSI) als für den „Global Sytem for Mobile Communications (GSM) – Standard“ grundlegendes Schutzrecht aufgeführt. Das ETSI ist mit der Aufgabe befasst, eine internationale Standardisierung für den Bereich der mobilen Telekommunikation zu erarbeiten. Zu diesem Zweck werden technische Standards verfaßt, die es den Anwendern ermöglichen, international mobil zu kommunizieren. Dies wurde im Laufe der achtziger Jahre erforderlich, nachdem die bis dahin national entwickelte mobile Kommunikation erhebliche Zuwächse zu verzeichnen hatte und im Markt ein zunehmendes Bedürfnis nach internationaler Angleichung erwuchs, um so auch einen grenzüberschreitenden Mobilfunkbetrieb zu ermöglichen.

Die Beklagte stellt Mobilfunktelefone her, die die technischen Voraussetzungen erfüllen, um im GSM-Standard betrieben zu werden. Anläßlich der Messe „Cebit 2002“ hat sie in Hannover ein Mobilfunktelefon mit der Typenbezeichnung „SG 2200E“ ausgestellt.

Die Klägerin behauptet: Die Beklagte habe anläßlich ihres Messeauftritts neben der Ausstellung des Telefons „SG 2200“ auch Broschüren verteilt, die denen der von ihr zur Gerichtsakte gereichten Anlage K 25 entsprächen. Ausweislich des dortigen Blatts 3 biete die Beklagte neben dem „SG 2200E“ auch noch die weiteren Typen „SG-4500, SG-4600, SG-P100, SG-P200, SG-5000, SG-4000, SG-2600E und SG-2000E“ an. All diesen Mobilfunktelefonen sei gemein, dass sie im GSM-Standard betrieben werden könnten. Da ein Betrieb im GSM-Standard die Anwendung des Verfahrens nach der technischen Lehre des Klagepatents voraussetze, folge, dass die Beklagte mit Herstellung und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent mittelbar verletze.

Nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung ihre Behauptung aufrecht erhalten hat, dass die Broschüren gem. Anlage K 25 auf der Messe nicht vertrieben worden seien, hat die Klägerin –nach gerichtlichem Hinweis- klargestellt, dass sie sich mit der Klage alleine gegen die Mobilfunktelefone mit der Typenbezeichnung „SG-2200E“ wende.

Die Klägerin beantragt,

sinngemäß wie erkannt zu entscheiden.

Wegen der darüber hinaus insbesondere geltend gemachten Ansprüche wird auf die Ansprüche 5, 11 und 13 des Klagepatents verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend: Sie habe keines der o.a. Mobiltelefone im deutschen Geltungsbereich des Klagepatents angeboten. Diese würden ausschließlich im Ausland vertrieben. Lediglich das Mobiltelefon mit der Bezeichnung „SG-2200“ sei anläßlich der Messe in Hannover gezeigt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass alleine der Umstand, dass die von ihr hergestellten Mobilfunktelefone –unstreitig- im GSM-Standard zu betreiben sind, zwingend den Schluss zulasse, dass auch das Verfahren nach dem Klagepatent hierdurch angewandt werde. Selbst wenn man dies unterstelle, so sei sie hierzu berechtigt, da die für die Anwendung des Verfahrens erforderlichen Schritte in Prozessoren abgespeichert seien, die sie von den Firmen 1 & 2 beziehe. Es sei davon auszugehen, dass diese Firmen eine Berechtigung zu Herstellung und Vertrieb von der Klägerin besäßen, weswegen auch die Beklagte über eine hiervon abgeleitete Berechtigung verfüge. Jedenfalls seien ihre, der Beklagten, Kunden zur Anwendung des geschützten Verfahrens berechtigt, da diese einen entsprechenden Vertrag mit den jeweiligen Mobilfunknetzbetreibern abschließen müssten. Letztere seien aber von der Klägerin zur Anwendung der technischen Lehre des Klagepatents ermächtigt. Hiervon sei auszugehen, da sowohl die Klägerin wie auch die Netzbetreiber Mitglieder der internationalen Vereinigung „3rd Generation Partnership Project“ (3GPP) seien, die sich zur Aufgabe gemacht hätten, die Mobilfunkgeräte und –netze der dritten Generation zu fördern und insbesondere Fragen des geistigen Eigentums zu behandeln.

Der von der Klägerin gezogene Schluss, dass der Betrieb im GSM-Standard zwingend die Anwendung des Verfahrens nach dem Klagepatent voraussetze, sei auch deshalb nicht zutreffend, da das Klagepatent verlange, dass die Verweise auf andere bestehende Organisationskanäle zu veränderbaren Zeitabständen gesendet würden, während der GSM-Standard vorschreibe, dass diese Verweise regelmäßig zu senden seien. Weiterhin bestehe ein Widerspruch zwischen dem Klagepatent und dem GSM-Standard darin, dass der Organisationskanal (CCH) in seiner Bedeutung „über sich selber angeordnet“ sein müsse, wenn man die Diktion aus dem in dem Verfahren 4b O 49 / 03 streitgegenständlichen Patent 0 111 972, welches im Klagepatent als Stand der Technik gewürdigt werde, zugrundelege.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der deutsche Teil des europäischen Patents 0 240 073 (Anlage K 12, Klagepatent) ist ursprünglich eingetragen gewesen für die Kla Patentverwaltung GmbH. Unter dem 26.10.1999 wurde die Inhaberschaft auf die Firma K1 GmbH umgeschrieben (vgl. Anl. K 22), die durch Umfirmierung der ursprünglichen Patentinhaberin (vgl. Anl. K 23) entstanden ist. Aus der Anlage K 23 ist weiterhin ersichtlich, dass die K1 GmbH in die Klägerin umfirmierte, die somit als Nachfolgerin zur Geltendmachung des Klageschutzrechtes und der aus ihm folgenden Ansprüche berechtigt ist.

II.

Das Klagepatent betrifft, soweit es vorliegend von Interesse ist, ein Verfahren zum Auswählen eines Organisationskanals in einer beweglichen Funkstation eines Funkübertragungssystems. Es findet im Wesentlichen Anwendung auf dem Gebiet der Mobiltelefone und hier insbesondere bei dem sogenannten GSM – Standard. Ein Nachrichtenübertragungssystem nach diesem Standard besteht in der Regel aus drei Komponenten:

– den beweglichen Funkstationen (Mobile Station, MS) mit dem Mobiltelefon und einer Identifizierungseinheit (SIM – Subscriber Identity Module),

– ortsfesten Funkstationen (Basis Station, BS), die innerhalb einer bestimmten geographischen Zone (Funkzone) die Verbindung zwischen den beweglichen Funkstationen kontrollieren, und

– dem eigentlichen Netzwerk, das die Verbindung zwischen mobilen Funkstationen oder von mobilen Funkstationen zu festen Einrichtungen herstellt.

Von der Internationalen Telekommunikations Vereinigung sind für den Bereich des mobilen Telefonierens zwei Frequenzbereiche bereitgestellt worden, die jeweils ein Spektrum von 25 MHz aufweisen. Wegen des hohen Aufkommens an Telekommunikation ist es erforderlich gewesen, diese Bereiche in jeweils 124 Frequenzbänder von je 200 kHz zu unterteilen, wobei eines oder mehrere Frequenzbänder jeder Basisstation zugewiesen ist / sind. Das in dem hier interessierenden Standard gewählte Übertragungsverfahren basiert auf einer Kombination von Frequenz- und Zeitaufteilungen, dergestalt, dass jedes Frequenzband in einzelne Zeitabschnitte unterteilt wird. Ein Kanal wird hierbei definiert durch die Kombination von Frequenzband und Zeitabschnitt.

Diesen hierdurch erhaltenen Kanälen sind verschiedene Funktionen zugewiesen. So findet einmal eine Unterscheidung zwischen Verkehrskanälen, die der Übermittlung von Sprache und Daten dienen, und Organisationskanälen, die das Funktionieren der Übertragungssysteme sicherstellen sollen, statt. Letztere lassen sich weiter unterteilen in Sendekanäle, gemeinsame Steuerkanäle und besondere Steuerkanäle. Über die Sendekanäle werden kontinuierlich von den Basisstationen bestimmte Informationen an die mobilen Stationen übermittelt, die zur Korrektur der Frequenz, der Synchronisation der Geräte und anderen Zwecken dienen.

In diesen bekannten Funkübertragungssystemen werden unterschiedliche Arten von Teilnehmergeräten und verschiedene Dienste betrieben, wie beispielsweise einfache Funkrufempfänger mit alphanumerischer Anzeige, Portables, mit mehreren Empfangs- und Sendefrequenzen für Duplexbetrieb (d.h. es werden Kanäle verwendet, auf denen sowohl gesendet wie empfangen werden kann) oder mobilen Datenterminals (vgl. wegen weiterer Beispiele Anlage K 12, S. 2 Z 8 – 20). Werden für diese verschiedenen Dienste auch verschiedene Organisationskanäle vorgesehen, so müssen im Stand der Technik die Verweise für alle verschiedenen Organisationskanäle zwischen den ortsfesten Funkstationen ausgetauscht werden. Bei zunehmender Netzdichte und mehreren Diensten im Funkübertragungssystem erhöht sich daher auch die Zahl der zu sendenden Verweise erheblich.

Vor diesem bekannten Stand der Technik stellt sich die Erfindung des Klagepatents die Aufgabe, in einem dienstintegrierten Funkübertragungssystem ein Verfahren zum Auswählen eines Organisationskanals durch die beweglichen Funkstationen anzugeben, bei dem die Anzahl der zu überprüfenden Verweise gering ist. Diese Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 1 gelöst durch ein Verfahren mit den nachfolgenden Merkmalen:

(1) Verfahren zum Auswählen eines Organisationskanals (CCH) in einer beweglichen Funkstation (MS) eines Funkübertragungssystems.

(2) Das Funkübertragungssystem umfaßt ortsfeste Funkstationen (BS),

a) denen mindestens ein Organisationskanal (CCH) zugeordnet ist und

b) die zu veränderbaren Zeitabständen Verweise auf andere bestehende Organisationskanäle (CCH) senden.

(3) Jede ortsfeste Funkstation (BS) sendet auf einem Nachrichtenübertragungskanal (COCH) zur Information über die Gestaltung von Organisationskanälen (CCH) Verweise (NC) auf Nachrichtenübertragungskanäle benachbarter ortsfester Funkstationen (BS).

(4) Auf dem Nachrichtenübertragungskanal (COCH) wird mindestens ein Verweis (CC) auf einen der ortsfesten Funkstation (BS) zugeordneten Organisationskanal (CCH) gesendet.

(5) Inhalt eines Verweises (NC, CC) sind mindestens die dem Nachrichtenkanal bzw. Organisationskanal (CCH) zugeordneten Adressen.

Beim erfindungsgemäßen Verfahren informiert der Nachrichtenübertragungskanal die Mobilen Stationen über die Konfiguration (Anordnung) der Organisationskanäle im dienstintegrierten Funkübertragungssystem. In der Systemebene ist somit der Nachrichtenübertragungskanal über den Organisationskanälen angeordnet, wobei die Mobile Station für den Netzzugang lediglich die geringe Anzahl der verschiedenen im gesamten Frequenzband des dienstintegrierten Funkübertragungssystems liegenden Nachrichtenübertragungskanäle absuchen muss.

III.

1.

Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung nach gerichtlichem Hinweis zunächst klargestellt, dass sie sich mit ihrer Klage gegen sämtliche in dem Prospekt der Beklagten als GPRS- und GSM- Mobiltelefone mit den Typenbezeichnungen „SG-4500, SG-4600, SG-P100, SG-P200, SG-5000, SG-4000, SG-2600E SG-2200E und SG-2000E“ (vgl. Anl. K 25, Bl. 3) beworbenen Ausführungsformen wende. Nachdem die Beklagte im Termin ausdrücklich bestritten hat, dass der als Anlage K 25 zu den Akten gereichte Prospekt anläßlich der Messe Cebit verteilt worden sei, hat die Klägerin hierauf erklärt, dass sie ihren Angriff alleine auf das Modell „SG-2200E“ beschränke, welches unstreitig auf dem Messestand der Beklagten gezeigt wurde.

2.

Unter Hinweis auf den GSM-Standard hat die Klägerin behauptet, dass die von der Beklagten angebotenen Mobiltelefone in der Lage sind, das patentgemäße Verfahren auszuführen. Es ist nach der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass eine Beachtung des GSM-Standards zu einer Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens führt. Die Klägerin hat explizit erklärt, dass die Anwendung des Verfahrens nach dem Klagepatent zwingend ist, wenn Mobilfunktelefone innerhalb des GSM-Standards betrieben werden sollen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Die Behauptung der Klägerin, die Mobilfunktelefone der Beklagten funktionierten nach der technischen Lehre des Klagepatents, stellt deshalb keinen Sachvortrag ins Blaue hinein dar. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte sich gemäß § 138 ZPO zu den als solchen konkreten Behauptungen der Klägerin zu erklären hat. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Beklagte hat sich nicht dazu erklärt, ob die von ihr hergestellten Mobiltelefone von dem Verfahren nach dem Klagepatent Gebrauch machen. Ihr Hinweis darauf, sie sei hierzu nicht imstande, da sie selber nicht wisse, welche Software sie von der Herstellerin der zugekauften Mikroprozessoren 1 erhalte, kann sie in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht entlasten. Es liegt in der Sphäre der Beklagten, die erforderlichen Informationen für eine erhebliche Verteidigung von ihren Vertragspartnern zu erhalten.

Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, das Klagepatent selber stimme schon nicht mit dem von der Klägerin zur Begründung herangezogenen Kapitel des GSM-Standards überein.

Nach Merkmal (2) b) des Klagepatentanspruchs sendet die ortsfeste Station zu veränderbaren Zeitabständen auf jedem ihr zugeordneten Organisationskanal permanent Verweise auf andere bestehende Organisationskanäle (CCH). Der diesem Merkmal zuzuordnende Teil des GSM-Standards findet sich in den Kapiteln 04.08, Ch. 3.2.2.1. und 9.1.32 sowie dem Kapitel 05.02, Ch. 6.3.1.3. Danach werden vom Mobilfunknetz regelmäßig Systeminformations-Nachrichten des Typs 2 bis 4 und optional des Typs 1, 2bis, 2ter, 7 und 8 auf dem Broadcast Control Channel (BCCH = Sendesteuerkanal) gesendet. In Kapitel 04.08, Ch. 9.1.32 wird die Typ 2-Systeminformation spezifiziert, die Informationen über die Zufallszugriffskanäle (RACH) und Sendesteuerkanäle (BCCH) der Nachbarzellen angibt (vgl. Anl. K 15 a, Bl. 5, 7). Die genaue Sendereihenfolge wird in Kapitel 05.02, Ch. 6.3.1.3 vorgegeben. Hiernach wird die Information Typ 2 immer in dem Zeitabschnitt (Timeslot, TC) 1 des insgesamt in 8 Zeitabschnitte von 0 bis 7 eingeteilten Sendezyklusses gesendet. Die die Nachbarzellen beschreibenden weiteren Informationen Typ 2bis und 2ter sind hingegen optional und werden nur dann gesendet, wenn hierzu –abhängig von den jeweiligen Zellenstrukturen- ein Bedarf besteht. Wird lediglich eine der beiden Informationen Typ 2bis oder Typ 2ter zusätzlich gesendet, so erfolgt diese Übertragung in dem Zeitabschnitt 5. Werden sowohl die Information Typ 2bis und Typ 2ter gesendet, so wird die Information Typ 2bis in dem Zeitabschnitt 5 und die Information Typ 2ter in dem Zeitabschnitt 4 gesendet (vgl. Anl. K 20).

Mit dieser für die Funktion im GSM-Standard zwingend vorgeschriebenen Sendeabfolge werden die Verweise auf andere bestehende Organisationskanäle, zu denen die Sendesteuerkanäle und Zufallszugriffskanäle gehören, auf jedem der ortsfesten Funkstation zugeordneten Organisationskanal gesendet. Diese Sendung erfolgt auch permanent. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Klagepatentschrift nicht zu entnehmen, dass der dort verwendete Begriff des permanenten Sendens nur dahin zu verstehen ist, dass ein Signal ununterbrochen gesendet werden muß. Es ist vielmehr auch hierunter zu verstehen, dass –wie die Klägerin zutreffend ausführt- ein solches Signal auch dann permanent gesendet wird, wenn es regelmäßig, d.h. ohne Unterbrechung eines bestimmten Zyklusses, gesendet wird. Dies entspricht dann aber auch dem Wortlaut des GSM-Standards, der in Kapitel 04.08, Ch. 3.2.2.1 fordert, dass die Informationen des Typs 2 „regularly“, das heißt regelmäßig, gesendet werden müssen.

Diese, die Organisationskanäle der Nachbarzellen beschreibenden Informationen werden auch nach dem GSM-Standard zu veränderbaren Zeitabständen gesendet. Die Funktion der Verweise auf andere –der Nachbarzellen- Organisationskanäle erfolgt im GSM-Standard durch die Informationen der Typen 2bis und 2ter. Diese werden entsprechend dem Kapitel 05.02, Ch. 6.3.1.3 entweder in dem Zeitabschnitt 5 gesendet oder, wenn beide Informationen gesendet werden, in den Zeitabschnitten 4 und 5. Welche der Informationen gesendet wird / werden, ist abhängig von den Zellenstrukturen und wird von der jeweiligen Funkzelle, in der sich die betreffende Mobilstation befindet, bestimmt. Damit sind die nach dem Klagepatent vorgesehenen Verweise aber auch zu zeitlich veränderbaren Abständen sendbar, da die jeweilige Funkzelle festlegt, in welchem Zeitabschnitt die Information 2ter gesendet wird. Dies erfolgt entweder in dem Zeitabschnitt 5 oder 4, je nachdem, ob auch eine Information 2bis von der Funkzelle gesendet wird. Weitere Einschränkungen sind von dem Klagepatent nicht vorgesehen, so dass bereits mit diesem vorgeschriebenen technischen Standard das Merkmal (2) b) des Klagepatents verwirklicht wird.

Auch den Ausführungen der Beklagten zu dem Teilmerkmal des Merkmals (3), dass der dort erwähnte Nachrichtenübertragungskanal nicht mit dem Kanal BCCH (Broadcast Controlling Channel) des GSM-Standards gleichzusetzen sei, da die Klagepatentschrift festlege, dass der Nachrichtenübertragungskanal über den Organisationskanälen angeordnet sei, kann nicht gefolgt werden. Ein Widerspruch aus der Klagepatentschrift und dem GSM-Standard ergibt sich jedenfalls nicht. Das, was den BCCH Kanal nach dem GSM-Standard ausmacht, ist, dass er fortlaufend auf dem Downlink, d.h. auf der Linie Basisstation zur Mobil Station, Informationen einschließlich der Basisstationsidentität, Frequenzzuordnungen und Frequenzsprungsequenzen sendet. Dies ist die Aufgabe, die nach dem Klagepatent der Nachrichtenübertragungskanal wahrnimmt. Das steht auch nicht –wie die Beklagte meint- im Widerspruch zu der Diktion des Patents EP 0 111 972 (Klagepatent des Verfahrens 4 b O 49/03). Es ist zunächst festzustellen, dass der Schluss, den die Beklagte zieht, dass die Begrifflichkeiten beider Patentschriften zwingend identisch sein müßten, gerade nicht zwingend ist. Was ein Nachrichtenübertragungskanal und ein Organisationskanal ist, ist aus dem Klagepatent herzuleiten und nicht aus dem Stand der Technik. Der von der Beklagten behauptete Widerspruch, dass wenn man die Begrifflichkeiten des den Stand der Technik bildenden Patents zugrunde lege, daraus folge, dass zwei gleiche Kanalarten über sich selber angeordnet sein müßten, besteht daher nicht. Die Erfindung des Klagepatents hat vielmehr einen Weg gefunden, den neueren technischen Anforderungen zu entsprechen und einen weiteren Kanal eingeführt. Hierin ist aber nur die Übernahme einer –von dem Klagepatent nicht ausgeschlossenen- weiteren Funktion des BCCH zu sehen. Dieser weitere Kanal, der die dem GSM-Standard entsprechenden Aufgaben des BCCH übernimmt, ist gleichwohl funktional über den Organisationskanälen des Patents EP 0 111 972 angeordnet.

3.

Bei den von der Beklagten in Deutschland angebotenen Mobiltelefonen, die mit eine patentgemäße Kommunikation ermöglichenden Mikroprozessoren ausgestattet sind, handelt es sich um „Mittel“ im Sinne von § 10 PatG. Vorliegend kommt es nicht darauf an, ob der Begriff „Mittel“ das Vorhandensein eines körperlichen Gegenstandes verlangt oder ob auch digital aufbereitete Daten ein „Mittel“ im Sinne von § 10 PatG darstellen können. Software als solche ist nichts anderes als logische Verknüpfungen geistiger Art. Um überhaupt irgendeine technische Funktion ausüben zu können, müssen integrierte Schaltungen vorhanden sein, in denen die Befehle abgespeichert sind. Unter technischen Gesichtspunkten sind es deshalb (jedenfalls auch) die Mikroprozessoren, die als Mittel zur Ausführung des Verfahrens anzusehen sind.

4.

Diese Mikroprozessoren sind von der Beklagten als integraler Bestandteil ihrer Mobiltelefone in Deutschland angeboten worden. Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform mit der Typenbezeichnung „SG-2200E“ angeboten, indem sie dieses Modell auf der Messe Cebit 2002 in Hannover zeigte. Es ist für die Frage einer Verletzungshandlung im Inland durch Anbieten unerheblich, ob die angegriffene Ausführungsform für den Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland vorgesehen war bzw. ist. Denn das Ausstellen auf einer Verkaufsmesse –und hierzu ist die Cebit zu zählen- im Inland ist patentverletzend, selbst wenn der Hinweis „keine Verkäufe nach Deutschland“ gegeben wird (vgl. Benkard –Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 9 RN 42; Schulte, Patentgesetz, 6.Aufl., § 10 RN 10). Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Angebotshandlung in der Bundesrepublik Deutschland bereits ausreichend ist, dies insbesondere auch, da der vorstehende Hinweis nicht einmal gegeben wurde.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Benutzung der angebotenen Mobiltelefone nur im Ausland stattfinden sollte, was eine mittelbare Patentverletzung ausschließen würde. Selbst wenn die Beklagte ihre Mobiltelefone nur außerhalb Deutschlands in Verkehr bringen sollte, steht es dem Erwerber selbstverständlich frei, mit dem im Ausland erworbenen Mobiltelefon auch in Deutschland zu telefonieren, wodurch es zwangsläufig zu einer Benutzung der patentierten Erfindung im Inland kommt. Die aufgezeigte Möglichkeit ergibt sich zum Beispiel daraus, dass ein Inländer ein Mobiltelefon der Beklagten im Ausland (beispielsweise während einer Urlaubsreise etc.) erwirbt und sodann nach Deutschland verbringt, oder ein Ausländer sein von der Beklagten erworbenes Handy vorübergehend (z.B. während einer Geschäftsreise oder eines Urlaubsaufenthaltes) ins Bundesgebiet mitnimmt und hier telefoniert.

5.

Der in den Mobiltelefonen der Beklagten enthaltene Mikrochip stellt ein Mittel dar, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Eine mittelbare Patentverletzung liegt nicht schon bei jedem Angebot oder Liefern eines Mittels vor, das für die Benutzung der Erfindung erforderlich ist. Das Mittel muß vielmehr eine besondere Beziehung zur patentierten Erfindung aufweisen, nämlich ein wesentliches Element der Erfindung darstellen. Erfüllt das Mittel Merkmale des Patentanspruchs, die für die Ausführung der Erfindung erforderlich sind und sie vom Stand der Technik unterscheiden, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das Mittel sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Unter § 10 Abs. 1 PatG fallen alle Mittel, die nach der Verkehrsanschauung erkennbar dazu beitragen, den eigentlichen Kern der Erfindung, nämlich den geschützten Erfindungsgedanken zu verwirklichen. Die Mobile Funkstation (das Mobiltelefon) ist im Rahmen des Klagepatents nicht nur Objekt der Erfindung, sondern notwendiger Kommunikationspartner im geschützten Funkübertragungssystem, ohne den die Erfindung nicht ausführbar wäre. Zwar ist es richtig, dass die permanenten Verweise von der ortsfesten Basisstation ausgesandt werden. Ohne den Empfang und eine sinnvolle Verarbeitung dieser Verweise durch die Mobile Funkstation kann der erfindungsgemäße Erfolg indessen nicht erreicht werden. Dies zeigt, dass auch die letztere unverzichtbarer Teil des Übertragungssystems ist und deshalb in prinizpiell gleicher Weise daran beteiligt ist, den Kern der Erfindung umzusetzen.

6.

Nachdem die Mobiltelefone der Beklagten –wie oben ausgeführt- die Durchführung des patentierten Funkübertragungssytems erlauben, sind sie auch objektiv dazu geeignet, für die Zwecke der Erfindung verwendet zu werden. Die Verwendungsbestimmung durch die Abnehmer und das subjektive Wissen der Beklagten um diese Bestimmung sind gleichfalls zu bejahen, da im GSM-Standard tatsächlich nach Maßgabe des Klagepatents verfahren wird. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung erneut substantiiert vorgetragen, dass die von ihr angeführten Standards keinen optionalen Charakter hätten, sondern zwingend eingehalten werden müssen, um eine Kommunikation im GSM-Standard zu ermöglichen. Dem ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten. Es hätte ihr infolge des klägerischen Vortrags oblegen, im einzelnen darzutun, welche konkreten Handlungsoptionen gerade im Hinblick auf die Merkmale des Klagepatents von dem GSM-Standard eröffnet werden. Dass solche Optionen tatsächlich bestehen, ist dem Beklagtenvortrag nicht zu entnehmen.

7.

Dass das patentgeschützte Verfahren erst bei der Benutzung der Mobiltelefone durch den Verbraucher angewendet wird, ist unerheblich. Selbst wenn es sich hierbei um einen Gebrauch im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken handelt, ist dies im Hinblick auf § 10 Abs. 3 PatG unerheblich, der die Privilegierung des § 11 Nr.1 PatG für den Absatz 1 des § 10 PatG als nicht anwendbar erklärt.

8.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, zur Benutzung des Klagepatents berechtigt zu sein.

Mittelbarer Patentverletzer ist nur, wer, ohne gegenüber dem Patentinhaber berechtigt zu sein, nicht zur Benutzung der geschützten Erfindung berechtigten Personen Mittel zur Benutzung der Erfindung anbietet oder liefert. Wer aufgrund eines gegenüber dem Patentinhaber wirksamen Rechts zur Benutzung der diesem geschützten Erfindung berechtigt ist, darf ohne Zustimmung des Patentinhabers die in § 10 PatG bezeichneten Handlungen vornehmen. Mittelbarer Patentverletzer ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 10 PatG nicht, wer mit Erlaubnis des Patentinhabers anderen Personen, denen der Patentinhaber die Benutzung der Erfindung noch nicht gestattet hat, Mittel zur Benutzung der Erfindung anbietet oder liefert und damit mittelbar die Benutzungserlaubnis des Patentinhabers vermittelt (vgl. Benkard, a.a.O., § 10 RN 5).

Vorliegend sind die Mikroprozessoren, auf denen sich die Software für die Anwendung des GSM-Standards befindet, von der Firma 1 France hergestellt. Der Einbau dieser Prozessoren in die angegriffenen Mobiltelefone erfolgt aufgrund eines zwischen der Beklagten und der Firma 1 abgeschlossenen Lizenzvertrages, den die Beklagte als Anlage B 4 zu den Akten gereicht hat.

Die Klägerin behauptet, dass sowohl die Firma 1 als auch ein weiterer Zulieferer der Beklagten, die Firma 2, von ihr, der Klägerin, keine Lizenz an dem Klagepatent erhalten haben. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie die für die Anwendung des geschützten Verfahrens erforderlichen Lizenzen den jeweiligen Herstellern der Mobiltelefone erteile, wie etwa den Firmen 3, 4 oder 5 und es diesen Herstellern grundsätzlich überlasse, mit welchen Einzelteilen diese ihre Telefone herstellten. Aufgrund dieser Vertragskonstruktion sei ihr Schutzrecht ausreichend abgesichert. Dass sie mit den Herstellerfirmen der fraglichen Mikroprozessoren keine Lizenzverträge abschließe, bedeute aber nicht, dass diese in irgend einer Weise frei seien, diese Mikroprozessoren auch solchen Firmen anzubieten, die nicht ihre Lizenznehmer seien.

Aufgrund dieses Vortrages hätte es der Beklagten, die –wie im Termin vom 02.12.2003 erörtert- für den von ihr geltend gemachten Erschöpfungseinwand die Darlegungs- und Beweislast trägt, oblegen, substantiiert vorzutragen, dass ihre Zulieferer aufgrund einer konkreten Rechtsbeziehung zu der Klägerin berechtigt seien, die fraglichen Mikroprozessoren herzustellen und in den Verkehr zu bringen. Nach dem nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin, handelt es sich bei dem von ihr gewählten Weg, die erforderlichen Lizenzen an die Mobiltelefonhersteller zu vergeben, um eine wirtschaftliche Entscheidung, die einerseits gewährleistet, dass das Schutzrecht hinreichend gewahrt werden kann. Zum anderen ist diese Vorgehensweise aber auch geeignet, anderen Mobilfunkherstellern die Herstellung solcher Mobiltelefone zu untersagen, die von dem patentierten Verfahren Gebrauch machen, da die Duldung der Herstellung von Mikroprozessoren für den Vertrieb an lizenzierte Telefonhersteller auch nicht als konkludente Erlaubnis angesehen werden kann, solche Mikroprozessoren an –aus Sicht der Klägerin- unberechtigte Hersteller zu vertreiben.

Die von der Beklagten behauptete „Erlaubnis“ läßt sich vor dem Hintergrund des Bestreitens der Klägerin, dass diese nicht Mitglied in der von der „3-GPP“ gebildeten „Patent-Plattform“ ist, auch nicht alleine aus der Mitgliedschaft der Klägerin in besagter „3-GPP“ – Organisation herleiten, da die Klägerin mit ihrem Vortrag gerade auch eine hiervon abweichende „Erlaubnis-Struktur“ nachvollziehbar dargelegt hat.

9.

Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass sie die Mobiltelefone nur solchen Personen anbietet, die zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigt sind. Zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind diejenigen, denen der Patentinhaber die Benutzung der Erfindung gestattet hat oder die ein Recht zur Benutzung der patentierten Erfindung haben. Ein solches kann sich daraus ergeben, dass der Benutzer einen patentierten Gegenstand vom Patentinhaber oder dessen Lizenznehmer erworben hat (vgl. Benkard, a.a.O., § 10 RN 7).

Vorliegend macht die Beklagte geltend, dass, wenn man unterstellt, dass in dem GSM Standard die Verwendung des Verfahrens nach dem Klagepatent zwingend ist, es aufgrund der oben skizzierten organschaftlichen Verknüpfung der Klägerin in der ETSI bzw. 3-GPP naheliege, dass die Netzbetreiber (vodafone, T-Mobile, E-Plus bzw. O 2), die letztlich die Funknetze zur Verfügung stellen und die Basisstationen mit den Funkzonen betreiben und ebenfalls Mitglieder in den o.a. Organisationen sind, jedenfalls die Erlaubnis hätten, das Verfahren nach dem Klagepatent anzuwenden. Wer in der Bundesrepublik Deutschland mit seiner Mobilen Station (Mobiltelefon) im GSM-Standard kommunizieren wolle, müsse einen Vertrag mit einem der Netzbetreiber geschlossen haben, da er ansonsten keinen Zugang erhalte. Aufgrund dieses Vertrages werde diesen Anwendern dann aber über die Netzbetreiber auch die Erlaubnis vermittelt, das Verfahren nach dem Klagepatent anzuwenden. Nur so ließe es sich jedenfalls erklären, wenn das Klagepatent für den GSM-Standard wirklich zwingend ist, wie die Klägerin es geltend mache.

Auch diese Argumentation hat nach dem Vortrag der Klägerin, die erforderlichen Lizenzen zur Anwendung des patentierten Verfahrens würden nicht etwa den Netzbetreibern, sondern den Herstellern der Mobilfunktelefone erteilt, keinen Bestand. Der Endabnehmer –und Kunde der Netzbetreiber- leitet seine Befugnis zur Anwendung des Verfahrens nach dem Klagepatent aus dem Erwerb des Mobiltelefons ab und nicht etwa, wie die Beklagte meint, aus dem Vertrag mit dem Netzbetreiber.

III.

Da die Beklagten die technische Lehre des Klagepatents mit der angegriffenen Ausführungsform mittelbar verletzen, sind sie der Klägerin im zuerkannten Umfang zur Unterlassung (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG) verpflichtet. Darüber hinaus haben sie der Klägerin eine angemessene Entschädigung und Schadenersatz zu lei­sten, Art. II § 1 IntPatÜG, § 139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentbenut­zung bei Anwendung der im Ge­schäfts­verkehr erforder­lichen Sorgfalt zumindest erken­nen können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Scha­den entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht be­zif­fert werden kann, weil sie den Umfang der rechts­verletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Ver­schul­­­­den nicht im einzelnen kennt, ist ein recht­liches Interesse der Klägerin an einer Fest­stellung der Entschädigungs- und Scha­denersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Außerdem ist die Beklagte zur Rechnungslegung ver­pflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zu­ste­hen­den Entschädigungs- und Schaden­er­satzanspruch beziffern zu können, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuer­kann­ten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht ver­fügt, und die Be­klag­te wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar be­lastet. Gemäß § 140b PatG hat die Beklagte schließlich über Her­kunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Aus­kunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift ge­schul­deten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind. Hinsichtlich der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger ist der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, Urt. vom 09.01.2003, 2 U 94 / 01).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269, 91 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst erklärt, dass sie sich mit ihrer Klage gegen das Anbieten und in den Verkehr bringen von insgesamt 9 verschiedenen Mobiltelefonen der Beklagten wendet. Nachdem die Beklagte im Termin ausdrücklich bestritten hat, dass ein Angebot von weiteren Mobiltelefonen –neben dem „SG-2200E“- stattgefunden hat, hat die Klägerin ihr Begehren auf das Angebot und Inverkehrbringen dieses Modells beschränkt. Dieser Beschränkung, die als Teil-Klagerücknahme zu bewerten ist, trägt die in dem Tenor ersichtliche Kostenquote Rechnung.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709, 108 ZPO.

Dr. R3 Dr. R2 R1