4a O 292/03 – Rotationsquerschneider-Bogenablage

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  182

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. Dezember 2003, Az. 4a O 292/03

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland Bogenablagen für Rotationsquerschneider mit einer Stapelstelle, mit einem der Stapelstelle vorgeordneten Saugbremstisch, über den angetriebene und über Umlenkrollen geführte Saugbänder verlaufen, und mit dem Saugbremstisch vorgeordneten Transportmitteln, deren Umfangsgeschwindigkeit mindestens der Transportgeschwindigkeit der vom Rotationsquerschneider kommenden Bogen entspricht,

anzubieten, in Verkehr zu bringen sowie zu den genannten Zwecken einzuführen,

bei denen als Transportmittel Vorziehrollen und korrespondierende Andrückrollen vorgesehen sind, und die Vorziehrollen mit Abstand voneinander auf einer angetriebenen Welle sitzen und zwischen ihnen im Durchmesser kleinere Umlenkrollen für die Saugbänder gelagert sind, und bei denen in den Lücken zwischen den Vorziehrollen oberhalb der Umlenkrollen Blasdüsen mit über dem Saugbremstisch gerichteter Blasrichtung vorgesehen sind;

2.

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig und wahrheitsgemäß darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – jeder für sich – die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 7. November 1992 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer­mengen, -zeiten und -preisen und Typen­bezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Ab­nehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots­men­gen, -zeiten und -preisen und Typen­be­zeich­nungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Ange­bots­empfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe­trä­gern, Verbreitungszeitraum und Ver­breitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I.1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei

die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben durch Übermittlung entsprechender Belege nachzuweisen haben.

II.

Es wird festgestellt,

dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 7. November 1992 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des von ihnen zwangsweise durchzusetzenden Betrages.

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 13. Juni 1990 von der K1 Maschinenbau Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 21. Juni 1989 angemeldeten europäischen Patents 0 408 893 (fortan: Klagepatent), dessen Anmeldung am 23. Januar 1991 und dessen Erteilung am 7. Oktober 1992 veröffentlicht worden ist.

Das Klagepatent steht mit seinem nationalen deutschen Teil in Kraft.

Dieser deutsche Teil des Klagepatents wurde am 16. April 2003 in der Patentrolle auf die Klägerin umgeschrieben. Bis zur Umschreibung entstandene Rechnungslegung- und Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Klagepatents wurden der Klägerin von der früheren Schutzrechtsinhaberin übertragen.

Das Klagepatent betrifft eine Bogenablage für Rotationsquerschneider.

Wegen Verletzung des Klagepatents nimmt die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Der Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

Bogenablage für Rotationsquerschneider mit einer Stapelstelle (10), mit einem der Stapelstelle (10) vorgeordneten Saugbremstisch (11), über den angetriebene und über Umlenkrollen (6, 8) geführte Saugbänder (7) verlaufen und mit dem Saugbremstisch (11) vorgeordneten Transportmitteln, deren Umfangsgeschwindigkeit mindestens der Transportgeschwindigkeit der vom Rotationsquerschneider kommenden Bogen (1) entspricht, dadurch gekennzeichnet, dass als Transportmittel Vorziehrollen (2) und korrespondierende Andrückrollen (3) vorgesehen sind, dass die Vorziehrollen (2) mit Abstand voneinander auf einer angetriebenen Welle (5) sitzen und zwischen ihnen im Durchmesser kleinere Umlenkrollen (6) für die Saugbänder (7) gelagert sind, und dass in den Lücken zwischen den Vorziehrollen (2) oberhalb der Umlenkrollen (6) Blasdüsen (4) mit über dem Saugbremstisch (11) gerichteter Blasrichtung vorgesehen sind.

Die Beklagte zu 1., deren Vertriebstätigkeit in Deutschland von dem Beklagten zu 2. vertreten wird, lieferte an die in Steinheim-Sandebeck geschäftsansässige L GmbH eine Imprägnieranlage mit einem Rotationsquerschneider, dessen Bogenablage von dem Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch macht.

Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 12. Mai 2003 (Anlage ROP1) wies die Klägerin die Beklagten auf das Klagepatent und ihre Auffassung hin, dass die angegriffene Ausführungsform von ihrem Schutzrecht Gebrauch mache. Unter Fristsetzung bis zum 26. Mai 2003 forderte sie die Beklagten zur Stellungnahme auf, warum sie sich dazu berechtigt halten, die geschützte Erfindung zu benutzen. Ein Verlangen auf Abgabe einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung oder einen ausdrücklichen Hinweis, wonach die Klägerin nach Ablauf der mitgeteilten Frist Verletzungsklage erheben würde, enthielt das Schreiben nicht.

Hierauf antwortete der Beklagte zu 2. unter dem 21. Mai 2003 (Anlage ROP2), dass sich die Beklagte zu 1. wegen der Sache direkt mit der Klägerin in Verbindung setzen werde.

Die Beklagte zu 1. teilte der Klägerin in einem anwaltlichen Schreiben vom 23. Mai 2003 (Anlage ROP3) mit, dass sie die Angelegenheit prüfe und mit Abschluss der Prüfungen umgehend zur Anfrage der Klägerin antworten werde. In einem weiteren anwaltlichen Schreiben vom 1. August 2003 wies sie eine Verletzung des Klagepatents zurück.

Die Klägerin macht geltend, aufgrund des vorgerichtlichen Verhaltens der Beklagten habe es vorliegend einer gesonderten Abmahnung unter Prozesskostentragungs­gesichtspunkten nicht bedurft. Aus ihrer mit Fristsetzung versehenen Aufforderung, sich zu der angezeigten Verletzungshandlung zu äußern, gehe ihre Bereitschaft zur notfalls gerichtlichen Durchsetzung des Klagepatents hinreichend deutlich hervor. Mit der Beauftragung ihrer für das Patentrecht spezialisierten Rechtsanwälte habe die Beklagte zu 2. bestätigt, diese Bereitschaft erkannt zu haben. Hinzukomme, dass sich ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1. am 28. oder 29. Mai 2003 bei einem ihrer Mitarbeiter über ihr aggressives Vorgehen beschwert habe, worauf ihr Mitarbeiter geantwortet habe, dass das Klagepatent verletzt worden sei und sie – die Klägerin – dagegen vorgehen werde.

Bei dieser Sachlage hätte eine Abmahnung nicht zu einer Prozessvermeidung, sondern zu einer unnötigen Verzögerung geführt.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagten haben im frühen ersten Verhandlungstermin vom 28. Oktober 2003 erklärt, die gegen sie gerichteten Ansprüche unter Protest gegen die Kostenlast anzuerkennen.

Sie treten dem Vorbringen der Klägerin zur Entbehrlichkeit einer vorgerichtlichen Abmahnung entgegen.

Auf das von den Beklagten erklärte Teilanerkenntnis hat die Klägerin in dem frühen ersten Verhandlungstermin vom 28. Oktober 2003 um den Erlass eines Anerkenntnisurteils nachgesucht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen verwiesen.

II.

1.

Entsprechend dem von ihnen erklärten Anerkenntnis sind die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, und Schadensersatz in dem im Tenor bezeichneten Umfang zu verurteilen, Paragraph 307 Absatz 1 der deutschen Zivilprozessordnung.

2.

Obgleich sie somit in der Hauptsache vollumfänglich obsiegt, hat die Klägerin nach dem Paragraphen 93 der deutschen Zivilprozessordnung die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Hiernach fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat.

So liegt der Fall hier.

Die Beklagten haben in dem frühen ersten Termin vom 28. Oktober 2003, und somit rechtzeitig im Sinne des Paragraphen 93 der deutschen Zivilprozessordnung vorbehaltslos erklärt, die gegen sie gerichteten Klageforderungen anzuerkennen.

Veranlassung zur Erhebung der Klage hat sie der Klägerin nicht gegeben.

Entsprechende Veranlassung gibt der in Wettbewerbs- sachen und auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes Inanspruchgenommene in der Regel erst dann, wenn er auf eine vorgerichtliche Abmahnung des Schutzrechtsinhaber nicht oder negativ reagiert (Entscheidung des Bundesgerichtshofs, abgedruckt in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1990, Seite 381, dort: Seite 382; Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt, abgedruckt in: Das Juristische Büro 1985, Seite 1557).

Denn die Abmahnung ist nicht nur auf eine Beseitigung der rechtswidrigen Störung gerichtet, zu welcher der Störer nach dem Paragraphen 1004 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches verpflichtet ist. Sie dient auch dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten, einen kostspieligen Rechtsstreit durch die Unterzeichnung einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung zu vermeiden (Entscheidung des Bundesgerichtshofs, abgedruckt in der Amtlichen Entscheidungssammlung, Band 52, Seite 393, dort: Seite 399 bis 400 -Fotowettbewerb; Entscheidung des Bundesgerichtshofs, abgedruckt in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1973, Seite 384, dort: Seite 385 -Goldene Armbänder; Entscheidung des Bundesgerichtshofs, abgedruckt in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1984, Seite 129, dort: Seite 131 -shop-in-the-shop I; Entscheidung des Bundesgerichtshofs, abgedruckt in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1991, Seite 550 -Zaunlasur; Entscheidung des Bundesgerichtshofs, abgedruckt in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1995, Seite 338, dort: Seite 342 -Kleiderbügel). Dem Erfordernis liegt die Erfahrung zugrunde, dass der Verletzer wettbewerbsrechtlicher Vorschriften häufig auf eine Abmahnung hin dazu bereit ist, sich zu unterwerfen und ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Nicht selten wird sich der Verletzer erst durch die Abmahnung des Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens bewusst. Der Verletzer muss, damit ihm das Risiko deutlich wird, darauf hingewiesen werden, dass gegen ihn gerichtlich vorgegangen wird, wenn er nicht innerhalb der gesetzten Frist die verlangte Unterlassungserklärung abgibt (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., UWG Einl., Randnummer 533). Erst wenn die Unterlassungserklärung verweigert wird, steht fest, dass es der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe bedarf (Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Auflage, Randziffer 10).

Eine Abmahnung der Beklagten durch die Klägerin ist nicht erfolgt.

Sie ist in dem patentanwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 12. Mai 2003 nicht enthalten. In dem Schreiben werden die Beklagten nicht zur Unterzeichnung einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Einen Hinweis, wonach die Klägerin für den Fall einer negativen Beantwortung ihrer Berechtigungsanfrage in Aussicht stellt, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, enthält das Schreiben nicht.

Gleiches gilt für das zwischen den Mitarbeitern der Parteien am 28. oder 29. Mai 2003 auf der Messe Ligna in Hannover geführte Gespräch. Aus der dort geäußerten Feststellung, dass die Beklagten das Klagepatent verletzen und der Ankündigung der Klägerin, hiergegen vorzugehen, geht eine Bereitschaft zur Klageerhebung nicht mit der für eine Abmahnung gebotenen Eindeutigkeit hervor.

Eine Abmahnung der Beklagten war unter Prozesskostengesichtspunkten nicht entbehrlich.

In Ausnahmefällen, beispielsweise bei besonderer Eilbedürftigkeit oder bei vorsätzlichen oder bewußt fahrlässigen Verstößen kann es vorkommen, dass eine Abmahnung dem Berechtigten aus tatsächlichen Gründen nicht zugemutet werden kann (Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt, abgedruckt in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1984, Seite 693). Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Stets ist zu prüfen, ob aus der Sicht des Verletzten mit einem Erfolg der Abmahnung zu rechnen ist und ob die Abmahnung für ihn zumutbar erscheint.

Gesichtspunkte, nach denen sie darauf schließen durfte, eine Abmahnung sei im Falle der Beklagten aussichtslos, hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan. Sie ergeben sich nicht daraus, dass die Beklagte zu 1. die Berechtigungsanfrage vom 12. Mai 2003 durch ihre in Patentrecht erfahrenen italienischen Anwälte beantworten ließ. Die Beauftragung dieser Anwälte lässt keinen zwingenden Rückschluss zu, die Beklagten hätten sich im Fall einer vorgerichtlichen Abmahnung nicht dazu bereit gefunden, sich der Klägerin zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu unterwerfen. Hiergegen spricht das von den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit umgehend erklärte Anerkenntnis.

Gründe, warum eine Abmahnung für die Klägerin unzumutbar gewesen sein soll, sind nicht zu erkennen, und folgerichtig von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.

3.

Die Darlegungen in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen der Beklagten vom 25. und 27. November 2003 und der Klägerin vom 1. Dezember 2003 rechtfertigen keine anderslautende Entscheidung und geben auch keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

4.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den Paragraphen 708 Nummer 1, 709, 108 der deutschen Zivilprozessordnung.

5.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis zum 27. Oktober 2003: 300.000,00 Euro,

sodann: Kosteninteresse.

H2 N2 L2