Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 186
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Oktober 2003 , Az. 4a O 32/03
I.
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollziehen an dem Beklagten zu 2., zu unterlassen,
Spielzeugfahrzeuge mit einer Verbindungsanordnung zur lösbaren Befestigung eines Zusatzaggregates an den Spielfahrzeugen
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
die ein Adapterelement mit zwei einander gegenüberliegenden, jeweils seitlich vorstehenden Arretierbolzen besitzen, die unter elastischer Aufweitung der jeweiligen Wandung in Arretierbohrungen eines Zusatzaggregates einrastbar sind, und die im Abstand von den Arretierbolzen angeordnete, annähernd halbkreisförmige Halteansätze besitzen, welche im Abstand von den Arretierbolzen angeordnete, seitlich nach innen stehende Haltezapfen am Zusatzaggregat innen umgreifen;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 4. Juni 2000 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den zu 1. bezeichneten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden.
II.
Es wird festgestellt,
dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 4. Juni 2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldner auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,- Euro vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 2. Februar 2000 angemeldeten deutschen Gebrauchsmusters 200 01 760.8 (Anlage C1, nachfolgend: Klagegebrauchsmuster), das am 30. März 2000 eingetragen und dessen Eintragung am 4. Mai 2000 veröffentlicht worden ist.
Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft.
Es betrifft ein Verbindungselement für ein Zusatzaggregat eines Spielzeugfahrzeuges.
Wegen Verletzung des Klagegebrauchsmusters nimmt die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Der Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lautet wie folgt:
Verbindungsanordnung zur lösbaren Befestigung eines Zusatzaggregates an einem Spielzeugfahrzeug, gekennzeichnet durch ein Adapterelement (2) mit zwei einander gegenüberliegenden, jeweils seitlich vorstehenden Arretierbolzen (5), die unter elastischer Aufweitung der jeweiligen Wandung (7) in Arretierbohrungen (6) des Zusatzaggregates (1) einrastbar sind, sowie durch im Abstand von den Arretierbolzen (5) angeordnete, annähernd halbkreisförmige Halteansätze (8), welche im Abstand von den Arretierbolzen (5) angeordnete, seitlich nach außen stehende Haltezapfen (9) am Zusatzaggregat (1) innen umgreifen.
Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung stammt aus der Klagegebrauchsmusterschrift und dient zur Erläuterung der Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels.
Sie zeigt eine Verbindungsanordnung zwischen einem Adapterelement und einem als Hubgabel ausgeformten Zusatzaggregat in der Seitenansicht.
Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, bietet an und vertreibt unter der Bezeichnung „X“ ein Spielzeug-Ladefahrzeug, zu dem die Klägerin ein Exemplar als Anlage C6 zur Gerichtsakte gereicht, auf das Bezug genommen wird. Die Ladeschaufel des Spielfahrzeuges ist mit folgender Verbindungsanordnung ausgerüstet:
Die Klägerin sieht in dieser von ihr angegriffenen Ausführungsform eine unberechtigte Benutzung des Klagegebrauchsmusters mit zum Teil wortsinngemäßen und im Übrigen äquivalenten Mitteln.
Die Klägerin beantragt,
zu erkennen, wie geschehen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreiten den Verletzungsvorwurf und wenden zudem ein, die Lehre des Klagegebrauchsmusters sei gegenüber der französischen Patentanmeldung 2 402 456 (Anlage E1) nicht erfinderisch.
Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz nach den Paragraphen 11 Absatz 1, 12a, 24 Absatz 1 und 2, 24b Absatz 1 und 2 des Gebrauchsmustergesetzes und den Paragraphen 242, 259, 421 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches zu, weil der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters schutzfähig ist und die Beklagten mit der angegriffenen Ausführungsform die Lehre des Klagegebrauchsmusters unberechtigt benutzen.
I.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Verbindungsanordnung zur lösbaren Befestigung eines Zusatzaggregates an einem Spielfahrzeug.
Wie das Klagegebrauchsmuster in seiner allgemeinen Beschreibung einleitend ausführt, sollen solche Spielzeugfahrzeuge einen möglichst hohen Spielreiz aufweisen. Hierzu müssen sie über eine Vielzahl von Spielfunktionen verfügen und gegebenenfalls auch mit Hilfe von Zusatzaggregaten veränderbar sein. Die Zusatzaggregate sollen dem Spielzeugfahrzeug neue Funktionen geben. Durch den Austausch verschiedenartiger Zusatzaggregate sollen sich an ein und demselben Spielzeugfahrzeug unterschiedliche Funktionen realisieren lassen.
Bei der Verbindung solcher Zusatzaggregate mit dem eigentlichen Spielzeugfahrzeug ist es oft wichtig, bestimmte Randbedingungen einzuhalten. Insbesondere soll das vorbildnahe Erscheinungsbild gewahrt bleiben und die Verbindung in reiner Kunststofftechnik dauerhaft funktionsfähig und haltbar ausgebildet werden können.
Hiervon ausgehend liegt dem Klagegebrauchsmuster das technische Problem (die Aufgabe) zugrunde, eine Verbindungsanordnung der eingangs genannten Art so weiterzubilden, dass bei einfacher Handhabbarkeit eine haltbare Konstruktion erzielt wird.
Zur Lösung des Problems schlägt das Klagegebrauchsmuster in seinem Schutzanspruch 1 eine Verbindungsanordnung mit folgenden Merkmalen vor:
1.
Es handelt sich um eine Verbindungsanordnung zur lösbaren Befestigung eines Zusatzaggregates an einem Spielfahrzeug;
2.
die Verbindungsanordnung besteht aus einem Adapterelement (2) mit zwei einander gegenüber liegenden, jeweils seitlich vorstehenden Arretierbolzen (5);
3.
die Arretierbolzen sind unter elastischer Aufweitung der jeweiligen Wandung (7) des Zusatzaggregates (1) in dessen Arretierbohrungen (6) einrastbar;
4.
im Abstand von den Arretierbolzen (5) sind annähernd halbkreisförmige Halteansätze (8) angeordnet;
5.
die Halteansätze (8) umgreifen im Abstand von den Arretierbolzen (5) angeordnete, seitlich nach außen stehende Haltezapfen (9) am Zusatzaggregat (1) innen.
Bei einer Verbindungsanordnung der vorbezeichneten Art ist es – so das Klagegebrauchsmuster in seiner allgemeinen Beschreibung weiter – möglich, zunächst die Halteansätze mittels einer Schwenkbewegung um die Haltezapfen herumzuführen und dann die Arretierbolzen einzurasten, wobei die Wandung, in der die Arretierbohrungen ausgebildet sind, hierbei elastisch nach außen aufgeweitet wird.
II.
Das Klagegebrauchsmuster, dessen gewerbliche Anwendbarkeit zwischen den Parteien zutreffend außer Streit steht, erfüllt die in den §§ 1, 3 GebrMG niedergelegten Voraussetzungen des Gebrauchsmusterschutzes.
1.
Zutreffend stimmen die Parteien darin überein, dass der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters in der Gesamtheit seiner Merkmale nicht durch die von den Beklagten allein entgegengehaltene französische Patentanmeldung 2 402 456 (Anlage E1) neuheitsschädlich vorweggenommen wird.
Die französische Patentanmeldung zeigt ein Spielfahrzeug in modularer Bauweise. In seiner Figur 5 ist ein Hebegestänge des Spielfahrzeugs dargestellt, das an seinem vorderen Ende zwei parallel zueinander ausgerichtete Haltearme (73) aufweist. An den Innenflächen der Haltearme befinden sich bolzenartige Erhöhungen, auf welche eine Ladeschaufel (72) über an den Schaufelseitenwänden befindliche Arretierbohrungen einrastbar ist.
Im Abstand von den Arretierbolzen angeordnete, annähernd halbkreisförmige Halteansätze, die im Abstand von den Arretierbolzen angeordnete Haltezapfen am Zusatzaggregat umgreifen, lehrt die französische Patentanmeldung nicht.
Durch die Patentanmeldung werden die Merkmale 4. und 5. des Klagegebrauchsmusters nicht offenbart.
2.
Der Gegenstand des Klagegebrauchsmusters beruht auf einen erfinderischen Schritt.
Die französische Patentanmeldung 2 402 456 gibt dem Fachmann keinen Hinweis, bei der Verbindung zwischen den dort dargestellten Haltearmen und der Ladeschaufel annähernd halbkreisförmige Halteansätze zu verwenden, die, im Sinne der Merkmale 4. und 5. des Klagegebrauchsmusters, an einem Zusatzaggregat befindliche Haltezapfen umgreifen. Von daher kann es dahingestellt bleiben, ob solche Verbindungskomponenten zum technischen Standardwissen des Fachmann zählen. Denn es ist nicht zu ersehen und von den Beklagten auch nicht dargetan worden, aufgrund welcher Überlegungen der Fachmann ein solches Standardwissen in Betracht ziehen sollte, wenn er das Spielfahrzeug nach der französischen Patentanmeldung im Sinne der vom Klagegebrauchsmuster beanspruchten technischen Lösung verbessern will. Ungeachtet dessen lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, aus welchen Erkenntnisquellen dem Fachmann das behauptete Standardwissen geläufig sein soll.
In Abgrenzung zu dem entgegengehaltenen Stand der Technik hat die durch das Klagegebrauchsmuster gelehrte Verbindungsanordnung den erfindungsgemäßen Vorteil, dass sie eine festgelegte, einfache und daher von einem Kind leicht zu handhabende Montage mit einer stabilen Doppellage ermöglicht, bei der die Halteansätze zunächst mittels einer Schwenkbewegung um die Haltezapfen herumgeführt und die Arretierbolzen dann in die Arretieröffnungen eingerastet werden, so dass die Verbindungsanordnung auch härteren Stößen beim Spielen und Herunterfallen Stand zu halten vermag.
III.
Eine Benutzung des Klagegebrauchsmusters haben die Beklagten zwar bestritten, allerdings nicht erläutert, warum die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch machen soll.
Auch wenn die Beklagten das Klagevorbringen zum Verletzungstatbestand nicht im Sinne des Paragraphen 138 Absatz 3 der deutschen Zivilprozessordnung zugestanden haben sollten, ist ihr hiergegen gerichtetes Bestreiten jedenfalls unspezifiziert und daher unter Darlegungsgesichtspunkten unbeachtlich.
IV.
Aus der Verletzung des Klagegebrauchsmusters ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
1.
Weil die Beklagten den Gegenstand des Klagegebrauchsmusters rechtswidrig benutzt haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Paragraph 24 Absatz 1 des Gebrauchsmustergesetzes.
2.
Außerdem kann die Klägerin von den Beklagten nach dem Paragraphen 24 Absatz 2 des Gebrauchsmustergesetzes und dem Paragraphen 421 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches Schadensersatz verlangen. Denn als Fachunternehmen hätten die Beklagten die Gebrauchsmusterverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, Paragraph 276 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches. Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzver-pflichtung anzuerkennen, Paragraph 256 der deutschen Zivilprozessordnung.
3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, Paragraphen 242, 259 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches. Denn die Klägerin sind auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über welche sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
4.
Gemäß Paragraph 24b des Gebrauchsmustergesetzes haben die Beklagten über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschriften geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2. mit den Angaben zusammengefasst, welche zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 91 Absatz 1, 100 Absatz 4 der deutschen Zivilprozessordnung.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den Paragraphen 709, 108 der deutschen Zivilprozessordnung.
VI.
Der Streitwert wird auf 250.000,- Euro festgesetzt.
Doktor R1 R2 R3