4a O 16/14 – Messer für Fleischwölfe

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2381

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. März 2015, Az. 4a O 16/14

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren,

zu unterlassen,

Messer für Fleischwölfe mit drei-, fünf- oder mehrteiligen Schneidsätzen, die mehrere gerade Messerschneiden auf der Vorder- und Rückseite des Messers besitzen und deren Schneiden durch einen Ring am Außendurchmesser gestützt werden,

in Deutschland herzustellen, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu diesen Zwecken zu besitzen,

bei denen ein Teil der Messerschneiden austrittsseitig in ihrer Länge reduziert ist und das Messer am inneren Ende der Messerschneiden einen Bund aufweist, der die Höhe der Messerschneiden besitzt und in der Verschleißfläche so gestaltet ist, dass sich zwischen den Messerschneiden und dem Bund ein Verschleißgleichgewicht einstellt;

2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang der Beklagte die unter I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 08.06.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betroffenen Erzeugnisse gezahlt wurden,

und wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang der Beklagte die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 08.06.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei es dem Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern der Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage hin mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4. die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum des Beklagten befindlichen Erzeugnisse zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf seine – des Beklagten – Kosten herauszugeben;

5. die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 08.06.2006 in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweise darauf, dass mit dem hiesigen Urteil der patentverletzende Zustand der genannten Erzeugnisse festgestellt wurde, und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten, sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.

II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 08.06.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist in Bezug auf die Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Ziff. I. 2. und I. 3. des Tenors) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- EUR, hinsichtlich der Kostengrundentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 225.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

TATBESTAND:

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen Verletzung des deutschen Patents DE 199 08 XXX C1 (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunftserteilung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 27.02.1999 angemeldet. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 04.01.2001.

Ursprüngliche Inhaberin des Klagepatents war die A GmbH, XXXXX B, von welcher das Klagepatent am 08.06.2006 auf die Klägerin umgeschrieben wurde. Das Klagepatent, welches bereits im Jahr 2005 ein Einspruchsverfahren überstanden hat, ist in Kraft.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Messer für Fleischwölfe“. Der hier im Hauptantrag allein streitgegenständliche Patentanspruch 1 des Klagepatents ist wie folgt gefasst:

„Messer für Fleischwölfe mit 3-, 5- oder mehrteiligen Schneidsätzen, das mehrere gerade, vorwärts oder rückwärts gekrümmte Messerschneiden (1, 2) auf der Vorder- und Rückseite des Messers besitzt und dessen Schneiden (1, 2) durch einen Ring am Außendurchmesser gestützt werden, dadurch gekennzeichnet, dass ein Teil der Messerschneiden (2) austrittsseitig in ihrer Länge reduziert ist, und dadurch, dass das Messer am inneren Ende der Messerschneiden (1, 2) einen Bund (3) aufweist, der die Höhe der Messerschneiden (1, 2) besitzt und in der Verschleißfläche so gestaltet ist, dass sich zwischen den Messerschneiden (1, 2) und dem Bund (3) ein Verschleißgleichgewicht einstellt.“

Hinsichtlich der Formulierung der lediglich im Wege eines „insbesondere, wenn“ -Antrages geltend gemachten Unteransprüche 2 und 5 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.

Die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren 1 und 2 zeigen nach der Klagepatentbeschreibung ein Ausführungsbeispiel der Erfindung. Während Bild 1 das Messer in einer Draufsicht zeigt, wird das Messer in Bild 2 im Schnitt dargestellt.

In den vorstehend eingeblendeten Figuren verfügt das Messer über sechs Schneiden (1, 2), wobei drei Schneiden (2) einseitig um etwa die Hälfte gekürzt sind. Ein Bund (3) schließt den Schneidenraum zur Nabe (4) hin ab. Im Zentrum des Messers befindet sich die Nabe (4) mit einer Nabenbohrung, welche die Mitnahme des Messers auf dem Schneckenzapfen ermöglicht.

Der Beklagte bietet in der Bundesrepublik Deutschland an und vertreibt Industrieverschleißteile. Dazu gehört auch das von dem Beklagten hergestellte Schneidmesser „C“, dessen technische Gestaltung sich der nachfolgend verkleinert eingeblendeten Fotografie entnehmen lässt.

Nach Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Dem stehe insbesondere nicht entgegen, dass die Schneiden bei der angegriffenen Ausführungsform nicht radial, sondern am Drehmittelpunkt des Messers vorbeiliefen. Dem streitgegenständlichen Anspruch lasse sich keine Beschränkung auf eine radiale Anordnung der Messerschneiden entnehmen. Darüber hinaus weise die angegriffene Ausführungsform auch einen Bund im Sinne des Klagepatents auf. Dieser unterscheide sich vom Ausführungsbeispiel des Klagepatents nur dadurch, dass er eine achteckige und keine kreisrunde Kontur aufweise. Dass die Schneidflächen der Messerbalken in den achteckigen Bund nahtlos übergehen würden, sei unschädlich. Dies sei zwangsläufig, weil der Bund anspruchsgemäß dieselbe Höhe wie die Messerschneiden besitze, was zur Erfüllung seiner Funktion (Abdichtung des Nabenbereichs) auch zwingend notwendig sei. In welchem Winkel die Messerschneiden auf den Bund auftreffen, gebe der streitgegenständliche Anspruch demgegenüber nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er rügt die fehlende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf.

In der Sache meint der Beklagte, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.

Es gehöre zum impliziten Sinngehalt des streitgegenständlichen Patentanspruchs, dass die Messerschneiden radial angeordnet seien. Die angegriffene Ausführungsform weise demgegenüber Messerschneiden auf, die als nicht radiale Sekanten am Drehmittelpunkt des Messers vorbeilaufen würden.

Des Weiteren erfordere die Formulierung „am inneren Ende der Messerschneiden einen Bund aufweist“ denknotwendig, dass ein patentgemäßes Schneidmesser einen von den Messerschneiden getrennten Bund als zusätzliches Funktionsteil aufweise, an den diese mit ihrem inneren Ende stoßen und der die einzelnen Messerschneiden miteinander verbinde. Einen solchen räumlich bzw. strukturell getrennten, zwischen Messerschneiden und Nabe angeordneten Bund weise die angegriffene Ausführungsform jedoch nicht auf. Vielmehr würden sich die Messerschneiden dort jeweils durchgehend bis zu der in Drehrichtung nächstgelegenen Messerschneide erstrecken, wie die nachfolgend verkleinert eingeblendete Abbildung verdeutliche:

Über die Schneidfunktion hinaus übernähmen die Messerschneiden durch ihre Anordnung um die Nabe herum selbst eine Abdichtfunktion. Ein Extrateil „Bund“ als den Schneiden gemeinsamer Verbindungsteil zwischen dem inneren Ende der Messerschneiden und der Mitnahmebohrung des Messers sei bei der angegriffenen Ausführungsform daher weder erforderlich noch vorhanden.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die einge-reichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 1 und 3, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Soweit der Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 04.07.2014 die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf in Frage gestellt hat, kann dieses Vorbringen bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil der Beklagte bereits im frühen ersten Termin am 08.04.2014 Anträge gestellt und damit gemäß § 137 ZPO mündlich verhandelt hat. Der Beklagte hat sich damit rügelos eingelassen, so dass sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf aus § 39 ZPO ergibt. Auf eine Vertriebshandlung im Zuständigkeitsbereich der Kammer kommt es bei der Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit vor diesem Hintergrund nicht an.

II.
Die Klage ist auch begründet. Da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 1 und 3, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu.

1.
Das Klagepatent betrifft Messer für einen Fleischwolf.

Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents besteht die Aufgabe bei Standard-Fleischwölfen darin, das zu verarbeitende Fleisch mit einem geringen Energieaufwand, einer geringen Erwärmung des Fleischs sowie ohne Störungen und mit einem sauberen Schnittbild in kurzer Zeit zu zerkleinern.

Hierfür seien im Stand der Technik Kreuzmesser, Ringmesser, Trennmesser, Distanzringmesser und viele andere Messertypen im Einsatz. Die Messer würden in drei- oder mehrteiligen Schneidsätzen zwischen zwei Lochscheiben oder zwischen einem Vorschneider und einer Lochscheibe eingesetzt. Sie würden sich mit der Wolfschnecke, mit der sie über den Schneckenzapfen in Drehrichtung formschlüssig verbunden seien, drehen, könnten aber in der Drehachse translatorisch bewegt werden. Lochscheiben und Vorschneider seien verdrehgesichert, wodurch eine rotatorische Relativbewegung zwischen Vorschneider und Lochscheibe einerseits und Messer andererseits entstehe. Die von der Schnecke durch den Schneidsatz gepressten Fleischstücke würden dadurch je nach Fließgeschwindigkeit, Messerschneidzahl und Messerdrehzahl mehr oder weniger häufig getrennt, das heißt zerkleinert.

Das in der DE 44 33 XXX C1 beschriebene Ringmesser habe die Aufgabe, Fleischstücke zu zerkleinern und feste Bestandteile innerhalb des Fleisches zum Zentrum des Fleischwolfs zu fördern. Zudem werde in der DE 43 01 XXX C1 ein Ringmesser mit modifizierten Klingen beschrieben, welches in der vorgeschlagenen Ausführung die Schneidleistung verbessern solle.

Messer für Standard-Fleischwölfe würden jeweils für die anstehende Aufgabe entwickelt und eingesetzt. Je nach Geometrie des Messers finde im Fleischwolf eine Entmischung des Bräts statt. Dies werde in vielen Fällen dazu genutzt, um eine Separierung von festen Bestandteilen durchzuführen. Bestimmte Messer würden diese Entmischungseignung fördern und seien speziell für diesen Anwendungsfall konstruiert worden (DE 44 00 XXX C2).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, ein Messer mit den eingangs genannten Eigenschaften bereitzustellen, welches gleichzeitig eine gute Vermischung aller Bestandteile des zerkleinerten Guts (Bräts) sicherstellt.

Zur Lösung dieser Aufgabe ist in Patentanspruch 1 ein Messer mit den folgenden Merkmalen vorgesehen:

1. Messer für Fleischwölfe mit drei-, fünf- oder mehrteiligen Schneidsätzen.

2. Das Messer besitzt mehrere gerade, vorwärts oder rückwärts gekrümmte Messerschneiden (1, 2).

2.1. Die Messerschneiden (1, 2)

2.1.1. befinden sich auf der Vorder- und Rückseite des Messers

2.1.2. und werden durch einen Ring am Außendurchmesser gestützt.

2.2. Ein Teil der Messerschneiden (2) ist austrittsseitig in ihrer Länge reduziert.

3. Das Messer weist am inneren Ende der Messerschneiden (1, 2) einen Bund (3) auf.

3.1. Der Bund besitzt die Höhe der Messerschneiden (1, 2)

3.2. und ist in der Verschleißfläche so gestaltet, dass sich zwischen den Messerschneiden (1, 2) und dem Bund (3) ein Verschleißgleichgewicht einstellt.

2.
Davon ausgehend macht die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Dem steht weder entgegen, dass die Messerschneiden bei der angegriffenen Ausführungsform als radiale Sekanten um den Drehmittelpunkt verlaufen noch, dass es an einem als räumlich und strukturell getrenntes Bauteil ausgebildeten Bund fehlt.

a)
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Messerschneiden bei der angegriffenen Ausführungsform anspruchsgemäß angeordnet.

(1)
Hinsichtlich der technischen Gestaltung der Messerschneiden entnimmt der Fachmann dem streitgegenständlichen Patentanspruch zahlreiche Vorgaben. Es soll sich um mehrere Messerschneiden handeln (Merkmal 2.1.), die beidseitig auf der Vorder- und Rückseite des Messers angeordnet sind (Merkmal 2.1.1.). In Bezug auf die räumliche Anordnung der Messerschneiden legt sich Patentanspruch 1 dahingehend fest, dass sich die Messerschneiden außen auf einem Ring am Außendurchmesser abstützen sollen (Merkmal 2.1.2.). Um die Mischung des Bräts zu fördern (vgl. Sp. 1, Z. 59 – 61) ist ein Teil der Messerschneiden zudem austrittsseitig in ihrer Länge reduziert. Eine solche Durchmischung wird vor allem bei einem Füllwolf angestrebt, der neben der Zerkleinerung auch noch das Durchmischen von Zusätzen, etwa von Gewürzen, und das Füllen von Wurstdärmen übernimmt (vgl. Sp. 1, Z. 45 – 49). Da die Messer nur austrittsseitig in ihrer Länge zurückgenommen und die Messerschneiden eintrittseitig noch voll ausgebildet sind, wird somit eintrittsseitig die Schneidwirkung noch voll realisiert, während austrittsseitig eine gute Durchmischung des Schneidguts erreicht wird (vgl. die als fachkundige Stellungnahme zu berücksichtigende Entscheidung der Einspruchsabteilung Anlage KR 3, S. 7).

Damit ist jedoch noch nicht geklärt, in welche Richtung sich die Messerschneiden vom Außenring aus erstrecken sollen.

Einen Hinweis darauf erhält der Fachmann aus der Merkmalsgruppe 3, wonach das Messer am inneren Ende der Messerschneiden einen Bund aufweisen muss (Merkmal 3). Die Messerschneiden müssen sich somit vom Ring am Außendurchmesser zum Bund und damit nach innen zum Bund erstrecken. Da der Fachmann dem streitgegenständlichen Patentanspruch keine weiteren Vorgaben hinsichtlich der räumlichen Erstreckung der Messerschneiden entnimmt und das Klagepatent zudem klar zwischen dem die Nabe umgebenden Bund und der Nabe selbst unterscheidet (vgl. Sp. 1, Z. 65), ist klar, dass sich die Messerschneiden nach der Formulierung des Patentanspruchs nicht zwingend radial nach innen zum Drehmittelpunkt erstrecken müssen, solange sich der Bund, dessen Standort seinerseits durch die Nabe festgelegt ist, an ihrem inneren Ende befindet.

Einem solchen Verständnis steht nicht entgegen, dass die Schneiden nach dem allgemeinen Teil der Beschreibung des Klagepatents radial angeordnet sein sollen (vgl. Sp. 1, 58 f.). Zum einen lässt sich „radial“ in diesem Zusammenhang mangels eines Bezuges zum Mittelpunkt der Drehachse bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung auch so verstehen, dass damit lediglich die Erstreckung in Richtung des die Nabe umgebenden Bundes gemeint ist. Zum anderen wird der Schutzbereich gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wo das Erfordernis der Radialität keinen Niederschlag gefunden hat.

In diesem Zusammenhang bedeutet „Inhalt“ nicht Wortlaut, sondern Sinngehalt, so dass für die Auslegung eines Patents nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen ist, den der Inhalt der Patentschrift dem Durchschnittsfachmann vermittelt (BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube). Entscheidend ist deshalb nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung, sondern die Auffassung des Fachmanns, so wie ein unbefangener, technisch geschulter Leser die in der Patentschrift verwendeten Begriffe versteht (vgl. BGH, a.a.O.). Dabei kann der Inhalt der Patentschrift den Offenbarungsgehalt eines Patents auch begrenzen, wenn der Fachmann der Gesamtheit der Patentschrift eine engere Lehre entnimmt als diejenige, die der Wortlaut des Merkmals zu vermitteln scheint (vgl. BGH, a.a.O.).

Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Mit dem Hinweis auf die angestrebte optimale Vermischung des Bräts möchte sich das Klagepatent von Lösungen abgrenzen, bei denen eine Entmischung des Bräts dergestalt erfolgt, dass bestimmte Bestandteile am äußeren und andere am inneren Durchmesser gehäuft auftreten (vgl. Sp. 1, Z. 49 – 55). Das Brät soll davon ausgehend nicht mehr entmischt, sondern – möglichst optimal – vermischt werden, wobei das Fleisch mit einem geringen Energieaufwand, einer geringen Erwärmung sowie ohne Störungen und mit einem sauberen Schnittbild innerhalb kurzer Zeit zerkleinert werden soll. Hierfür ist nach der Klagepatentbeschreibung ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgesehen: Die radiale Anordnung der (mit dünnen Wänden ausgeführten) Schneiden, die teilweise Reduzierung der Schneiden und die Abdichtung der Nabe durch den Bund (Sp. 1, Z. 58 – 67). Vor diesem Hintergrund versteht der Fachmann auch den lediglich in der Patentbeschreibung, nicht aber im Anspruch erwähnten Begriff „radial“. Denn unter Berücksichtigung der zur Vermischung des Bräts vorgesehenen Kombination der nach den Vorgaben des Patentanspruchs gestalteten Messerschneiden und des Bundes ist klar, dass es lediglich einer Anordnung der Messerschneiden zwischen dem äußeren Ring und dem Bund, nicht aber deren (geometrisch exakter) Ausrichtung in Richtung des Drehmittelpunktes des gesamten Messers bedarf. Zudem findet sich in der Klagepatentbeschreibung kein Hinweis darauf, dass die dort angesprochenen Ziele gerade durch eine radiale Anordnung der Schneiden im Sinne einer Ausrichtung zur Nabe hin und damit durch eine möglichst geringe Länge der Schneiden erreicht werden soll. Soweit die Beklagte demgegenüber darauf abstellen will, dass es für die Erreichung der in der Klagepatentbeschreibung im Einzelnen genannten Ziele auf möglichst kurze Messerschneiden ankomme, steht dem bereits die nach dem Anspruch ausdrücklich zugelassene gekrümmte Ausgestaltung der Schneiden entgegen. Denn durch eine solche gekrümmte Ausgestaltung wird die Schneidfläche der Messerschneiden – je nach Ausgestaltung – unter Umständen erheblich verlängert.

Dass die Messerschneiden in den Figuren nebst der zugehörigen Beschreibung jeweils radial in Richtung des Drehmittelpunktes des Messers angeordnet sind, rechtfertigt keine andere Bewertung. Bei den Ausführungsbeispielen handelt es sich lediglich um eine bevorzugte Gestaltung, auf welche die Erfindung nicht reduziert werden darf (BGH, GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe; GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung).

Auch der in der Klagepatentschrift angesprochene Stand der Technik bietet für ein engeres Verständnis keinen Anlass. Auf die dort (teilweise) offenbarte radiale Anordnung der Schneidmesser geht die Klagepatentschrift nicht ein, sondern beschreibt die dort offenbarte Lösung lediglich allgemein, ohne dass der Fachmann in der Klagepatentbeschreibung einen Hinweis darauf findet, dass das Klagepatent gerade an der dort (auch nicht immer) gezeigten radialen Ausrichtung der Schneiden festhalten und darauf aufbauen will.

Soweit der Beklagte zur Begründung seiner abweichenden Auffassung auf die DE 20 2004 013 XXX U1 (Anlage Bk 2) abstellen will, wird diese weder in der Klagepatentbeschreibung erwähnt noch ist sie auf dem Deckblatt des Klagepatents genannt. Damit stellt die Schrift bereits kein zulässiges Auslegungsmaterial dar und ist somit im Rahmen der Auslegung des Klagepatents nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 1991, 811, 813 f. – Falzmaschine; GRUR 1998, 235, 236f. – Stromwandler; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage, Rz. 45; Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, § 6 Rz. 131).

Gleiches gilt im Hinblick auf die durch die Beklagte als Anlage Bk 1 vorgelegte Erklärung aus dem Erteilungsverfahren. Da die Erteilungsakten des Patents in
§ 14 PatG nicht erwähnt sind, bilden sie kraft Gesetzes auch kein zulässiges Auslegungsmaterial (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; Kühnen, a.a.O., Rz. 57).

(2)
Ausgehend von diesen Überlegungen entspricht die räumliche Anordnung der Messerschneiden bei der angegriffenen Ausführungsform den Vorgaben des Klagepatents. Dies verdeutlicht die nachfolgend eingeblendete Abbildung:

Wie die vorstehende Darstellung zeigt, beginnen die Messerschneiden jeweils an einem Ring am Außendurchmesser und erstrecken sich von dort nach innen. Vier der acht Messerschneiden sind verkürzt ausgestaltet, so dass ihre Länge entsprechend den Vorgaben des Klagepatents austrittsseitig reduziert ist (Merkmal 2.2.). Auf der gegenüberliegenden, vorstehend nicht gezeigten Seite des Messers sind die hier verkürzten Messerschneiden demgegenüber unstreitig durchgehend ausgebildet.

Des Weiteren laufen die Messerschneiden alle auf ein achteckiges Gebilde zu, welches um die Nabe herum angeordnet ist. Soweit es sich dabei, wie noch gezeigt werden wird, um einen Bund im Sinne des Klagepatents handelt, genügt dies den Anforderungen des Klagepatents. Dass die Messer nach der technischen Lehre des Klagepatents nicht radial auf den Drehmittelpunkt des Messers zulaufen müssen, hat die Kammer bereits ausgeführt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

b)
Bei dem in der vorstehend eingeblendeten Abbildung markierten achteckigen Gebilde handelt es sich auch um einen Bund im Sinne des Klagepatents.

Dem steht nicht entgegen, dass sich die Messerschneiden nach dem Vortrag der Beklagten jeweils durchgehend bis zu der in Drehrichtung nächstgelegenen Messerschneide erstrecken. Dass die Messerschneiden bei der angegriffenen Ausführungsform „durch ihre Anordnung um die Nabe herum“ eine Abdichtfunktion aufweisen, hat die Beklagte in ihrer Duplik selbst eingeräumt.

Hinsichtlich der technischen Gestaltung des Bundes entnimmt der Fachmann dem streitgegenständlichen Patentanspruch lediglich, dass sich dieser am inneren Ende der Messerschneiden befinden (vgl. auch Sp. 1, Z. 63 f.) und die gleiche Höhe wie diese haben soll. Die Anordnung des Bundes zwischen der Nabe und den Schneidmessern gewährleistet einen gleichmäßigen Abfluss des Bräts und verhindert damit Materialansammlungen um die Nabe herum (vgl. Sp. 1, Z. 65 – 67).

Zudem muss der Bund in der Verschleißfläche so gestaltet sein, dass sich zwischen den Messerschneiden und dem Bund ein Verschleißgleichgewicht einstellt. Dies verhindert, dass es entweder bei einem erhöhten Verschleiß zu Undichtigkeiten bei der Abdichtung der Nabe oder andererseits im Fall eines erhöhten Verschleißes der Schneiden zu Ungenauigkeiten bei der Exaktheit des Schnittes kommt (vgl. Sp. 1, Z. 67 – Sp. 2, Z. 6; so auch die Einspruchsabteilung, Anlage KR 3, S. 9).

Nachdem der Fachmann dem streitgegenständlichen Patentanspruch keine weiteren Vorgaben zur technischen Gestaltung des Bundes entnimmt, ist diese im Übrigen in das Belieben des Fachmanns gestellt.

Dass der Bund am inneren Ende der Messerschneiden angeordnet sein soll, schließt nicht aus, dass jeweils ein Teil der inneren Seite der Messerschneide zugleich auch ein Bestandteil des Bundes ist. Weder Patentanspruch 1 selbst noch der Klagepatentbeschreibung entnimmt der Fachmann einen dahingehenden Hinweis, dass der Bund zwingend ein selbstständiges, von den Messerschneiden getrenntes Bauteil sein muss. Gleiches gilt im Hinblick auf die Frage, in welchem Winkel die Messerschneide auf den Bund auftrifft. Der Bund befindet sich selbst dann am inneren Ende der Messerschneiden, wenn die Messerschneiden in den Bund übergehen und selbst eine Begrenzungswand des Bundes bilden. Vor diesem Hintergrund ist es patentgemäß auch nicht ausgeschlossen, dass der Bund neben seiner Abdichtfunktion zusätzlich auch am Schneiden des Fleisches beteiligt ist.

Auch wenn in den Figuren eine Gestaltung gezeigt ist, bei welcher der Bund und die Messerschneiden voneinander getrennt sind, darf die Erfindung nicht auf eine solche Gestaltung reduziert werden. Ausführungsbeispiele und Zeichnungen erläutern den Erfindungsgegenstand regelmäßig nur exemplarisch, aber nicht abschließend (BGH GRUR 2008, 779 – Mehrgangnabe; GRUR 2012, 1242 – Steckverbindung; Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 9. Auflage, § 14 Rz. 34).

3.
Der Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und vertrieben und damit widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Gebrauch gemacht. Dass er die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland herstellt und vertreibt, hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Diese Benutzung des Erfindungsgegenstands durch den Beklagten begründet die nachstehenden Rechtsfolgen unabhängig davon, ob die angegriffene Ausführungsform auch im Zuständigkeitsbereich der Kammer und speziell auch an die D E GmbH vertrieben wurde.

a)
Der Beklagte ist der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.

b)
Des Weiteren hat der Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten (§ 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmer hätte er die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen des Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

c)
Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus § 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und der Beklagte wird durch die von ihn verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Soweit seine nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist dem Beklagten im Hinblick auf seine Rechnungslegungspflicht in Bezug auf seine nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2010, Az.: I-2 U 42/09).

d)
Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus § 140a Abs. 1 PatG auch einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform. Die für den Vernichtungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen des § 140a Abs. 1 PatG liegen vor. Da der Beklagte seinen Geschäftssitz in der Bundesrepublik Deutschland hat und die angegriffene Ausführungsform auch dort vertreibt, ist davon auszugehen, dass er in der Bundesrepublik Deutschland im Besitz solcher Ausführungsformen ist.

e)
Schließlich hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen gemäß § 140a Abs. 3 S. 1, Var. 1 PatG.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 S. 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 250.000,- EUR festgesetzt.

Für die beantragte Beiziehung der Erteilungsakten bestand keine Veranlassung, da es sich dabei kraft Gesetzes (§ 14 PatG) um kein zulässiges Auslegungsmaterial handelt (vgl. BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage Rz. 57).