4b O 146/08 – Möbelscharnier

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1305

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 3. November 2009, Az. 4b O 146/08

Rechtsmittelinstanz: 2 U 77/09

I. Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren jeweiligen Vorständen bzw. Geschäftsführern, zu unterlassen,
Möbelbeschläge, insbesondere Möbelscharniere, mit integrierter Brems- und Dämpfungsvorrichtung, umfassend einen an einem Möbelteil festlegbaren Scharniertopf, der über mindestens einen Gelenkhebel beweglich mit dem Scharnierarm verbunden ist, wobei eine im Scharniertopf verschiebbar gelagerte, vom Gelenkhebel mittelbar oder unmittelbar betätigbare Mitnehmerplatte vorgesehen ist,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Mitnehmerplatte mindestens einen im Scharniertopf drehbar gelagerten Bremsteller in Drehung versetzt, wobei der Bremsteller mindestens eine erste Bremsfläche aufweist, die auf mindestens einer zugeordneten feststehenden oder gegenüber der ersten Bremsfläche beweglichen zweiten Bremsfläche gleitet;

2.
der Klägerin für die Zeit seit dem 17.10.2003 unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe

a)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und –preisen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und –preisen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und -medien , deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 27.05.2006 zu machen sind
und
den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.401,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 14.05.2009 zu zahlen.

III. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten Gegenstände zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre eigenen Kosten herauszugeben.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
1.
der Klägerin für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in den Zeit vom 17.10.2003 bis zum 26.05.2006 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen, sowie

2.
der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 27.05.2006 begangenen Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

VI. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

VII. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

VIII. Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 344 XXX (Klagepatent, Anlage K 1) und des deutschen Gebrauchsmusters DE 202 21 XXX (Klagegebrauchsmuster, Anlage K 3) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Schadensersatz und Entschädigung in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 14.03.2002 am 05.03.2003 angemeldet und dessen Erteilung am 18.07.2007 veröffentlicht wurde. Die Anmeldung wurde am 17.09.2003 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.
Die Klägerin ist des weiteren Inhaberin des Klagegebrauchsmusters, das am 14.03.2002 angemeldet und am 23.03.2006 eingetragen wurde. Die Bekanntmachung der Eintragung im Patentblatt erfolgte am 27.04.2006. Das Klagegebrauchsmuster steht ebenfalls in Kraft.

Das Klagegebrauchsmuster, dessen Schutzansprüche 1 bis 14 mit den erteilten Patentansprüchen des Klagepatents identisch sind, bezieht sich auf einen Möbelbeschlag, insbesondere ein Möbelscharnier mit einer Brems- und Dämpfungsvorrichtung.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, lautet – ebenso wie der Gebrauchsmusteranspruch 1 des Klagegebrauchsmusters – wie folgt:
Möbelbeschlag, insbesondere Möbelscharnier (1), mit integrierter Brems- und Dämpfungsvorrichtung (7), umfassend einen an einem Möbelteil festlegbaren Scharnierarm (2) und einen an einem anderen, beweglichen Möbelteil festlegbaren Scharniertopf (5), der über mindestens einen Gelenkhebel (3, 4) beweglich mit dem Scharnierarm (2) verbunden ist, wobei
eine im Scharniertopf (5) verschiebbar gelagerte, vom Gelenkhebel (4) mittelbar oder unmittelbar betätigbare Mitnehmerplatte (8) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Mitnehmerplatte mindestens einen im Scharniertopf (5) drehbar gelagerten Bremsteller (15, 16; 35, 38) mindestens eine erste Bremsfläche (32) aufweist, die auf mindestens einer zugeordneten, feststehenden oder gegenüber der ersten Bremsfläche (32) beweglichen zweiten Bremsfläche (32) gleitet.

Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Klagepatentschrift stammen. Figur 1 zeigt eine Draufsicht auf das erfindungsgemäße Möbelscharnier in einer ersten Ausführungsform. Figur 2 zeigt einen seitlichen Schnitt durch das Möbelscharnier gemäß Figur 1 in halb geschlossener Stellung. Die Figur 3 zeigt eine teilweise geschnittene, perspektivische Ansicht des Möbelscharniers und Figur 4 eine Explosionsdarstellung des Möbelscharniers. Auf Figur 5 ist ein Schnitt durch die im Scharniertopf angeordnete Brems- und Dämpfungsvorrichtung dargestellt und Figur 11 zeigt schließlich eine Detailansicht der Betätigung der Mitnehmerplatte durch den Gelenkhebel beim Schließen des Scharniers gemäß Figur 9.

Die Beklagte zu 1) ist ein italienisches Unternehmen, das Möbelscharniere, Verbindungsbeschläge und Öffnungssysteme herstellt und vertreibt. Die Beklagte zu 2) ist ein Tochterunternehmen der Beklagten zu 1), die deren Produkte in Deutschland vertreibt. Die Beklagte zu 1) bewarb auf der vom 25. bis zum 28. Februar 2008 stattfindenden A (A) das von ihr hergestellte Möbelscharnier „B“ mit integrierter Brems- und Dämpfungsvorrichtung (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform zeigt das nachfolgend wiedergegebene Lichtbild (Anlage K 10).

Ein Muster des Möbelscharniers hat die Klägerin als Anlage K 11 vorgelegt. Anlage K 14 zeigt die Einzelbestandteile der angegriffenen Ausführungsform.

Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 24.11.2006 (Anlagenkonvolut K 15) wies die Klägerin die Beklagte zu 1) darauf hin, dass die angegriffene Ausführungsform ihrer Ansicht nach das Klagegebrauchsmuster verletze. Die Beklagte zu 1) wurde aufgefordert, zu diesem Vorwurf Stellung zu nehmen. Die Beklagte zu 1) erwiderte mit Schreiben vom 19.01.2007, sie sei der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze weder das Klagegebrauchsmuster noch das Klagepatent. Mit Schreiben vom 03.08.2007 (vgl. Anlagenkonvolut K 15) forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Mit Schreiben vom selben Datum mahnte die Klägerin durch patentanwaltliches Schreiben auch die Beklagte zu 2) wegen einer Verletzung der Klageschutzrechte durch dieselbe angegriffene Ausführungsform ab.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent und das Klagegebrauchsmuster wortsinngemäß. Zu der geltend gemachten Erstattung von Patentanwaltsgebühren trägt die Klägerin vor, es sei sowohl für die Abmahnung der Beklagten zu 1) als auch für die Abmahnung der Beklagten zu 2) jeweils ein Gegenstandswert von 250.000,00 € zu Grunde zu legen. Auf dieser Grundlage habe der Patentanwalt jeweils eine 1,8 Gebühr berechnet, so dass sich für beide Fälle ein Betrag von je 3.713,50 € ergebe. Ferner seien die Klageschutzrechte schutzfähig bzw. rechtsbeständig. Die von der Beklagten im Einspruchs- bzw. Löschungsverfahren eingeführten Entgegenhaltungen aus dem Audio- bzw. Videobereich, die sich etwa mit der Dämpfung des Verschlusses eines Kassettenfaches beschäftigten, werde der Fachmann von vornherein nicht zur Verbesserung von Möbelscharnieren heranziehen. Bei Möbelteilen seien ganz andere Bewegungskräfte aufzunehmen.

Die Klägerin beantragt,
wie erkannt, mit der Ausnahme, dass die Klägerin im Hinblick auf die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten beantragt hatte,
die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Gesamtschuldner 7.427,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14.05.2009) zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über den gegen das Klagepatent EP 1 344 XXX anhängigen Einspruch der Beklagten zu 1) vom 28.05.2008 und über den gegen das Klagegebrauchsmuster DE 202 21 XXX anhängigen Löschungsantrag vom 23.01.2009 auszusetzen.
Die Beklagten meinen, bei der angegriffenen Ausführungsform seien weder die Mitnehmerplatte noch der Bremsteller im Scharniertopf verschiebbar bzw. drehbar gelagert. Die Brems- und Dämpfungsvorrichtung sei auch nicht in das Scharnier integriert im Sinne des Klagepatents. Sie sei vielmehr ein selbstständiges Bauteil, das bei Bedarf von außen an das Möbelscharnier angebracht werden könne. Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen. Die WO 03/004XXX (im Folgenden: D 9, Anlagenkonvolut B 5.3) nehme die Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorweg. Auch komme der Fachmann ohne erfinderischen Schritt zu der Lehre des Klagepatents, wenn er die DE 20 104 XXX (im Folgenden: D 2, Anlagenkonvolut B 4.3) mit der US 5 269 XXX (im Folgenden: B 2) kombiniere. Das Klagegebrauchsmuster werde sich ebenfalls im Löschungsverfahren als nicht schutzfähig erweisen. Insbesondere eine Kombination der Lehren aus der US 4 576 XXX (im Folgenden: D 6, Anlagenkonvolut B 4.3) und der B 2 lege die Lehre des Klagegebrauchsmusters nahe.
Zu den Patentanwaltskosten meint die Beklagte, die Abmahnung der Beklagten sei nicht erforderlich gewesen, weil die Beklagte zu 1) bereits zuvor mitgeteilt habe, sie sei der Ansicht, die Klageschutzrechte nicht zu verletzen. Diese Aussage habe auch für den Vertrieb in Deutschland, also auch für die Beklagte zu 2) gegolten. Im Übrigen sei die separate Abmahnung der beiden Beklagten missbräuchlich und habe unnötige Kosten verursacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der geltend gemachten Patentanwaltskosten begründet.
Die Klägerin kann von den Beklagten Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Entschädigung, Schadensersatz und von der Beklagten zu 2) Vernichtung aus Artikel 64 Abs. 1 EPÜ; §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, 140b Abs. 1 PatG; Artikel II § 1 Satz 1 IntPatÜG; §§ 242, 259 BGB bzw. §§ 24 Abs. 1, 24a Abs. 1, 24b Abs. 1, 2 GebrMG sowie Schadensersatz bereits ab dem 27.05.2006 aus § 24 Abs. 2 GebrMG verlangen. Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 1 der Klageschutzrechte in der geltend gemachten Fassung wortsinngemäß Gebrauch, ohne dass die Beklagten dazu berechtigt sind (§ 9 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 PatG, § 11 Abs. 1 GebrMG). Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Patentanwaltskosten ist gemäß § 139 Abs. 2 PatG bzw. § 24 Abs. 2 GebrMG zum überwiegenden Teil begründet.

I.
Die Klageschutzrechte schützen im Anspruch 1 ein Möbelscharnier mit integrierter Brems- und Dämpfungsvorrichtung.
Um bewegliche Möbelteile abzufedern waren im Stand der Technik Dämpfungselemente in Form von einfachen Puffern bekannt. Derartige Puffer können zwar Geräusche vermeiden, allerdings kritisiert das Klagepatent daran, dass sie nicht im erforderlichen Maße die Bewegungsenergie von beweglichen Möbelteilen abbauen können.
Die DE-OS 27 08 545 (im Folgenden: K 5) offenbart die Möglichkeit, einen solchen Puffer, d.h. ein elastisches Dämpfungselement in ein Möbelscharnier zu integrieren. Wie die Figur 4 zeigt, ist dort das Dämpfungselement (64) im Raum zwischen den Scharnierlenkern (18, 20) angeordnet.

Dadurch sollen stoßartige Beanspruchungen des Scharniers verhindert werden, die entstehen, wenn die Möbeltür mit hoher Bewegungsenergie in die Öffnungsstellung gebracht wird.

Die in den Klageschutzrechten ebenfalls gewürdigte AT-PS 349 931 (im Folgenden: K 6) sieht dagegen vor, das elastische Dämpfungsglied (1) zwischen dem Scharnierarm (2) und dem Scharniertopf (7) anzuordnen, wie die Figuren 1 und 2 zeigen.

Dadurch werden Geräusche und Stöße beim Schließen der Möbeltür vermieden.

Die Klageschutzrechte nennen als bekannten Stand der Technik darüber hinaus hydraulische und pneumatische Stoßdämpfer, die eine Kolben-Zylinder-Anordnung aufweisen mit zwei Arbeitskammern, zwischen denen ein flüssiges oder gasförmiges Medium strömt, das einen Brems- und Dämpfungseffekt bewirkt. An dieser Lösung kritisieren die Klageschutzrechte, dass derartige Dämpfer eine hohe Haftreibung aufweisen. Außerdem sind sie platzraubend, teuer und eignen sich nicht als integrierbare Dämpfer in Möbelbeschlägen.

Die Klageschutzrechte nennen desweiteren Stand der Technik, in dem auf Reibung basierende Brems- und Dämpfungselemente, meist in Verbindung mit Federelementen eingesetzt werden. So zeigt etwa die DE 199 15 164 (im Folgenden: K 7.1) einen Federzylinder, bei dem die Bewegung eines beweglichen Möbelteils (12) durch die Reibung eines Stangenteils (30) an dem Zylindergehäuse (26) abgebremst wird, wie die dortige Figur 1 zeigt.

Die B 2 offenbart schließlich ein Möbelscharnier mit einer im Scharniertopf integrierten Dämpfungsvorrichtung, wobei die Dämpfungsvorrichtung ebenfalls über ein Stangenteil und ein Zylindergehäuse verfügt, wie Figur 2 zeigt.

An einer solchen Brems- und Dämpfungsvorrichtung kritisieren die Klageschutzrechte, dass das abzubremsende Teil rattern oder sogar stecken bleiben kann (sog. Slip-Stick-Effekt). Außerdem ist der Verschleiß insbesondere dann groß, wenn Massen hoher Bewegungsenergie abgebremst werden müssten.

Den Klageschutzrechten liegt vor diesem Hintergrund das Problem zu Grunde, einen Möbelbeschlag, insbesondere ein Möbelscharnier mit einer integrierten Brems- und Dämpfungsvorrichtung vorzuschlagen, das in der Lage ist, ein bewegliches Möbelteil während des Schließ- oder Öffnungsvorgangs sicher und zuverlässig abzubremsen und abzudämpfen. Auch sollen Erschütterungen oder Schlaggeräusche beim Schließvorgang vermieden werden. Das bewegliche Möbelteil soll über eine bestimmte Wegstrecke nahezu verschleißfrei abbremsen.

Dies soll durch Anspruch 1 der Klageschutzrechte erreicht werden, der die folgenden Merkmale aufweist:
1) Möbelbeschlag, insbesondere Möbelscharnier, mit integrierter Brems- und Dämpfungsvorrichtung
2) umfassend einen an einem Möbelteil festlegbaren Scharnierarm und
3) einen an einem anderen, beweglichen Möbelteil festlegbaren Scharniertopf
4) der Scharniertopf ist über mindestens einen Gelenkhebel beweglich mit dem Scharnierarm verbunden
5) es ist mindestens ein im Scharniertopf drehbar gelagerter Bremsteller vorgesehen
a) der Bremsteller weist mindestens eine erste Bremsfläche auf
b) die mindestens eine erste Bremsfläche gleitet auf mindestens einer zugeordneten zweiten Bremsfläche
c) die mindestens eine zugeordnete zweite Bremsfläche ist feststehend oder gegenüber der ersten Bremsfläche beweglich

6) es ist eine im Scharniertopf verschiebbar gelagerte Mitnehmerplatte vorgesehen,

a) die Mitnehmerplatte ist vom Gelenkhebel mittelbar oder unmittelbar betätigbar

b) die Mitnehmerplatte versetzt den mindestens einen Bremsteller in Drehung.

Als Vorteil dieser Ausgestaltung bezeichnen es die Klageschutzrechte, dass eine sehr kompakte Bauweise des Möbelbeschlages erreicht wird, da keine externen Dämpfungselemente notwendig sind. Die Brems- und Dämpfungsvorrichtung ist im Scharnier integriert und von außen nicht sichtbar. Das Möbelband bleibt außen unverändert, die Baugröße bleibt ebenfalls gleich, und auch die Montage am Möbelstück erfolgt wie bisher (Absatz [0029] der Klagepatentschrift = Absatz [0032] der Klagegebrauchsmusterschrift).

II.
Die angegriffene Ausführungsform verletzt Anspruch 1 der Klageschutzrechte wortsinngemäß.

Zu Recht ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 2, 3 und 4 der Klageschutzrechte verwirklicht, so dass es hierzu keiner weiteren Erläuterungen bedarf. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht aber – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch die Merkmale 5, 6 und 1.

1.
Nach den Merkmalen 5 und 6 muss einerseits der Bremsteller im Scharniertopf drehbar gelagert und andererseits die Mitnehmerplatte im Scharniertopf verschiebbar gelagert sein. Beide Bauteile müssen also im Scharniertopf gelagert sein.

Die Beklagten meinen, als Scharniertopf sei lediglich der Bereich der metallenen Vertiefung anzusehen, in den der Gelenkhebel in der geschlossenen Position der Möbelscharniers versenkt werde. Die untere, teilweise geöffnet ausgestaltete Begrenzung dieser Metallvertiefung sei die Bodenplatte des Scharniertopfes. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei die Brems- und Dämpfungsvorrichtung von außen an die Bodenplatte des Scharniertopfes aufgesetzt. Sämtliche Bauteile der Brems- und Dämpfungsvorrichtung (also auch die Mitnehmerplatte und der Bremsteller) befänden sich daher nicht im, sondern außerhalb des Scharniertopfes.

Diese Auffassung überzeugt die Kammer nicht. Richtig ist zwar, dass in den Druckschriften, die die Klageschutzrechte als Stand der Technik zitieren, der Scharniertopf – jedenfalls in den Figuren – jeweils als ein einteiliges Bauteil dargestellt ist, das in die Bohrung einer Möbeltür eingelassen wird. In dieser Weise sind die Scharniertöpfe jeweils in den Figuren 1 und 2 der K 6, der Figur 4 der K 5 und der Figur 2 der B 2 dargestellt. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass die Klageschutzrechte diesen Aufbau des Scharniertopfes unverändert übernehmen. Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Vielmehr eröffnen die Klageschutzrechte gerade eine andere Art des Aufbaus eines Scharniertopfes und definieren diesen Begriff damit eigenständig (vgl. BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Dies erkennt der Fachmann bereits, wenn er die Figur 4 der Klageschutzrechte betrachtet. Das dort dargestellte Ausführungsbeispiel zeigt, dass der Scharniertopf nach der Erfindung zwar ebenso wie im Stand der Technik eine zylindrische Vertiefung nach unten eröffnet – was der Begriffes des „Topfes“ auch nahe legt -, dass er aber andererseits im Unterschied zum Stand der Technik auch ein mehrteiliges Bauteil sein kann. Denn in der Figur 4 ist eine Bodenplatte 6 gezeigt, die ein separates Bauteil darstellt und von unten zwischen die zylindrischen Seitenwände des Scharniertopfes eingesetzt wird, beispielsweise durch Einschrauben (vgl. Klagepatentschrift, Absatz [0035] = Klagegebrauchsmusterschrift, Absatz [0053]). Wie die Bezeichnung Bodenplatte schon anzeigt, ist dieses Bauteil nach dem Verständnis der Klageschutzrechte selbstverständlich noch Teil des Scharniertopfes, und zwar dessen Begrenzung nach unten. So heißt es in Absatz [0018] der Klagepatentschrift (= Absatz [0017] der Klagegebrauchsmusterschrift) , der Scharniertopf sei durch eine Bodenplatte verschlossen, deren Innenfläche die feststehende Bremsfläche ausbilde, an welcher der Bremsteller anliege. Der Einwand der Beklagten, dieser Absatz sei nicht aussagekräftig, da dort nur von einem Verschließen des Scharniertopfes die Rede sei, es aber gar nicht entscheidend sei, ob ein Scharniertopf geschlossen sei oder nicht, vermag nicht zu überzeugen. Denn jedenfalls sehen die Klageschutzrechte all diejenigen Bauteile, die sich diesseits der Bodenplatte befinden, noch als im Scharniertopf befindlich an: Schließlich befindet sich nach den Klageschutzrechten der Bremsteller, der nach Absatz [0018] der Klagepatentschrift innen auf der Bodenplatte gleiten soll, nach der Definition der Klageschutzrechte (Merkmal 5) im Scharniertopf.
Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass die Klageschutzrechte durchaus eine Ausführung des Scharniertopfes als patentgemäß ansieht, bei der dieser Topf aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt ist. Eine einteilige Ausführung wie sie im Stand der Technik klassisch verwendet wurde, setzen die Klageschutzrechte nicht voraus. Damit ist auch eine Ausgestaltung schutzrechtsgemäß, bei der die Bodenplatte, die den Scharniertopf verschließt, extern auf den Scharniertopf aufgesteckt wird. Auch spricht für den Fachmann nichts dagegen, dass er die Bodenplatte derart an dem Scharniertopf befestigen kann, dass die Bodenplatte seitliche Wandungen aufweist, die den Scharniertopf von außen umschließen – wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall ist. Gewahrt bleiben muss lediglich die zylindrische „Topfform“ des zusammengesetzten Teils.

Gegen die Schlussfolgerung, dass der Scharniertopf auch aus mehreren zusammenzusteckenden Teilen bestehen darf, spricht auch nicht die Funktion, die die Brems- und Dämpfungsvorrichtung erfüllen soll. Die Klageschutzrechte geben insoweit vor, dass die Brems- und Dämpfungsvorrichtung in das Möbelscharnier integrierbar sein soll. Unter Berücksichtigung der Vorteilsangaben der Klageschutzrechte versteht der Fachmann diese Vorgabe dahingehend, dass die Brems- und Dämpfungsvorrichtung von außen nicht sichtbar sein soll und dass diese kein einzelnes Teil sein soll, das separat vom Möbelscharnier montiert werden, sondern vielmehr in dem Scharniertopf enthalten sein soll. Diese Vorgabe wird aber dann eingehalten, wenn die Brems- und Dämpfungsvorrichtung – unten, also unter Wahrung der Topfform – auf den Scharniertopf aufgesteckt und dann als ein Teil des Scharniertopfes zusammen mit dem Möbelscharnier montiert werden kann. Der in die Bohrung der Möbeltür einzusetzende Scharniertopf kann dadurch immernoch auf einer vertretbaren Größe gehalten werden, und die Brems- und Dämpfungsvorrichtung ist weder von außen sichtbar noch bedarf es einer separaten Montage dieser Vorrichtung.

Schließlich ist ein von außen auf die Seitenwände des Scharniertopfes aufzusteckendes Bodenteil auch nicht etwa deshalb nicht mehr als Teil des Scharniertopfes anzusehen, weil der metallene Scharniertopf oberhalb dieses aufzusteckenden Teils bereits einen ersten, etwa die Hälfte der Bodenfläche bedeckenden Metallboden aufweist, wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall ist. Denn die Klageschutzrechte sehen das Vorhandensein eines solchen unvollständigen „ersten Bodens“ selbst vor. So ist sowohl in der Figur 5 als auch in der Figur 11 der Klageschutzrechte gezeigt, dass der Scharniertopf 5 eine bodenartige, in das Innere des Scharniertopfes weisende Zunge aufweist, die sich noch oberhalb der Mitnehmerplatte 8 sowie des Bremstellers 35 und der Bodenplatte 41 befindet. Dennoch gehen die Klageschutzrechte offenbar ohne weiteres davon aus, dass eine solche Ausführung schutzrechtsgemäß ist, dass also in diesem Fall die Mitnehmerplatte trotz des ersten Bodens „in dem Scharniertopf“ gelagert ist im Sinne des Merkmals 6.

Letztlich legt es die Lehre der Klageschutzrechte sogar nahe, vor der Bodenplatte des Scharniertopfes einen solchen „ersten Boden“ vorzusehen. Denn schließlich muss die Mitnehmerplatte linear verschoben werden. Diese Verschiebebewegung muss in irgendeiner Weise gesteuert werden. Zu diesem Zweck kann, wie es in Absatz [0017] der Klagepatentschrift (= Absatz [0016] der Klagegebrauchsmusterschrift) heißt, die Mitnehmerplatte linear verschiebbar in einer Führungsnut geführt werden. Eine solche Führungsnut kann im unteren Bereich des Scharniertopfes dadurch erzeugt werden, dass das Material des Scharniertopfes nach innen verengt wird, was insbesondere durch die Ausbildung eines Bodens mit einer Öffnung geschehen kann. Genau dies zeigt etwa die Figur 5 der Klageschutzrechte. Dort erstreckt sich der Scharniertopf 5 im Bereich der Mitnehmerplatte 8 weit in das Innere der zylindrischen Vertiefung, so dass die seitlichen Kanten der Mitnehmerplatte 8 daran geführt werden können.

Bei der angegriffenen Ausführungsform wird auf die Seitenwände des Scharniertopfes, der mit einem „ersten (Metall-)Boden“ versehen ist, die Bodenplatte mit den darin liegenden Teilen Mitnehmerplatte und Bremsteller aufgesteckt. Damit endet der Scharniertopf erst mit der äußersten Bodenplatte, die die Topfform abschließt. Der Bremsteller und die Mitnehmerplatte liegen damit im Scharniertopf, wie es die Merkmale 5 und 6 verlangen.

2.
Auch das Merkmal 1 ist bei der angegriffenen Ausführungsform erfüllt. Die Brems- und Dämpfungsvorrichtung ist in das Möbelscharnier integriert. Wie bereits ausgeführt, ist dieses Merkmal der „Integriertheit“ derart zu verstehen, dass die Brems- und Dämpfungsvorrichtung kein einzelnes Teil sein soll, das separat vom Möbelscharnier montiert werden soll. Dadurch soll eine einfache Montage möglich sein und die Optik nicht beeinträchtigt werden, da das Brems- und Dämpfungsvorrichtung von außen nicht sichtbar ist.

Diese Auslegung ergibt sich insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, wie die Klageschutzrechte den Stand der Technik würdigt und welche Vorteile sie der Erfindung in Abgrenzung dazu zuschreiben. So beschreiben die Klageschutzrechte als Stand der Technik sowohl Scharniere, bei denen eine Brems- und Dämpfungsvorrichtung in das Möbelscharnier eingebracht ist als auch Scharniere, bei denen die Brems- und Dämpfungsvorrichtung ein vom Möbelscharnier separates Bauteil darstellt. Als Beispiel für letztere Scharnierart nennen die Klageschutzrechte die DE 199 15 164 (Anlage K 7.1) und die DE 197 17 937 (Anlage K 16). An diesem Stand der Technik kritisieren die Klageschutzrechte – neben dem hohen Verschleiß und dem drohenden Stip-Slick-Effekt -, dass sich diese Dämpfer nicht als integrierbare Dämpfer in Möbelbeschlägen eignen. Passend zu dieser Kritik bezeichnen es die Klageschutzrechte als einen Vorteil der Erfindung, dass keine externen Dämpfungselemente notwendig seien, sondern stattdessen die Brems- und Dämpfungsvorrichtung im Scharnier integriert sei (Klagepatentschrift, Absatz [0029] = Klagegebrauchsmusterschrift, Absatz [0032]). Daraus schließt der Fachmann, dass die Klageschutzrechte eine „integrierte“ Anordnung der Brems- und Dämpfungsvorrichtung dann für gegeben halten, wenn diese kein zusätzlich zu dem Möbelscharnier zu montierendes, sondern vielmehr ein mit diesem verbundenes Teil ist, so dass der Möbelbeschlag „wie bisher“ montiert werden kann.

Bei der angegriffenen Ausführungsform ist die Brems- und Dämpfungsvorrichtung in das Möbelscharnier integriert. Denn sie wird fest mit dem Möbelscharnier verbunden, ist nach der Montage von außen nicht sichtbar und führt dazu, dass das Möbelscharnier mit klassischen Bohrungen installiert werden kann.

III.
Das Klagegebrauchsmuster ist schutzfähig. Es besteht daher auch kein Anlass dafür, die Verhandlung im Hinblick auf das gegen das Klagegebrauchsmuster anhängige Löschungsverfahren gemäß § 19 GebrMG auszusetzen.

1.
Die Erfindung ist ausreichend deutlich offenbart. Der in § 15 GebrMG nicht ausdrücklich genannte, aber von der Rechtsprechung anerkannte selbstständige Löschungsgrund der mangelnden Offenbarung (BGH GRUR 1968, 86, 89 – Ladegerät I) liegt nicht vor.
Die Beklagten begründen diesen Einwand damit, dass im Klagegebrauchsmuster im Anspruch 1 nicht näher angegeben wird, wo sich die zweite Bremsfläche befinden solle, auf der die erste Bremsfläche des im Scharniertopf gelagerten Bremstellers gleiten solle. Selbst wenn beim Fachmann allerdings nach Lektüre der Gebrauchsmusteransprüche diese Frage aufkommen würde, dann würden ihm die Figuren der Klagegebrauchsmusterschrift konkret zeigen, wo diese zweite Bremsfläche angebracht werden kann, nämlich an der Bodenplatte des Scharniertopfes. Damit ist die Erfindung so vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie nacharbeiten kann.

2.
Die klagegebrauchsmustergemäße Erfindung ist neu gemäß § 3 Abs. 1 GebrMG. Entgegen der Ansicht der Beklagten nimmt die D 9 die erfindungsgemäße Lehre nicht neuheitsschädlich vorweg.

Die D 9 offenbart eine Dämpfungsvorrichtung für mittels Scharnieren relativ zueinander angelenkten Möbelteilen. Wie die Dämpfung erzielt werden soll, ist auf den Seiten 2 unten bis Seite 3 oben der D 9 ausgeführt: Entweder soll die Dämpfung dadurch erfolgen, dass ein Kolben in einem zylindrischen Hohlraum längsverschieblich angeordnet wird und dass der Hohlraum mit einem fluiden Dämpfungsmedium gefüllt ist Oder aber die Dämpfung erfolgt derart, dass es ein zylinderförmiges Dämpfergehäuse gibt, das mit einem fluiden Dämpfungsmedium gefüllt ist und in das eine Welle hineingeführt ist, die sich drehen kann. An dieser Welle sind dann Widerstandselemente angebracht, die bei der Drehung durch das fluide Dämpfungsmedium auf Widerstand treffen. Die Welle soll in diesem Fall durch ein Zahnrad gedreht werden.
Die Beklagten berufen sich zur Begründung der Neuheitsschädlichkeit insbesondere auf in den Figuren 13 und 15 gezeigte Ausführungsform. In Figur 13 wird ein Scharnier gezeigt, bei dem der Tragarm 18 an der feststehenden Wand 14 des Möbelstück befestigt ist und der Scharniertopf 24 an dem Türflügel 12.

Türflügelseitig ist eine Dämpfungsvorrichtung 80 vorhanden, die „unmittelbar im Anschluss an den auf der Rückseite des Türflügels 12 aufliegenden Befestigungsflansch 82 des Scharniertopfes 24“ angeordnet ist (vgl. S. 11, 3. Absatz, 1. Satz). Die Dämpfungsvorrichtung funktioniert nun folgendermaßen: Es gibt ein Dämpfergehäuse 82 (vgl. Fig. 15), das durch eine Abdeckung 84 (vgl. Fig. 13) abgedeckt ist. Wie Figur 15 zeigt, ist im Dämpfergehäuse 82 ein Schieber 86 längsverschieblich geführt. An seinem Ende weist dieser Schieber eine Verlängerung 88 auf. Diese Verlängerung 88 weist an ihren Längsseiten zahnstangenartige Verzahnungen 92 auf, die mit Zahnrädern 94 kämmen. Über eine Walze 96 wird nun beim Schließen des Türflügels der Schieber 86 verschoben, so dass die Zahnräder über die Verzahnungen 92 zum Drehen gebracht werden. Dadurch wird im Innern des unter den Zahnrädern liegenden Hohlraums über die Bewegung der Widerstandselemente im fluiden Dämpfungsmedium eine Abbremsung bewirkt.

Die D 9 offenbart jedoch weder in ihrem Patentanspruch noch in den Ausführungen und Figuren zu dem Ausführungsbeispiel der Figuren 13 und 15 die Merkmale 5, 6 und 1, wonach die Mitnehmerplatte und mindestens ein Bremsteller im Scharniertopf vorgesehen sein sollen und die Brems- und Dämpfungsvorrichtung in das Möbelscharnier integriert sein soll.

Denn in den Patentansprüchen der D 9 heißt es zur Anordnung der Dämpfungsvorrichtung, diese solle „im Bereich wenigstens eines der die beiden Möbelteile verschwenkbar miteinander koppelnden Scharniere“ angeordnet werden. Eine Anordnung unmittelbar im Scharniertopf ist damit nicht offenbart.

Auch das in den Figuren 13 und 15 dargestellte Ausführungsbeispiel zeigt eine solche Anordnung nicht. Denn es wird in der D 9 nicht gesagt, dass der Schieber 86 in dem Scharniertopf angeordnet sein soll. Vielmehr heißt es auf Seite 11 im 3. Absatz, dass die Dämpfungsvorrichtung „unmittelbar im Anschluss an den Befestigungsflansch 82 des Scharniertopfes 24“ angeordnet sein soll. Diese Formulierung zeigt bereits, dass sich die Dämpfungsvorrichtung eben nicht in dem Scharniertopf befindet, sondern nur im Anschluss an dessen Befestigungsflansch. Figur 13 zeigt näher, wo sich der Scharniertopf 24, der Befestigungsflansch 82 und die Dämpfungsvorrichtung 80 befinden: die Dämpfungsvorrichtung 80 geht danach weit über die Vertiefung des eigentlichen Scharniertopfes hinaus. Der Scharniertopf befindet sich nämlich nach Figur 13 zwischen den ihn befestigenden Befestigungsflanschen 82. Die Dämpfungsvorrichtung 80 mit ihrer Abdeckung 24 ist dagegen daneben angeordnet. Dass sich der Schieber 86 mit seiner Verlängerung 88 und der eigentlichen Dämpfungsvorrichtung, die unterhalb der Zahnräder 94 angeordnet ist, außerhalb des Scharniertopfes befindet, wird auch in der textlichen Beschreibung der Figuren 13 bis 15 klar gesagt. So heißt es auf Seite 11 im 3. Absatz (Hervorhebungen durch die Kammer):
„Im Dämpfergehäuse 82 ist in einer scharniertopfseitigen Aussparung ein Schieber 86 längsverschieblich geführt, von dem sich am scharniertopfabgewandten Ende eine Verlängerung 88 in eine passende langgestreckte Ausnehmung 90 des Dämpfungsgehäuses 82 erstreckt.“
Danach sind die Verlängerung 88 des Schiebers 86 und die dortigen Zahnräder 94 dem Scharniertopf gerade abgewandt. Erst recht ergibt sich aus der Figur 13, dass die Brems- und Dämpfungsvorrichtung nicht in das Möbelscharnier integriert ist im Sinne des Klagegebrauchsmusters. Denn die Dämpfungsvorrichtung wird nicht zusammen mit dem Scharniertopf im Möbelteil versenkt. Stattdessen nimmt die Dämpfungsvorrichtung seitlich über den Scharniertopf hinausgehenden Raum in Anspruch, ist von außen sichtbar und muss ihrerseits in geeigneter Weise an dem Türflügel befestigt werden.

Im Übrigen offenbart die D 9 – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – auch keinen Bremsteller im Sinne des Merkmals 5 und eine zweite Bremsfläche, an der dieser gleitet. Denn wie in der Beschreibung auf Seite 11 oben der D 9 erläutert, funktioniert der Mechanismus des Abbremsens bzw. Dämpfens bei der D 9 nicht über zwei aneinander reibende Bremsflächen, sondern statt dessen entweder über die Kolben-Zylinder-Lösung oder aber über die Welle mit Widerstandselementen, die sich im mit dem fluiden Dämpfungsmedium gefüllten Hohlraum dreht. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, der Bremsteller seien bei der Lösung, die eine Welle mit Widerstandselementen verwendet, mit offenbart, überzeugt dieser Einwand nicht. Die Beklagten haben insoweit geltend gemacht, der Fachmann kenne derartige Dämpfungsvorrichtungen und gehe davon aus, dass an der Welle eine Scheibe befestigt werde, die – vermittelt durch das dazwischen liegenden Dämpfungsfluid – auf dem Boden der Dämpfungsvorrichtung gleite. Die Beklagten haben zum Beleg für eine solche Dämpfungsvorrichtung auf die – nicht in deutscher Übersetzung vorliegende – D 6 verwiesen. Allein der Umstand, dass in der D 6 eine solche Dämpfungsvorrichtung gezeigt sein mag, belegt aber nicht, dass diese Ausgestaltung einer Dämpfungsvorrichtung für den Fachmann derart selbstverständlich ist, dass er sie auch in der D 9 ohne weiteres mitliest. Immerhin werden in der D 9 zum Aufbau des Inneren der Dämpfungsvorrichtung keinerlei Einzelheiten erwähnt.

3.
Die klagegebrauchsmustergemäße Erfindung beruht auch auf einem erfinderischen Schritt im Sinne des § 1 Abs. 1 GebrMG.

Ob ein erfinderischer Schritt vorliegt, ist nach der Entscheidung „Demonstrationsschrank“ des BGH vom 20.06.2006 (GRUR 2006, 842) kein quantitatives, sondern ein qualitatives Kriterium. Die Beurteilung des „erfinderischen Schritts“ im Gebrauchsmusterrecht ist wie die der „erfinderischen Tätigkeit“ im Patentrecht das Ergebnis einer Wertung. Dabei gelten nach dieser Entscheidung des BGH für die Beurteilung des „erfinderischen Schritts“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 GebrMG) die gleichen Maßstäbe wie für das Beruhen auf einer „erfinderischen Tätigkeit“ im Sinne von § 1 Abs. 1 PatG. Nach § 4 PatG gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gleiches gilt für das Vorliegen eines erfinderischen Schritts.

a)
Die klagegebrauchsmustergemäße Lehre ist nicht durch eine Kombination der D 2 mit der D 3 nahe gelegt.

Die D 2 offenbart – wie aus der Figur 2 ersichtlich ist – ein Möbelscharnier, das aus einem Scharnierarm 2 und einem Scharniertopf 1 besteht.

Ein Abbrems- bzw. Dämpfungseffekt wird beim Schließen der Möbeltür dadurch erreicht, dass ein Zahnstangenprofil 20 des Scharnierarmes 2 mit dem Ritzel 18 in Eingriff kommt. Das Ritzel 18 versetzt daraufhin den von außen in die Seitenwand 13 des Scharniertopfes angebrachten Rotor 15 in Bewegung. Dies ist aus Figur 3 ersichtlich.

Dadurch wird im Innern des Rotationsdämpfers 16 die Bewegung abgebremst, und zwar indem im Innern des Rotationsdämpfers gegen ein Dämpfungsfluid rotiert wird (vgl. Seite 1, 6. Absatz).

Die D 3, die nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt wurde, scheint – soweit ersichtlich – eine Dämpfungsvorrichtung insbesondere für die Dämpfung von Klappen von Kassetten- oder Videorecordern zu offenbaren, wobei ein Zahnrad eine Dämpfungsvorrichtung in Drehung versetzt, in der ein Dämpfungsfluid verwendet wird.

Ob die D 3 angesichts der mangelnden deutschen Übersetzung überhaupt berücksichtigt werden kann und was sich ihr im Einzelnen entnehmen lässt, kann vorliegend jedoch dahinstehen. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten offenbart die D 2 nicht nur das Merkmal der Integration der Brems- und Dämpfungsvorrichtung in den Scharniertopf nicht, das der Fachmann nach Ansicht der Beklagten in der D 3 hätte finden können. Vielmehr offenbart die D 2 darüber hinaus auch das Merkmal 5 nicht, wonach es eine Mitnehmerplatte geben muss, die im Scharniertopf verschiebbar gelagert sein soll.

Denn das Ritzel 18 (vgl. Figur 2), das die Beklagten bei der D 2 als die Mitnehmerplatte ansehen, ist zwar drehbar, aber nicht wie die Mitnehmerplatte verschiebbar gelagert. „Verschieben“ bedeutet nach allgemeinem Begriffsverständnis, dass ein ganz oder teilweise auf einer anderen Fläche aufliegendes Teil als Ganzes in seiner Position gegenüber der Fläche, auf der es aufliegt, bewegt wird. Dieses Begriffsverständnis legen auch die Klageschutzrechte zu Grunde. Denn das Klagegebrauchsmuster differenziert durchaus zwischen einer „drehbaren“ Lagerung (vgl. K 3, Absatz [0013] Mitte) und einer Verschiebbarkeit (vgl. K 3, Absatz [0016]). Im Zusammenhang mit der Mitnehmerplatte ist von einer „linearen Bewegungsstrecke“ (K 3, Absatz [0015]) die Rede. In Absatz [0014] der Klagegebrauchsmusterschrift wird es sogar als der Kern der Erfindung bezeichnet, dass die lineare Stellbewegung der Mitnehmerplatte in eine Drehbewegung mindestens eines Bremstellers umgesetzt wird. Dass die Mitnehmerplatte eine lineare Bewegung vollzieht, dadurch aber eine Drehbewegung auslöst, wird nämlich deshalb für besonders vorteilhaft gehalten, weil die lineare Bewegung einen relativ größeren Bremsweg bewirkt und auch die Relativgeschwindigkeit des Bremstellers im Vergleich zur Mitnehmerplatte größer ist (Absatz [0015]). Eine solche Verschiebbarkeit einer Mitnehmerplatte im Sinne einer linearen Bewegung ist in der D 2 nicht offenbart.

Auch der in einer anderen Ausführungsform der D 2 an Stelle des Ritzels verwendete Hebelarm 26 kann nicht als ein Bauteil angesehen werden, das – wie die Mitnehmerplatte – verschiebbar gelagert ist. Dieser Hebelarm ist in den Figuren 12 und 14 gezeigt.

Wie diese Ausführungsform funktioniert, ist auf der Seite 4, 5. Absatz ff der D 2 beschrieben. Danach liegt der Hebelarm 26 auf einer Schenkelfeder 27 auf. Wird das Scharnier geschlossen, so drückt der Gelenkhebel 3 den Hebelarm 26 zu Boden. Dadurch werden – ohne dass in der D 2 näher erläutert wird, wie dies geschieht – die Rotationsdämpfer in Funktion (das heißt in Rotation) versetzt.
Dieser Hebelarm stellt aber deshalb keine verschiebbare Mitnehmerplatte im Sinne des Klagegebrauchsmusters dar, weil er zum einen keine „Platte“ ist und weil er zum anderen fest auf der Schenkelfeder 27 aufliegt und als Ganzes, auf dieser weiterhin aufliegend, weggedrückt wird. Er wird also nicht – wie das Verschieben voraussetzt-, gegenüber einer anderen Fläche in seiner Position bewegt.

Schließlich offenbart die D 2 auch keinen drehbar gelagerten Bremsteller, der auf einer zweiten Bremsfläche gleitet. Wie das Innere der von dem Ritzel 18 angetriebenen Dämpfungsvorrichtung (Bezugsziffer 16 in Figur 3) ausgestaltet ist, ist in der D 2 nicht näher erläutert.

b)
Die klagegebrauchsmustergemäße Lehre ist auch nicht durch eine Kombination der D 2 mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns nahe gelegt.

Diese Beklagten argumentieren insoweit, dass in der D 2 sämtliche Merkmale mit Ausnahme der Integration der Brems- und Dämpfungsvorrichtung in den Scharniertopf offenbart seien, und dass der Fachmann dann, wenn er die Baugröße des Scharniers optimieren wolle, ohne weiteres auf den Gedanken kommen würde, die Brems- und Dämpfungsvorrichtung innerhalb des Scharniertopfes zu installieren. Diese Argumentation scheitert allerdings – entsprechend den unter (1) gemachten Ausführungen – daran, dass die D 2 eben nicht sämtliche Merkmale außer der Integration offenbart. Insbesondere offenbart sie keine verschiebbar gelagerte Mitnehmerplatte. Dass es für den Fachmann nahe gelegen hätte, an Stelle des in der D 2 vorgesehenen Zahnrades vorzusehen, dass ein Teil linear verschoben wird, welche Bewegung dann in eine Drehbewegung umgewandelt wird, ist nicht dargetan. Es ist auch nicht ersichtlich, denn wenn in der D 2 bereits eine Drehbewegung erzielt ist, wäre es geradezu abwegig, dies „rückgängig“ zu machen, indem der komplizierterer Weg darüber gegangen wird, dass zunächst eine Linearbewegung erzeugt wird, die dann noch in eine Drehbewegung umgewandelt werden muss.

c)
Die klagegebrauchsmustergemäße Lehre ist gleichfalls nicht durch eine Kombination der D 2 mit der B 2 nahe gelegt.

Die B 2, die von den Klageschutzrechten gewürdigt und dementsprechend im Patenterteilungsverfahren berücksichtigt worden ist, ist nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt worden. Soweit ersichtlich, offenbart sie ein Scharnier, in dessen Scharniertopf zwei Kolben vorgesehen sind, die sich in Zylindern bewegen, in denen sich Luft oder Flüssigkeit befindet. Dadurch werden die Bewegungen des Scharniers abgefedert.

Da aber weder in der D 2 eine verschiebbar gelagerte Mitnehmerplatte (Merkmal 5) offenbart ist noch dargetan oder ersichtlich ist, dass sich dies aus der B 2 ergeben würde, kann eine Kombination der D 2 mit der B 2 nicht zur Offenbarung der Lehre des Klagegebrauchsmusters führen.

d)
Ebenso wenig legt eine Zusammenschau der B 2 mit einer der Entgegenhaltungen D 3 bis D 6 die Lehre des Klagegebrauchsmusters nahe.

Die Beklagte meint, die B 2 offenbare sämtliche Merkmale, mit Ausnahme der Bremsteller, denn an Stelle von Bremstellern verwende die B 2 zur Abbremsung pneumatische Zylinder. Die jeweils nicht übersetzten Entgegenhaltungen D 3 bis D 6 zeigen soweit ersichtlich Dämpfungsvorrichtungen, die in Kassetten- bzw. Videorecorderklappen eingesetzt werden können.

Die Kammer hält es bereits für zweifelhaft, ob ein Fachmann, der sich mit der Verbesserung eines Möbelscharniers beschäftigt und damit auf dem Gebiet der Beschlagtechnik vorgebildet ist, derartigen Stand der Technik, der aus dem Bereich der Audio- und Videotechnik stammt, überhaupt heranziehen würde. Jedenfalls aber ist nicht ersichtlich und wird von den Beklagten auch nicht geltend gemacht, dass eine der Entgegenhaltungen D 3 bis D 6 ein verschiebbares Teil in eine lineare Bewegung versetzt, die dann in eine Drehbewegung umgesetzt wird. So scheinen bei den Entgegenhaltungen die Dämpfungsvorrichtungen jeweils durch Zahnräder in eine Drehbewegung versetzt zu werden, wie beispielsweise das Zahnrad 21 in Figur 1 der D 3.

Damit ist aber in keiner der Entgegenhaltungen gerade der Kernpunkt der klagegebrauchsmustergemäßen Erfindung offenbart, dass nämlich durch die lineare Bewegung einer Mitnehmerplatte eine Drehbewegung von Bremstellern erreicht werden kann.

e)
Schließlich wird der erfinderische Schritt auch nicht durch eine Kombination der B 2 mit der D 2 in Frage gestellt. Denn keine der Entgegenhaltungen offenbart die Umsetzung einer linearen Bewegung einer Mitnehmerplatte, die in eine Drehbewegung eines Bremstellers umgesetzt wird. Außerdem ist weder in der B 2 noch in der D 2 ein Bremsteller offenbart.

IV.
Es besteht auch kein Anlass dazu, gemäß § 148 ZPO die Verhandlung im Hinblick auf den von der Beklagten zu 1) als Anlage B 4.2 vorgelegten Einspruch gegen das Klagepatent auszusetzen. Denn ein Widerruf des Klagepatents ist aus den vorgenannten Gründen nicht hinreichend wahrscheinlich.

V.
Aus der Verletzung des Klagepatents und des Klagegebrauchsmusters ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen.

1.
Da die Beklagten die Klageschutzrechte widerrechtlich benutzt haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG; § 24 Abs. 1 GebrMG.

2.
Darüber hinaus haften die Beklagten der Klägerin auf Schadensersatz, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG; § 24 Abs. 2 GebrMG). Die Beklagten trifft hinsichtlich der Schutzrechtsverletzungen auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten sie die Klageschutzrechte kennen und deren Verletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen voraussehen können. Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran, die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach feststellen zu lassen, § 256 ZPO. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten beginnt mit Ablauf eines Monats nach Bekanntmachung der Eintragung des Klagegebrauchsmusters. Der Entschädigungsanspruch ergibt sich für das Klagepatent aus Art. II § 1 IntPatÜG.

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (Art. 64 EPÜ, § 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB), wobei im zuerkannten Umfang Rechnungen vorzulegen sind (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5,249 – Faltenbalg). Hinsichtlich der Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ist den Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheibenbefestiger).

4.
Der zuerkannte Vernichtungsanspruch findet seine Grundlage in Art. 64 EPÜ, § 140a Abs. 1 PatG und § 24a Abs. 1 GebrMG.

5.
Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagten gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG sowie § 24 Abs. 2 GebrMG einen Anspruch auf Erstattung von außergerichtlichen Patentanwaltskosten für die Erstellung der Abmahnungen vom 03.08.2007. Die Kosten einer vorgerichtlichen Abmahnung sind dann vom Patentverletzer zu ersetzen, wenn ein wirtschaftlich denkender Mensch sie für notwendig erachten durfte, um einen konkret drohenden Schadenseintritt zu verhüten bzw. wenn die Abmahnung durch das rechtswidrige Verhalten des anderen herausgefordert worden ist und keine ungewöhnliche Reaktion auf dieses Verhalten darstellt (BGH GRUR 2007, 631, 632 – Abmahnaktion). Vorliegend hatte die Klägerin lediglich der Beklagten zu 1) vor der Abmahnung eine Berechtigungsanfrage vom 24.11.2006 (Anlagenkonvolut 15) geschickt. Daraufhin hatte die Beklagte zu 1) entgegnet, sie sei der Meinung, das Klagegebrauchsmuster und das Klagepatent seien nicht verletzt (Schreiben vom 19.01.2007). Eine förmliche Abmahnung war dennoch nicht von vornherein aussichtslos. Denn die Entscheidung, ob sich ein Schuldner nach einer Abmahnung doch noch unterwirft, ist eine Frage, die von vielen Faktoren abhängt. So kann etwa die kaufmännische Vernunft für die Unterwerfung sprechen, auch wenn der Abgemahnte die Rechtsansicht des Abmahnenden nicht teilt und das eigene Verhalten für rechtmäßig hält (so OLG Hamburg BeckRS 2006 02398 im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Gegner, der auf die Berechtigungsanfrage geantwortet hat, dass er das Schutzrecht seiner Ansicht nach nicht verletze, im daraufhin sofort eingeleiteten Gerichtsverfahren noch sofort anerkennen kann mit der Kostenfolge des § 93 ZPO). Tatsächlich signalisiert dem Gegner erst eine Abmahnung, dass der Patentinhaber dann, wenn der Abgemahnte nicht nachgibt, ein Gerichtsverfahren einleiten wird. Dieser Umstand kann den Gegner in der Tat zu anderen Erwägungen bewegen als es bei einer Berechtigungsanfrage der Fall ist, auf die noch unverbindlich Rechtsansichten ausgetauscht werden können.

Auch die Abmahnung der Beklagten zu 2) war erforderlich, zumal an diese Beklagte noch nicht einmal eine Berechtigungsanfrage versandt worden war. Da allerdings der Patentanwalt der Klägerin das Schutzrecht, dessen Rechtsbeständigkeit sowie die angegriffene Ausführungsform bereits vollumfänglich aus der Abmahnung bzw. der Berechtigungsanfrage an die Herstellerin, die Beklagte zu 1), kannte, erforderte es für den Patentanwalt keinen besonderen Aufwand mehr, die Abmahnung an die Beklagte zu 2) zu verfassen. Eine Gebühr von 1,8 ist daher nicht mehr gerechtfertigt. Vielmehr ist ein durchschnittliche 1,3–Gebühr anzusetzen, so dass für die Abmahnung der Beklagten zu 2) bei einem Gegenstandswert von 250.000,00 € ein Betrag von 2.687,60 € (2.667,60 € + 20 €) gerechtfertigt ist. Insgesamt ergibt sich ein Betrag von 6.401,10 €, für den die Beklagten als Gesamtschuldner haften, § 139 Abs. 2 PatG, § 840 BGB. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin im Hinblick auf die außergerichtlichen Abmahnkosten war verhältnismäßig geringfügig. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.