2 U 135/02 – Zuricht- und Schweißtisch

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 210 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. Februar 2003, Az. 2 U 135/02 

1.
Auf die Berufung der Antragsgegner wird das am 8. August 2002 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts E abgeändert.

Die einstweilige Verfügung der genannten Kammer vom 25. April 2002 wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufgehoben.

2.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 280.000 €.

Entscheidungsgründe:

I.

Die unter der Geschäftsführung des Antragsgegners zu 2) stehende Antragsgegnerin zu 1) ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem am 15. Juli 1992 angemeldeten europäischen Patent 0 541 904 (im folgenden: Streitpatent) der N GmbH & Co.KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin sie ist.

Das Streitpatent betrifft einen Zuricht- und Schweißtisch. Gegen seine Erteilung hatte u.a. die Antragstellerin Einspruch eingelegt, auf den hin die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts mit Beschluss vom 18. Mai 2000 das Streitpatent widerrufen hat. Auf die dagegen eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin hat die Technische Beschwerdekammer 3.2.6 des Europäischen Patentamts mit Beschluss vom 7. Februar 2002 die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Streitpatent mit u.a. folgendem Anspruch 1 aufrechtzuerhalten:

Zuricht- und Schweißtisch (1) mit einer Tischplatte (2) sowie an den Kanten der Tischplatte seitlich angeordneten, nach unten stehenden Wangen (3, 4), wobei die Tischplatte (2) sowie die seitlichen Wangen (3, 4) mit über die ganze Oberfläche verteilten, unmittelbar in der Tischplatte (2) sowie in den Wangen (3, 4) angeordneten und unmittelbar zur Aufnahme von Spannelementen dienenden, zylindrischen Durchgangsbohrungen (9) versehen sind, die in einem gleichmäßigen Rastermaß angeordnet sind,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass als Spannelemente sowohl Spannbolzen (14, 81), die sich an der Unterseite der Tischplatte abstützen, als auch das Standrohr (52, 72) einer Schraubzwinge (51) durch die Durchgangsbohrungen (9) hindurchgreifen und dass auf der Tischplatte (2) und/oder an den seitlichen Wangen (3, 4) im wesentlichen winkelförmig ausgebildete, als Befestigungsmittel dienende Stützen (10) mit wenigstens zwei im rechten Winkel zueinander verlaufenden Schenkeln (11, 12) lösbar befestigt sind, wobei in den Schenkeln (11, 12) ebenfalls zylindrische Bohrungen (9) und/oder langlochförmige Durchbrechungen (13) gleicher Breite vorgesehen sind.

Die Antragstellerin, die Zuricht- und Schweißtische herstellt und vertreibt, unter denen sich früher solche befanden, bei denen als Spannelemente neben Spannbolzen, die sich an der Unterseite der Tischplatte abstützen, auch Schraubzwingen Verwendung fanden, die als Längsstreben Standrohre hatten, welche durch die in den Tischen vorhandenen Durchgangsbohrungen hindurchgreifen konnten, hat nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer die zu ihren Zuricht- und Schweißtischen gehörenden Schraubzwingen dahin abgeändert, dass bei ihnen als Längsstrebe nunmehr ein Flacheisen dient, an dessen unteres Ende ein rundes Ansatzstück mit größerem Durchmesser als die Durchgangsbohrungen des Tisches angeschweißt ist, unterhalb dessen sich ein massives, zylindrisches Fußstück befindet, das in die Durchgangsbohrungen des Tisches eingesetzt werden kann.

Am 2. April 2002 erteilte die G GmbH aus I2 der Antragstellerin einen Auftrag zur Lieferung eines Zuricht- und Schweißtisches in der zuletzt genannten Ausgestaltung, nachdem sie zuvor auch ein Angebot der Antragsgegnerin zu 1) über einen solchen Tisch eingeholt hatte.

Mit Patentanwaltsschreiben vom 5. April 2002 wies die Antragsgegnerin zu 1) die G GmbH auf diesen Sachverhalt hin, teilte ihr außerdem mit, sie „halte“ das Streitpatent, dessen Anspruch 1 sie in dem Schreiben wiedergab, und erklärte, der von der G GmbH bei der Antragstellerin bestellte Arbeitstisch erfülle alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents, so dass sein Besitz zur gewerblichen Nutzung eine Patentverletzung darstelle, die nicht geduldet werde. Für den Fall, dass die G GmbH „diesen Hinweis missachten und einen derartigen Tisch mit Zubehör beziehen oder besitzen und nutzen“ sollte, drohte sie die Einleitung rechtlicher Schritte an; abschließend forderte sie die G GmbH auf, ihr unverzüglich zu bestätigen, dass sie „den geschützten Tisch“ nicht von der Antragstellerin beziehen werde oder bezogen habe und weitere Aktivitäten im Zusammenhang mit diesen Tischen unterlasse.

Die Antragstellerin hat geltend gemacht:

Der von ihr der G GmbH angebotene und von dieser bei ihr bestellte Tisch verletze wegen der von Anspruch 1 des Streitpatents abweichenden Ausgestaltung der Schraubzwingen das Streitpatent nicht, die Verwarnung der Firma G durch die Antragsgegnerin zu 1) sei daher unberechtigt gewesen.

Sie hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt und, nachdem sie diesen hinsichtlich eines zunächst auch gestellten weiteren Antrages zurückgenommen hatte, am 25. April 2002 einen Beschluss des Landgerichts erwirkt, mit dem dieses den Antragsgegnern unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt hat,

Abnehmer von Zuricht- und Schweißtischen der Antragstellerin wegen angeblicher Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patentes EP 0 541 904 in Anspruch zu nehmen, wenn diese Tische als Spannelemente über Schraubzwingen verfügen, die als Längsstrebe ein Flacheisen aufweisen, das über einen angeschweißten Ansatz mit einem zylindrischen Fußstück verfügt, und bei denen das Fußstück in die Durchgangsbohrungen des Tisches eingesetzt wird.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegner Widerspruch erhoben und um seine Aufhebung sowie um die Zurückweisung des auf seinen Erlass gerichteten Antrages gebeten. Sie haben eingewendet: Die Verwarnung der Firma G sei berechtigt gewesen, weil der von dieser bei der Antragstellerin bestellte Zuricht- und Schweißtisch wortsinngemäß, mindestens jedoch äquivalent den Anspruch 1 des Streitpatents verletze. Jedenfalls aber könne die Verwarnung deswegen nicht als unlauter angesehen werden, weil sie – die Antragsgegner – nach sorgfältiger Prüfung der Umstände eine Patentverletzung durch den Besitz und die Benutzung des genannten Tisches hätten annehmen dürfen.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung bestätigt. Es hat ausgeführt, der Tisch der Antragstellerin mache zwar von der Lehre des Streitpatents teils wortsinngemäß, teils – nämlich, soweit es um die Ausgestaltung der Schraubzwingen gehe – äquivalent Gebrauch, eine Patentverletzung liege aber gleichwohl nicht vor, weil der Tisch mit seiner vom Wortlaut des Streitpatents abweichenden Ausgestaltung der Schraubzwingen angesichts des Standes der Technik am Prioritätstage des Streitpatents keine patentfähige Erfindung dargestellt hätte. Verwarnungen wie die von den Antragsgegnern ausgesprochene seien also unberechtigt und deshalb zu unterlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts vom 8. August 2002 Bezug genommen.

Die Antragsgegner haben Berufung eingelegt, mit der sie ihren bisherigen Antrag weiterverfolgen, während die Antragstellerin um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet. Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat Erfolg und führt zur Zurückweisung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, weil der Antragstellerin der mit diesem Antrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegner nicht zusteht.

a)

Wie allgemein anerkannt ist (vgl. etwa BGH, GRUR 1995, 424, 425 – Abnehmerverwarnung; BGH, GRUR 1974, 290, 292 – maschenfester Strumpf; Benkard-C, PatG, 9. Aufl., vor §§ 9-14, Rdn. 13; Busse/Keukenschrijver, PatG, 5. Aufl., § 139 Rdn. 233; Mes, Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, § 139 PatG Rdn. 48), ist es das gute Recht eines Patentinhabers, Dritte, auch (potentielle) Abnehmer von Mitbewerbern, nicht nur auf sein Patent hinzuweisen, sondern sie auch vor der Begehung von Verletzungen dieses Patents zu warnen.

b)

Rechtlich zu beanstanden und daher zu unterlassen sein können solche Verwarnungen dann, wenn sie wegen ihrer Form oder ihres Inhalts Mängel aufweisen, wenn sie z.B. den Inhalt des Patents nicht hinreichend genau erkennen lassen oder die als patentverletzend angesehenen Vorrichtungen oder dergleichen nicht genau genug bezeichnen und daher – insbesondere, soweit sie sich nicht an den Hersteller, sondern an die (potentiellen) Abnehmer solcher Gegenstände richten – wegen ihrer Pauschalität geeignet sind, die Verwarnten zu verunsichern und sie so zu veranlassen, ohne nähere Prüfung der Rechtslage davon abzusehen, die als patentverletzend beanstandeten Gegenstände herzustellen und zu vertreiben bzw. Gegenstände der in Rede stehenden Art bei anderen als dem Patentinhaber zu beziehen (vgl. dazu etwa BGH, GRUR 1995, 424 ff. – Abnehmerverwarnung).

Um derartiges geht es allerdings im vorliegenden Verfahren nicht, wie sich schon daraus ergibt, dass den Antragsgegnern nach dem Antrag der Antragstellerin verboten werden soll, Abnehmer von Zuricht- und Schweißtischen der Antragstellerin, die so beschaffen sind wie die im Frühjahr 2002 der Firma G GmbH angebotenen, überhaupt (also unabhängig von Form und Inhalt) wegen Verletzung des Streitpatents „in Anspruch“ zu nehmen, worunter jedenfalls dem Wortlaut nach sogar auch die Erhebung einer Klage fallen würde.

c)

Nach einer in der Rechtsprechung u.a. des Bundesgerichtshofes (vgl. dazu neben den oben genannten Entscheidungen z.B. GRUR 1997, 741 ff. – Chinaherde; GRUR 1976, 715 ff. – Spritzgießmaschine; GRUR 1963, 255 ff. – Kindernähmaschinen) und in der Literatur (vgl. etwa Benkard-C, a.a.O., Rdn. 16-18; Mes, a.a.O. Rdn. 49; Busse-Keukenschrijver, a.a.O., § 139 Rdn. 247; Bernhardt/
Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl., § 39 Nr. 2) vertretenen Ansicht sind Schutzrechtsverwarnungen aber auch dann – und zwar als rechtswidrige Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers der als schutzrechtsverletzend angegriffenen Gegenstände, § 823 Abs. 1 BGB – nicht erlaubt, wenn sie lediglich der Sache nach unberechtigt sind, wenn also mit der Herstellung, dem Vertrieb usw. der beanstandeten Gegenstände das Patent oder sonstige Schutzrecht des Verwarnenden nicht verletzt wird. Nach dieser Ansicht verpflichtet eine derartige unberechtigte Verwarnung zum Schadenersatz zwar nur dann, wenn sie schuldhaft erfolgt ist, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. etwa GRUR 1976, 715, 717 – Spritzgießmaschine; GRUR 1974, 290, 292 – maschenfester Strumpf) u.a. dann nicht der Fall ist, wenn der Verwarnende nach sorgfältiger Prüfung und der Einschaltung von erfahrenen Beratern, etwa Rechts- und/oder Patentanwälten, annehmen durfte, es liege eine Schutzrechtsverletzung vor; einen Unterlassungsanspruch (um den es vorliegend allein geht) soll danach aber eine Schutzrechtsverwarnung unabhängig von einem etwaigen Verschulden schon dann begründen, wenn sie objektiv unberechtigt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. etwa GRUR 1963, 255, 258 – Kindernähmaschinen; zuletzt noch GRUR 1996, 812, 813 – Unterlassungsurteil gegen Sicherheitsleistung) soll nicht nur eine objektiv unberechtigte (außergerichtliche) Schutzrechtsverwarnung rechtswidrig und daher zu unterlassen sein, sondern auch eine objektiv ungerechtfertigte Klage auf Unterlassung, bei der es sich nur um die schärfste Form der Geltendmachung eines Unterlassungsverlangens handele; dabei sei auch zu bedenken, dass eine außergerichtliche Verwarnung in einem engen Zusammenhang mit einer Klage stehe, die mit ihr angedroht werde.

d)

Auf der Grundlage dieser Ansicht hat das Landgericht das beantragte Verbot gegenüber den Antragsgegnern ausgesprochen, weil es angenommen hat, auch wenn der in Rede stehende Zuricht- und Schweißtisch der Antragstellerin alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents verwirkliche – das die Ausgestaltung der Schraubzwinge betreffende Merkmal (in der Merkmalsgliederung des Landgerichts mit 7 b bezeichnet) allerdings nicht wortsinngemäß, sondern äquivalent -, stellten seine Herstellung, sein Vertrieb, seine Benutzung usw. gleichwohl keine Patentverletzung dar (eine Inanspruchnahme von Abnehmern dieser Tische wegen Patentverletzung sei also unberechtigt), weil die in Anspruch Genommenen sich auf den sogenannten „Formstein“-Einwand (vgl. dazu BGH, GRUR 1986, 805 ff.) berufen könnten, denn der angegriffene Zuricht- und Schweißtisch hätte wegen der vom Wortlaut des Streitpatents abweichenden Ausgestaltung der Schraubzwingen am Prioritätstag des Streitpatents mit Rücksicht auf den damals bestehenden und vom Durchschnittsfachmann in Betracht zu ziehenden Stand der Technik keine patentfähige Erfindung dargestellt.

e)

Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser patentrechtlichen Beurteilung des von der Abnehmerverwarnung der Antragsgegner betroffenen Zuricht- und Schweißtisches durch das Landgericht im vorliegenden Verfahren der einstweiligen Verfügung gefolgt werden kann, d.h. ob nicht nur – was auch nach Ansicht des Senats zutreffend ist – aus den vom Landgericht in seinem Urteil genannten Gründen eine hinsichtlich des Merkmals 7 b äquivalente, im übrigen wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale von Anspruch 1 des Streitpatents vorliegt, sondern ob darüber hinaus auch die Berechtigung des „Formstein“-Einwandes ohne eine – im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht in Betracht kommende – vorherige sachverständige Beratung des Senats bejaht werden könnte.

Denn auch, wenn man dies zugunsten der Antragstellerin annimmt, die von den Antragsgegnern ausgesprochene Verwarnung der G GmbH daher als objektiv unberechtigt ansieht, kann das von der Antragstellerin erstrebte Verbot nicht erlassen werden.

Angesichts der oben unter a) hervorgehobenen grundsätzlichen Berechtigung eines Patent- oder sonstigen Schutzrechtsinhabers, Dritte nicht nur allgemein auf sein Schutzrecht hinzuweisen, sondern sie auch vor Verletzungen dieses Rechts ausdrücklich zu warnen, kann der Umstand allein, dass in der Benutzung usw. eines konkreten Gegenstandes objektiv keine Verletzung des mit einer solchen Verwarnung geltend gemachten Schutzrechts liegt, noch nicht dazu führen, die Verwarnung als rechtswidrig anzusehen.

Ob es in einem bestimmten Fall objektiv an einer Patentverletzung fehlt, ist eine Frage, die nicht selten schwierig zu beantworten ist und die daher in einem Verletzungsrechtsstreit von den damit befassten Gerichten durchaus unterschiedlich beantwortet werden kann, wobei auch ein letztinstanzliches Urteil noch nicht die unbedingte Gewähr dafür bietet, dass diese Frage objektiv wirklich zutreffend beantwortet worden ist, wenn es auch im Interesse des Rechtsfriedens unumgänglich ist, eine letztinstanzliche Entscheidung als endgültig hinzunehmen.

Um in Fällen, in denen unter mehreren Beteiligten Meinungsverschiedenheiten über die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechtsansprüchen vorliegen, letztlich Klarheit zu schaffen, sieht die Rechtsordnung ausdrücklich vor, einen solchen Streit im Klagewege durch die dafür zuständigen Gerichte entscheiden zu lassen. Das gilt – selbstverständlich – auch, soweit es bei dem Streit darum geht, ob gewerbliche Schutzrechte aus Patenten, Gebrauchsmustern, Geschmacksmustern oder dergleichen verletzt werden. Die Erhebung einer dafür notwendigen Klage, mit welcher der Anspruchsteller den von ihm als bestehend angenommenen Anspruch gerichtlich geltend macht – auch einer solchen, die die damit befassten Gerichte letztlich als unbegründet ansehen -, kann daher grundsätzlich nicht rechtswidrig sein (so auch Ullmann, GRUR 2001, 1027, 1028; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 484; Deutsch in Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kapitel 10 Rdn. 11). Die Rechtswidrigkeit der Klageerhebung durch einen Kläger kann allenfalls dann ausnahmsweise angenommen werden, wenn ganz besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten des Klägers als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Das mag etwa der Fall sein, wenn dem Kläger bereits bei Erhebung seiner Klage positiv bekannt ist, dass der geltend gemachte Anspruch nicht besteht, er aber annimmt, der Beklagte wisse das nicht, und er diesen mit der Erhebung seiner Klage einschüchtern will, von der der Beklagte befürchten soll, sie könne möglicherweise Erfolg haben, um den Beklagten so, z.B. mit Rücksicht auf die bei einer Durchführung des Rechtsstreits drohenden Kosten, zu einem rechtlich nicht gebotenen Nachgeben zu veranlassen.

Für eine solche Fallgestaltung ist vorliegend aber nichts ersichtlich: Das Streitpatent ist zugunsten der Lizenzgeberin der Antragsgegnerin zu 1) erteilt und hat
– jedenfalls zur Zeit – rechtlich Bestand, auch lässt sich mit durchaus diskutablen Gründen annehmen, die gewerblichen Abnehmer der im Streit stehenden Zuricht- und Schweißtische der Antragstellerin verletzten das Streitpatent und könnten sich nicht mit Erfolg auf den sogenannten „Formstein“-Einwand berufen.

Einen Anspruch auf die Unterlassung der gerichtlichen Inanspruchnahme von Abnehmern der Tische der Antragstellerin wie der Firma G (also von solchen, die diese Tische gewerblich und nicht etwa privat nutzen) hat die Antragstellerin deshalb nicht, auch nicht, soweit die Antragsgegnerin zu 1) eine Klage gegen einen gewerblichen Abnehmer erheben wollte, ohne zuvor oder gleichzeitig auch die Antragstellerin als die Herstellerin der als patentverletzend beanstandeten Tische zu verklagen. Denn wenn – bei einer zu unterstellenden unberechtigten Benutzung der genannten Tische durch die Abnehmer – auch diese das Streitpatent verletzen, kann die Antragsgegnerin zu 1) sie zulässigerweise jederzeit verklagen, unabhängig davon, ob sie die ihr dann zustehenden Ansprüche auch gegen die Antragstellerin geltend macht.

Wie es zu beurteilen wäre, wenn die Antragsgegnerin zu 1) Patentverletzungsklagen gegen private Abnehmer der in Rede stehenden Tische erheben würde, braucht hier nicht untersucht zu werden, da die Verwarnung der Firma G, also eines eindeutig gewerblichen Abnehmers, durch die Antragsgegnerin zu 1) nicht die Befürchtung begründen kann, die Antragsgegner würden auch gegen rein private Abnehmer vorgehen.

f)

Es ist sicherlich zutreffend, dass die Umstände, die der Bundesgerichtshof in seiner oben angesprochenen „Kindernähmaschinen“-Entscheidung und auch bei seinen späteren Urteilen zur Frage der Rechtswidrigkeit von Schutzrechtsverwarnungen oder –klagen hervorgehoben hat – nämlich die schwerwiegenden Folgen, mit denen der Verwarnte rechnen muss, wenn er ungeachtet der Verwarnung die beanstandeten Handlungen zunächst fortsetzt und diese später von den Gerichten als schutzrechtsverletzend beurteilt werden, und die ihn deshalb schon vor einer genaueren Klärung der Rechtslage veranlassen können, sich der Verwarnung zunächst einmal zu beugen –, nicht nur bei einer bloß außergerichtlichen Verwarnung vorliegen, sondern auch und sogar erst recht bei einer Klage. Man wird deshalb eine objektiv unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und eine objektiv unbegründete Unterlassungsklage aus einem Schutzrecht rechtlich gleich beurteilen müssen (so auch Ullmann, a.a.O., 1027, 1028; Köhler/Piper, a.a.O.; Deutsch, a.a.O., Kapitel 10 Rdn. 10 f.).

Das kann aber nur zur Folge haben, dass, weil eine Schutzrechtsverletzungsklage, auch wenn sie sich letztlich als unbegründet erweisen sollte, grundsätzlich nicht als rechtswidrig und daher als zu unterlassen angesehen werden kann, auch eine außergerichtliche Verwarnung, die lediglich objektiv unbegründet ist, grundsätzlich als erlaubt angesehen werden muss und daher nicht verboten werden kann (so auch Ullmann, a.a.O.; Köhler/Piper, a.a.O.; Deutsch, a.a.O.). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Anspruchsteller vor der Erhebung einer Klage gerade auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes, wenn er vermeiden will, dass ihm im – stets denkbaren – Falle eines sofortigen Anerkenntnisses durch den Beklagten im Rechtsstreit nach § 93 ZPO die Kosten auferlegt werden, meist im eigenen Interesse gehalten ist, den Anspruchsgegner vorher abzumahnen, was auch im allgemeinen Interesse liegt, weil eine solche Abmahnung und die durch sie häufig eingeleitete Diskussion auch dazu führen kann, dass es zu einem Rechtsstreit gar nicht erst kommt (vgl. dazu auch Ullmann, a.a.O., Seite 1029).

Entspricht aber eine vorgerichtliche Abmahnung nicht nur den berechtigten Interessen des Anspruchstellers, sondern liegt sie sogar im Allgemeininteresse, dann kann es nicht richtig sein, sie allein deshalb für rechtswidrig zu erklären, weil sie sachlich ungerechtfertigt ist, was sich möglicherweise erst nach einem langen Rechtsstreit durch Urteil der letzten Instanz ergibt.

Den berechtigten Interessen des Herstellers von als patentverletzend beanstandeten Gegenständen, vor ungerechtfertigten Schäden durch Verwarnungen seiner Abnehmer geschützt zu werden, ist dadurch genügt, dass, wie oben schon ausgeführt, Schutzrechtsverwarnungen, die hinsichtlich ihrer Form oder ihres sonstigen Inhalts Mängel aufweisen, sogar unabhängig von der Frage, ob der Sache nach eine Schutzrechtsverletzung vorliegt, rechtlich beanstandet werden können, und zwar vor allem aufgrund der §§ 1 und/oder 3 UWG, oder dass (Abnehmer-) Verwarnungen, die nicht nur objektiv unberechtigt sind, sondern bei denen dieser Mangel dem Verwarnenden im Zeitpunkt der Verwarnung auch positiv bekannt ist, als Verstoß gegen § 826 BGB angesehen und damit abgewehrt werden können. Des weiteren steht es einem Hersteller von Gegenständen, die von einem Dritten ihm oder seinen Abnehmern gegenüber als patentverletzend beanstandet worden sind, ohne weiteres frei, negative Feststellungsklage gegen den Verwarnenden zu erheben und auf diese Weise eine Klärung der Rechtslage herbeizuführen.

Ob ein Hersteller von Gegenständen einen Anspruch auf Unterlassung im Zusammenhang mit sachlich unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen seiner Abnehmer dann hat, wenn der Verwarnende sich nicht nur gezielt ausschließlich an die Abnehmer des Herstellers wendet, sondern das auch noch in einer Art und Weise tut, die erwarten lässt, dass dem Hersteller diese Verwarnungen nicht bekannt werden, so dass er ihnen nicht – z.B. durch eine negative Feststellungsklage – entgegentreten kann, bedarf vorliegend keiner Erörterung. Denn weder stellt der Antrag der Antragstellerin auf eine solche Gestaltung ab noch ergibt ihr Vortrag einen entsprechenden Sachverhalt. Da die Antragsgegner bei Ausspruch der Verwarnung gegenüber der Firma G wussten, dass diese bereits einen Tisch der beanstandeten Art bei der Antragstellerin bestellt hatte, war mit Sicherheit zu erwarten, dass die Firma G, wie sie es ja auch tatsächlich getan hat, alsbald die Antragstellerin von der an sie gerichteten Verwarnung informieren würde.

g)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit kam nicht in Betracht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung einem Rechtsmittel nicht mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO) und daher ohne besonderen Ausspruch nicht nur vorläufig, sondern endgültig vollstreckbar ist.

Lxx MXX Nxx