4a O 9/14 – Fahrzeugnavigationssystem

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2347

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. Januar 2015, Az. 4a O 9/14

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

TATBESTAND

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter mittelbarer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Feststellung der Verpflichtung zur Schadensersatzleistung in Anspruch.

Die Klägerin wurde am 13.01.2014 als Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 0 710 XXX B1 (im Folgenden kurz: Klagepatent; Anlage K1) im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen. Das Klagepatent trägt den Titel „Navigationsanlage für ein Kraftfahrzeug“. Als vorherige Inhaber des Klagepatents sind die B Inc., Z, X.Y., US, die C, Paris, FR sowie – ursprünglich – die D Corp., Z, X.Y., US im Patentregister verzeichnet.

Das Klagepatent wurde am 24.10.1995 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 04.11.1994 der US 334XXX angemeldet. Das Europäische Patentamt erteilte das Klagepatent und veröffentlichte am 29.11.2000 den Hinweis auf dessen Erteilung. Eine deutsche Übersetzung des Klagepatents wurde am 05.04.2001 vom Deutschen Patent- und Markenamt als DE 695 19 XXX T2 (Anlage K2) veröffentlicht.

Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte erhob unter dem 05.05.2014 Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent (Anlage B2), über die das Bundespatentgericht noch nicht entschieden hat.

Der geltend gemachte Anspruch 10 des in englischer Verfahrenssprache erteilten Klagepatents lautet in der deutschen Fassung wie folgt:

„Fahrzeugnavigationssystem (10), das folgendes umfasst:

ein Eingabemittel, mit dem ein Benutzer ein gegebenes Ziel wählen kann;
eine Positionierungsmittel (26) zum Bestimmen der tatsächlichen Position des Kraftfahrzeugs (70);
ein Displaymittel (20) zum Anzeigen der Position des Kraftfahrzeugs (70);
ein Kartenspeichermittel zum Speichern einer auf dem Displaymittel (20) anzuzeigenden Karte und zum Speichern von Geschwindigkeitsgrenzwerten für Straßen auf der Karte, wobei das Fahrzeugnavigationssystem (10) gekennzeichnet ist durch:
ein Mittel zum Bestimmen einer besten Strecke zu dem gegebenen Ziel, wobei das Beste-Strecken-Mittel dazu ausgelegt ist, auf dem Displaymittel (20) die beste Strecke, die die von dem Positionierungsmittel (26) empfangene tatsächliche Position des Kraftfahrzeugs (70) mit dem auf der Karte gefundenen gegebenen Ziel verbindet, zu identifizieren und anzuzeigen, wobei das Beste-Strecken-Mittel ein Berechnungsmittel zum Identifizieren der besten Strecke auf der Grundlage der zum Zurücklegen der besten Strecke erforderlichen Zeit enthält; und
ein Verkehrsinformationsempfangsmittel (32) zum Empfangen von Verkehrsinformationen einschließlich erwarteter Geschwindigkeiten, übertragen in einem Datendarstellungsformat mit variablen Längendifferenzen aus den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten für jeweilige, in dem Kartenspeichermittel enthaltene Straßen von einer zentral angeordneten Datenbank (50) über einen Funkkanal zu dem Fahrzeug (70).“

Im englischen Originalwortlaut lautet dieser Anspruch wie folgt:

“A vehicle navigation system (10), comprising:

input means for enabling a user to select a given destination;
positioning means (26) for determining the actual position of an automotive vehicle (70);
display means (20) for displaying the position of said automotive vehicle (70);
map storage means for storing a map to be displayed on said display means (20) and for storing speed limit values for roads in said map, said vehicle navigation system (10) being characterized by:
means for determining a best route to said given destination, said best route means being adapted to identify and display on said display means (20) the best route connecting the actual position of said automotive vehicle (70) received from said positioning means (26) with the given destination located on said map, said best route means including calculating means for identifying said best route on the basis of the time required to travel said best route; and
a traffic information receiving means (32) for receiving traffic information including expected velocities transmitted in a data representation format of variable length differences from said stored speed limit values for respective roads contained in said map storage means over a wireless channel from a centrally located database (50) to said vehicle (70).”

Hinsichtlich des in Form eines Insbesondere-Antrages geltend gemachten Anspruchs 14 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen. Zur Veranschaulichung der geschützten Lehre werden nachfolgend die Fig. 1 und 3 des Klagepatents in der Fassung der T2-Schrift eingeblendet:

Fig. 1 zeigt ein Blockschaltbild einer bevorzugten Ausführungsform des patentgemäßen Fahrzeugnavigationssystems. Fig. 3 ist dagegen ein Flussdiagramm, das ein erfindungsgemäßes Verfahren zum Wählen der besten Strecke darstellt.

Die Klägerin ist ein deutsches Unternehmen; sie ist im Bereich der Entwicklung und Lizenzierung von mobilen Technologien und Gewerblichen Schutzrechten tätig. Die Beklagte ist ein deutsches Tochterunternehmen der E Corporation, einem international tätigen Unternehmen, welches unter anderem Geräte im Telekommunikations- und Netzwerkbereich vertreibt. Hierzu zählen auch Smartphones und Tablet-Computer. Die Verkaufsaktivitäten der E-Gruppe übernimmt in Deutschland primär die Beklagte. Diese vertreibt im Inland mobile Geräte wie etwa Smartphones und Tablet-Computer, auf denen sich das Programm „F“ mit einer „Verkehrslagen“-Funktion der Streithelferin vorinstalliert befindet, wobei nur solche Modelle angegriffen werden, auf denen die Version 6.X oder eine neuere Version von F aufgespielt ist (im Folgenden: „angegriffene Ausführungsformen“). Zu den von der Beklagten vertriebenen Geräten zählt etwa das Modell „E G“.

Die angegriffenen Ausführungsformen enthalten einen GPS-Empfänger, der die Bestimmung dessen aktueller Position erlaubt. Über eine Touchscreen-Tastatur kann ein gewünschtes Navigationsziel eingegeben werden. Ferner verfügen die angegriffenen Ausführungsformen über einen Bildschirm in Form des erwähnten Touchscreens. Das vorinstallierte Programm F kann über Server-Computer der Streithelferin Kartendaten abrufen. Diese Server befinden sich nicht auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Nach Eingabe eines Fahrtziels werden über den Bildschirm verschiedene vorgeschlagene Wegstrecken mit Gesamtlänge und voraussichtlicher Fahrtdauer angezeigt, die in unterschiedlichen Farbtönen markiert sind. Die vorgeschlagenen Routen werden auf zentralen Servern der Streithelferin berechnet und an die angegriffenen Handgeräte weitergeleitet.

Eine Funktion „Verkehrslage“ zeigt auf den angegriffenen Handgeräten verschiedene Farben für auf dem Display dargestellte Straßen an. Diese Farben stellen bei Autobahnen den Verkehrsfluss dar (Grün: über 80 km/h; Gelb: 40 – 80 km/h; Rot: unter 40 km/h; Rot/Schwarz: sehr langsamer Verkehr/Stop-and-Go) und bei Straßen mit einer niedrigeren Geschwindigkeitsbegrenzung das Verkehrsaufkommen. Auf den angegriffenen Geräten selbst befinden sich keine Informationen zu den Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den verschiedenen Straßen. Die von den Servern gesendeten Farben werden hinsichtlich des Verkehrsaufkommen primär auf Basis von Geschwindigkeitswerten aus empirischen Daten ausgewählt; liegen solche empirische Daten nicht vor, wird auf Höchstgeschwindigkeitswerte zurückgegriffen, die auf den Servern gespeichert sind.

Die Klägerin trägt vor, das Klagepatent werde durch die angegriffenen Ausführungsformen mittelbar verletzt.

Der Anspruchswortlaut „Fahrzeugnavigationssystem“ erfordere kein in einem Fahrzeug fest installiertes System. Vielmehr sei hiermit nur der Zweck des Systems gemeint, namentlich die Benutzung zur Fahrzeugnavigation.

Patentgemäß könne das Kartenspeichermittel lokal oder in der zentralen Datenbank vorhanden sein, wie sich etwa aus S. 7 Z. 25 – 27 der Übersetzung des Klagepatents (Anlage K2) ergebe. Insoweit müsse der Vergleich zwischen übertragenen „variablen Längendifferenzen“ und gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten nicht zwingend im Navigationsgerät im Fahrzeug stattfinden.

Auf den H-Servern befänden sich zwingend Daten über Geschwindigkeitsbegrenzungen, da nach Anlage SH8 je nach Straßenkategorie (Autobahn oder Straße mit niedriger Geschwindigkeitsbegrenzung) die angezeigten Farben das Verkehrsaufkommen oder den Verkehrsfluss verglichen mit einem freien Verkehrsfluss („Free Flowing Conditions“) ausdrückten. Insofern müssten auf den Servern Informationen vorhanden sein, ob eine bestimmte Straße eine niedrige oder eine hohe Geschwindigkeitsbegrenzung aufweist.

Eine unmittelbare Steuerung des Displaymittels durch das Beste-Strecken-Mittel oder eine gemeinsame räumliche Anordnung dieser Elemente sei patentgemäß nicht erforderlich. Für den Fachmann sei klar, dass die anzuzeigenden Informationen zwischen Beste-Strecken-Mittel und Displaymittel zunächst in eine für das Displaymittel darstellbare Form gebracht werden müssen.

Schließlich genüge für eine Patentverwirklichung, wenn das Beste-Strecken-Mittel auch die Fahrzeit berücksichtige; ausschließlich hierauf müsse die Auswahl der Strecke nicht beruhen, andere Faktoren könnten patentgemäß berücksichtigt werden. Insofern liege bei der angegriffenen Ausführungsform eine Patentverletzung vor, selbst wenn die Routenwahl aufgrund von „Kosten“ erfolgt, wobei neben der Fahrtzeit auch weitere Faktoren Berücksichtigung finden.

Es gebe im Klagepatent auch keine Grundlage dafür, dass das Datendarstellungsformat eine variable Länge besitzen müsse. Der Anspruchswortlaut sei auf variable Längendifferenzen und nicht auf eine variable Länge der Datensätze gerichtet. Patentgemäß müssten variable Differenzen zu den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten an das Fahrzeug übertragen werden. Es sei patentgemäß nicht erforderlich, dass hieraus im Fahrzeug „erwartete Geschwindigkeiten“ errechnet werden.

Die von F verwendeten Farbcodierungen seien ein patentgemäßes Datendarstellungsformat mit variablen Längendifferenzen. Die Farben ständen für unterschiedliche Geschwindigkeitsdifferenzen. Wie Publikationen der Streithelferin im Internet zeigten, geben die Farben die Geschwindigkeit relativ zur Geschwindigkeitsbegrenzung an.

Ein Schlechthinverbot sei angezeigt, da bei der Verwendung der Routenfunktion der angegriffenen Ausführungsformen in einem Kraftfahrzeug stets die patentgemäße Lehre verletzt werde. Soweit die Beklagte behauptet, eine Abschaltung der Navigationsfunktion sei ihr vertraglich und technisch nicht möglich, bestreitet dies die Klägerin. Dies spreche zudem gerade für ein Schlechthinverbot.

Das Klagepatent werde sich im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen, so dass eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht angezeigt sei.

Der von der Streithelferin angeführte Lizenzvertrag zwischen ihr und der C USA, Inc., greife vorliegend nicht ein. Dieser Vertrag schließe Kombinationen eines lizenzierten Produkts mit einem nicht lizenzierten Produkt von der Lizenzierung explizit aus. Um eine solche Kombination handele es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen.

Die Klägerin hat zunächst angekündigt zu beantragen,

wie nunmehr beantragt,
wobei zusätzlich Schadensersatz- und dazugehörige Annexansprüche
– für die Zeit vom 29.12.2000 bis zum 03.10.2013 für Schäden der C USA, Inc.,
– für die Zeit vom 04.10.2013 bis zum 01.12.2013 für Schäden der B Inc. sowie
– für die Zeit vom 02.12.2013 bis zum 12.01.2014 für Schäden der Klägerin
geltend gemacht worden sind.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

A. die Beklagte zu verurteilen,

I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollstrecken ist,

zu unterlassen

1. Mobilstationen,

welche dazu geeignet sind, in einem Navigationssystem verwendet zu werden,

Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland zur Verwendung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern,

wobei das System umfasst:

– ein Eingabemittel, mit dem ein Benutzer ein gegebenes Ziel wählen kann,
– ein Positionierungsmittel zum Bestimmen der tatsächlichen Position des Kraftfahrzeugs,
– ein Displaymittel zum Anzeigen der Position des Kraftfahrzeugs,
– ein Kartenspeichermittel zum Speichern einer auf dem Displaymittel anzuzeigenden Karte und zum Speichern von Geschwindigkeitsgrenzwerten für Straßen auf der Karte,
– ein Mittel zum Bestimmen einer besten Strecke zu dem gegebenen Ziel, wobei das Beste-Strecken-Mittel dazu ausgelegt ist, auf dem Displaymittel die beste Strecke, die die von dem Positionierungsmittel empfangene tatsächliche Position des Kraftfahrzeugs mit dem auf der Karte gefundenen gegebenen Ziel verbindet, zu identifizieren und anzuzeigen, wobei das Beste-Strecken-Mittel ein Berechnungsmittel zum Identifizieren der besten Strecke auf der Grundlage der zum Zurücklegen der besten Strecke erforderlichen Zeit enthält; und
– ein Verkehrsinformationsempfangsmittel zum Empfangen von Verkehrsinformationen einschließlich erwarteter Geschwindigkeiten, übertragen in einem Datendarstellungsformat mit variablen Längendifferenzen aus den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten für jeweilige, in dem Kartenspeichermittel enthaltene Straßen von einer zentral angeordneten Datenbank über einen Funkkanal zu dem Fahrzeug.
(mittelbare Verletzung von Anspruch 10 des EP 0 710 XXX B1)

2. insbesondere, wenn

das Navigationssystem ein Mittel zum Übertragen von Informationen von dem Fahrzeug zu der zentralen Datenbank einschließlich der tatsächlichen Position des Fahrzeugs und dem gewünschten Ziel; ein Mittel in der zentralen Datenbank zum Bestimmen einer besten Strecke für das Fahrzeug und ein Mittel zum Übertragen der besten Strecke zum Fahrzeug umfasst.
(mittelbare Verletzung des abhängigen Anspruchs 14 des EP 0710 XXX B1)

II. der Klägerin in einer geordneten Aufstellung unter Vorlage von Belegen nämlich Rechnungen, Lieferscheinen oder Quittungen hinsichtlich der Angaben zu A.ll.1 und A.ll.2, wobei die Belegvorlage in Bezug auf A.II.2 auf gewerbliche Abnehmer beschränkt ist, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu A.l. bezeichneten Handlungen seit dem 13.01.2014 begangen hat, und zwar unter Angabe

1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;

5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten in Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

und wobei die vorzulegenden Belege in Kopie vorzulegen sind und geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.

B. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die zu A.l. bezeichneten und seit dem 13.01.2014 begangenen Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.

hilfsweise:

der Klägerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise:

den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen das Klagepatent eingereichte Nichtigkeitsklage auszusetzen;

weiter hilfsweise:

der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Streithelferin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte und die Streithelferin sind der Auffassung, das Klagepatent werde nicht verletzt.

Anspruch 10 verlange als „Fahrzeugnavigationssystem“ eine in einem Kraftfahrzeug fest installierte Navigationsvorrichtung. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut Fahrzeugnavigationssystem. Hierfür spreche auch die anspruchsgemäße Übertragung der Verkehrsinformationen über einen Funkkanal an das Fahrzeug (und nicht an das Navigationsgerät). Die angegriffenen Ausführungsformen seien dagegen mobile Einheiten.

Im Fahrzeug müssten patentgemäß sowohl das gespeicherte Kartenmaterial als auch die dazugehörigen Geschwindigkeitsgrenzwerte gespeichert oder zumindest von dem Fahrzeug aus abrufbar sein, da die übermittelten „Längendifferenzen“ ansonsten nicht verstanden werden könnten. Dies decke sich mit dem Grundkonzept des Klagepatents, wonach Kartenmaterial und Geschwindigkeitsgrenzwerte stets zusammen abgespeichert sein müssten.

Entgegen der Lehre des Klagepatents hätten die an die angegriffenen Ausführungsformen übermittelten Farben keinen Bezug zu gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten.

Das patentgemäße System müsse als „Beste Strecke“ die Strecke zum Ziel auswählen, die in der geringsten Fahrzeit zurückgelegt werden kann. Eine Verwirklichung von Anspruch 10 scheitere daher daran, dass F auf den angegriffenen Ausführungsformen nicht darauf ausgerichtet sei, den zeitlich schnellsten Weg als beste Strecke auszuwählen, sondern als beste Strecke diejenige mit den geringsten „Kosten“ anzeigt. Dies könne auch die zeitlich schnellste Strecke sein, dies sei dann aber nur zufällig der Fall, wenn diese die geringsten „Kosten“ aufweise.

Der zentrale H-I-Dienst, der die Routenberechnung vornimmt, sei entgegen der Lehre des Klagepatents nicht dafür ausgelegt, die beste Route „auf dem Displaymittel anzuzeigen“. Dies erfolge bei den angegriffenen Ausführungsformen vielmehr durch die F-App.

Die von den zentralen Servern übermittelten Daten zu dem Verkehrsaufkommen oder zu dem Verkehrsfluss seien keine Differenzen zu gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten. Patentgemäß müsse der Empfänger aus der übermittelten Differenz nach einem Vergleich mit dem Geschwindigkeitsgrenzwerten eine erwartete Geschwindigkeit erhalten.

Die übertragenen Farben seien keine erwarteten Geschwindigkeiten. Das Programm F könne auf den angegriffenen Ausführungsformen aus den übermittelten Farben keine Geschwindigkeiten errechnen oder anzeigen.

Die Streithelferin und die Beklagten sind ferner der Auffassung, das „Datendarstellungsformat“ müsse variable Längen zulassen. Das patentgemäße Datendarstellungsformat diene der Reduzierung der zu übertragenden Informationen. Dies werde durch die Übertragung von Differenzwerten nur dann erreicht, wenn das hierfür verwendete Datendarstellungsformat eine variable Länge besitze. Hierbei sei die Übertragungszeit zumeist geringer, da die zu übertragenden Differenzen regelmäßig geringer sind als der Wert der absoluten erwarteten Geschwindigkeit. Eine Einsparung der Übertragungszeit sei dagegen bei einem Datenformat mit einer fixen Länge nicht möglich. Diese fixe Länge müsse nämlich so bemessen sein, dass sie auch solche Geschwindigkeitsdifferenzen darstellen kann, die dem Geschwindigkeitsgrenzwert entsprechen. Im Ergebnis werde damit stets mindestens die Datenmenge wie bei der Übertragung der tatsächlichen erwarteten Geschwindigkeit übertragen. Dieses Merkmal sei bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht erfüllt, da – insoweit unstreitig – die Farbinformationen stets in einem Datenformat mit einer fixen Länge von einem Byte übertragen werden.

Eine Verurteilung wegen mittelbarer Patentverletzung scheitere darüber hinaus auch deshalb, weil es zu keiner unmittelbaren Patentverletzung im Inland komme, da die H-Server unstreitig im Ausland befindlich sind. Es fehle an einer objektiven Eignung der angegriffenen Ausführungsformen zu einer Benutzung des Klagepatents im Inland.

Die Streithelferin ist der Ansicht, sowohl sie selbst als auch die Beklagten seien zur Nutzung der patentgemäßen Lehre aufgrund eines Lizenzvertrages zwischen der Streithelferin und der früheren Patentinhaberin C USA, Inc., berechtigt. Diese Lizenz berechtige die Streithelferin, der Beklagten und den Endnutzern die Nutzung der patentgemäßen Lehre zu gestatten. Es könne somit nie zu unmittelbaren Patentverletzungen kommen. Der von der Klägerin angeführte Lizenzierungsausschluss betreffe die vorliegende Konstellation nicht.

Jedenfalls sei nach Meinung der Beklagten ein Schlechthinverbot nicht gerechtfertigt, da die angegriffenen Ausführungsformen auf viele andere, patentfreie Arten genutzt werden können. Dies gelte auch für die vorinstallierte Anwendung F, deren primärer Zweck nicht die Navigation in einem Fahrzeug sei – dies sei vielmehr eine in der Praxis ungewöhnliche und selten genutzte Verwendungsmöglichkeit. Ein Verzicht auf die Navigationsfunktion sei der Beklagten aus vertraglichen und technischen Gründen nicht möglich. Die Klägerin verkenne das Regel-Ausnahmeverhältnis, das bei einem Schlechthinverbot gelte, wenn eine patentfreie Nutzungsmöglichkeit der angegriffenen Ausführungsform besteht. Auch vor dem Hintergrund, dass die F-Software unstreitig frei von Endkunden heruntergeladen werden kann, sei allenfalls ein Warnhinweis angezeigt und auch wirkungsvoller. Schließlich habe die Klägerin als nicht selbst wirtschaftlich tätiges Unternehmen kein schützenswertes Interesse an einer Unterlassungsverfügung.

Zumindest sei das Verfahren in Bezug auf die anhängige Nichtigkeitsklage auszusetzen, da sich das Klagepatent vor dem Bundespatentgericht als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Das Klagepatent sei gegenüber der Anmeldung (Anlage B2/10) unzulässig erweitert. Zudem fehle ihm die Neuheit gegenüber der Doktorarbeit „J“ (Anlage B2/7) aus dem Jahre 1991 und der Entgegenhaltung US 5,359,XXX (Anlage B2/8). Zumindest sei die Lehre des Klagepatents aber auf Grundlage der beiden genannten Entgegenhaltungen jeweils in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen für den Fachmann nahegelegt gewesen.

Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2014 (Bl. 215 ff. GA) verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1, Abs. 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB nicht zu, da die angegriffenen Ausführungsformen von der Lehre des Klagepatents nicht mittelbar Gebrauch machen.

I.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.

1.
Nach dem Vortrag der Klägerin ist ausreichend spezifiziert, welche Geräte angegriffen werden – namentlich alle Mobilstationen (Smartphones und Tablet-Computer), auf denen der Dienst F ab der Version 6 vorinstalliert ist, soweit dieses Programm über die Verkehrslagen-Funktion verfügt.

Ferner wurde von der Beklagten und der Streithelferin nicht ausreichend bestritten, dass die Ausführungen der Klägerin in Bezug auf ausländische F-Versionen auf die nach Deutschland gelieferten angegriffenen Ausführungsformen Versionen übertragen werden können. Hierzu hätte es konkreten Vortrages bedurft, welche Informationen auf die in Deutschland vertriebenen angegriffenen Ausführungsformen nicht zutreffen.

2.
Das Klagepatent (im Folgenden nach seiner Übersetzung in Anlage K2 als „K2“ zitiert; bisweilen wird zusätzlich die englischsprachige Originalpatentschrift als „K1“ zitiert) betrifft ein Navigationssystem für ein Kraftfahrzeug und insbesondere eine Verbesserung zum Bestimmen einer Fahrstrecke von der aktuellen Position eines Kraftfahrzeugs zu einem gegebenen Ziel.

In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass im Stand der Technik elektronische Navigations- und Informationssysteme zur Realisierung in Kraftfahrzeugen bekannt sind. Solche Systeme helfen dabei, die beste Strecke für ein Kraftfahrzeug zu einem Ziel zu finden (S. 1 Z. 9 – 16 K2). Diese Systeme können die aktuelle Position und Fahrtrichtung des Kraftfahrzeugs in Korrelation mit einem Kartenbild anzeigen (S. 1 Z. 17 – 24 K2). Hierzu muss dem System die tatsächliche Position des Kraftfahrzeugs auf einer Straßenkarte bekannt sein, was beispielsweise über ein GPS-System bewerkstelligt werden kann (S. 1 Z. 25 – S. 2 Z. 7 K2). Nachdem hierüber die tatsächliche Position des Kraftfahrzeugs bestimmt und das gewünschte Ziel durch den Benutzer eingegeben worden ist, kann das System dann dem Fahrzeugführer Informationen hinsichtlich der besten zu fahrenden Strecke von dem aktuellen Fahrzeugstandort zu einem gewünschten Ziel liefern (S. 2 Z. 8 – 13 K2).

Hieran kritisiert das Klagepatent, dass im Stand der Technik als beste Strecke die Route bestimmt wird, welche die kürzeste Entfernung zwischen tatsächlicher Position und gewünschtem Ziel bietet (S. 2 Z. 13 – 18 K2). Der Nachteil an einem solchen Vorgehen bestehe darin, dass hierbei Streckengeschwindigkeitsraten nicht berücksichtigt werden, d.h. die auf einen bestimmten Abschnitt erreichbare Geschwindigkeit und damit letztlich die für eine bestimmte Strecke benötigte Zeit. So kann eine längere Wegstrecke gegenüber einer kürzeren Wegstrecke vorzugswürdig sein, wenn wegen einer höheren Geschwindigkeitsrate über die längere Wegstrecke das gewünschte Ziel in kürzerer Zeit erreicht werden kann (S. 2 Z. 13 – Z. 31 K2). Mit anderen Worten haben die bekannten Systeme den Nachteil, dass die beste Strecke nur eine Funktion ihrer Weglänge und nicht der Geschwindigkeitsrate ist (S. 2 Z. 31 – 34 K2) und so ignoriert wird, dass eine längere Strecke schneller sein kann.

Schließlich schildert das Klagepatent den Stand der Technik WO-A-92/08XXX (als Anlage K8 zur Akte gereicht), ohne hieran Kritik zu üben. Die WO-A-92/08XXX offenbart eine Fahrzeugnavigationsstreckenvorrichtung, bei der mehrere Navigationsstrecken berechnet und angezeigt werden, hierunter auch eine auf Basis der erforderlichen Reisezeit (S. 6 Z. 7 – 12 sowie S. 10 Z. 33 – S. 11 Z. 11 Anlage K8). Zur Schätzung der Reisezeit einer Route werden die Geschwindigkeitsbegrenzungen herangezogen (S. 11 Z. 6 – 8 Anlage K8). Laut dem Klagepatent kann der Fahrzeugführer bei dieser im Stand der Technik offenbarten Vorrichtung eine der angezeigten Strecken zur weiteren Verwendung auswählen (S. 2 Z. 35 – S. 3 Z. 2 K2).

Vor diesem Hintergrund ist es implizit Aufgabe (technisches Problem) des Klagepatents, bekannte Navigationssysteme zu verbessern. Dabei soll die Strecke vom Fahrzeugnavigationssystem vorgeschlagen werden, über die in der kürzesten Zeit das gewünschte Ziel erreicht werden kann (S. 3 Z. 6 – 11 K2).

3.
Zur Lösung der genannten Aufgabe schlägt das Klagepatent unter anderem in Anspruch 10 ein Fahrzeugnavigationssystem vor, welches sich in Form einer Merkmalsanalyse wie folgt darstellen lässt:

10. Fahrzeugnavigationssystem (10), das folgendes umfasst:

10.1 ein Eingabemittel, mit dem ein Benutzer ein gegebenes Ziel wählen kann;

10.2 ein Positionierungsmittel (26) zum Bestimmen der tatsächlichen Position des Kraftfahrzeugs (70);

10.3 ein Displaymittel (20) zum Anzeigen der Position des Kraftfahrzeugs (70);

10.4 ein Kartenspeichermittel zum Speichern einer auf dem Displaymittel (20) anzuzeigenden Karte und zum Speichern von Geschwindigkeitsgrenzwerten für Straßen auf der Karte,

wobei das Fahrzeugnavigationssystem (10) gekennzeichnet ist durch:

10.5 ein Mittel zum Bestimmen einer besten Strecke zu dem gegebenen Ziel,

10.5.1 wobei das Beste-Strecken-Mittel dazu ausgelegt ist, auf dem Displaymittel (20) die beste Strecke, die die von dem Positionierungsmittel (26) empfangene tatsächliche Position des Kraftfahrzeugs (70) mit dem auf der Karte gefundenen gegebenen Ziel verbindet, zu identifizieren und anzuzeigen,

10.5.2 wobei das Beste-Strecken-Mittel ein Berechnungsmittel zum Identifizieren der besten Strecke auf der Grundlage der zum Zurücklegen der besten Strecke erforderlichen Zeit enthält; und

10.6 ein Verkehrsinformationsempfangsmittel (32) zum Empfangen von Verkehrsinformationen einschließlich erwarteter Geschwindigkeiten,

10.6.1 übertragen in einem Datendarstellungsformat mit variablen Längendifferenzen aus den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten für jeweilige, in dem Kartenspeichermittel enthaltene Straßen

10.6.2 von einer zentral angeordneten Datenbank (50) über einen Funkkanal zu dem Fahrzeug (70).

4.
Anspruch 10 lehrt ein Fahrzeugnavigationssystem. Dieses umfasst ein Eingabemittel mit dem der Benutzer sein Fahrtziel eingeben kann (Merkmal 10.1) sowie ein Positionierungsmittel (Merkmal 10.2), um die Position des Fahrzeuges zu bestimmen und diese dann auf einem Displaymittel (Merkmal 10.3) anzuzeigen. Auf dem Displaymittel werden zudem gespeicherte Karten angezeigt (Merkmal 10.4), die in einer zentralen Datenbank oder im Fahrzeug gespeichert sein können.

Ferner umfasst das Fahrzeugnavigationsgerät – zentral oder lokal angeordnet – ein Beste-Strecken-Mittel, welches die beste Fahrtstrecke auf Grundlage der erforderlichen Fahrzeit ermittelt. Schließlich ist im Fahrzeug nach Merkmalsgruppe 10.6 ein Verkehrsinformationsempfangsmittel angeordnet, welches von einer zentral angeordneten Datenbank Verkehrsinformationen einschließlich erwarteter Geschwindigkeiten empfangen kann. Diese werden nach Merkmal 10.6.1 in Form von Differenzen zu gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten übermittelt.

5.
Eine mittelbare Verletzung von Anspruch 10 des Klagepatents liegt nicht vor, da eine Verwirklichung aller Merkmale der Merkmalsgruppe 10.6,

„10.6 ein Verkehrsinformationsempfangsmittel (32) zum Empfangen von Verkehrsinformationen einschließlich erwarteter Geschwindigkeiten,

10.6.1 übertragen in einem Datendarstellungsformat mit variablen Längendifferenzen aus den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten für jeweilige, in dem Kartenspeichermittel enthaltene Straßen

10.6.2 von einer zentral angeordneten Datenbank (50) über einen Funkkanal zu dem Fahrzeug (70)“,

nicht festgestellt werden kann.

a)
Merkmal 10.6 verlangt auf Seiten des Fahrzeugnavigationssystems Verkehrsinformationsempfangsmittel, welche für eine bestimmte Strecke erwartete Geschwindigkeiten empfangen können. Die Verkehrsinformationsempfangsmittel müssen lokal angeordnet sein, also sich im Fahrzeug selbst befinden. Dies ergibt sich aus Merkmal 10.6, wonach die Verkehrsinformationen von einer zentral angeordneten Datenbank zu dem Fahrzeug übertragen werden.

aa)
Empfangen können muss das patentgemäße Verkehrsinformationsempfangsmittel nach Merkmal 10.6 „Verkehrsinformationen einschließlich erwarteter Geschwindigkeiten“. Damit ist klar, dass das Navigationssystem im Fahrzeug Informationen zumindest über die auf einer bestimmten Strecke jeweils voraussichtlich erreichbare Geschwindigkeit erhalten können muss. Die Merkmale 10.6.1 und 10.6.2 machen weitere Vorgaben über die Herkunft bzw. den Sender der erwarteten Geschwindigkeiten und die Form, in welcher diese an das Navigationssystem im Fahrzeug übertragen werden.

Merkmal 10.6.2 schreibt dabei die Richtung der Übertragung vor, also woher die von den Verkehrsinformationsempfangsmitteln empfangenen „Verkehrsinformationen einschließlich erwarteter Geschwindigkeiten“ stammen – namentlich „von einer zentral angeordneten Datenbank“.

Merkmal 10.6.1 wiederum spezifiziert, in welcher Form die erwarteten Geschwindigkeiten an das Navigationssystem übermittelt werden. Insofern schreibt das Klagepatent dem Fachmann konkret vor, dass die erwarteten Geschwindigkeiten

„in einem Datendarstellungsformat mit variablen Längendifferenzen aus den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten für jeweilige, in dem Kartenspeichermittel enthaltene Straßen“

übertragen werden sollen. Die erwarteten Geschwindigkeiten sollen nicht als solche (im Sinne der tatsächlich zu erwartenden Geschwindigkeiten als absolute Werte) gesendet und empfangen werden, sondern vielmehr als Abweichung von gespeicherten Geschwindigkeitsbegrenzungen. Statt absoluter Geschwindigkeitswerte werden also Relativwerte übertragen.

Die „erwartete Geschwindigkeit“ ist patentgemäß die auf einer bestimmten Strecke unter Berücksichtigung der Verkehrslage voraussichtlich erzielbare Geschwindigkeit. Im Gegensatz zu den „variablen Längendifferenzen“ sind die „erwarteten Geschwindigkeiten“ absolute Werte, d.h. es handelt sich um den tatsächlichen Geschwindigkeitswert (etwa in km/h oder Meilen pro Stunde). Die als „variable Längendifferenzen“ übertragenen Relativwerte müssen im Fahrzeug zu (absoluten) erwartete Geschwindigkeiten umgerechnet werden. Denn Merkmal 10.6 gibt nach seinem klaren Wortlaut vor, dass die Verkehrsinformationsempfangsmittel letztlich „erwartete Geschwindigkeiten“ empfangen müssen. Der Empfang von „variablen Längendifferenzen aus den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten“ alleine ist damit nicht patentgemäß.

bb)
Bei den in Merkmal 10.6.1 genannten „variablen Längendifferenzen“ handelt es sich um Abweichungen von den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten; eine Vorgabe das Datendarstellungsformat mit einer variablen Länge auszugestalten, enthält Merkmal 10.6.1 dagegen nicht.

(1)
Dem steht nicht entgegen, dass der Begriff „Längendifferenz“ für eine Geschwindigkeitsabweichung zumindest unüblich erscheint – was im Übrigen auch für den nach Art. 70 EPÜ maßgeblichen, englischen Originalwortlaut des Anspruchs gilt („variable length differences“). Eine Patentschrift stellt jedoch im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube). Weichen Begriffe in den Schutzansprüchen vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch ab, was bei entsprechenden Hinweisen in der Patentschrift zu prüfen ist, ist der sich aus den Patentansprüchen und der Beschreibung ergebende Begriffsinhalt maßgebend (BGH, GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube; BGH, BGHZ 150, 149, 153 – Schneidmesser I). So liegt der Fall hier. Aus dem weiteren Merkmalswortlaut und der Beschreibung erfährt der Fachmann eindeutig, dass „Längendifferenzen“ patentgemäß als Geschwindigkeitsabweichungen zu verstehen sind.

Wie sich aus dem Wortlaut von Merkmal 10.6.1 ergibt, werden Längendifferenzen „aus den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten“ übertragen. Eine Differenz von einer gespeicherten, möglichen Höchstgeschwindigkeit ist aber nur als Geschwindigkeitsabweichung denkbar. Dieses Verständnis bestätigt die Beschreibung auf S. 6 Z. 22 – 35 K2. Hierin wird zunächst ausgeführt, dass die übertragenen Daten aus variablen Längendifferenzen zu einem typischen Wert bestehen. Auf S. 6 Z. 29 – 35 K2 heißt es in der Beschreibung des Klagepatents dann weiter:

„Beispielsweise können für eine Reduzierung von 12 Meilen pro Stunde im Durchschnitt auf einer bestimmten Straße die übertragenen Informationen auf 10 Meilen pro Stunde reduziert werden.“

Hieraus wird deutlich, dass die übertragenen Daten, also die in der Beschreibung zuvor eingeführten „variablen Längendifferenzen“, beispielsweise aus einem Geschwindigkeitswert bestehen – hier aus einer Abweichung von 10 bzw. 12 Meilen pro Stunde. Damit ist für den Fachmann klar, dass sich „Längen“ nach dem Verständnis des Klagepatents auf Geschwindigkeiten beziehen.

(2)
Allerdings verlangt das Klagepatent nicht, dass die Geschwindigkeitsabweichung als (exakter) Zahlenwert der Abweichung übermittelt werden muss. Das Klagepatent beschreibt die Übertragung von gerundeten Differenzen (S. 6 Z. 28 – 35 K2 = Abs. [0016] K1) und die Option, bei geringen Differenzen gar keine Informationen zu übertragen (S. 6 Z. 26 – 28 K2 = Abs. [0016] K1). Die Längendifferenz muss weiter nicht in Form einer konkreten Geschwindigkeitsdifferenz angegeben werden. Aus dem Wortlaut „Längendifferenz“ kann nicht hergeleitet werden, dass die erwartete Geschwindigkeit durch eine Subtraktion ermittelt wird. Der Fachmann versteht vielmehr auf Grundlage der technischen Funktion der „variable Längendifferenz“, dass sie eine Abweichung zu einem gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwert sein muss, mit deren Hilfe sich die erwartete Geschwindigkeit errechnen lässt.

(3)
Neben der Übertragung der erwarteten Geschwindigkeit als Abweichung von einem Geschwindigkeitsgrenzwert ist nicht erforderlich, dass ein Datendarstellungsformat mit einer variablen Länge empfangen wird. Merkmal 10.6.1, dessen Übersetzung zwischen den Parteien streitig ist, lautet im maßgeblichen englischen Originalwortlaut:

“transmitted in a data representation format of variable length differences from said stored speed limit values for respective roads contained in said map storage means”.

Die Vorgabe eines Datenformats mit einer flexiblen Länge lässt sich weder dem Anspruchswortlaut noch der Beschreibung entnehmen. Aus dem Merkmalswortlaut wird deutlich, dass „variable Längendifferenzen“ („variable length differences“) ein Attribut der „gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerte“ („from said stored speed limit values“) ist. Denn soweit das Merkmal von „Differenzen“ spricht, ist klar, dass sich dies auf die gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerte bezieht, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt. Die Worte „variable length“ gehören auch nach dem englischen Anspruchswortlaut zu den Differenzen und damit zum Inhalt der Daten. Insofern bestehen auch keine Bedenken gegen die deutsche Übersetzung des Merkmals in der T2-Schrift (Anlage K2).

Dieses Verständnis unterstreicht die Beschreibung des Klagepatents, in der klar zum Ausdruck kommt, dass der Inhalt der Daten „aus variablen Längendifferenzen“ bestehen soll – und nicht die Datenformatlänge variabel sein soll. Auf S. 6 Z. 22 – 26 K2 heißt es:

„Eine örtlich gespeicherte Karte beispielsweise weist in der Regel Geschwindigkeitsbeschränkungen auf, während die übertragenen Daten aus variablen Längendifferenzen von dem typischen Wert bestehen (…).“

So auch in der englischen Fassung (Sp. 4 Z. 24 – 26 K1 = Abs. [0016] K1):

“For example, a locally stored map typically has speed limits, while the transmitted data consists of variable length differences from the typical value (…)”.

Der Wortlaut “bestehen“ bzw. „consists of“ verdeutlicht, dass es sich bei den „variablen Längendifferenzen“ um den Inhalt der übertragenen Daten und nicht um das sie übertragende Format handelt.

Die Funktion der Einsparung von Übertragungszeit durch Reduzierung der zu übertragenden Daten, welche auf S. 6 Z. 19 – 22 K2 (= Abs. [0016] K1) zum Ausdruck kommt:

„Die übertragenen Verkehrsinformationen liegen vorzugsweise in einem minimalen Datendarstellungsformat vor, um die Übertragungszeit auf ein Minimum zu reduzieren“,

wird durch die Übertragung von Differenzen ermöglicht; dieser Vorteil muss aber patentgemäß nicht zwingend realisiert werden. Durch die Übertragung nur der Abweichungen von einem gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwert müssen oftmals nur kleinere Werte als die Werte der tatsächlichen erwarteten Geschwindigkeit übertragen werden. Denn der Wert der Abweichung einer gespeicherten Höchstgeschwindigkeit ist in der Realität oftmals geringer als die daraus resultierende (erwartete) Geschwindigkeit. Wenn keine Abweichung von dem Geschwindigkeitsgrenzwert besteht – weil eine Straße frei ist – kann auf eine Übertragung ganz verzichtet werden, wie im Klagepatent auf S. 6 Z. 26 – 28 K2 explizit erwähnt wird. Damit kann durch die Übertragung von Abweichungen auch dann die zu sendende Datenmenge gegenüber der Übertragung der tatsächlichen Geschwindigkeitswerte reduziert werden, wenn ein Datenformat mit einer feststehenden Länge verwendet wird. Denn bei einer freien Straße muss letztlich nichts übertragen werden. Auch in der weiteren Patentbeschreibung findet sich kein Anhaltspunkt auf ein Datenformat mit einer variablen Länge. Das Klagepatent schildert auf S. 6 Z. 28 – 35 K2, dass die gesendete Differenz gerundet werden kann, um Übertragungszeit einsparen zu können. Daneben nennt die Beschreibung weitere Maßnahmen bezüglich des Inhalts der Daten zur Reduzierung der Übertragungszeit (S. 6 Z. 22 – S. 7 Z. 5 K2 = Abs. [0016] K1). In diesen Ausführungsbeispielen findet sich aber keine Aussage zu dem Datenformat selbst. Dass eine Übertragungszeitverringerung durch ein Datenformat mit variabler (Datensatz-) Länge erreicht wird, lässt sich der Beschreibung nicht entnehmen.

Damit wird das Wort „Datendarstellungsformat“ nicht redundant. Wie aus Merkmal 10.6 hervorgeht, geht es letztlich um die erwarteten Geschwindigkeiten, die an das Navigationssystem übermittelt werden sollen. Diese werden nicht als solche übertragen, sondern in einem Format, das die Darstellung als Längendifferenzen zulässt.

Ferner lässt sich aus dem Schreiben der Anmelderin des Klagepatents im Erteilungsverfahren (Anlage SH2) zwar die Zielsetzung der Übertragungsdauerreduzierung entnehmen, jedoch nicht, dass dies durch ein Datenformat mit variabler Länge erfolgen soll. Insofern kommt es nicht darauf an, ob dieses Schreiben überhaupt zulässiges Auslegungsmaterial ist.

cc)
Um aus den übertragenen Längendifferenzen die patentgemäß erforderliche „erwartete Geschwindigkeit“ (Merkmal 10.6) gewinnen zu können, ist ein Abgleich zwischen den übertragenen Daten und den „gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten für jeweilige, in dem Kartenspeichermittel enthaltene Straßen“ vorzunehmen. Dieser muss im Fahrzeug erfolgen, denn hier sind die Verkehrsinformationsmittel zwingend anzuordnen.

Die Geschwindigkeitsgrenzwerte geben eine maximal erreichbare Geschwindigkeit an. Es ist die Geschwindigkeit, die erreicht wird, wenn keine Verzögerung – etwa durch Stau – auf einer Strecke existiert. In anderen Worten: Ist die Abweichung gemäß der „variablen Längendifferenz“ gleich Null, entspricht die erwartete Geschwindigkeit dem Geschwindigkeitsgrenzwert. Die Geschwindigkeitsgrenzwerte müssen zusammen mit der an das Verkehrsinformationsmittel übertragenen „variablen Längendifferenz“ die Berechnung einer erwarteten Geschwindigkeit für eine bestimmte Strecke ermöglichen. Hierzu muss der im Fahrzeug befindliche Teil des patentgemäßen Fahrzeugnavigationssystems Kenntnis von den Geschwindigkeitsgrenzwerten jener Straßen haben, für die „variable Längendifferenzen“ übermittelt werden. Die zur Ermittlung der erwarteten Geschwindigkeiten erforderlichen Geschwindigkeitsgrenzwerte müssen dabei nicht zwingend im Fahrzeug selbst gespeichert sein. Es reicht aus, wenn sich der im Fahrzeug angeordnete Teil des Navigationssystems im Bedarfsfalle Kenntnis von den benötigten Geschwindigkeitsgrenzwerten von einer zentral angeordneten Datenbank verschaffen kann. Patentgemäß sind die Geschwindigkeitsgrenzwerte nach Merkmal 10.4:

„ein Kartenspeichermittel zum Speichern einer auf dem Displaymittel (20) anzuzeigenden Karte und zum Speichern von Geschwindigkeitsgrenzwerten für Straßen auf der Karte“,

auf einem Kartenspeichermittel gespeichert, wovon auch Merkmal 10.6.1 ausgeht. Dieses Kartenspeichermittel kann sich nach der Lehre des Klagepatents lokal im Fahrzeug oder in der zentral angeordneten Datenbank befinden. Dies verdeutlicht die Beschreibung des Klagepatents auf S. 7 Z. 25 – 34 (= Abs. [0018] K2):

„Außerdem kann die zentrale Datenbank 50 dazu ausgelegt sein, die obenerwähnten verschiedenen Straßenkarteninformationen zu speichern und an die in dem Kraftfahrzeug 70 realisierte Mikrosteuerung 22 zu übertragen, um den CD-ROM 24 überflüssig zu machen. Deshalb werden die auf der CRT 20 anzuzeigenden verschiedenen Straßenkarteninformationen bei einer anderen bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung von der zentralen Datenbank 50 an die Mikrosteuerung 22 in dem Kraftfahrzeug 70 übertragen.“

Die Anordnung der Kartenspeichermittel auf einer zentralen Datenbank ist nicht deswegen entgegen der klaren Beschreibung unzulässig, weil ansonsten aus den übertragenen Daten keine Verkehrsinformationen errechnet werden können – diese also im Fahrzeug „nicht verstanden“ würden. Denn – wie erwähnt – reicht es für eine solche Verarbeitung der Daten in der angegriffenen Ausführungsform aus, wenn die Kartendaten allgemein auf einer zentralen Datenbank abgelegt sind und nur soweit erforderlich an das Fahrzeug übertragen werden. Die Übertragung der Kartendaten vom Kartenspeichermittel von einer zentralen Datenbank zu dem Fahrzeug ist in der oben zitierten Stelle und zudem auf S. 3 Z. 20 – 25 K2 (= Abs. [0009] K1) explizit erwähnt.

b)
Eine Verwirklichung der Merkmalsgruppe 10.6 kann nicht festgestellt werden, unabhängig davon, ob man die Übermittlung von Farben in Bezug auf Autobahnen (hierzu unter aa) oder auf andere Straßen (hierzu unter bb) betrachtet. Bei keinem Straßentyp kommt es zum Empfang von erwarteten Geschwindigkeiten (Merkmal 10.6) in Form von variablen Längendifferenzen (Merkmal 10.6.1).

aa)
Bei Autobahnen fehlt es insoweit jedenfalls an einer Verwirklichung von Merkmal 10.6.1, wonach die an das Fahrzeugnavigationssystem (im Fahrzeug) übertragenen Geschwindigkeiten

„in einem Datendarstellungsformat mit variablen Längendifferenzen aus den gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten für jeweilige, in dem Kartenspeichermittel enthaltene Straßen“

übermittelt werden müssen. In Bezug auf Autobahnen stellen die übermittelten Farben unstreitig Geschwindigkeitsbereiche dar, so bedeutet Rot eine Geschwindigkeit bis 40 km/h, Gelb eine Geschwindigkeit von 40 – 80 km/h sowie Grün eine Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um „erwartete Geschwindigkeiten“ handelt oder dies zu verneinen ist, weil die Farben keine unmittelbar erkennbare Geschwindigkeit ausdrücken und nur durch Kenntnis des Farbschemas „verstanden“ werden können. Denn die übermittelten Farben und die durch sie repräsentierten Geschwindigkeitsbereiche stellen (allenfalls) „erwartete Geschwindigkeiten“ im Sinne von Merkmal 10.6 dar. Diese „erwarteten Geschwindigkeiten“ werden aber im angegriffenen System nicht als Abweichung von gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten ausgedrückt, sondern vielmehr als absolute Werte übermittelt. Die beispielsweise mit der Farbe Gelb an einer bestimmten Autobahn übermittelte Information, dass auf dieser Teilstrecke eine Geschwindigkeit von 40 – 80 km/h zu erwarten ist, steht in keiner Beziehung zu einer auf dieser Strecke existierenden Geschwindigkeitsbegrenzung. Der übermittelte Geschwindigkeitsbereich ist als solcher dargestellt und eben nicht wie vom Klagepatent gefordert als Abweichung von einem Geschwindigkeitsgrenzwert.

bb)
In Bezug auf andere Straßen ist dagegen jedenfalls eine Verwirklichung von Merkmal 10.6 nicht feststellbar, wonach das patentgemäße Fahrzeugnavigationssystem

„Verkehrsinformationen einschließlich erwarteter Geschwindigkeiten“,

welche über einen Funkkanal an das Fahrzeug gesendet werden, empfangen können muss. Die Fähigkeit zum Empfang einer erwarteten Geschwindigkeit lässt sich bei den angegriffenen Ausführungsformen in Bezug auf andere Straßen nicht feststellen.

Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob sich die übermittelten Farben als patengemäße „variable Längendifferenzen“ verstehen lassen, obschon die Farben nur dann als Angabe zum Verkehrsaufkommen verstanden werden können, wenn ein Nutzer durch zusätzliche Informationen Kenntnis von der Bedeutung des Farbschemas hat. Auch wenn man dies bejaht, werden von den angegriffenen Ausführungsformen keine „erwarteten Geschwindigkeiten“ empfangen.

Die an die angegriffenen Ausführungsformen übermittelten und auf ihnen dargestellten Farben zeigen das Verkehrsaufkommen an und könnten insofern als Abweichung von einer maximalen Geschwindigkeit verstanden werden. Das Verkehrsaufkommen hat grundsätzlich Auswirkung auf die erreichbare Geschwindigkeit. Je höher das Verkehrsaufkommen auf einer Straße ist, desto größer ist die Differenz zwischen einer dort bestehenden Geschwindigkeitsbegrenzung und der tatsächlich fahrbaren Geschwindigkeit.

Jedenfalls werden aber keine „erwarteten Geschwindigkeiten“ empfangen (Merkmal 10.6). Es ist nicht ersichtlich, dass die angegriffenen Ausführungsformen selbst Geschwindigkeitsgrenzwerte gespeichert haben oder auf diese zugreifen können, so dass es ihnen möglich wäre, aus den übertragenen Farben (also aus dem Verkehrsaufkommen) „erwartete Geschwindigkeiten“ herzuleiten. Die Farben alleine erlauben – ohne Kenntnis der Geschwindigkeitsgrenzwerte – noch keinen Schluss auf eine tatsächlich mögliche Geschwindigkeit. Es werden also allenfalls Relativwerte übermittelt, aber keine erwarteten Geschwindigkeiten im Sinne des Klagepatents.

cc)
Dass die Möglichkeit des Empfangs der übermittelten Farben die Merkmalsgruppe 10.6. nicht verwirklichen kann, ergibt sich bei beiden Straßenkategorien zudem daraus, dass jeweils die von Anspruch 10 vorgesehene Zweiteiligkeit der empfangenen Daten nicht eingehalten wird. Das Klagepatent verlangt sowohl den Empfang erwarteter Geschwindigkeiten als auch deren Übermittlung in einem bestimmten Datenformat. Die an die angegriffenen Ausführungsformen gesendeten Farben können aber stets nur eines von beiden sein: Wenn man sie als erwartete Geschwindigkeiten auffasst, fehlt es an der Übermittlung in der Form von Längendifferenzen. Versteht man die Farben als Längendifferenzen, werden keine erwarteten Geschwindigkeiten empfangen, da patentgemäß die übermittelten Längendifferenzen selbst (ohne Abgleich mit Geschwindigkeitsgrenzwerten) keine erwarteten Geschwindigkeiten sein können. Die übermittelten Farben werden aber in den angegriffenen Ausführungsformen für beide Straßenkategorien nicht in Bezug zu gespeicherten Geschwindigkeitsgrenzwerten gesetzt.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Der Klägerin waren hiernach die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO war der Klägerin nicht zu gewähren, da sie die entsprechenden Voraussetzungen nicht glaubhaft gemacht hat.

III.
Der Streitwert wird auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.