4a O 64/01 – Pedikelschraube

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  200

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. Februar 2003, Az. 4a O 64/01

Rechtsmittelinstanz: 2 U 40/03

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000,- EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein Unternehmen aus der Medizintechnik, die Pedikel­schrauben nach dem unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 0 483 242 (Anlage K 1; nachfolgend Klagepa­tent) in Deutschland herstellt und vertreibt. Das Klagepatent beruht auf einer am 19. Juli 1990 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 20. Juli 1989 getätigten Anmeldung, die am 6. Mai 1992 veröffentlicht wurde. Die Be­kanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 3. Mai 1995. Eingetragene Inhaber des Klagepatentes sind P1 und Prof. Dr. I, die der Klägerin ihre Ansprüche auf Auskunft, Rech­nungslegung, Schadensersatz und Entschädigung aus dem Klagepatent ab­getreten sowie ferner die Klägerin zur Geltendmachung von Unterlassungs­ansprüchen aus dem Patent im eigenen Namen ermächtigt haben (Anlage K 2).

Die Beklagte erhob mit Schriftsatz vom 1. August 2001 Nichtigkeitsklage ge­gen das Klagepatent. Mit Urteil vom 30. April 2002 (Anlage K 20) erklärte das Bundespatentgericht das Klagepatent teilweise für nichtig; auf die Entschei­dungsgründe des Urteils wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2002 hat der Bundesgerichtshof das Wiedereinsetzungsgesuch der eingetragenen Inhaber des Klagepatents gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen.

Das Klagepatent betrifft ein Aufnahmeteil für eine Pedikelschraube und eine Pedikelschraube. Anspruch 1 hat nach dem Urteil des Bundespatent­gerich­tes vom 30. April 2002 folgenden Wortlaut:

„Pedikelschraube (2) mit einem Aufnahmeteil (5) zum gelenkigen Ver­binden der einen Gewindeschaftteil (3) und einen kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf (4) aufweisenden Schraube (2) mit einer Stange (16), wobei eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube (2) gegen Verdrehen vorgesehen ist und wobei das Aufnahmeteil (5) einen Aufnahmeraum (7) aufweist, der an seinem einen Ende eine Bohrung (8) zum Hindurchführen des Gewindeschaftteiles (3) einer Schraube (2) mit gewünschtem Schaftdurchmesser und gewünschter Schaftlänge und angrenzend an diesen einen hohlkugel­segment­förmigen Ab­schnitt (9) zum Anliegen des Kopfes (4) der auf­zunehmenden und in den jeweiligen Wirbelkörper einzu­schrau­benden Schraube (2) besitzt und angrenzend an diesen einen hohlzylindrischen Abschnitt (11) be­sitzt, dadurch gekennzeichnet, dass das Aufnahme­teil (5) einstückig ausgebildet ist und auf der der Bohrung (8) gegen­über­liegenden Seite eine Öffnung (10) zum Einführen der Schraube (2) aufweist, und dass ein Druckelement (18) vorgesehen ist, welches auf seinem dem Kopf (4) zugewandten Ende einen zu dem Kopf (4) hin gerichteten hohlku­gelsegmentförmigen Abschnitt (19) aufweist und welches durch die Öff­nung (10) einführbar ist und in zusammen­ge­setztem Zustand nach dem Einstellen der Winkelposition zwischen Schraube (2) und Aufnah­meteil (5) eine Kraft so auf den Kopf (4) ausübt, dass dieser gegen den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) gedrückt wird und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird.“

Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen zeichnerischen Darstellungen patent­ge­mäßer Ausführungen stammen aus der Klagepatentschrift. Figur 1 zeigt eine explo­sionsartige Seitenansicht der Pedikelschraube mit dem Auf­nahmeteil, teilweise in geschnittener Darstellung; Figur 2 eine Schnittdar­stellung durch das Aufnahmeteil mit eingesetzter Schraube und mit dem Auf­nahmeteil verbundener Stange. Figur 3 zeigt eine gegenüber der in Figur 1 um 90° um die Symmetrieachse gedrehte Darstellung in vergrößertem Maß­stab.

Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung „Multi Axial Screw“ Pedikel­schrauben sowie die dazugehörigen Aufnahmeteile, deren Ausgestaltung sich aus den von der Klägerin als Anlage K 8 zur Akte gereichten Photo­gra­phien ergibt, sowie aus der nachstehenden Konstruktionszeichnung, welche die Beklagte als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereicht hat.

Die Klägerin behauptet, dass die angegriffene Ausführungsform das Klage­patent mit wortsinngemäßen, jedenfalls mit äquivalenten Mitteln verletze. Das Klagepatent sehe nicht vor, dass bereits beim Einstecken der Pedikel­schraube in das Aufnahmeteil der Schraubenkopf an einem hohlkugelseg­mentförmigen Abschnitt anliegen müsse. Hierbei sei eine funktionale Sicht­weise für die Auslegung des geänderten Patentanspruches 1 maßgeblich. Danach komme es lediglich darauf an, dass der Schraubenkopf plaziert und gelenkig gelagert werde, ein hohlkugel­segmentförmiger Abschnitt sei hierfür nicht erforderlich. Im Hinblick auf diese Funktionalität – gelenkiges Verbin­den, Schutz gegen Verrutschen und Ausübung von Druck durch ein Drucke­lement – wisse der Fachmann, dass es nur auf den Zeitpunkt des Einstellens der Winkelposition zwischen Schraube und Kopf, nicht jedoch auf den Zeitpunkt des Einsteckens der Schraube in das Aufnahmeteil ankomme.

Auch sei es nicht erforderlich, dass der hohlzylindrische Abschnitt unmittelbar an den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt angrenze. Dieser hohl­zylin­drische Abschnitt solle sich lediglich an den hohlkugel­segment­förmigen Abschnitt anschließen. Hierfür sei es jedoch nicht erforderlich, dass dies un­mittelbar erfolge.

Hilfsweise, zur Begründung einer äquivalenten Verletzung, trägt die Klägerin vor, dass der Fachmann durch die technische Lehre dahin geleitet werde, dass eine Deformation des Aufnahmeteiles zur Ausbildung eines hohlkugel­segmentförmigen Abschnitts auch erst nach dem Zusammenfügen der Schraube, des Aufnahmeteiles und des Druckelementes ausreiche. Denn der Fachmann wisse, dass es darauf nicht ankomme.

Die Klägerin beantragt,

I.1.

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwider­handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, er­satzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

a) Pedikelschrauben mit einem Aufnahmeteil zum gelenkigen Ver­binden der einen Gewindeschaftteil und einen kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf aufweisenden Schraube mit einer Stange, wobei eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube ge­gen Verdrehen vorgesehen ist und wobei das Aufnahmeteil einen Aufnahmeraum aufweist, der an seinem einen Ende eine Bohrung zum Hindurchführen des Gewindeschaftteiles einer Schrau­be mit gewünschtem Schaftdurchmesser und gewünschter Schaftlänge und angrenzend an diesen einen hohlkugel­seg­mentförmigen Ab­schnitt zum Anliegen des Kopfes der aufzu­nehmenden und in den jeweiligen Wirbelkörper einzuschrau­benden Schraube besitzt und angrenzend an diesen einen hohl­zy­lindrischen Abschnitt besitzt,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

(b1) bei denen das Aufnahmeteil einstückig ausgebildet ist und auf der der Bohrung gegenüberliegenden Seite eine Öffnung zum Ein­füh­ren der Schraube aufweist, und bei denen ein Druckelement vor­gesehen ist, welches auf seinem dem Kopf zugewandten Ende ei­nen zu dem Kopf hin gerichteten hohlkugel­seg­mentförmigen Ab­schnitt aufweist und welches durch die Öffnung ein­führbar ist und in zusammengesetztem Zustand nach dem Einstellen der Winkel­position zwischen Schraube und Aufnahme­teil eine Kraft so auf den Kopf ausübt, dass dieser gegen den hohl­kugel­segmentför­migen Abschnitt gedrückt wird und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird;

hilfsweise

Pedikelschrauben wie unter a) beschrieben

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

(b2) bei denen das Aufnahmeteil einstückig ausgebildet ist und auf der der Bohrung gegenüberliegenden Seite eine Öffnung zum Ein­füh­ren der Schraube aufweist, und bei denen ein Druckelement vor­gesehen ist, welches auf seinem dem Kopf zugewandten Ende ei­nen zu dem Kopf hin gerichteten hohlkugel­seg­mentförmigen Ab­schnitt aufweist und welches durch die Öffnung ein­führbar ist und in zusammengesetztem Zustand nach dem Einstellen der Winkel­position zwischen Schraube und Aufnahme­teil eine Kraft so auf den Kopf ausübt, dass dieser gegen den dann hohl­kugel­segmentför­migen Abschnitt gedrückt wird und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird;

weiter hilfsweise

Pedikelschrauben wie unter a) beschrieben

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

(b3) bei denen das Aufnahmeteil einstückig ausgebildet ist und auf der der Bohrung gegenüberliegenden Seite eine Öffnung zum Ein­füh­ren der Schraube aufweist, und bei denen ein Druckelement vor­gesehen ist, welches auf seinem dem Kopf zugewandten Ende ei­nen zu dem Kopf hin gerichteten hohlkugel­seg­mentförmigen Ab­schnitt aufweist und welches durch die Öffnung ein­führbar ist und in zusammengesetztem Zustand nach dem Einstellen der Winkel­position zwischen Schraube und Aufnahme­teil eine Kraft so auf den Kopf ausübt, dass dieser gegen den in Anlage an ein Kugel­segment des Kopfes gelangenden Abschnitt gedrückt wird und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird.

2.

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Ver­zeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 3. Juni 1995 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Liefe­ran­ten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer­men­gen, -zeiten und -preisen und Typen­bezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Ab­nehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots­men­gen, -zeiten und -preisen und Typen­be­zeich­nungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Ange­bots­empfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe­trä­gern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Ver­breitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1.

an die Klägerin für die in I.1. bezeichneten und in der Zeit vom 6. Juni 1992 bis zum 3. Juni 1995 begangenen Hand­lungen eine angemessene Entschädigung für die Benutzung des Gegenstan­des der veröffentlichten Patentanmeldung 90 911 417.5 zu zahlen;

2.

der Kläger allen Schaden zu ersetzen, der den eingetragenen Patentinhabern P1 und Prof. Dr. I durch die zu I.1. bezeichneten und seit dem 3. Juni 1995 began­genen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Sie stellt eine Verletzung des Klagepatentes in Abrede. Das Klagepatent müsse dahingehend verstanden werden, dass gerade im Hinblick auf den Stand der Technik ein hohlkugelsegmentförmiger Abschnitt bereits beim Ein­stecken der Pedikelschraube in das Aufnahmeteil vorhanden sein müsse. Auch müsse der hohlzylindrische Abschnitt unmittelbar an den hohlkugel­segmentförmigen Abschnitt angrenzen, was bei der angegriffenen Ausfüh­rungsform nicht vorliege. Des weiteren liege bei der angegriffenen Ausführ­ungsform auch nach der Druckausübung kein hohlkugelseg­mentförmiger Abschnitt vor. Es würden vielmehr durch die Druckausübung konkav/konvexe Flächen erzeugt.

Auch eine äquivalente Verletzung liege nicht vor, da das Ziel des Klagepa­tentes, der Pedikelschraube beim Einsetzen eine definierte Position zuzu­weisen, nicht erreicht werde.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen insgesamt entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten An­sprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz­feststel­lung nicht zu. Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent nicht.

I.

Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft eine Pedikelschraube mit einem Aufnahmeteil. Pedikelschrauben werden zur Stabilisierung von Wirbel­säu­len­segmenten eingesetzt. Dies geschieht in der Weise, dass bei einer Wir­bel­säulenoperation mehrere Wirbelkörper durch etwa parallel zur Wirbel­säule verlaufende Stangen verbunden werden. Die Schrauben werden durch die Pedikel (Wirbelbogenpfeiler) in die Wirbelkörper geschraubt. An diesen Schrauben werden dann die stabilisierenden Stangen angebracht.

Die Klagepatentschrift beschreibt als Stand der Technik zunächst die DE 2 649 042 (Anlage K 3), aus welcher Pedikelschrauben mit einem Gewindeteil und einem starr damit am kopfseitigen Ende vorgesehenen Aufnahmeteil bekannt sind. Mehrere Paare solcher Schrauben werden jeweils in einem Abstand zueinander beidseitig von der Wirbelsäule in die Wirbelkörper ein­geschraubt. Die jeweiligen Aufnahmeteile weisen Aufnahmeschlitze auf, durch die jeweils eine Gewindestange geführt und mit jeweils einer Fi­xierungsstange in ihrer Position gehalten wird. Das Klagepatent sieht es als nachteilig hieran an, dass es sehr schwierig ist, die Schrauben fest in die Wirbelkörper einzudrehen und dabei gleichzeitig die Schrauben in zwei Ebe­nen so zu stellen, dass die Achsen der Aufnahmeschlitze so ausgerichtet sind, dass die Gewindestange ohne Verspannung der Schrauben durch die Aufnahmeschlitze geführt werden kann. Dies ist auch sehr zeitaufwendig, was bei einer Operation zum Nachteil ist. Auch ist eine hinreichend genaue Ausrichtung kaum möglich, so dass erhebliche Scherkräfte auf die Gewin­destange ausgeübt werden, die zu einem Bruch der Stangen führen können.

Als weiteren Stand der Technik führt die Klagepatentschrift die europäische Patentschrift 0 242 708 (Anlage K 5) an, die eine Pedikelschraube mit einem Gewindeschaftteil und einem kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf sowie einem gelenkig damit verbindbaren Aufnahmeteil betrifft und aus der nachstehend zur Veranschaulichung die Figur 4 wiedergegeben ist.

Das Aufnahmeteil weist zwei durch einen Ring zusammengehaltene Kopf­hälften auf, die auf ihren einander zugewandten Innenseiten hohlkugel­seg­ment­förmige Abschnitte aufweist, die den Kopf im zusammengesetzten Zu­stand so umfassen, dass der Kopf in der so gebildeten Hohlkugel um deren Mittelpunkt schwenkbar gehalten wird. Nach den Darlegungen der Klage­patentschrift wird damit eine sehr gut funktionierende Pedikelschraube ge­schaffen. Als Nachteil dieser Schrauben bezeichnet die Klagepatentschrift, dass bei der Operation Schrauben verschiedener Längen und ggf. auch ver­schiedener Durchmesser benötigt werden, so dass die kompletten Schrau­ben für die gewünschte Größe vorrätig zu halten sind. Die Lager­kosten sind wegen der erforderlichen hohen Präzision der beiden die kugel­segmentför­migen Abschnitte aufweisenden Schalenhälften und des diese zusammen­haltenden Ringes sehr hoch.

Als weiteren Stand der Technik führt das Klagepatent die US-amerikanische Patentschrift 4 805 602 (Anlage K 4) an, aus der Pedikelschrauben mit einem einstückigen Aufnahmeteil bekannt sind, welches mit einem hohlzylindri­schen Anschnitt und einer schrägen Fläche ausgebildet ist und nachstehend zur Veranschaulichung in Figur 4 wiedergegeben ist.

Die Schraube wird hier mit der Schaft­seite durch das Aufnahmeteil einge­führt. Nachteilig hieran ist – so die Klagepatentschrift -, dass bei dieser Vor­richtung keine Möglichkeit besteht, die Schraube gegen Lockern bzw. Ver­drehen zu sichern.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent das technische Problem („die Aufgabe“) zugrunde, eine Möglichkeit zu schaffen, mit der die Kosten für die Vorratshaltung solcher Schrauben gesenkt werden können.

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 in der Fassung durch das Urteil des Bundespatentgerichtes vom 30. April 2002 fol­gende Merkmale vor:

1. Pedikelschraube (1)

2. die eine einen Gewindeschaftteil (3) und einen kugelförmigen bzw. kugel­segmentförmigen Kopf (4) besitzende Schraube (2) auf­weist;

3. es ist ein Aufnahmeteil (5) zum gelenkigen Verbinden der Schraube (2) mit einer Stange (16) und

4. eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube (2) gegen Verdrehen vorgesehen.

5. Das Aufnahmeteil (5) weist einen Aufnahmeraum (7) auf, der an seinem einen Ende eine Bohrung (8) zum Hindurchführen des Gewinde­schaftteiles (3) einer Schraube (2) mit gewünschtem Schaft­durchmesser und gewünschter Schaftlänge besitzt;

6. angrenzend an den Aufnahmeraum (7) ist ein hohlkugel­seg­mentförmiger Abschnitt (9) zum Anliegen des Kopfes (4) der auf­zu­nehmenden und in den jeweiligen Wirbelkörper einzu­schrau­benden Schraube (2) vorgesehen und angrenzend an diesen ein hohlzylindrischer Abschnitt (11);

7. das Aufnahmeteil (5) ist einstückig ausgebildet;

8. auf der der Bohrung (8) gegenüberliegenden Seite ist eine Öff­nung (10) zum Einführen der Schraube (2) vorgesehen;

9. ein Druckelement (18) ist vorgesehen,

a) welches auf seinem dem Kopf (4) zugewandten Ende einen zu dem Kopf (4) hin gerichteten hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (19) aufweist,

b) und welches durch die Öffnung (10) einführbar ist,

c) und in zusammengesetztem Zustand nach dem Einstellen der Winkelposition zwischen Schraube (2) und Aufnahmeteil (5) eine Kraft so auf den Kopf (4) ausübt, dass dieser gegen den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) gedrückt wird und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird.

Der mit der Erfindung erzielte Vorteil besteht gemäß den Angaben der Klage­patentschrift insbesondere darin, dass eine Lagerhaltung nur hinsichtlich der Schraubenhälften mit unterschiedlicher Länge und unterschiedlicher Dicke erforderlich ist, diese aber mit einem einheitlichen Kopf bevorratet werden können.

II.

Die angegriffene Ausführungsform verletzt Merkmal 6 der obigen Merkmals­analyse weder mit wortsinngemäßen, noch mit äquivalenten Mitteln.

Merkmal 6 besagt, dass angrenzend an den Aufnahmeraum (7) ein hohlku­gelsegmentförmiger Abschnitt (9) zum Anliegen des Kopfes (4) der aufzu­nehmenden und in den jeweiligen Wirbelkörper einzuschraubenden Schraube (2) vorgesehen ist und angrenzend an diesen ein hohlzylindrischer Abschnitt (11). Das Merkmal gibt damit vor, wie der Aufnahmeraum des Auf­nahme­teils, durch den der Gewindeschaftteil der Schraube hindurch­geführt wird, ausgestaltet sein soll. Der Aufnahmeraum weist an seinem einen Ende eine Bohrung auf, die geeignet und dazu bestimmt ist, den Gewindeschaftteil der Schraube aufzunehmen; angrenzend an diese Bohrung erstreckt sich ein hohlkugelseg­mentförmiger Abschnitt. An diesem Abschnitt soll der Kopf der in der Bohrung befindlichen Schraube anliegen. Weitere Angaben lassen sich dem Patentanspruch nicht entnehmen.

Der Fachmann versteht die in dem Patentanspruch 1 des Klagepatentes nie­dergelegte technische Lehre danach so, dass die Pedikelschraube beim Ein­stecken durch die Öffnung des Aufnahmeteiles zunächst den hohlzy­lin­dri­schen Abschnitt passieren muss und anschließend mit dem Kopf der Pedi­kelschraube eine flächige Verbindung im Sinne komplementärer Flächen ausbilden soll. Der hohlzylindrische Abschnitt soll dementsprechend die Auf­nahme der Pedikelschraube in dem Aufnahmeraum ermöglichen, während der hohlkugelsegmentförmige Abschnitt eine Herausgleiten der Schraube durch die Bohrung des Aufnahmeteiles verhindern und zum Anliegen des Schraubenkopfes dienen soll. Weiterhin dient der hohlkugelsegmentförmige Abschnitt als gelenkige Verbindung zwischen Aufnahmeteil und Schraube.

Diese Auslegung kann der Fachmann unmittelbar dem Patentanspruch 1 entnehmen, in dem es zur Funktion des Abschnitts in Merkmal 6 heißt, dass dieser zum Anliegen des Kopfes der aufzunehmenden Schraube dient, und in Merkmal 9 c) vorgesehen ist, dass das Druckelement in zusammenge­setztem Zustand nach dem Einstellen der Winkelposition zwischen Schraube und Aufnahmeteil eine Kraft so auf den Schraubenkopf ausgeübt wird, dass dieser gegen den hohlkugelseg­mentförmigen Abschnitt gedrückt wird. Dies setzt jedoch voraus, dass dieser bereits vor Beginn des Zusammendrückens vorhanden ist.

Diese Auslegung des Merkmals 6 ergibt sich für den Fachmann auch unter Heranziehung des der Lehre des Klagepatentes zugrundeliegenden Standes der Technik. Der Fachmann erkennt danach, dass die Lehre des Klagepa­tentes eine Kombination des aus der europäischen Patentschrift 242 708 und der US-amerikanischen Patentschrift 4 805 602 bekannten Standes der Technik aufnimmt. Für den Fachmann ergibt sich, dass die als Stand der Technik dargestellte EP 0 242 708 (Anlage K 5) Grundlage für die patentgemäße Erfindung sein soll, da hiernach lediglich die genaue Präzision der beiden kugelsegment­förmigen Abschnitte aufweisenden Schalenhälften und die damit zusammenhängenden Lagerkosten kritisiert werden (vgl. An­lage K 1, Spalte 1 Zeile 56 bis Umbruch Spalte 2 Zeile 2 sowie Spalte 1 Zei­len 49 bis 51). Der Fachmann wird daher bei seinen Überlegungen zur Aus­gestaltung des hohlkugelsegmentförmigen Abschnitts diese Entgegenhaltung heranziehen. Darin ist ein Aufnahmeteil offenbart, das bereits, wenn seine zwei Hälften zusammengesetzt und durch einen Ring zusammen­gehalten werden, in dem dann gebildeten Innenraum hohlkugel­segmentförmige Ab­schnitte aufweist, die den Kopf der Pedikelschraube umfassen. Diese Aus­gestaltung will das Klagepatent dahingehend verbessern, dass die Kosten für die Vorratshaltung der aus der EP 0 242 708 bekannten Pedikelschrauben nebst Aufnahmeteil gesenkt werden. Der Fachmann entnimmt dem nicht den Hinweis, dass auch die Ausgestaltung des Ausnahmeteils mit dem hohlku­gel­segmentförmigen Abschnitt und dessen Verbindung bereits bei dem Zu­sammensetzen der Pedikelschraube mit dem Aufnahme­teil verändert wer­den soll. Er entnimmt der Klagepatentschrift vielmehr, die aus der genannten US-ameri­kanischen Patentschrift offenbarte einstückige Ausbildung. Eine Kombination beider Offenbarung führt zu der Lehre des Klagepatentes.

In dieser Auffassung – Vorhandensein eines hohlkugelsegmentförmigen Ab­schnitts bereits bei Einstecken der Pedikelschraube in das Aufnahmeteil – wird er durch die zeichnerische Darstellung bevorzugter Ausführungsformen bestätigt. Das in Figur 2 der Klagepatentschrift gezeigte erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel weist unmittelbar nach dem Einsetzen der Pedikel­schraube in das Aufnahmeteil und vor der Druckausübung durch das Druc­kelement einen hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt 9 auf.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass Merkmal 6 durch das Urteil des Bundespatentgerichtes vom 30. April 2002 um ein Teilmerkmal ergänzt worden ist. Danach soll an den hohl­kugelsegmentförmigen Abschnitt ein hohlzylindrischer Abschnitt an­grenzen. Wie sich aus Merkmal 5 des Patentanspruchs 1 ergibt, muss der Durchmesser des hohlzylindrischen Abschnittes mindestens etwas größer sein als der Durchmesser des hohlkugelsegmentförmigen Kopfes der größ­ten Schraube, damit der Schraubenkopf in den Aufnahmeraum eingesteckt werden kann. Dem an den hohlzylindrischen Abschnitt angrenzenden hohl­kugelsegmentförmigen Abschnitt des Aufnahmeraumes des Aufnahmeteils kommt sodann die Aufgabe zu, den Durchmesser des Aufnahmeraumes zu verengen und eine Fläche zum Anliegen des Kopfes zu bilden. Nach Ein­stellen der Winkelposition zwischen Schraube und Aufnahmeteil dient der hohlkugelsegmentförmige Abschnitt des Aufnahme­raumes zudem als Wi­derlager für die Kraft, die durch das Anziehen des Druckelementes auf den Kopf der Schraube ausgeübt wird. Ein weiterer Bereich zwischen dem hohlzylindrischen und dem hohlkugel­segmentförmigen Abschnitt des Auf­nahmeraums ist demnach erfindungsgemäß nicht vorgesehen.

Dies wird bestätigt durch den Stand der Technik, der durch das Klagepatent aufgegriffen wird. Die US-amerikanische Patentschrift 4 805 602 zeigt ein einstückiges Aufnahmeteil 23 mit einem hohlzylindrischen Abschnitt 40 an den sich ein schräger Abschnitt 42, 44 zur Öffnung 43 hin anschließt. Dem­gegenüber enthält die aus der europäischen Patentschrift 0 242 708 be­kannte Pedikelschraube ein zweiteiliges Aufnahmeteil 27 mit einem hohlku­gelsegmentförmigen Abschnitt. Weitere Abschnitte am unteren Ende des Aufnahmeteil in Richtung der Öffnung sehen beide Druckschriften nicht vor. Die Erfindung kombiniert auch hinsichtlich dieses Teilmerkmals diesen Stand der Technik dergestalt, dass bei einer einteiligen Ausgestaltung des Aufnah­meteils an den aus der europäischen Patentschrift bekannten hohlkugelseg­mentförmigen Abschnitt der aus der US-amerikanischen Patentschrift be­kannte hohlzylindrische Abschnitt unmittelbar angrenzt. Entsprechend ist auch das erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel aus Figur 2 des Klagepa­tentes ausgebildet, bei dem wie in der Klagepatentschrift ausgeführt (Anlage K 1, Spalte 2 Zeilen 56 ff.) der hohlkugelsegmentförmige Abschnitt 9 unmit­telbar in einen sich bis zu einer der Bohrung 8 gegenüberliegenden Öffnung 10 erstreckenden hohlzylindrischen Abschnitt 11 übergeht.

Gegen diese Auffassung kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass der Fachmann den Begriff des hohlkugelsegmentförmigen Abschnitts funk­tionell bestimme und es lediglich darauf ankomme, dass bei der Druckaus­übung durch das Druckelement ein hohlkugelsegmentförmiger Abschnitt vor­handen sein soll. Denn bei Zugrundelegung dieser Ansicht bestünde für das Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 kein Raum mehr.

Die vorstehende Auslegung des Klagepatentes zugrundelegend verletzt die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht mit wortsinngemäßen Mittel. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die angegriffene Ausführ­ungsform vor dem erstmaligen Zusammendrücken im Aufnahmeraum des Aufnahmeteils nicht über einen hohlkugel­segmentförmigen Abschnitt verfügt. Der Schraubenkopf liegt vielmehr nach dem Einführen der Schraube in dem Auf­nahmeteil und vor der Druckausübung durch das Druckelement lediglich auf der ringförmigen bzw. linienförmigen Kante des Aufnahmeteils auf, durch den der Gewindeschaftteil hindurchgeführt worden ist. Zu einer flächigen Auflage kommt es erst nach einer Druckausübung des Schraubenkopfes auf das Aufnahmeteil durch das Druckelement, da es dann zu einer Veränderung des Materials in Form einer Verbreiterung der Auflagefläche kommt.

Auch eine äquivalente Verletzung des Klagepatentes liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­gerichtshofes zu § 14 PatG, Art. 69 EPÜ liegt Äquivalenz dann vor, wenn der Fachmann die bei der Aus­führ­ungsform eingesetzten Mittel auf Grund von Überlegungen, die am Sinn­ge­halt der in den Schutzansprüchen beschriebenen Lehre ausgerichtet sind, mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zu Grunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGH, GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I m.w.N. aus der Rspr.).

Unabhängig vom Vorliegen einer Gleichwirkung ist die Auffindbarkeit für den Fachmann bereits nicht ersichtlich. Ein Fachmann müsste von der patentge­mäßen Lehre ausgehend mehrere Schritte vornehmen, um zu der angegrif­fenen Ausführungsform zu gelangen. Er müsste zunächst erkennen, dass der Zeitpunkt des Einsteckens der Pedikelschraube in das Aufnahmeteil nicht mehr von Relevanz sein soll, insbesondere die Herstellung einer gelenkigen Verbindung zwischen der Pedikelschraube und dem Aufnahmeteil und deren Rolle bei der Ausrichtung der Schraube in dem Aufnahmeteil nach dem Ein­führen der Stange. Daran anschließend müsste er zu der Auffassung gelan­gen, dass weder ein hohlkugelsegmentförmiger Abschnitt noch ein unmittel­bar angrenzender hohlzylindrischer Abschnitt für die Ausgestaltung erforder­lich ist. Hierfür gibt ihm die in dem Schutzanspruch beschriebenen Lehre jedoch keinen Hinweis.

Dementsprechend kann die Klägerin auch nicht mit ihren hilfsweise geltend gemachten Anträgen

durchdringen. Denn auch dieser setzt eine Ver­letzung des Merkmals 6 des Klagepatentes voraus. Eine solche Verletzung ist jedoch – wie vorstehend ausgeführt – nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 2.556.459,41 € (5.000.000,- DM).

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 17. Februar 2003 rechtfertigt keine andere Sichtweise und ist, soweit er neue Tatsachen enthält, verspätet.

Dr. H N2 L