4b O 188/09 – Lysin

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1313

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. November 2009, Az. 4b O 188/09

Rechtsmittelinstanz: 2 U 146/09

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

eine L-Aminosäure (L-Lysin), deren Biosynthese reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat erfordert, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, das mittels eines Verfahrens durch einen Mikroorganismus hergestellt wurde, welches folgende Stufen umfasst:

Kultivierung eines Mikroorganismus in einer Kultur, um die L-Aminosäure zu produzieren und in dem Kulturmedium anzuhäufen, und Gewinnen der L-Aminosäure aus dem Kulturmedium, wobei der Mikroorganismus so modifiziert worden ist, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat aus reduziertem Nicotinamidadeninindinucloetid herzustellen, durch Erhöhen der exprimierten Menge eines Gens, welches für die Nicotinamidadeninindinucloetidhydrogenase kodiert, in der Zelle des Mikroorganismus erhöht ist;

2. den Klägerinnen unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.01.2002 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei sämtliche Angaben gegenüber der Klägerin zu 2) erst ab dem 5.12.2006 zu machen sind,

wobei die Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 1.09.2008 zu machen sind und

wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu lit. a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

2. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindliche, gemäß dem unter Ziffer I. 1. beschriebenen Verfahren hergestellte L-Aminosäure (L-Lysin) zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

3. die gemäß dem unter Ziffer I. 1. beschriebenen Verfahren hergestellte L-Aminosäure (L-Lysin) gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den durch das Urteil der Kammer vom heutigen Tage gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, gegebenenfalls bereits gezahlte Kaufpreise bzw. sonstige Äquivalente zu erstatten, sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten und mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, soweit die Erzeugnisse nach dem 12.01.2002 angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden,

wobei diese Verpflichtung gegenüber der Klägerin zu 2) erst für Erzeugnisse besteht, die nach dem 5.12.2006 angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

1) der Klägerin zu 1) allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 12.01.2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird,

2) der Klägerin zu 2) allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 05.12.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagte hat 37/40 der Gerichtskosten und eigenen außergerichtlichen Kosten, 19/20 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) und 18/20 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) zu tragen. Die Klägerin zu 1) hat 1/40 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und 1/20 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Die Klägerin zu 2) hat 2/40 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und 2/20 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 € und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

T a t b e s t a n d
Die Klägerin zu 1), ein japanisches Unternehmen, ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 28.10.1993 (JP 27082XXX) am 26.10.1994 angemeldeten europäischen Patents 0 733 XXX (nachfolgend: Klagepatent, Anlage K B 12), dessen Erteilung am 12.12.2001 veröffentlicht worden ist. Als Vertragsstaat ist unter anderem die Bundesrepublik Deutschland benannt. Der deutsche Teil des in englischer Verfahrenssprache abgefassten Klagepatents ist unter dem Aktenzeichen DE 694 29 XXX (Anlage K B 13) veröffentlicht.

In der erteilten Fassung des Klagepatents lauteten die von den Klägerinnen in Kombination geltend gemachten Ansprüche in deutscher Übersetzung wie folgt:

„1. Verfahren zur Herstellung einer Zielsubstanz durch einen Mikroorganismus, welches folgende Stufen umfasst:

Kultivierung eines Mikroorganismus in einer Kultur, um die Zielsubstanz zu produzieren und in dem Kulturmedium anzuhäufen, und

Gewinnen der Zielsubstanz aus dem Kulturmedium,

wobei der Mikroorganismus so modifiziert worden ist, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat aus reduziertem Nicotinamidadeninindinucloetid herzustellen, erhöht ist, wodurch die Produktivität des Mikroorganismus für reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat erhöht ist.

2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die Zielsubstanz eine Substanz ist, deren Biosynthese reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat erfordert.

3. Verfahren nach Anspruch 2, wobei die Zielsubstanz eine L-Aminosäure ist.

8. Verfahren nach Anspruch 7, wobei die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucloetidphosphat aus reduziertem Nictonamidadenindinucleotid herzustellen, durch Erhöhen der exprimierten Menge eines Gens, welches für die Nicotinamidadenintranshydrogenase kodiert, in der Zelle des Mikroorganismus erhöht ist.“

Mit Urteil vom 21.07.2009 hat das Bundespatentgericht (Anlage K 30), nachdem die Klägerin zu 1) das Klagepatent nur in eingeschränktem Umfang (Berichtigungsbeschluss, Anlage K 29b) verteidigt hat, die hier interessierenden Patentansprüche in folgender Fassung aufrechterhalten:

„1. Verfahren zur Herstellung einer L-Aminosäure, deren Biosynthese reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat erfordert, durch einen Mikroorganismus, welches folgende Stufen umfasst:

Kultivierung eines Mikroorganismus in einer Kultur, um die L-Aminosäure zu produzieren und in dem Kulturmedium anzuhäufen, und Gewinnen der L-Aminosäure aus dem Kulturmedium,

wobei der Mikroorganismus so modifiziert worden ist, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat aus reduziertem Nicotinamidadeninindinucloetid herzustellen, erhöht ist, wodurch die Produktivität des Mikroorganismus für reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat erhöht ist.

6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei die Fähigkeit des Mikroorganismus, reduziertes Nicotinamidadenindinucleotidphosphat aus reduziertem Nicotinamidadeninindinucloetid herzustellen, durch Erhöhen der exprimierten Menge eines Gens, welches für die Nicotinamidadeninindinucloetidhydrogenase kodiert, in der Zelle des Mikroorganismus erhöht ist.“

Wegen der weiteren Patentansprüche, insbesondere der Unteransprüche 2, 3 und 7 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Die Klägerinnen schlossen am 14.09.1994 ein „Licence Agreement“ (Anlage K 34a, nachfolgend: Lizenzvertrag), mit welchem die Klägerin zu 1) der Klägerin zu 2) eine ausschließliche Herstellungs- und Vertriebslizenz für die im dortigen Appendix 3 aufgelisteten Patente einräumte. Die Klägerin zu 1) behielt sich für den Fall, dass die Klägerin zu 2) den Bedarf von L-Lysin (im folgenden: Lysin) im Vertragsgebiet nicht decken kann, das Recht vor, von ihr selbst hergestelltes Lysin in das betreffende Gebiet zu liefern (Art. 2 (C) des Lizenzvertrages). Die Parteien vereinbarten zudem eine Umsatzlizenz (Art. 6 des Lizenzvertrages) und stellten Regelungen für den Fall einer Verletzung eines lizensierten Rechtes auf (Art. 11 des Lizenzvertrages). Mit einem „Memorandum“ vom 25.06.2008 (Anlage K 34b) änderten die Klägerinnen den Lizenzvertrag mit Wirkung zum 5.12.2006 ab, u. a. wurde der ursprüngliche Appendix 3 durch einen neuen Appendix 3 ersetzt. In dem neuen Appendix 3 ist erstmals das Klagepatent genannt. Wegen des weitergehenden Inhalts und des konkreten Wortlauts des Lizenzvertrages, des Memorandums und des Appendix 3 wird auf die hiervon überreichten Kopien Bezug genommen.

Die Beklagte mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ist eine internationale Marketing-Organisation im Bereich der Chemie, die ihren Schwerpunkt in der nationalen und regionalen Distribution u. a. von Chemikalien, Pharmazeutika und Nahrungszusätzen für Tiernahrung hat. Seit 2005 gehört zu ihrer Produktpalette Lysin der in Hong Kong ansässigen und von den Klägerinnen ursprünglich zugleich im Ausgangsverfahren (4b O XXX/08) in Anspruch genommenen A Ltd. (Beklagte zu 1) des Ausgangsverfahrens, nachfolgend: A). Hergestellt wird dieses von der Beklagten auch in Deutschland vertriebene Lysin von der Tochtergesellschaft der A, der in China ansässigen B Ltd. (Beklagte zu 3) des Ausgangsverfahrens, nachfolgend: B), welche das Lysin auch über die mit ihr verbundene, in Hong Kong ansässige C Ltd. (Beklagte zu 2) des Ausgangsverfahrens, nachfolgend: C) vertreibt. Aus dem ursprünglich gegen die A, B und C (ursprüngliche Beklagten zu 1) bis 3)) und die Beklagte (im Ausgangsverfahren Beklagte zu 4)) gerichteten Ausgangsverfahren (4b O XXX/08) ist das Verfahren gegen die Beklagte abgetrennt worden.

Im Jahre 2005 teilte die A in einer Mitteilung gegenüber einem Analysten (Anlage K 6) und in einer Pressemitteilung (Anlage K 5) mit, dass bei der Herstellung ihres Lysins ein neuartiger Stamm von Mikroorganismen zum Einsatz kommt, was mit verschiedenen Vorteilen verbunden sei. In der Folgezeit führten und führen die Parteien einschließlich der A, der B und der C in den Niederlanden, Belgien und Polen Rechtsstreitigkeiten, die das Klagepatent zum Gegenstand haben.
In den Niederlanden wurde Anfang 2006 von den Klägerinnen ein Besichtigungsverfahren eingeleitet, welches von der Beklagten in die Niederlande geliefertes Lysin betraf, das von A, B und C hergestellt und vertrieben worden war. Die aus dem besichtigten Lysin genommenen Proben wurden von dem niederländischen D (Anlage K 22, deutsche Übersetzung K 22a) untersucht. Gestützt auf diese, auf den 26.06.2006 datierende Analyse erkannte das Gericht ´s Gravenhage mit Urteil vom 22.08.2007 (Anlage K 4) auf eine Verletzung des Klagepatents in den Niederlanden. Die Einlassung der A, B und C, sie wüssten nicht, welche Bakterien sie für die Herstellung von Lysin verwendeten, sie könnten allerdings mitteilen, dass sie einen E.coli-Stamm verwendeten, den sie bei einem Militärlabor in China erworben hätten, das ihnen mitgeteilt habe, dass es sich nicht 100%ig um denselben Stamm wie den von den Klägerinnen verwendeten Stamm handele, vermochte das niederländische Gericht bei seiner Entscheidung nicht zu berücksichtigen.
In Belgien ordnete im Frühjahr 2008 das Handelsgericht Antwerpen eine Besichtigung bzw. Beschlagnahme der Lager-/Büroräume der E sowie eines von der Beklagten genutzten Lagerhauses der Firma F an. Der gerichtliche Sachverständige stellte in seinem Bericht vom 4.08.2008 (Anlage K 2, deutsche Übersetzung Anlage K 2b) hierzu fest, dass ein erheblicher Teil des in dem Lagerhaus der Firma F befindlichen Lysins im Eigentum der Beklagten stand und für den Transport nach Deutschland bestimmt war. Beides bestätigte die Beklagte im Rahmen eines Schriftsatzes, mit dem sie aus eben diesen Gründen eine Aufhebung der Beschlagnahme begehrte (Schriftsatz vom 6.06.2008, Anlage K 17, deutsche Übersetzung K 17a). Als Herstellerin eines Großteils des beschlagnahmten Lysins ermittelte der gerichtliche Sachverständige die A und die C. Proben des aufgefundenen Lysins ließ der gerichtliche Sachverständige durch das Institut G (deutsche Übersetzung Anlage K 16a) untersuchen. Die Untersuchung veranlasste den gerichtlichen Sachverständigen zu der Schlussfolgerung, dass für die Herstellung aller (bis auf eine) Proben ein E.coli-Stamm eingesetzt wurde, der ein entsprechend dem in dem Parallelverfahren 4b O XXX/09 geltend gemachten europäischen Patent 0 733 XXX mutiertes Gen enthält.

Die Klägerinnen behaupten, sie hätten in Deutschland zwei Säcke à 25 kg Lysin (Anlage K 9) erworben, wobei diese Säcke – insoweit unstreitig – nicht von der Beklagten selbst bezogen wurden. Die Analyse des Instituts D der aus diesen Säcken gezogenen Proben belege, wie der Untersuchungsbericht vom 10.09.2008 (Anlage K 10, deutsche Übersetzung Anlage K 10a) zeige, eine Verwirklichung des Klagepatents. Die dortigen Experimente 3A und 3B hätten sichtbar gemacht, dass in den untersuchten Lysinproben DNA des Bakteriums Escherichia Coli (im folgenden: E.coli) vorhanden sei, welches über die chromosomale DNA hinaus, die die Basensequenzen des pntA und pntB Gens von E.coli enthält, zusätzlich Plasmid-DNA aufweist, die ebenfalls diese Sequenzabschnitte beinhalte. Die Erhöhung der Fähigkeit der E.coli Bakterien, Nicotinamidadenindinucleotidphosphat (nachfolgend: NADPH) aus Nicotinamidadeninindinucloetid (nachfolgend: NADH) herzustellen, sei mithin dadurch erreicht worden, dass die Anzahl der Kopien der Gene pntAB, die für die Nicotinamidadeninindinucloetidhydrogenase (nachfolgend: Transhydrogenase) kodieren, im Vergleich zum Wildtyp erhöht sei. Neben der chromosomalen Kopie von pntAB liege zusätzlich die auf dem Plasmind enthaltene Kopie von pntAB vor. Durch Exprimierung der Kopien dieser Gene werde eine erhöhte Menge an Transhydrogenaseenzym produziert. Es sei mithin in dem Lysin DNA einer anspruchsgemäßen Mutation des E.coli Bakteriums gefunden worden, wobei die gefundene Mutation sogar einem bevorzugten Ausführungsbeispiel des Klagepatents (Anspruch 7) entspreche. Dies alles folge auch aus dem Privatgutachten von Prof. Dr. G vom 11.09.2009 (Anlage K 11), welches die von dem Institut D durgeführten analytischen Experimente im Einzelnen erläutere sowie deren Richtigkeit bestätige. Die Klägerinnen nehmen deshalb die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft- und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung in Anspruch, wozu sie sich als Inhaberin des Klagepatents bzw. ausschließliche Lizenznehmerin auch beide vollumfänglich als berechtigt ansehen. Ein Anspruch auf Veröffentlichung des Urteils ergebe sich aus dem Umstand, dass die Klägerin zu 1) ein führendes Forschungs- und Entwicklungsunternehmen sei, welches insbesondere in das Produkt Lysin viel investiert habe. Ihr Ruf werde durch „Trittbrettfahrer“ stark geschädigt; Lysin sei ihr wichtigstes Produkt. Die Beklagte sei ein großes, international tätiges Unternehmen, so dass der im großen Umfang erfolgte Vertrieb durch die Beklagte erhebliche rufschädigende und kommerzielle Nachteile mit sich bringe.

Die Klägerinnen beantragen,
wie zuerkannt,
wobei sie den Rechnungslegungs- und Auskunftsanspruch, den Schadenersatzfeststellungsanspruch sowie den Rückrufanspruch auch für die Klägerin zu 2) ab dem 12.01.2002 geltend machen und darüber hinaus die Gestattung begehren, das Urteil unter Bezeichnung der Parteien, des Tenors sowie der Benennung der patentverletzenden Produkte auf Kosten der Beklagten durch eine in der Zeitschrift „Feedstuffs“ dreimal erscheinende halbseitige Anzeige öffentlich zu machen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents gerichtete Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerinnen. Zwar sei zwischen den Klägerinnen ein Lizenzvertrag geschlossen worden, es gelte jedoch zu bedenken, dass Art. 11 (A) des Lizenzvertrages einer gemeinsamen Klage beider Klägerinnen entgegen stehe, die Lizenzgebühren nach Art. 6 des Lizenzvertrages angepasst werden können und die Klägerin zu 2) immer Lieferantin des Lysins bleibe, auch wenn der Fall des Art. 2 (C) des Lizenzvertrages eingreife.
Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Klägerinnen hätten eine Verletzungshandlung ihrerseits nicht substantiiert vorgetragen. Eine irgendwie geartete Verbindung zwischen den in der Abbildung K 9 gezeigten, unstreitig nicht von ihr vertriebenen Säcken und ihr finde sich in der Klageschrift nicht. Ihr sei nicht bekannt, auf welchem Wege diese Charge auf den deutschen Markt gelangt sei. Sie müsse daher auch mit Nichtwissen bestreiten, dass es sich um Proben handele, die aus dem deutschen Markt stammen. Soweit die Klägerinnen vortragen, sie habe patentverletzendes Lysin aus der Produktion bzw. Vertrieb der A und der C in Deutschland auf dem Markt gebracht, sei unklar, ob es sich dabei um Lysin handeln solle, das von diesen vertrieben worden sei oder um solches, das von A und C produziert worden sei. Die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen in dem belgischen Verfahren hülfen – so die Beklagte weiter – ebenso wenig zum Beleg einer Verletzungshandlung. Die Klägerinnen trügen nämlich nicht vor, dass aus dem in dem Lager der Firma F vorgefundenen Lysin konkrete Lieferungen nach Deutschland erfolgt seien und zu welchen Zeitpunkten dies geschehen sein solle. Auch gäben die Klägerinnen nichts zur Beschaffenheit dieses Lysins an. Bei der Durchsuchung in Belgien sei zudem Lysin gefunden worden, das aus dem Corynebakterium stamme und folglich das Klagepatent nicht verletzen könne. Die dortigen Untersuchungen hätten überdies gezeigt, dass es mit dem gleichen Herstellungsverfahren zu unterschiedlichen Produkten kommen könne. Ob das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin nach einem anderen Herstellungsverfahren hergestellt worden sei als das in Belgien vertriebene, könne sie nicht sagen.
Die Beklagte meint des Weiteren, die Klägerinnen hätten eine Verletzung des Klagepatents nicht schlüssig vorgetragen. Die Vorlage des Analyseberichts des Instituts D vom 10.09.2008 (Anlage K 10a) genüge nicht. Abgesehen davon, dass diese Untersuchung bereits wegen des Umstandes, dass die untersuchten Chargen nicht von ihr vertrieben worden seien, ohne jede Relevanz sei, handele es sich lediglich um eine Analyse des Endprodukts. Damit sei eine Aussage über das Herstellungsverfahren des Lysins nicht möglich. Soweit in dem Bericht die Feststellung getroffen werde, dass in den untersuchten Proben DNA von Bakterien der Gattung E.coli aufgefunden worden sei, sei die Herkunft des Bakteriums völlig unklar. Der Bericht schließe nicht aus, dass es sich um eine bloße Verunreinigung handele. Das Institut D habe es außerdem unterlassen, zu untersuchen, ob in den Proben etwa auch DNA des Corynebakteriums enthalten sei. Erheblich mit Lücken behaftet sei darüber hinaus der Vortrag der Klägerinnen, dass in der Probe eine DNA mit der spezifischen Modifikation des E. coli Bakteriums gefunden worden sei. Der Vortrag der Klägerinnen sei unschlüssig. Die durchgeführten Experimente seien nicht aussagekräftig. So genüge beispielsweise der Nachweis des Vorhandenseins eines Plasmids mit einem flankierenden Teil eines Gens nicht, weil dies nichts darüber aussage, ob das Gen tatsächlich funktional vorhanden sei und ob die entsprechenden Sequenzen, die die Expression des Gens bewirkten, ebenfalls vorhanden seien. Solange keine vollständige Gen-Sequenz des Transhydrogenase-Gens im Plasmid gezeigt sei, verbiete sich jede Schlussfolgerung. Darüber hinaus fehle die Darlegung bzw. der Nachweis einer erhöhten Produktivität des Mikroorganismus für NADPH. Die theoretischen Überlegungen der Klägerinnen, die auch noch an falsche Schlussfolgerungen, eine zusätzliche Kopie des für Transhydrogenase kodierenden pntAB-Gens erhöhe automatisch die Produktivität, anknüpften, genügten nicht. Dem Lysin als Endprodukt lasse sich die anspruchsgemäße Erhöhung ebenso wenig ansehen. Dazu bedürfe es vielmehr konkreter Untersuchungen des lebenden Mikroorganismus. Ferner lasse das klägerische Vorbringen einen schlüssigen Vortrag zur erhöhten Enzymaktivität sowie zur Erhöhung der exprimierten Menge des für die Transhydrogenase kodierenden Gens vermissen. Aus dem allenfalls relevanten Analysebericht des Instituts D vom 26.06.2006 (Anlage K 22a) lasse sich eine Verwirklichung des Klagepatents ebenso wenig ableiten. Ihm stünde dieselbe Kritik entgegen.
Zu dem Herstellungsverfahren des von ihr vertriebenen Lysins besitze sie keine näheren Erkenntnisse. Es sei ihr deshalb weder möglich, konkrete Merkmale des Herstellungsverfahrens zu bestreiten noch über ein bloßes Bestreiten hinausgehende Angaben zu machen.
Mit Blick auf den geltend gemachten Anspruch auf Urteilsveröffentlichung bestreitet die Beklagte eine Rufschädigung. Vorliegend stehe außerdem allein der Vertrieb auf dem deutschen Markt in Rede, weshalb insbesondere auch die Veröffentlichung des Urteils in einer international erscheinenden Zeitschrift über ein etwaiges Interesse der Klägerinnen weit hinausgehe.
Der Rechtsstreit sei jedenfalls auszusetzen. Auch wenn das Bundespatentgericht erstinstanzlich das Klagepatent aufrechterhalten hat, bestünden die Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Klagepatents unverändert fort.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist in weitaus überwiegendem Maße begründet. Es ist festzustellen, dass das von der Beklagten in Deutschland vertriebene Lysin nach einem Herstellungsverfahren hergestellt ist, das von den Merkmalen des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht. Die Beklagte ist deshalb zur Unterlassung, Auskunft- und Rechnungslegung, Vernichtung und zum Rückruf verpflichtet. Festzustellen war überdies ihre Schadenersatzpflicht. Abzuweisen war die Klage allerdings insoweit, als dass auch die Klägerin zu 2) Rechnungslegung, Auskunft, Feststellung der Schadenersatzpflicht und Rückruf bereits ab dem 12.01.2002 und beide Klägerinnen die Veröffentlichung des Urteils begehren. Ein Anlass, den Rechtsstreit auszusetzen besteht nicht.

I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer L-Aminosäure, insbesondere von Lysin, unter Verwendung eines Mikroorganismus.

Lysin ist eine essentielle L-Aminosäure, mithin ein Proteinbaustein, den tierische Organismen für ihr Wachstum und die Wiederherstellung von Gewebe benötigen. Da Lysin nicht im tierischen Körper selbst erzeugt werden kann, sondern in Pflanzen und Mikroorganismen aus Asparaginsäure biosynthetisiert wird, bedarf es der Zufuhr dieser Aminosäure, was vorzugsweise über die Nahrung geschieht. Lysin findet deshalb Verwendung in Tierfutter und ist, da es sich um eine so genannte limitierende Aminosäure handelt, deren Mengenanteil in der Nahrung die Fähigkeit des Tieres Proteine zu synthetisieren begrenzt, ein entscheidendes Qualitätskriterium des Tierfutters. Die industrielle Herstellung von Lysin hat infolge dessen große Bedeutung erlangt.

Lysin wird industriell mittels Fermentationsverfahren hergestellt. Hierbei werden Rohstoffe wie Glukose in einen Fermentationsbehälter gefüllt, in dem dann durch Einsatz von spezifischen Mikroorganismen durch den Metabolismus des Mikroorganismus Lysin erzeugt wird. Diese Biosynthese besteht aus verschiedenen chemischen Umwandlungsschritten. Als Mikroorganismen können Bakterien zum Einsatz kommen, insbesondere Bakterien der Gattung E.coli. Der dabei stattfindende Biosyntheseweg kann wie nachfolgend eingeblendet veranschaulicht werden:

Bei der Fermentation von L-Aminosäuren wird, wie das Klagepatent ausführt, die rekombinante DNA-Technologie eingesetzt. Dabei werden zur Beschleunigung des Biosynthesesystems der L-Aminosäuren in einem Wirtsorganismus ein oder mehrere Gene, die für ein oder mehrere Enzyme im biosynthetischen Weg einer L-Aminosäure kodieren, angereichert. Dies veranlasst die Mikroorganismen dazu, L-Aminosäuren in erhöhtem Maße zu produzieren.

Einige der an der Biosynthese von L-Aminosäuren beteiligten Enzyme benötigen so genannte Coenzyme, um ihre Funktion ausüben zu können. Eines der wichtigen Coenzyme für die Biosynthese von Lysin ist reduziertes NADPH. Dieses Coenzym wird im Rahmen der enzymatischen Reaktion zu NADP oxidiert und dadurch „verbraucht“. Aus oxidiertem NADP wird in vivo durch Reduktion wiederum NADPH gebildet, was mit Hilfe des so genannten Pentosephosphatzyklus geschieht, welcher Glukose verbraucht.
Im Rahmen des Fermentationsprozesses von Lysin wird mithin an zwei Stellen Glukose benötigt: erstens als Rohstoff für die Herstellung des Lysins als solchem und zweitens zur Erzeugung des erforderlichen Coenzyms NADPH. Wenn also – wie es das Klagepatent als These formuliert – die Bildung von NADPH in dem Mikroorganismus erhöht wird, was angesichts der Erkenntnisse aus dem Stand der Technik zu einer Beschleunigung des Fermentationsprozesses und zur Produktivitätserhöhung des Mikroorganismus führen sollte, ist dies mit der nachteiligen Folge verbunden, dass die hierfür verbrauchte Glukose nicht mehr als Zielsubstanzrohstoff zur Verfügung stehen kann. Eine Steigerung der Produktivität des Mikroorganismus ist mithin (letztlich nur) dann zu erzielen, wenn eine größere Menge an NADPH bereitgestellt wird, ohne dass dafür Glukose verbraucht wird.

Hierfür bietet sich das in den meisten Zellen in großen Mengen vorhandene reduzierte Nicotinamidadenindinucleotid (nachfolgend NADH) an, welches in vivo aus oxidiertem Nicotinamidadenindinucleotid (nachfolgend: NAD) mit Hilfe des Zitronensäurezyklus gebildet wird. NADH ähnelt NADPH extrem, kann als Coenzym für die Biosynthese von Lysin aber nicht verwertet werden. Es kann jedoch als Wasserstoffquelle genutzt werden.

Ausgehend hiervon formuliert das Klagepatent zwei Annahmen:

– Wenn intrazelluläres NADH effizient in NADPH umgewandelt werden kann, kann die Glukose, die für die Biosynthese von NADPH durch einen Mikroorganismus erforderlich ist, gespart, und eine L-Aminosäure bei höherer Produktivität hergestellt werden.

– Eine Möglichkeit zur effizienteren Umwandlung von NADH zu NADPH kann durch eine Erhöhung des Enzyms Transhydrogenase erfolgen. Transhydrogenase ist für die Produktion von NADPH verantwortlich und kann als Mittel zum Umwandeln von NADH in NADPH eingesetzt werden.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, die Produktivität einer Biosynthese für eine L-Aminosäure unter Einsatz eines Mikroorganismus zu verbessern.

Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt das Klagepatent in der geltend gemachten Anspruchskombination ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:

1. Kultivierung eines Mikroorganismus in einer Kultur, um L-Aminosäure zu produzieren und in dem Kulturmedium anzuhäufen, wobei
a) der Mikroorganismus so modifiziert worden ist, dass die Fähigkeit des Mikroorganismus, NADPH aus NADH herzustellen, erhöht ist,

b) durch Erhöhung der exprimierten Menge eines Gens, welches für die Transhydrogenase kodiert, in der Zelle des Mikroorganismus,

c) wodurch die Produktivität des Mikroorganismus für NADPH erhöht ist.

2. Gewinnen der L-Aminosäure aus dem Kulturmedium, wobei deren Biosynthese reduziertes NADPH erfordert.

Als eine Möglichkeit einer Modifikation des Mikroorganismus, bei welcher die Expressionsmenge eines Gens, das für die Transhydrogenase codiert, erhöht wird, benennt das Klagepatent die Erhöhung der Anzahl der Kopien des für die Transhydrogenase codierenden Gens in der Zelle des Mikroorganismus (nunmehriger Unteranspruch 7, Anlage K B 13, S. 8/9). Die in einem E.coli Bakterium vorhandenen Gene, welche für die Transhydrogenase codieren, werden als „pntA“ und „pntB“, zusammengefasst als „pntAB“ bezeichnet.

II.
Die Beklagte bietet an und vertreibt auf dem deutschen Markt Lysin, welches wortsinngemäß nach der technischen Lehre des Klagepatents hergestellt worden ist.

1)
Zur Produktpalette der Beklagten gehört seit 2005 unstreitig auch von der A hergestelltes Lysin. Dass sie von der A bezogenes Lysin in der Bundesrepublik Deutschland vertreibt, bestreitet die Beklagte als solches nicht. Ein derartiges Bestreiten wäre mit den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen in dem belgischen Beschlagnahmeverfahren, wonach ein erheblicher Teil des in dem Lagerhaus der Firma F beschlagnahmten und im Eigentum der Beklagten stehenden Lysins für den Transport nach Deutschland bestimmt war (Anlage K 2b, S. 24 f., S. 31), sowie dem eigenen Vorbringen der Beklagten in dem dortigen Verfahren, dass die beschlagnahmten Säcke für den Export in andere EU-Mitgliedstaaten, in erster Linie nach Deutschland vorgesehen waren (Schriftsatz 6.06.2008, Anlage K 17a, S. 8, 38), auch schwerlich in Einklang zu bringen.

Die Beklagte wendet allerdings ein, dass sie die konkret von den Klägerinnen erworbenen zwei Säcke Lysin, wie sie der Anlage K 9 zu entnehmen sind und die Gegenstand der Untersuchungen des Instituts D vom 10.09.2008 (Anlage K 10a) waren, (unstreitig) nicht vertrieben hat und bestreitet zudem mit Nichtwissen, dass diese Säcke Lysin überhaupt auf dem deutschen Markt erworben worden. Beides führt letztlich nicht zum Erfolg.

Das Bestreiten mit Nichtwissen ist gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zwar grundsätzlich zulässig, da die Beklagte aus eigener Wahrnehmung keine Kenntnis über den Erwerb der beiden Säcke Lysin entsprechend der Anlage K 9 hat. Die Klägerinnen haben jedoch durch Vorlage des Frachtbriefes sowie der Rechnung vom 1./2.11.2007 (Anlagen K 18, K 19) der in Deutschland ansässigen Firma H GmbH belegt, dass die beiden Säcke von den Klägerinnen auf dem deutschen Markt erworben wurden. Einwendungen gegen die vorgelegten Urkunden, an deren Richtigkeit auch ansonsten keine Zweifel aufgekommen sind, brachte die Beklagte nicht vor. Von einem Erwerb des Lysins auf dem deutschen Markt ist deshalb auszugehen.

Dass die beiden Säcke Lysin nicht von der Beklagten, sondern von einem Dritten erworben wurden, schadet nicht. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sie lediglich für eigene Benutzungshandlungen einzustehen hat. Vorliegend ist jedoch die Annahme gerechtfertigt, dass sich das in den konkret erworbenen Säcken befindliche Lysin in seinem Herstellungsverfahren nicht von dem unterscheidet, welches zur Produktpalette der Beklagten gehört. Das in den Säcken befindliche Lysin wurde, wie die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat und wie es zudem die Anlage K 9 zu erkennen gibt, von der C hergestellt. Auf den Säcken findet sich zudem ein Hinweis auf die Internetseite der A. Die Säcke stammen mithin unstreitig gerade von der Bezugsquelle, die auch die Beklagte für von ihr auf dem deutschen Markt vertriebenes Lysin angegeben hat. Konkrete Anhaltspunkte, die zu der Annahme Anlass geben könnten, die A, die B und die C erzeugten und vertrieben für den deutschen Markt verschieden hergestelltes Lysin sind nicht ersichtlich. Dies erscheint auch weder wirtschaftlich, betrieblich noch technisch sinnvoll. Es entspräche ferner auch nicht der unbestrittenen Mitteilung der A aus dem Jahre 2005 (Anlage K 5), in der es heißt, dass der neuartige Stamm von Mikroorganismen in der zweiten Hälfte des Jahres in allen Produktionsbereichen voll zum Einsatz kommen wird. Angesichts dessen hätte es der Beklagten oblegen, aufzuzeigen, dass das von ihr in Deutschland vertriebene Lysin sich in irgendeiner Weise von dem in den erworbenen Säcken befindlichen Lysin unterscheidet, was ihr angesichts der von den Klägerinnen vorgelegten Untersuchungen auch möglich gewesen wäre. Die Beklagte vermochte jedoch, auch auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, keine Tatsachen vorzutragen, die für einen etwaigen Unterschied sprechen könnten. Die Beklagte erklärte vielmehr, sie wisse nichts über das Herstellungsverfahren des von ihr vertriebenen Lysins. Soweit sie ausführte, die Untersuchungen in dem belgischen Verfahren hätten gezeigt, dass mit ein und demselben Herstellungsverfahren zwei unterschiedliche Produkte hergestellt werden könnten, führt dies nicht zu einer ihr günstigen Sichtweise. Die Behauptung einmal zugrundegelegt, wäre dies doch gerade eine Stütze dafür, dass eben nur ein Herstellungsverfahren angewandt worden ist. Gleichfalls ohne Erfolg bleibt das weitere Vorbringen, die Untersuchungen im belgischen Verfahren hätten zu Tage gefördert, dass auch Lysin gefunden worden sei, welches unter Einsatz von Corynebakterien hergestellt worden ist. Dies ist nicht von den Ergebnissen des gerichtlichen Sachverständigen (Anlage K 2b) bzw. der Analyse des Instituts I (Anlage K 16a) gedeckt. Eine (positive) Feststellung dahingehend kann beiden nicht entnommen werden. Sie gelangen lediglich zu der Erkenntnis, dass für eine (von acht) Proben unklar sei, ob ein mutierter E.coli Bakterienstamm (entsprechend dem EP 0 733 XXX) eingesetzt worden ist. Daraus lässt sich nicht zwangsläufig schlussfolgern, dass zur Herstellung des Lysins tatsächlich ein Corynebakterium verwendet worden ist.

Unter Berücksichtigung all dessen erlangen mithin die Untersuchungen des Instituts D vom 10.09.2008 (Anlage K 10a) Relevanz. Eines weitergehenden Vortrages der Klägerinnen dazu, dass und wann welche Lieferung des in Belgien beschlagnahmten Lysins nach Deutschland gelangt sein soll, ist nicht vonnöten. Ohne Bedeutung ist überdies eine Unterscheidung danach, ob das in Deutschland vertriebene Lysin von der A, der B und der C hergestellt oder (nur) vertrieben worden ist.

2)
Auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes ist festzustellen, dass das streitgegenständliche Lysin nach dem klagepatentgemäßen Verfahren hergestellt worden ist.

a)
Die Klägerinnen haben die Benutzung des erfindungsgemäßen Verfahrens bei der Herstellung des Lysins substantiiert und schlüssig vorgetragen. Ihr Sachvortrag enthält die Behauptung, dass das Herstellungsverfahren die Merkmalsgruppe 1 und das Merkmal 2 verwirklicht. Hierzu haben sie insbesondere vorgebracht, dass das streitgegenständliche Lysin durch Kultivierung eines Mikroorganismus, nämlich eines E.coli Bakteriums, in einer Kultur hergestellt und angereicht wurde, dass das E.coli Bakterium so modifiziert war, dass seine Fähigkeit, NADPH aus NADH herzustellen, erhöht wurde, wodurch gleichzeitig die Produktivität der Lysinherstellung und somit auch der Ertrag erhöht wurde und dass diese erhöhte Fähigkeit mittels Erhöhung der exprimierten Menge der Transhydrogenase in der Zelle des Bakteriums E.coli erzielt worden ist. Ihr Vorbringen haben die Klägerinnen mit der Vorlage des Analyseberichts des Instituts D vom 10.09.2008 (Anlage K 10a) und dem Privatgutachten von Prof. Dr. G vom 11.09.2008 (Anlage K 11) weiter substantiiert und untermauert.

Sowohl dem Analysebericht als auch dem Privatgutachten ist zu entnehmen, dass die Proben des untersuchten Lysins DNA Material des Mikroorganismus E.coli aufweisen, welches zudem über mindestens eine zusätzliche Kopie des pntAB-Gen auf einem Plasmid verfügt.

Das Vorhandensein eines Bakteriums der Gattung E.coli in den untersuchten Lysinproben hat ausweislich des Analyseberichts des Instituts D (Anlage K 10a) das dort näher auf den Seiten 4 ff. beschriebene Experiment 1a ergeben. Mittels einer Polymerasenkettenreaktion(PCR)-Versuchsreihe wurde untersucht, ob in den Proben eine DNA-Sequenz aus dem cysG-Gen von E.coli aufzufinden ist. Das cysG-Gen kodiert in E.coli ein bekanntes Enzym der Biosynthese des Häm Cofaktors; es findet sich nicht in der Gattung des ebenfalls im Rahmen von Fermentationsprozessen von Lysin verwendeten Corynebakteriums. Zur Feststellung, ob eine DNA-Sequenz des cysG-Gens aufzufinden ist, wurden – entsprechend den in der Biochemie gebräuchlichen und etablierten Nachweismethoden – Primer, d.h. kurze DNA-Sonden, die sich spezifisch an in der Sequenz komplementäre Bereiche der Ziel-DNA anlagern, den Proben zu gefügt. Die spezifischen Primer waren mit XXX bzw. XXX bezeichnet; sie amplifizieren keine Corynebakterien. Bei der sich anschließenden PCR vervielfältigten sich die DNA-Stücke, die zwischen den Primern lagen. Nach Auftrennung wurden sie in dem Verfahren der Gelelektrophorese sichtbar gemacht. Die mittels der Gelelektrophorese identifizierten DNA – Stücke wiesen laut des Analyseberichts die Länge auf, nämlich 120 Basenpaare, die sie infolge der eingesetzten spezifischen Primer haben sollten bzw. die vorausgesagt war. Hieraus folgert der Analysebericht, dass das E.coli cysG-Gen in beiden Proben des untersuchten Lysins vorhanden war, und zwar auch – wie dem Analysebericht weiter zu entnehmen ist – in einer signifikanten Menge. Die Vorgehensweise und die Experimente des Instituts D finden ihre Bestätigung in dem Privatgutachten (Anlage K 11, Seite 1 f.).

Zwecks Feststellung der anspruchsgemäßen Modifikation hat das Instituts D die im Analysebericht geschilderten Experimente 3A und 3B (Anlage K 10a, S. 22 ff) durchgeführt.
Das Experiment 3A hat hiernach den Nachweis eines in den Proben vorhandenen Plasmids, d. h. eines runden DNA-Fragments, das eine relativ kurze Kette hat, zum Gegenstand, welches in dem Wildstamm von E.coli nicht existiert. Grundlage des Experiments waren von der Klägerin zu 1) zur Verfügung gestellte Plasmide, welche in dem von der Klägerin zu 1) verwendeten Bakterienstamm vorhanden sind. Eines der Plasmide (Plasmid 2) enthält das pntAB-Gen. Da pntAB-Sequenzen per se durch eine PCR-Reaktion amplifziert werden, so dass eine Unterscheidung zwischen chromosomalen und Plasmind-pntAB nicht ohne weiteres möglich ist, wurden für das Experiment Sequenzen, die die Kodierungsbereiche von pntAB flankieren und damit spezifisch für die Konstruktion des Plasmids sind, mittels der PCR amplifiziert. Zur Amplifikation von chromosomaler DNA und von DNA aus Plasmid 2 wurden Primer eingesetzt, die ebenfalls von der Klägerin zu 1) zur Verfügung gestellt wurden. Der für das Plasmid 2 konstruierte Primer trägt die Kennzeichnung XXX und ist auf eine Sequenz gerichtet, die an pntAB auf dem Plasmid 2, nicht aber auf der natürlich vorkommenden DNA angrenzt. In Kombination mit dem für die chromosomale DNA konzipierten Primer (XXX) ist für das Plasmid 2 eine Amplifikation in der Größe von ca. 120 Basenpaaren zu erwarten. Die PCR ergab, wie die Abbildung 10 belegt, dass die untersuchten Proben entsprechend große Amplifikationen aufweisen, wobei die Amplikongröße sogar mit derjenigen aus dem von der Klägerin zu 1) zur Verfügung gestellten DNA-Stamm identisch ist. Dies führte zu der nachvollziehbaren Schlussfolgerung des Instituts D, dass die Proben DNA mit aneinander angrenzenden Sequenzen enthalten, die künstlich bei der Konstruktion von Plasmid 2 kombiniert wurden. Angesichts der Identität der Amplikongröße wurde verständlicherweise außerdem gefolgert, dass die Bindungsstellen der Primer der Proben durch dieselbe Anzahl von Nukleotiden voneinander getrennt sind wie die des Bakterienstammes der Klägerin zu 1). Schließlich gilt als belegt, dass die untersuchten Proben neben den Plasmidsequenzen auch chromosomale Sequenzen umfassen.
Das Experiment 3 B diente dem Nachweis, dass die untersuchten Proben DNA enthalten, die für das Plasmid aus dem von der Klägerin zu 1) zur Verfügung gestellten Bakterienstamm, das das pntAB-Gen trägt, spezifisch ist, und dass dieses Plasmid das pntAB Gen trägt. Hierfür wurden 4 Paare von DNA-Primern verwendet, die jeweils Teile des pntAB Gens mit den dieses Gen stromaufwärts und stromabwärts liegenden flankierenden Bereiche erkennen. Die für das Plasmid 2 konzipierten Primer tragen die Kennzeichnung XXX und XXX (Grenzbereich stromaufwärts) sowie XXX und XXX (Grenzbereich stromabwärts). Die an die flankierenden Bereiche des chromosomalen pntAB-Gens anbindenden Primer tragen die Bezeichnung XXX und XXX. Die jeweiligen Primer sind spezifisch. Die erstgenannten Paare binden nur an Plasmid-Kopien des pntAB Gens, die zweitgenannten nur an genomischen Kopien des pntAB Gens. Bei Durchführung einer PCR-Versuchsreihe war sowohl für die stromaufwärts- wie auch für die stromabwärts spezifische PCR-Reaktion bezüglich Plasmid-DNA amplifizierte DNA mit einer erwarteten Amplikongröße von 330 bzw. 290 Basenpaaren feststellbar. Dagegen konnte bei Verwendung der Primer-Kombination keine amplifizierte DNA aus der Wildtyp E.coli DNA gewonnen werden (Abbildung 11A des Analyseberichts). Entsprechendes gilt für die genomische Kopie des pntAB Gens; auch hier wurde die erwartete Amplikongröße bei den untersuchten Proben festgestellt (Abbildung 11B). Mittels der sich anschließenden Sequenzanalyse wurde sodann erkannt, dass die PCR-Produkte der untersuchten Proben plasmidspezifische DNA-Sequenzen stromaufwärts und stromabwärts des pntAB Gens unter Einschluss einer lagen DNA-Sequenz aus dem pntAB Gen selbst enthalten (Abbildungen 12 A – 15 E). Angesichts dessen heißt es als naheliegende Schlussfolgerung im Analysebericht des Instituts D, dass die Lysinproben chromosomale DNA aus E.coli enthalten, die zumindest Teile des pntAB-Gens darstellen, und dass zusätzlich DNA enthalten ist, die ebenfalls einen Teil des E.coli pntAB-Gens darstellt, welches in ihrer natürlichen chromosomalen Umgebung nicht vorkommt. Stattdessen liege dieser Kodierungsbereich höchstwahrscheinlich künstlich in Plasmid-DNA vor.
Die Versuchsreihen und die Bewertungen der Ergebnisse des Instituts D werden bestätigt durch das Privatgutachten von Prof. Dr. G (Anlage K 11, S. 5 f.).

b)
Diesem schlüssigen und substantiierten Vorbringen ist die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegen getreten.

Will ein Beklagter im Patentverletzungsrechtsstreit geltend machen, dass der Kläger die angegriffene Ausführungsform in ihren konstruktiven Einzelheiten unzutreffend beschrieben habe, darf er sich nicht darauf beschränken, den Sachvortrag des Klägers zur Ausgestaltung des vermeintlichen Verletzungsgegenstandes lediglich pauschal zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen der klagenden Partei Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Der Beklagte kann sich auf das Bestreiten bestimmter vom Kläger behaupteter technischer Merkmale beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss substantiiert sein. Kein erhebliches Bestreiten stellt es dar, wenn sich der Beklagte darauf beschränkt, am Sachvortrag des Klägers lediglich zu bemängeln, dessen Ausführungen zum Verletzungstatbestand seien unsubstantiiert. Zwingend erforderlich ist vielmehr zunächst die wahrheitsgemäße Angabe, ob und gegebenenfalls welches konkrete Merkmal der technischen Lehre des Klagepatents denn nicht verwirklicht sein soll. Dies kann – je nach Substantiierungsgrad des klägerischen Vortrages – (zunächst) in pauschaler Weise erfolgen. Hat ein Kläger im Einzelnen ausgeführt, aufgrund welcher Untersuchungen er zu welchen die Patentverletzung bestätigenden Ergebnissen gelangt ist, muss der Beklagte seinerseits in erheblicher Weise dartun, weshalb das bestrittene Merkmal nicht verwirklicht sein soll. Dies bedeutet in der Regel, dass der Beklagte, wenn der Kläger eigene Untersuchungsberichte und/oder Privatgutachten vorgelegt hat, seinerseits eigene Untersuchungen und/oder Gutachten beibringen muss (OLG Düsseldorf, I-2 U 87/09, Urteil vom 04.08.2009; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Aufl. Rn. 521 ff.).

Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht gerecht geworden, auch nicht auf ausdrücklichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung. Sie hat stattdessen auf Nachfrage erklärt, sie verfüge über keine näheren Erkenntnisse zum Herstellungsverfahren des Lysins. Das Bestreiten eines konkreten Merkmals sei ihr nicht möglich. Damit hat sie bereits die erste Stufe der ihr obliegenden Pflichten nicht genommen; ohne eine dahingehende Erklärung ist das Vorbringen der Klägerinnen als zugestanden anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Es bleibt zu erwähnen, dass die Beklagte – worauf sie in der mündlichen Verhandlung ebenfalls hingewiesen wurde – es wegen der Substantiierungstiefe des klägerischen Vortrages nicht bei einem pauschalen Bestreiten hätte bewenden lassen können. Es hätte vielmehr eines eigenen erheblichen, mittels eigener Untersuchungen dargelegten Sachvortrages dahingehend bedurft, aus welchen Gründen das jeweils bestrittene Merkmal tatsächlich nicht verwirklicht werden soll. Hieran fehlt es ebenfalls. Die Beklagte hat insbesondere auch keine eigenen Untersuchungen und/oder Privatgutachten vorgelegt bzw. vorgetragen.

Dass die Beklagte das hier in Rede stehende Lysin nicht selbst herstellt, sondern von einem ausländischen Hersteller bezieht, entbindet sie vorliegend nicht von den soeben erörterten Darlegungsverpflichtungen. Unstreitig gehört Lysin seit 2005 zur Produktpalette der Beklagten und sie vertreibt es auf dem deutschen Markt. Die Beklagte hat mithin das streitgegenständliche Lysin in Besitz, so dass es ihr für eine Untersuchung zur Verfügung steht. Die Tätigkeit als internationale Marketing-Organisation im Bereich der Chemie, die ihren Schwerpunkt in der nationalen und regionalen Distribution u.a. von Nahrungszusätzen für Tiernahrung hat, vermittelt ihr auch Kenntnisse über die technische Beschaffenheit des von ihr vertriebenen Produktes. Dass die Beklagte zu (eigenen) Untersuchung tatsächlich nicht in der Lage ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Hinzu tritt, dass zwischen den Parteien – einschließlich der A, der B und der C – bereits seit 2006 Rechtsstreitigkeiten in verschiedenen Ländern anhängig sind, die das Klagepatent und das von den genannten Firmen hergestellte bzw. vertriebene Lysin betreffen. Der Kern der Auseinandersetzung ist der Beklagten folglich seit geraumer Zeit bekannt; auch während des hiesigen Rechtsstreits hatte die Beklagte gut ein Jahr die Gelegenheit, sich mit dem vorgetragenen Herstellungsverfahren auseinanderzusetzen. Aber auch dann, wenn keine eigene Untersuchung durch die Beklagte zu fordern wäre, hat sie die Beklagten ihren Darlegungspflichten nicht genügt. Sie hätte sich zumindest bemühen müssen, von ihren Vertragspartnern Informationen zum Herstellungsverfahren des Lysins zu erhalten, so dass wenigstens das Bestreiten eines konkreten Merkmals möglich gewesen wäre und die Einwände gegen die dargelegte Verletzung nicht als bloße Vermutungen erscheinen. Derartige Bemühungen sind von der Beklagten weder vorgetragen noch sonstwie zu erkennen.

c)
Einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Beklagten gegen den Analysebericht des Instituts D vom 10.09.2008 (Anlage K 10a) bedarf es deshalb nicht. Lediglich zur Abrundung ist in der gebotenen Kürze anzumerken, dass die Einwände nicht verfangen. Zunächst bleibt festzuhalten, dass das Institut D nicht „das Lysin“ untersucht hat, sondern mittels Analyse nach DNA-Material des Bakteriums E.coli gesucht hat. Das Auffinden solchen DNA-Materials in den Lysinproben lässt Rückschlüsse auf das Herstellungsverfahren zu, da gerade diese Mikroorganismen im Fermentationsprozess eingesetzt werden. Dafür, dass das gefundene DNA-Material von E.coli Bakterien stammt, die infolge einer Verunreinigung in das Lysin bzw. die untersuchten Proben gelangt sind, fehlt jeglicher Anhalt. Allein die (theoretische) Möglichkeit einer Kontamination von Trinkwasser und/oder Lebensmitteln mit E.coli Bakterien gibt keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass eine derartige Verunreinigung bei der Herstellung und/oder Untersuchung des hier in Rede stehenden Lysins tatsächlich geschehen wäre. Unerklärlich bliebe insoweit auch, wieso gerade eine „Verunreinigung“ mittels anspruchsgemäßer mutierter E.coli Bakterien erfolgt sein sollte. An der tatsächlichen Funktionsfähigkeit der gefundenen Kopien des pntAB Gens bestehen keine durchgreifenden Zweifel; der Darlegung der vollständigen DNA-Sequenz bedarf es nicht. Die in dem Analysebericht in der Abbildung 12D zu erkennenden Sequenzen der PCR-Amplifikationen weisen – wie die Klägerinnen unwidersprochen vorgetragen haben – neben dem Beginn des kodierenden Teils des pntAB auch dessen natürlichen Promotor und die Initiationssequenz für die Transkription des Gens auf. Weshalb das auf dem Plasmid befindliche pntAB Gen gleichwohl nicht funktionsfähig sein soll, erschließt sich angesichts dessen nicht, jedenfalls nicht ohne weitergehenden Vortrag. Wenn eine zusätzliche Kopie eines pntAB-Gens in Plasmiden vorhanden ist, lässt dies auch auf eine Erhöhung der Transhydrogenase bzw. eine gesteigerte Enzymaktivität schließen. Zwar ist es im Ansatz zutreffend, dass für die Feststellung einer erhöhten NADPH-Produktion eines Mikroorganismus grundsätzlich der Mikroorganismus zu untersuchen ist. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass in ausreichender Weise das Vorhandensein zusätzlicher Kopien des pntAB Gens auf Plasmiden dargetan wurde und dieser Vortrag, wie dargelegt, als zugestanden gilt. Dies bedeutet, dass der zur Herstellung von Lysin verwendete Mikroorganismus im Vergleich zum Wildtyp von E.coli über zusätzliche DNA, die ebenfalls für das Enzym kodiert, verfügt. Bei einer größeren Anzahl dieser Gene wird – der Logik entsprechend – eine größere Menge an Transhydrogenase codiert und eine größere Menge dieses Enzyms führt zu einer verstärkten Umwandlung von NADH in NADPH. Im Klagepatent ist diese Erkenntnis ausdrücklich beschrieben. Hinsichtlich eines experimentellen Nachweises dieses Zusammenhangs haben die Klägerinnen im Übrigen die eidesstattliche Versicherung von Herrn J (Anlage K 32a, deutsche Übersetzung K 32b) vorgelegt. Ohne weitergehenden, erheblichen Vortrag ist nicht zu erkennen, weshalb für die untersuchten Proben trotzdem nur eine Produktivität wie bei einem Wildstamm vorliegen sollte. Anzumerken ist schließlich, dass dem Analysebericht des Instituts D für die untersuchten Proben sogar ein Nachweis eines Plasmids zu entnehmen ist, welches mit demjenigen des von den Klägerinnen entwickelten Stammes identisch ist.

III.
Aus dem Vorstehenden ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

1)
Die Beklagte ist gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da sie den Gegenstand des Klagepatents rechtswidrig benutzt hat. Bei dem angegriffenen Lysin handelt es sich um ein unmittelbares Verfahrensprodukt im Sinne des § 9 S. 2 Nr. 3 PatG.

Die Unterlassungspflicht gilt gegenüber beiden Klägerinnen. Sowohl die Klägerin zu 1) als auch die Klägerin zu 2) ist aktiv legitimiert.
Die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2) folgt aus dem unstreitig zwischen den Klägerinnen am 14.09.1994 geschlossenen Lizenzvertrag (Anlage K 34a) in der Fassung des Memorandums vom 25.06.2008 (Anlage K 34b). Mit diesem Lizenzvertrag erteilte die Klägerin zu 1) der Klägerin zu 2) unstreitig an dem Klagepatent für Deutschland eine ausschließliche Herstellungs- und Vertriebslizenz. Aufgrund dieses exklusiven Benutzungsrechtes steht der Klägerin zu 2) aus eigenem dinglichem Recht ein Unterlassungsanspruch zur Seite (BGH, GRUR 1996, 109 – Klinische Versuche I; BGH, GRUR 1995, 338 – Kleiderbügel).
Die Legitimation der Klägerin zu 1) ergibt sich aus ihrer unstreitigen Inhaberstellung sowie der Eintragung im Register (§ 30 PatG). Daran ändert der Lizenzvertrag nichts. Dies bereits deshalb nicht, weil die Klägerin zu 1) sich – insoweit unstreitig – in Art. 2 (C) des Lizenzvertrages jedenfalls das Recht vorbehalten hat, selbst herzustellen, wenn die Klägerin zu 2) den Bedarf an Lysin auf dem deutschen Markt nicht bedienen kann. Die Klägerin zu 1) hat sich mithin nicht sämtlicher Rechte aus dem Klageschutzrecht begeben (vgl.: BGH, GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone).

Beide Klägerinnen können ihren Unterlassungsanspruch – und ebenso die weiteren, unter 2) bis 5) erörterten Ansprüche – auch gemeinsam geltend machen; ein Nebeneinander ist möglich (BGH, GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone). Dem steht Art. 11 (A) des Lizenzvertrages nicht entgegen. Dessen Sätze 2 bis 4 lauten:

„If K and L agree that suit shall be brought for damages resulting from the infringement of the Patents, such suit shall be brought by K and L shall give necessary assistance for the effective prosecution of such suit and all expenses and damages awarded shall be divided equally beteween the parties hereto.
IF L alone is desirous of suing the infringer, K shall supply all necessary documents and authorization. All experises relating to such an action shall be paid by L exclusively and the damages awarded shall belong entirely to M.“

Es ist weder ersichtlich, dass es sich hierbei um eine abschließende Regelung handelt, noch dass mit dieser Regelung an sich gegebene Ansprüche der Schutzrechtsinhaberin und der ausschließlichen Lizenznehmerin beschränkt werden sollen in der Weise, dass ausschließlich die eine oder die andere – für beide – bestehende Ansprüche geltend machen können soll. Dies wäre eine Beschneidung der Rechtsdurchsetzung im Verhältnis zum Verletzer, da die Ansprüche beider Klägerinnen aus originärem Recht herrühren und aufgrund dessen auch grundsätzlich von jeder geltend gemacht werden können. Art. 11 (A) des Lizenzvertrags erscheint deshalb als Regelung des internen Verhältnisses der Klägerinnen zueinander.

2)
Die Beklagte hat den Klägerinnen darüber hinaus Schadensersatz gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG zu leisten. Denn als Fachunternehmen hätte sie bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, dass der Vertrieb des angegriffenen Lysins eine Patentverletzung darstellt. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerinnen noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennen, ist ein rechtliches Interesse der Klägerinnen an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

Auch insoweit sind beide Klägerinnen, insbesondere die Klägerin zu 1) aktiv legitimiert.
Ein Schutzrechtsinhaber kann einen Verletzer auch neben einem ausschließlichen Lizenznehmer in Anspruch nehmen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht (BGH GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone, BGH GRUR 1992, 559 – Mikrofilmanlage), die allerdings nicht hoch zu sein braucht (BGHZ 130, 205 = GRUR 1995, 744 – Feuer, Eis & Dynamit I). Ob und was für ein Schaden entstanden ist, bedarf keiner Klärung (BGH, GRUR 1960, 423 – Kreuzbodenventilsäcke I; BGH, GRUR 1996, 109 – Klinische Versuche I), wenn nach der Erfahrung des täglichen Lebens der Eintritt eines Schadens mit einiger Sicherheit zu erwarten ist (BGH, GRUR 1996, 109 – Klinische Versuche I; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 139 Rn. 14). Hiervon ist im Grundsatz auch nach der Vergabe einer ausschließlichen Lizenz auszugehen, wenn der Schutzrechtsinhaber an der Ausübung der Lizenz durch den Lizenznehmer wirtschaftlich partizipiert. Haben die Lizenzvertragsparteien eine Umsatz- oder Stücklizenz vereinbart, stellt es im Regelfall eine nicht nur entfernt liegende Möglichkeit dar, dass mit der Schädigung des Lizenznehmers auch eine Schädigung des Schutzrechtsinhabers verbunden ist, welche ihre Ursache darin hat, dass er vom Lizenznehmer höhere Lizenzeinnahmen erhalten hätte, wenn dieser dem Verletzer eine Unterlizenz erteilt oder wegen des Fehlens der schutzrechtsverletzenden Konkurrenztätigkeit höhere Umsätze gehabt hätte (vgl. Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rn. 58). Ein hierauf beruhender Rückgang der Lizenzeinnahmen stellt einen ersatzfähigen Schaden dar (BGH GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone; BGH, GRUR 2005, 935 – Vergleichsempfehlung II; Kraßer, PatentR, 5. Aufl., S. 895; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 139 Rn. 14).
Dies berücksichtigend lässt sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines eigenen Schadens auch mit Blick auf die Klägerin zu 1) bejahen. Die Klägerinnen haben – insoweit unstreitig – in Art. 6 des Lizenzvertrages eine umsatzbezogene Lizenz vereinbart, so dass auch das Vermögen der Klägerin zu 1) durch den Vertrieb des angegriffenen Lysins beeinträchtigt sein kann. Diese Wahrscheinlichkeit genügt. In welcher Höhe ein Schaden bei der Klägerin zu 1) eingetreten ist oder sein kann, muss derzeit nicht geklärt werden. Folglich kommt derzeit auch der Regelung des Art. 6 (C) Lizenzvertrages insoweit, als dass darin eine Anpassung der umsatzbezogenen Lizenz vorgesehen ist, keine entscheidende Bedeutung zu. Im Übrigen ist auch hier auf Art. 2 (C) des Lizenzvertrages zu verweisen, welcher der Klägerin zu 1) eine Einstandsmöglichkeit gewährt.
Die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2) ergibt sich aus ihrer Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin. Sie kann den Ersatz ihres eigenen Schadens verlangen (BGH GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 139 Rn. 14), allerdings erst ab dem Zeitpunkt, ab dem das Klagepatent an sie lizensiert wurde. Dies war unstreitig der 5.12.2006. In dem ursprünglichen Appendix 3 des Lizenzvertrages vom 14.09.1994 (Anlage K 34a) war das Klagepatent, wie die Klägerinnen selbst vorgetragen haben, nicht enthalten. Das Klagepatent ist vielmehr erst in dem durch das Memorandum vom 25.06.2008 (Anlage K 34b) geänderten Appendix 3 gelistet. Das Memorandum bestimmt eine Rückwirkung der Änderungen zum 5.12.2006.

3)
Damit die auch insoweit jeweils aktiv legitimierten Klägerinnen die ihnen jeweils zustehenden Schadensersatzansprüche beziffern können, ist die Beklagte ihnen gegenüber in zuerkanntem Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 242, 259 BGB sowie Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140b PatG, wobei die Beklagte im Rahmen des Auskunftsanspruchs gemäß § 140b PatG die betreffenden Belege zu überlassen hat (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg). Die Klägerinnen sind auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügen. Die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4)
Den Klägerinnen stehen des Weiteren der geltend gemachte Vernichtungsanspruch hinsichtlich der in Deutschland befindlichen Erzeugnisse, die im Eigentum oder im Besitz der Beklagten stehen, und der geltend gemachte Rückrufanspruch zu, Art. 64 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1, 3 PatG. Unverhältnismäßigkeit ist von der Beklagten nicht geltend gemacht worden. Gegenüber der Klägerin zu 2) besteht der Rückrufanspruch allerdings nur für die Erzeugnisse, die nach dem Zeitpunkt der Lizensierung des Klagepatents angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht, oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen wurden.

5)
Nicht zuzusprechen ist hingegen die begehrte Urteilsveröffentlichung.
§ 140e PatG verfolgt den Zweck, mittels der Veröffentlichung eines Urteils künftige Verletzer abzuschrecken und eine breite Öffentlichkeit für den gesetzlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu sensibilisieren. Gleichwohl ist die Urteilsveröffentlichung nicht die automatische Folge einer Schutzrechtsverletzung, vielmehr bedarf es im konkreten Einzelfall eines berechtigten Interesses der obsiegenden Partei an der begehrten Veröffentlichung. Dabei ist zu beachten, dass es nicht um eine Bestrafung des Verletzers durch eine öffentliche Bloßstellung geht, sondern um die geeignete Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes durch Information. Das berechtigte Interesse an der Veröffentlichung setzt daher voraus, dass die Bekanntmachung des Urteils objektiv geeignet und in Anbetracht des mit der Bekanntmachung verbundenen Eingriffs in den Rechtskreis des Verurteilten unter Berücksichtigung eines etwaigen Aufklärungsinteresses der Allgemeinheit notwendig ist (vgl. Urteil der Kammer vom 9. Juni 2009, 4b O 61/09 – Olanzapin III, Seite 25; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 140e Rn. 9; auch BGH GRUR 1954, 327 – Radschutz-Entscheidung).

Diese Voraussetzungen einer Veröffentlichungsbefugnis sind vorliegend von den insofern darlegungs- und beweisbelasteten Klägerinnen nicht dargetan. Die Klägerinnen haben zur Begründung lediglich behauptet, „inzwischen sei eine große Anzahl des patentverletzenden Lysins in Verkehr gebracht worden“, was zu einer Rufschädigung der als führendes Forschungs- und Entwicklungsunternehmen bekannten Klägerin zu 1) und erheblichen kommerziellen Nachteilen geführt habe. Dieses Vorbringen ist pauschal und geht nicht über die Darstellung der grundsätzlich mit einer Patentverletzung verbundenen Folge hinaus. Ein Aufklärungsinteresse der Allgemeinheit, die Notwendigkeit einer Folgenbeseitigung ist damit auch nicht dargetan. Mit Blick auf die behauptete Rufschädigung ist des Weiteren zu beachten, dass sich die klägerische Behauptung selbst nur auf die Klägerin zu 1) bezieht und zudem die Beklagte eine Rufschädigung in Abrede gestellt hat. Weitergehende Tatsachen haben die Klägerinnen jedoch nicht vorgebracht; ein Beweisantritt ist gleichfalls unterblieben. Dass die Klägerinnen die Möglichkeit haben, das Urteil auf ihre eigene Kosten zu veröffentlichen, ist ebenso wenig geeignet, ein berechtigtes Interesse an der Urteilsveröffentlichung nach § 140e PatG zu konstatieren. Endlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass zudem die Verhältnismäßigkeit der konkret begehrten Urteilsveröffentlichung zweifelhaft ist. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich ist, weshalb es für eine Beseitigung der vermeintlich noch andauernden Störung auf dem deutschen Markt einer Veröffentlichung des Urteils in einer international erscheinenden Zeitschrift bedarf.

IV.
Eine Veranlassung, den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss der gegen den deutschen Teil des Klagepatents gerichteten Nichtigkeitsklage gemäß § 148 ZPO auszusetzen, besteht nicht.

Ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage stellen als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine dem Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; LG Düsseldorf, Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus).
Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn entweder das prozessuale Verhalten der Klägerin eindeutig ihre Interessen hinter die der Beklagten zurücktreten lässt und/oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Letzteres wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht veranlasst. In dem gegen den deutschen Teil des Klagepatents gerichteten Nichtigkeitsverfahren (3 Ni XXX/08 (EU)) hat die Klägerin zu 1) das Klagepatent infolge einer Selbstbeschränkung nur in eingeschränktem Umfang verteidigt. In diesem Umfang hat das Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklage mit Urteil vom 21.07.2009 (Anlage K 30, Berichtigungsbeschluss Anlage K 29b) abgewiesen und das Klagepatent in vollem Umfang aufrechterhalten. Soweit es nunmehr im Anspruch 1 nicht mehr (nur) „Zielsubstanz“, sondern „L-Aminosäure, deren Biosynthese reduziertes Nacotinamidadenindinucleotidphosphat erfordert“ heißt, handelt es sich lediglich um eine sprachlich veränderte Fassung, nicht aber um eine inhaltliche Änderung. Gleiches gilt für die neue Nummerierung. Folglich liegt eine erstinstanzliche Nichtigkeitsentscheidung vor, die den Rechtsbestand des Klagepatents im geltend gemachten Umfang vollständig bestätigt. Dass gegen diese Entscheidung bis zum Schluss der hiesigen mündlichen Verhandlung Berufung eingelegt worden ist, kann nicht festgestellt werden. Sofern die Nichtigkeitsklägerinnen Berufung einlegen werden, ist derzeit unklar, auf welche Argumente diese gestützt sein soll. Die Beklagte hat hierzu nichts vorgetragen. Bereits deshalb vermag die Kammer die überwiegenden Erfolgsaussichten einer Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts nicht festzustellen. Das Bundespatentgericht hat sich überdies in seinem Urteil mit allen Einwänden und Entgegenhaltungen auseinander gesetzt, die die Nichtigkeitsklägerinnen im Rahmen ihrer Klage vorgebracht haben. Es hat insbesondere die dortige – vermeintlich neuheitsschädliche – Entgegenhaltung NK5 (Clark D.M. und Bragg P.D, Cloning and Expression of Transhydrogenase Gene of Escherichia coli, Journal of Bacteriology, 1985, 162 (1), S. 367 ff.) sowie die Entgegenhaltung NK 6 (Bragg P.D. et al., Biochemical and Biosphysical Research Communications, 1972, 47 (2), S. 1248 ff.), NK 7 (Houghton R.L. et al., Control of NAD(P)+-Transhydrogenase Levels in Escherichia coli, Archives of Biochemistry and Biophysics, 1976, 176, S. 747 ff.) und NK 8 (Liang A. et. Al, Coregulation of Oxidized Nicotinamide Adenine Dinucleotide (Phosphat) Transhydrogenase and Gluamate Dehydrogenase Activities in Enteric Bacteria During Nitrogen Limitation, Jouranl of Bacteriology, 1981, 146 (3), s. 997 ff) bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Dass die vom Bundespatentgericht vorgenommene Würdigung dieser Entgegenhaltungen, die allesamt nicht in einer deutschen Übersetzung vorgelegt wurden, offensichtlich und evident unzutreffend ist, vermag die Kammer auf der Grundlage des Sachvortrages der Beklagten nicht anzunehmen.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Grundlage in § 709 S. 1, 2 ZPO.