4a O 125/04 – Schleifendiuretikum III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 336

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Juli 2005, Az. 4a O 125/04

I. Die Beklagten werden – unter Abweisung der Klage im übrigen – verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder einer Ordnungshaft, zu vollziehen an den gesetzlich vertretungsberechtigten Personen der Beklagten bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
stabile pharmazeutische Formulierung mit einer wirksamen Menge an T und einem pharmazeutisch verträglichen Träger, dadurch gekennzeichnet, dass das T T-Modifikation II ist, welches bei Lagerung für wenigstens 3 Monate bei 40º C und 75 % relativer Feuchte keiner signifikanten Umlagerung in andere polymorphe Formen von T unterzogen wird,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu gebrauchen,

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18.10.2003 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei diese Angaben nur für die Zeit seit dem 13.06.2004 zu machen sind.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind,
1. der Klägerin für die zu I. 1 bezeichneten und in der Zeit vom 18.10.2003 bis zum 12.06.2004 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten und ab dem 13.06.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Klägerin zu 1/10, der Beklagten zu 1) zu 5/10 und der Beklagten zu 2) zu 4/10 auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt diese selbst, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) werden dieser zu 4/5 und der Klägerin zu 1/5 auferlegt.

IV. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000,00 EUR und für die Beklagte zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch eine unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Geltungsbereich der Bundesrepublik als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 292 xxx (nachfolgend Klagepatent, Anlage K 3, deutsche Übersetzung K 3a). Die Patentanmeldung erfolgte am 21.02.2001 und wurde am 19.03.2003 veröffentlicht. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 12.05.2004. Als Vertragsstaat wurde unter anderem Deutschland benannt. Die Veröffentlichung der in die deutsche Sprache übersetzten Ansprüche der Patentanmeldung erfolgte am 18.09.2003. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft; über den – neben anderen – seitens der Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom 31.01.2005 eingelegten Einspruch (Anlage GL 5) gegen das Klagepatent beim Europäischen Patentamt ist bislang noch nicht entschieden worden.

Das Klagepatent betrifft eine stabile pharmazeutische Formulierung, die TModifikation II enthält. T ist der generische Name für eine Verbindung mit der Summenformel C16H20N4O3S. Es ist ein Schleifendiuretikum, das zur Behandlung von Ödemen eingesetzt wird, die mit chronischem Nierenversagen einhergehen.

Patentanspruch1 lautet in der deutschen Fassung wie folgt:
„Stabile pharmazeutische Formulierung mit einer wirksamen Menge an T und einem pharmazeutisch verträglichen Träger, dadurch gekennzeichnet, dass das T T-Modifikation II ist, welches bei Lagerung für wenigstens 3 Monate bei 40º C und 75 % relativer Feuchte keiner signifikanten Umlagerung in andere polymorphe Formen von T unterzogen wird.“

Wegen des Wortlautes der weiteren Patentansprüche wird auf das Klagepatent verwiesen. Die nachfolgend wiedergegebenen Graphiken stammen aus dem Klagepatent und zeigen in Figur 1 ein Pulverröntgenbeugungsmuster einer Tablette mit hochreiner T-Modifikation II (Ansatz Nr. K-26683), in Figur 2 ein Pulverröntgenbeugungsmuster von hochreiner T-Modifikation II in der Masse (API 851700100) und in Figur 3 ein Pulverröntgenbeugungsmuster einer Placebo-Tablette, entsprechend einer Tablette, die 100 mg hochreine T-Modifikation II enthält.

Die Beklagte zu 1) vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland die Arzneimittel „TR 5mg„ und „TR 10mg„ mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil T(nachfolgend angegriffene Ausführungsform), welche von dem Unternehmen Pin Kroatien produziert werden. In ihrer chemischen Zusammensetzung sind diese identisch, sie unterscheiden sich nur in der Menge des in ihnen enthaltenen Wirkstoffs. Wegen weiterer Einzelheiten zur angegriffenen Ausführungsform wird auf die als Anlagen K 7a und K 8/8a vorgelegten Kopien einer Verpackung und einer Gebrauchsinformation sowie die als Anlage GL 3 vorgelegte Fachinformation TR Tabletten verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte zu 2) sei Herstellerin der angegriffenen Ausführungsform, welche von dem Klagepatent wortsinngemäß Gebrauch mache. Insbesondere eine von ihr an unstreitig zermahlenen Tabletten durchgeführte Pulverröntgenbeugungsanalyse (Anlagen 9/9a, 10/10a, 16/16a, 19/19a) habe gezeigt, dass es sich bei dem in der angegriffenen Ausführungsform vorhandenen T um erfindungsgemäßes T-Modifikation II handele, welches bei Lagerung für wenigstens 3 Monate bei 40º C und 75 % relativer Feuchte keiner signifikanten Umlagerung in andere polymorphe Formen von T unterzogen werde.

Die Klägerin beantragt,
wie zuerkannt,
wobei sie darüber hinaus mit Bezugnahme auf die Beklagte zu 2) die Unterlassungs- und Auskunftspflicht auch auf die Herstellung erstreckt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur Entscheidung im Einspruchsverfahren auszusetzen.

Die Beklagten stellen eine Verletzung des Klagepatents in Abrede. Mit Blick auf die seitens der Klägerin durchgeführten Untersuchungen beanstanden sie, dass dabei nur Tabletten der angegriffenen Ausführungsform „TR5mg„ analysiert wurden. Die Identität des Referenzmaterials sei nicht zu erkennen. Zudem genüge es nicht, nur auf vier der bei der Pulverröntgenbeugungsanalyse gewonnenen Scheitelpunkte abzustellen. Im übrigen ließen sich die von der Klägerin als maßgeblich betrachteten Scheitelpunkte nicht aus der Figur 2 der Erklärung von A gemäß 37 C. F. R. § 1.132 (im Folgenden A-Erklärung, Anlage GL 1) erkennen. Ferner sei nur eine Untersuchung der Kristallformen I, IV und II bzw. eine Umwandlung der Modifikation II in I und IV erfolgt. Außer acht gelassen worden sei hingegen die Modifikation wie sie in Anspruch 1 der PCT-Anmeldung der Firma PWO 00/20395 (nachfolgend P-Anmeldung) vorgesehen und wie sie allein in der angegriffenen Ausführungsform zu finden sei sowie eine Umwandlung der Modifikation II in jede andere beliebige polymorphe Form. Die Untersuchungen seien außerdem wegen des Zermahlens der Tablette, was zu einer verringerten Röntgenbeugung durch die Kristalle führe, mit Blick auf Spuren anderer T-Modifikationen in der Tablette nicht aussagekräftig. Abgesehen davon bezögen sich die in Merkmal 4 aufgestellten Anforderungen nicht auf die Tablette als solche, sondern allein auf den Wirkstoff.
Die Beklagten halten den Gegenstand von Anspruch 1 des Klagepatents nicht für patentfähig, da es sich nur um die Entdeckung einer Eigenschaft eines bekannten Materials handele. Die Patentfähigkeit scheitere darüber hinaus an der fehlenden Neuheit und dem Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit. Außerdem stellen sie eine ausreichende und vollständige Offenbarung einer Erfindung im Klagepatent in Frage, da weder beschrieben werde, wie hochreines T-Modifikation II herzustellen sei noch geeignete analytische Verfahren offenbart würden. Schließlich sei der Gegenstand des Klagepatents unzulässig geändert worden. Die Ansprüche seien im Laufe des Prüfungsverfahrens über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinaus geändert worden. Daher sei zumindest die Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf das Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt geboten.
Die Beklagte zu 2) bestreitet darüber hinaus ihre Passivlegitimation. Soweit sie – insoweit unstreitig – auf der Packungsbeilage als Herstellerin angegeben sei, sei dies nur im arzneimittelrechtlichen Sinne zu verstehen und beruhe auf dem Umstand, dass sie – insoweit ebenfalls unstreitig – die angegriffene Ausführungsform für das Inverkehrbringen freigegeben hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung des Anbietens, Inverkehrbringens, Gebrauchens und Einführens sowie die darauf bezogenen Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Entschädigung nach den Art. 2, 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 b, 9 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB, Art. II § 1 IntPatÜG zu. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Abzuweisen war die Klage hingegen insoweit als sie auch auf eine entsprechende Verurteilung der Beklagten zu 2) wegen Herstellens der angegriffenen Ausführungsform gerichtet war.

I.

Das Klagepatent betrifft die Formulierung von pharmazeutischen Zusammensetzungen und spezielle neue pharmazeutische Formulierungen in fester Dosierungsform für die orale Verabreichung (Tablette) von T. T ist der generische Name für 1-Isopropyl-3[4-m-toluidino-3-pyridyl)-sulfonyl]-harnstoff mit der Summenformel C16H20N4O3S und dient als Schleifendiuretikum insbesondere der Behandlung von Ödem, welches mit chronischem Nierenversagen einhergeht.

Zum Hintergrund der Erfindung führt das Klagepatent aus, dass das US-Patent Nr. Re. 30,633 eine Synthese von T beschreibe. Es sei bekannt, dass T in wenigstens zwei verschiedenen kristallinen Formen auftrete, Acta Cryst. 1978, S. 2659-2662 und Acta Cryst. 1978, S. 1304-1310. Hierin werde der Kristall, der durch die Raumgruppe P21/c identifiziert wird, als Dupont-Form 1, und der Kristall, der durch die Raumgruppe P2/n identifiziert wird, als Dupont-Form 2 bezeichnet. Als Stand der Technik erwähnt das Klagepatent darüber hinaus das US-Patent Nr. 4,822,807, welches als US-Patent Nr. Re. 34,672 erneut veröffentlicht wurde. Auch dieses beschreibe zwei kristalline Formen von T, wobei die eine als Modifikation I und die andere als Modifikation II bezeichnet werde. T-Modifikation I sei hier als das Tdefiniert, welches durch das Pulverröntgenbeugungsmuster aus Figur 1 in der A-Erklärung, eingereicht am 30.12.1987, die sich in der Akte des US-Patents Nr. 4,822,807 befinde, gekennzeichnet ist. T-Modifikation II sei darin definiert als T, welches durch das Pulverröntgenbeugungsmuster aus Figur 2 in der A-Erklärung gekennzeichnet ist. Aus dem US-Patent Nr. 4,822,807 gehe – ebenso wie aus dem US-Patent Nr. 5,914,336 – hervor, dass sich T-Modifikation II zu T-Modifikation I umordne, wenn es in sehr fein verteilter Form in pharmazeutischen Tabletten vorhanden sei. Dies habe zur Folge, dass die Rate der Lösung des aktiven Materials bei einem Einbringen der Tablette in Wasser erheblich verändert werden könne. Die Lösungsrate ist, wie das Klagepatent ausführt, eine wichtige Eigenschaft einer pharmazeutischen Dosierungsform und darf sich für eine reproduzierbare Dosierung nicht von einer Tablette zur nächsten unterscheiden. Das Klagepatent führt in diesem Zusammenhang weiter aus, dass durch das US-Patent Nr. 5,914,336 und die internationale Patentveröffentlichung WO 0110441 weitere Formen von T, wie T der Formen III und V, amorphes T, Solvate der T-Dupont-Form, und Verfahren für die Herstellung sowie neue Verfahren für die Herstellung von bekannten T-Modifikationen I und II offenbart werden.

Hiervon ausgehend liegt dem Klagepatent das Problem (die Aufgabe) zugrunde, pharmazeutische Formulierungen zur Verfügung zu stellen, die T-Modifikation II enthalten, worin sich das T nicht in T-Modifikation I umordnet und die in Bezug auf die Lösungsrate stabil sind.

Zur Lösung sieht Anspruch 1 des Klagepatents eine pharmazeutische Formulierung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Stabile pharmazeutische Formulierung
2. mit einer wirksamen Menge an T und einem pharmazeutischen Träger.
3. Das T ist T-Modifikation II,
4. welches bei Lagerung für wenigstens drei Monate bei 40º C und 75 % relativer Feuchte keiner signifikanten Umlagerung in andere polymorphe Formen von T unterzogen wird.

II.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die in dem Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre wortsinngemäß.

1)
Zu Recht besteht zwischen den Parteien Einigkeit über die wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale 1 und 2, so dass hierzu keine weiteren Erläuterungen veranlasst sind. Die angegriffene Ausführungsform ist eine stabile pharmazeutische Formulierung mit einer wirksamen Menge an T und einem pharmazeutisch verträglichen Träger.

2)
Verwirklicht wird des weiteren das Merkmal 3, welches als T T-Modifikation II fordert.

a)
T-Modifikation II ist nach dem Klagepatent definiert als ein solches T, das dem Pulverröntgenbeugungsmuster aus Figur 2 der A-Erklärung (Anlage 3a, S. 1 Z. 26 bis S. 2, Z. 2; S. 7, Z. 16, S. 8 ff.) entspricht. Diese Definition im Klagepatent erfolgt über die Bezugnahme auf das US-Patent Nr. 4,822,807, in welchem die bekannten T-Modifikationen I und II beschrieben werden. Entsprechend ist in der Figur 2 des Klagepatents ein Pulverröntgenbeugungsmuster von hochreiner T-Modifikation II in der Masse wieder gegeben.

b)
Die angegriffene Ausführungsform enthält T-Modifikation II entsprechend dem Klagepatent wie die von der Klägerin durchgeführte Pulverröntgenbeugungsanalyse (Anlagen K 9/9a, 10/10a, 16/16a, 19/19a) – auch als Pulverdiffraktometrie oder als Y bezeichnet – zeigt.
Bei dieser Methode werden Röntgenstrahlen in unterschiedlichen Winkeln auf die Probe, hier eine zermahlene Tablette, gerichtet. Die hierdurch erlangten Informationen werden zur Berechnung eines Pulverröntgenbeugungsmusters, also einer Kurve in einem Graphen verwendet. Das erlangte Pulverröntgenbeugungsmuster wird dann mit dem Pulverröntgenbeugungsmuster eines bekannten Moleküls verglichen, um zu bestimmen, welches Molekül oder welche polymorphen Formen eines Moleküls in der Probe enthalten sind. Für die Unterscheidung bzw. die Identifizierung wird vor allem auf die charakteristischen Scheitelpunkte/Peaks in den Röntgenpulverdiffraktogrammen abgestellt.
Die Tabletten der angegriffenen Ausführungsform wiesen im April 2004, wie eine vergleichende Betrachtung erhellt, entsprechend Figur 2 des Klagepatents bzw. der A-Erklärung die für T-Modifikation II charakteristischen Peaks bei 9,0, 9,3, 10,3 und 10,8 2-Theta-Grad auf, nicht hingegen die für T-Modifikation I (5,8 2-Theta-Grad) und für T-Modifikation IV (9,7-9,8 2-Theta-Grad) typischen Scheitelpunkte auf.

Die Beklagten zweifeln die Richtigkeit des von der Klägerin analysierten Pulverröntgenbeugungsmusters der angegriffenen Ausführungsform nicht an, erheben jedoch (methodische) Einwände gegen die von der Klägerin durchgeführte Untersuchung. Im Ergebnis bleiben diese jedoch ohne Erfolg.

aa)
Bedenken hinsichtlich der Identität des Referenzmaterials sind nicht gerechtfertigt. Es mag sein, dass die Herstellung des T-Modifikation II, welches die Klägerin im Rahmen des Y-Verfahren zum Vergleich herangezogen hat, unbekannt ist. Darauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist, dass die angegriffene Ausführungsform T nach Maßgabe des Pulverröntgegenbeugungsmusters gemäß Figur 2 der A-Erklärung bzw. des Klagepatents enthält. Ein Vergleich des in der Figur 2 der A-Erklärung aufgezeigten Röntgenpulverdiffraktograms mit dem in der Analyse der Klägerin verwendeten Pulverröntgegenbeugungsmuster der T-Modifikation II zeigt, dass diese Graphen übereinstimmen. Beide weisen insbesondere Peaks bei 9,0, 9,3, 10,3 und 10,8 2-Theta-Grad auf.
Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang monieren, der Figur 2 der A-Erklärung seien keine Peaks bei den genannten Graden zu entnehmen, kann dem nicht gefolgt werden. Unstreitig sind im Rahmen der Pulverdiffraktometrie Toleranzen von +/- 0,2 2-Theta-Grad sowie Variationen bei den relativen Intensitäten der Reflexe um bis zu 20 % zu akzeptieren, wie auch in der Beschreibung des Klagepatents angegeben wird (Anlage K 3a, S. 8, Z. 16) und das Standard-Lehrbuch von H. G. Brittain „Polymorphism in pharmaceutical solids„ lehrt (Auszug als Anlage K 14). Jedenfalls bei Berücksichtigung dieser Werte zeigt auch die Figur 2 der A-Erklärung die vorgenannten Scheitelpunkte.

bb)
Der Ansicht, aus der Lage von vier Peaks könne nicht auf die Identität einer kristallinen Modifikation geschlossen werden, kann nicht beigetreten werden.
Das Klagepatent rekurriert, wie dargelegt, zur Bestimmung des erfindungsgemäßen Ts auf das US-Patent Nr. 4,822,807 und die A-Erklärung; es nimmt mithin ausdrücklich Bezug auf eine bestimmte Methode zur Feststellung und Quantifizierung von T-Modifikation II. Die Pulverröntgenbeugungsanalyse ist demnach patentgemäß und hiernach eine maßgebliche Bestimmungsmethode. Bei dieser Pulverröntgenbeugungsanalyse werden die unterschiedlichen Modifikationen gerade durch ihre – genannten – typischen Scheitelpunkte voneinander abgegrenzt (Anlage K 3a, S. 8, Z. 15 ff., S. 9, Z. 16 ff.). Überdies ist die Identifizierung polymorpher Formen mithilfe dieser Methode, wie das Standard-Lehrbuch von H. G. Brittain „Polymorphism in Pharmaceutical Solids„ (Anlage K 14) zu erkennen gibt, objektiv möglich, da jede Verbindung ihr eigenes charakteristisches Pulvermuster bzw. einen eigenen „Fingerabdruck„ aufweist.

Angesichts dieses vom Klagepatent ausdrücklich benannten Meßverfahrens verfängt im Übrigen auch der unter Bezugnahme auf die Stellungnahme von D (Anlage GL 6) vorgebrachte Hinweis der Beklagten nicht, das im Klagepatent angegebene Messverfahren sei sehr anfällig für sogenannte Textureffekte. Es ist, auch wenn der Einwand zuträfe, das patentgemäße Bestimmungsverfahren. Ferner ist insoweit nicht näher dargelegt, ob und inwiefern sich derartige Textureffekte auf die Darlegungen der Klägerin bzw. deren Untersuchungen zur Verwirklichung des Merkmals 3 durch die angegriffene Ausführungsform konkret ausgewirkt haben sollen.

Soweit die Beklagten sich gegen die Relevanz der vier Scheitelpunkte wenden und mit Blick auf die Ausführungen in dem Standard-Lehrbuch von H. G. Brittain „Polymorphism in Pharmaceutical Solids„ (Anlage K14) zur Feststellung der Identität das Vorliegen einer Übereinstimmung bei weiteren (bzw. zehn) Peaks als notwendig erachten, ist ihnen zwar dem Ansatz nach zuzustimmen. Ihr dazugehöriger Vortrag ist jedoch nicht ausreichend.
Das Klagepatent nimmt zur Definition der T-Modifikationen auf die Figuren 1 und 2 der A-Erklärung (Anlage GL 1) Bezug, welche gerade unter Berücksichtigung der genannten Abweichungen die für die Modifikationen I und II genannten Peaks zeigen und als maßgeblich bestimmen (Anlage K 3a, S. 8, Z. 15 ff: S. 9, Z. 16 ff.). Die Beklagten haben weder behauptet, dass diese Peaks falsch sind noch dass das Pulverröntgenbeugungsmuster der angegriffenen Ausführungsform tatsächlich diese vier Peaks nicht bzw. den einen Peak aufweist. Weshalb die genannten Peaks gleichwohl nach dem Klagepatent nicht als charakteristisch angesehen werden sollen, haben sie hingegen nicht näher erläutert.
Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang der Verweis, die angegriffene Ausführungsform enthalte ausschließlich T-Modifikation N gemäß der P-Anmeldung (Anlage GL 2). Der trotz eines entsprechenden Hinweises nicht in einer übersetzten Fassung überreichten Anmeldung sind keine 2-Theta-Werte zu entnehmen. Eine erforderliche Umrechnung der dort angegebenen d-(Å) Werte in 2-Theta-Werte ist nicht vorgetragen worden. Die seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2005 überreichte optische Gegenüberstellung der Röntgendiaffraktogramme der erfindungsgemäßen T-Modifikation II und der T-Modifikation N nach der P-Anmeldung zeigt bei Beachtung der angegebenen Toleranzen die für T-Modifikation II genannten Peaks, nicht hingegen den für die T-Modifikation I genannten. Darüber hinaus bestehen zwischen den von der Klägerin in der Anlage K 9 aufgezeigten Graphen der erfindungsgemäßen T-Modifikation II und der angegriffenen Ausführungsform ebenso Übereinstimmungen bei Werten zwischen 3,0 und ca. 22 2-Theta-Grad. Soweit es sodann bis ca. 39 2-Theta-Grad zu deutlich sichtbaren Abweichungen kommt, sind diese mit der unstreitig in der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Lactose zu erklären, deren Röntgenpulverbeugungsmuster gleichfalls dargestellt ist.
Angesichts der dargelegten (weiteren) Übereinstimmungen und des Umstandes, dass die Richtigkeit des Röntgenpulverbeugungsmuster der angegriffenen Ausführungsform von den Beklagten gerade nicht bestritten worden ist, hätte es für einen erheblichen Einwand zunächst eines konkreten Vortrages bedurft, welche anderen als die von der Klägerin benannten Peaks tatsächlich die für die T-Modifikation II charakteristischen Scheitelpunkte sein sollen bzw. welche darüber hinaus gehend zur Identifizierung hätten vorliegen müssen.

cc)
Der unter Berufung auf die Stellungnahme von D (Anlage GL 6) vorgebrachte Einwand, die Meßmethoden bei der von der Klägerin vorgenommenen Analyse der angegriffenen Ausführungsform würden nicht denen des Klagepatents entsprechen, da wesentlich längere Meßzeiten gewählt worden seien, führt gleichfalls nicht zur Erschütterung der Aussagekraft der Untersuchungen. Es ist nicht dargetan, dass diese längeren Meßzeiten bei der Pulverröntgenbeugungsanalyse zu falschen oder abweichenden Peaks führt.

dd)
Der Ansicht, die Untersuchungen hätten nicht an zermahlenen, sondern intakten Tabletten der angegriffenen Ausführungsform erfolgen müssen, kann nicht zugestimmt werden.
Das Klagepatent sieht als Methode zur Feststellung von T-Modifikation II die Pulverröntgenbeugungsanalyse vor (Anlage K 3a, S. 5, Z. 8 bis 10), die – wie aus dem Namen hervorgeht – nicht eine Analyse eines Festkörpers in Form einer Tablette ist, sondern die eines Pulvers. Darüber hinaus ist in dem Klagepatent das Zermahlen der Probe ausdrücklich vorgesehen (Anlage K 3a, S. 9, Z. 2 bis 4). Das Zermahlen der Tablette zerstört zudem nicht die Ausrichtung der Kristalle in der Tablette; die Röntgenbeugung der Kristalle wird hierdurch nicht reduziert. Auch im Pulver liegen Kristalle üblicherweise bezüglich der Kristallorientierung dreidimensional statistisch verteilt vor. Eine andere als eine zufällige Anordnung der Kristalle ist überdies nicht erwünscht. Das Vorliegen unerwünschter bevorzugter Ausrichtungen der Kristalle kann und soll gerade durch das Mahlen der Probe verringert werden, wie auch aus dem Standard-Lehrbuch „Polymorphism in Molecular Crystals„ von J. Bernstein (Auszug als Anlage K 17) hervorgeht.

ee)
Soweit die Beklagten kritisieren, nur die angegriffene Ausführungsform „TR5mg„ sei analysiert worden, ist dies unbehelflich. Unstreitig ist die chemische Zusammensetzung identisch mit der der angegriffenen Ausführungsform „TR10mg„.

ff)
Für die Verwirklichung des Merkmals 3 ist schließlich nicht zu prüfen, ob die T-Modifikation II nicht mehr als 0,5 % insbesondere der T-Modifikation I beinhaltet. Patentanspruch 1 enthält eine derartige Anforderung nicht. Erst Patentanspruch 3 sieht vor, dass mehr als 99,5 % des Ts T-Modifikation II sind.

3)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht ebenso Merkmal 4, welches vorsieht, dass die T-Modifikation II bei Lagerung von wenigstens drei Monaten bei 40º C und 75 % relativer Feuchtigkeit keiner signifikanten Umlagerung in polymorphe Formen von T unterzogen wird. Als nicht signifikant wird jedenfalls („vorzugsweise„) eine Umlagerung von nicht mehr als 10 % der T-Modifikation II in T-Modifikation I angesehen (Anlage K 3a, S. 4 Z. 20 ff., Z. 39 ff.).
Wie die von der Klägerin durchgeführten Pulverröntgenbeugungsanalysen der angegriffenen Ausführungsform (Anlagen K 9/9a, 10/10a, 16/16a, 19/19a) zeigen, erfüllt diese die erfindungsgemäßen Stabilitätskriterien. Nach mehr als dreimonatiger Lagerung unter den genannten Streßbedingungen weist das Pulverdiffraktrogramm der angegriffenen Ausführungsform nur Scheitelpunkte bei 9,0, 9,3, 10,3 und 10,8 2-Theta-Grad auf, nicht hingegen den für die T-Modifikation I entscheidenden Peak bei 5,7 2-Theta-Grad oder die für die T-Modifikation IV maßgeblichen Scheitelpunkte bei 9,8 und 11,4 2-Theta-Grad oder die für die T-Modifikation V charakteristischen Peaks bei 5,6-6,1 2-Theta-Grad. Die Richtigkeit dieser Meßergebnisse ist seitens der Beklagten nicht bestritten worden. Eine Umwandlung in die T-Modifikationen I, IV und V ist demnach nicht festgestellt.

Die gegen die Untersuchungen grundsätzlich erhobenen Einwände überzeugen nicht.

aa)
Zutreffend ist allerdings das Verständnis der Beklagten, dass nach dem Klagepatent die Umlagerung der T-Modifikation II in jede andere polymorphe Form von T und nicht nur eine Umlagerung in die T-Modifikation I verhindert werden soll.
Dies folgt aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1, der in seinem Merkmal 4 allgemein nur von „anderen polymorphen Formen von T„ spricht und eine Beschränkung auf eine bestimmte T-Modifikation nicht zu erkennen gibt. Erfasst sind hiernach vom Umlagerungsverbot alle bekannten oder unbekannten polymorphen Formen. Bestätigt wird dies durch Unteranspruch 11, der eben eine Umwandlung in T-Modifikation I vorsieht.
Dem steht die Beschreibung des Klagepatents, welche der Fachmann zur Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen hat, nicht entgegen. Zwar beschäftigt sich die allgemeine Beschreibung des Klagepatents im wesentlichen und die Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele nur mit einer Umwandlung in die T-Modifikation I. Insbesondere wird mitgeteilt, dass im Stand der Technik bekannt ist, dass sich T-Modifikation II, wenn es in fein verteilter Form in pharmazeutischen Tabletten dargeboten wird, in T-Modifikation I umordnet mit dem Ergebnis, dass die Rate der Lösung des aktiven Materials bei einem Einbringen der Tablette in Wasser erheblich verändert werden kann, was nachteilig ist, da die Lösungsrate eine wichtige Eigenschaft einer pharmazeutischen Dosierungsform ist und sich für eine reproduzierbar Dosierung nicht von einer Tablette zur anderen unterscheiden darf (Anlage K 3a, S. 2., Z. 3 ff, Z. 9 ff.). Infolge dessen entnimmt der Fachmann dem Klagepatent, dass mit der in Merkmal 4 beschriebenen Eigenschaft der T-Modifikation gerade eine Umlagerung in die Modifikation I ausgeschlossen werden soll. Es findet sich jedoch an keiner Stelle ein Hinweis darauf, dass diese Ausführungen sowie der Gewichtung zugleich eine Begrenzung bzw. Einschränkung des Hauptanspruchs auf ein Umlagerungsverbot in T-Modifikation I bedeuten. Vielmehr erwähnt das Klagepatent in seiner allgemeinen Beschreibung weitere T-Modifikationen (Anlage K 3a, S. 1, Z. 22 ff., S. 2 Z. 12 ff.), die im Stand der Technik bekannt waren. Wenn auf dieser Basis der Wortlaut des Patentanspruch 1 allgemein von polymorphen Formen spricht, ist auch ein alle polymorphen Formen umfassendes Verständnis geboten. Dies scheint die Klägerin im Übrigen selbst anzunehmen, wenn sie unter anderem vorträgt, die allgemeine Fassung sei gewählt worden „lediglich um das Klagepatent nicht auf die zum Prioritätszeitpunkt einzig bekannte Umlagerung von T-Modifikation II in die Modifikation I zu beschränken„.

Trotz dieses weiten Verständnisses musste die Klägerin vorliegend keine weiteren Untersuchungen hinsichtlich einer etwaigen Umlagerung der angegriffenen Ausführungsform in weitere bzw. andere T-Modifikationen anstellen. Sie genügte ihrer Darlegungslast, die vorliegend derjenigen bei negativen Tatbestandsmerkmalen vergleichbar ist. Die Klägerin hat nach Lagerung der angegriffenen Ausführungsform unter den genannten Streßbedingungen das Vorhandensein der T-Modifikationen I überprüft, in die allein sich die T-Modifikation II nach dem Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents umwandelte. Die Klägerin hat zudem nachvollziehbar dargetan, dass auch nach heutigem Wissenstand eine Umlangerung von T-Modifikation II in eine andere als die Modifikation I nicht bekannt ist (Anlage K 13/13a). Ferner hat sie das Vorhandensein der T-Modifikationen IV und V überprüft und – weitergehend in der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2005 – erläutert, weshalb sie bei ihrer Analyse die T-Modifikation III entsprechend dem US-Patent Nr. 5,914,336 unberücksichtigt gelassen hat.
In dieser Situation reichte der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe nicht jede Umlagerung in jede „beliebige„ andere polymorphe Form dargelegt, nicht. Es hätten ihnen zumindest oblegen konkret aufzuzeigen, dass Umlagerungen außer zu den Modifikationen I, IV und V nach dem derzeitigen Wissenstand noch zu andere polymorphen Formen bekannt und tatsächlich möglich sind.

bb)
Unbehelflich ist der Einwand, es sei unklar, was im Sinne des Klagepatents unter einer „signifikanten Umlagerung„ zu verstehen sei. Wie den in diesem Punkt unbestrittenen Untersuchungen der Klägerin zu entnehmen ist, hat unter den genannten Streßbedingungen bei der angegriffenen Ausführungsform gar keine Umwandlung in T-Modifikation I stattgefunden.
Ebenfalls nicht weiterführend ist der Verweis auf die (behauptete) Bioäquivalenz der angegriffenen Ausführungsform zu dem Präperat Unat (Anlage GL 3). Diese enthält dem Vortrag der Beklagten zufolge T-Modifikation I, die jedoch bei der angegriffenen Ausführungsform gerade nicht vorhanden ist. Im Übrigen ist nicht dargetan, dass bei einer pharmazeutischen Formulierung mit (allein) T-Modifikation I und einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Formulierung mit T-Modifikation II, die „stabil„ ist, unterschiedliche Auflösungsgeschwindigkeiten gegeben sind. Soweit unterschiedliche Lösungsraten von pharmazeutischen Formulierungen im hiesigen Zusammenhang zu diskutieren sind, betrifft dies von einander abweichende Lösungsraten ein und derselben pharmazeutischen Formulierung, die durch Umlagerung der (instabilen) T-Modifikation II in T-Modifikation I entstehen.

cc)
Soweit die Beklagten fordern, nicht die pharmazeutische Formulierung (Tablette), sondern der in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Wirkstoff müsse die von Merkmal 4 aufgestellten Anforderungen erfüllen, weshalb die Klägerin den Wirkstoff separat hätten untersuchen müssen, ist dem nicht beizupflichten.
Zutreffend ist, dass sich das in Merkmal 4 genannte Relativpronomen „welches„ auf T-Modifikation II und mithin auf den Wirkstoff selbst bezieht. Wie dem Klagepatent jedoch zu entnehmen ist, ist der Wirkstoff T-Modifikation II im Stand der Technik vorbekannt, wobei, wie das US-Patent Nr. 4,822,807 (Anlage D 1 zu GL 5) zeigt, davon ausgegangen wurde, dass sich dieser, wenn er in sehr fein verteilter Form in pharmazeutischen Tabletten vorhanden ist, in T-Modifikation I umordnet mit dem Ergebnis, dass die Rate der Lösung des aktiven Materials bei einem Einbringen der Tablette in Wasser erheblich verändern kann. Das Klagepatent hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, eine pharmazeutische Formulierung, die T-Modifikation II enthält, vorzusehen, worin sich das Tnicht in andere polymorphe Formen von T umwandelt und die mithin in Bezug auf die Lösungsrate stabil sind (Anlage K 3a, S. 2, Z. 16 bis 19, Z. 26 ff., S. 5, Z. 21 ff.; S. 6 Z. 7 ff.; S. 8, Z. 10 ff.). Die T-Modifikation II soll erfindungsgemäß (auch und) gerade dann stabil sein, wenn sie in fein verteilter Form in der Masse ist. Der Wirkstoff muss in der fertigen Tablette seine Eigenschaften behalten; maßgeblich ist folglich die Stabilität der pharmazeutischen Formulierung.

dd)
Auch bei der Frage der Verwirklichung des Merkmals 4 ist aus den bereits dargelegten Gründen weder zu prüfen, ob die T-Modifikation II nicht mehr als 0,5 % insbesondere der T-Modifikation I enthält.

III.

Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

1)
Da die Beklagten den Gegenstand des Klagepatents unberechtigt benutzt haben, sind sie der Klägerin gegenüber gemäß §§ 139 Abs. 1, 9 Nr. 1 PatG verpflichtet, es zu unterlassen, die angegriffene Ausführungsform anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen. Die Beklagten vertreiben die angegriffene Ausführungsform unstreitig in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten zu 2) war jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auch auf das Herstellen der angegriffenen Ausführungsform zu erstrecken. Die Beklagte zu 2) ist nicht als Herstellerin im Sinne des § 9 Nr. 1 PatG anzusehen; eine Erstbegehungsgefahr ist nicht ersichtlich.
Herstellen im Sinne des § 9 Nr. 1 PatG ist das Schaffen einer Sache mit dem im Patentanspruch 1 festgelegten erfindungsgemäßen Merkmalen, gleichgültig auf welche Weise und zu welchem Zweck dies geschieht. Das Herstellen umfasst den gesamten Vorgang des Schaffens, vom Beginn der Herstellung bis zur letzten unmittelbar das Erzeugnis herbeiführenden Tätigkeit, wobei jede Art der Herstellung erfasst ist. Ausreichend ist zudem ein Herstellen lassen in der Weise, dass ein Dritter die (eigentlichen) Herstellungshandlungen vornimmt, dieser aber aufgrund einer vorher getroffenen Absprache mit dem Verletzer unter dessen Anleitung tätig geworden ist (BGH Z 107, 46 (53) – Ethofumesat; BGH GRUR 1958, 179 (182) – Resin; OLG Karlsruhe, GRUR 1982, 295 (299); Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 9 Rdnr. 62; Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 31; Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., § 33 II. b)).
Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt hat, wird die angegriffene Ausführungsform nur von der Firma P hergestellt. Tatsachen, aus denen eine irgendwie geartete Einflussnahme der Beklagten zu 2) auf die Firma P im Zusammenhang mit der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform sichtbar ist, hat sie jedoch ebenso wenig vorgetragen wie greifbare Anhaltspunkte dafür, dass eine dahingehende Patentverletzung nach den gesamten Umständen unmittelbar bevorsteht. Ihr schlichtes Behaupten, die Beklagte zu 2) würde auch herstellen, genügte nicht. Die Beklagte zu 2) hat dies bestritten und klargestellt, dass sie sich dessen auch nicht im hiesigen Verfahren berühmt.
Die unstreitige Nennung der Beklagten zu 2) auf dem Beipackzettel als „Herstellerin„ ist für sich genommen nicht als Herstellungshandlung im obigen Sinne zu sehen. Nach § 11 AMG ist auf einer Packungsbeilage der Hersteller anzugeben, wobei gemäß Ziffer 5 insoweit auch derjenige genannt werden kann, der das Arzneimittel für das Inverkehrbringen freigegeben hat, mithin derjenige, der die Zulassung für den Vertrieb des Arzneimittels in der Bundesrepublik Deutschland erwirkt hat. Das Erwirken der Vertriebszulassung ist jedoch keine Handlung, die auf das Erschaffen des Erzeugnisses an sich gerichtet ist. Das (erste) Erzeugnis ist, wenn die Vertriebszulassung beantragt ist, bereits fertig. Auch alle späteren Produkte werden vollständig fertiggestellt, ohne dass bis zu ihrer letzten, sie unmittelbar herbeiführenden Tätigkeit die Vertriebszulassung hierauf im Tatsächlichen Einfluss nimmt. Das Vorhandensein einer Vertriebszulassung mag zwar grundsätzlich Voraussetzung sein, um mit dem (weiteren) Herstellen von Erzeugnissen zu beginnen bzw. fortzufahren, es ist jedoch kein Herstellungsbeitrag im gegenständlichen Sinne. Das Erwirken der Vertriebszulassung allein ist vielmehr als Teilakt der weiteren in § 9 Nr. 1 PatG aufgeführten Benutzungshandlungen – Anbieten, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen – zu qualifizieren.

2)
Die Beklagten haben der Klägerin darüber hinaus nach Art. II § 1 IntPatÜG für die Zeit bis zur Veröffentlichung des Hinweises auf Erteilung des Klagepatents und im Anschluss daran Schadensersatz gem. § 139 Abs. 2 PatG zu leisten. Denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Überdies ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt. Ein rechtliches Interesse der Kläger an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung ist demnach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3)
Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern kann, sind die Beklagten ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

4)
Die Beklagten haben zudem über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen, § 140b PatG. Die danach geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. 2 mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.

IV.

Im Hinblick auf den gegen das Klagepatent zum Europäischen Patentamt eingelegten Einspruch vom 31.01.2005 (Anlage GL 5) besteht keine Veranlassung zur Aussetzung gem. § 148 ZPO.

Nach der Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine dem Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung kommt deshalb nur in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Basierend hierauf kann die erforderliche überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit des Einspruchs nicht angenommen werden.

1)
Patentanspruch 1 des Klagepatents ist patentfähig. Er betrifft nicht nur eine gewünschte Eigenschaft eines bereits bekannten Wirkstoffes. Im Stand der Technik war eine pharmazeutische Formulierung, die T-Modifikation II enthält und (gleichwohl) stabil ist, nicht bekannt.

2)
Das Klagepatent offenbart die Erfindung ausreichend deutlich und vollständig, Art. 100 b) EPÜ.
Soweit dies in Bezug auf den Begriff T-Modifikation II und die hierzu erforderliche Charakterisierung mithilfe einer Pulverröntgenbeugungsanalyse in Zweifel gezogen wurde, kann auf die obigen Ausführung verwiesen werden.
Eine ausreichende Offenbarung liegt auch hinsichtlich der Verfahren zur Herstellung des erfindungsgemäßen Ts vor, obwohl den Beklagten insoweit zuzustimmen ist, dass mit Blick auf die im Klagepatent dargestellten Reinigungsstufen nicht auf das Verfahren der US-Anmeldung mit der Seriennummer 09/638,106, eingereicht am 11.08.2000 (Klagepatent, Anlage 3a, S. 2, Z. 33 ff / Anmeldung Anlage MBP 14, S. 4, Z. 6 ff.), abgestellt werden kann. Dieses ist unstreitig erst am 15.10.2002 zur Erteilung eines US-Patents mit der Nummer 6,465,496 B 1 (D 9 der Anlage GL 5) gelangt und stand der Öffentlichkeit erst nach dem insoweit maßgeblichen Tag der Anmeldung des Klagepatents (Benkard, EPÜ, 9. Aufl., Art. 100, Rdnr. 10; Singer/Stauder, EPÜ, 2. Aufl., Art. 100, Rdnr. 10), dem 21.02.2001, zur Verfügung. In diesem Zeitpunkt gehörte T-Modifikation II jedoch bereits zum Stand der Technik. Dem Fachmann, ein berufserfahrener mit der Entwicklung von pharmazeutischen Formulierungen befasster Diplom-Chemiker oder Diplom-Pharmazeut mit Universitätsabschluss, war es ebenso bekannt wie die darauf gerichteten Herstellungsverfahren. Das Klagepatent wies ihn sodann darauf hin, dass die „hochreine„ T-Modifikation II aus roher Modifikation II besteht, welches durch die neue Kombination von Reinigungsstufen, die auf dem Gebiet bekannt sind, gereinigt wird (Anlage K 3a, S. 3, Z. 33 ff.). Unstreitig waren verschiedene routinemäßige Aufreinigungsschritte wie Wiederaufschlämmung und Umkristallisation bekannt, so dass der genannte Fachmann, dem das Klagepatent die entscheidende Richtung vorgibt, nämlich eine T-Modifikation II herzustellen, die keinen Scheitelpunkt bei 5,7 2-Theta-Grad aufweist, unter Anwendung der ihm bekannten Herstellungs- und Reinigungsverfahren durch verschiedene Versuche ohne besonderen Aufwand im Wege des „trial-and-error„ erfindungsgemäßes T-Modifikation II herstellen konnte.

3)
Gegen die Neuheit des Klagepatents gem. Art. 54 (2) EPÜ sprechen weder die A-Erklärung (Anlage GL 1) noch die P-Anmeldung (Anlage GL 2).

Eine Übersetzung der A-Erklärung (Anlage GL 1) wurde trotz eines entsprechenden Hinweises nicht vorgelegt. Zudem ist festzuhalten, dass die A-Erklärung im Klagepatent ausdrücklich als Stand der Technik genannt ist und sie mithin bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens war. Ferner nimmt das Klagepatent zur Definition der erfindungsgemäßen T-Modifikation II zwar Bezug auf diese Druckschrift; in ihr wird jedoch nur eine instabile Form beschrieben, die sich während der Lagerung in einen Zustand transformiert, in der sich die Tablette viel langsamer auflöst. Merkmal 4 des Klagepatents ist dort folglich nicht neuheitsschädlich offenbart.

Die Beklagten haben es ebenfalls unterlassen, eine Übersetzung der P-Anmeldung (Anlage GL 2) vorzulegen, so dass deren Inhalt nicht vollständig überprüft werden kann. Abgesehen davon lag die Anmeldung – wie aus dem Parallelverfahren bekannt – im Erteilungsverfahren vor. Von ihrer Berücksichtigung ist infolge des vor dem Europäischen Patentamt geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (Art. 114 EPÜ) auszugehen. Frau M, eine Miterfinderin des Klagepatents, hat am 11.07.2003 der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts diese Druckschrift zur Kenntnis gebracht. Der erste amtliche Prüfungsbescheid wurde am 29.09.2003 erlassen, so dass die Druckschrift der Prüfungsabteilung ca. 2 Monate vorher zur Verfügung stand. Dem Prüfbescheid (Anlage GL 8) ist überdies eine Bezugnahme auf ein Schreiben der Anmelder mit Datum vom 11.07.2003 zu entnehmen. Des weiteren ist hervorzuheben, dass die P-Anmeldung (Anlage GL 2) – wie ausgeführt – eine T-Modifikation mit einem Pulverröntgenbeugungsbild vorsieht, welches bei 5,7 2-Theta-Grad einen Scheitelpunkt aufweist. Das Klagepatent hingegen will einen solchen gerade vermeiden. Ferner fehlt es an der Offenbarung der Stabilitätskriterien des Merkmals 4 des Klagepatents.

4)
Auf der Grundlage des Beklagtenvortrages kann des weiteren nicht vom Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Art. 56 EPÜ ausgegangen werden.
Zunächst gilt auch hier, dass die insoweit von den Beklagten in Bezug genommene Druckschrift, das US-Patent Nr. 34,672 (D 2 zur Anlage GL 5), welche dem US-Patent Nr. 4,822,807 entspricht, das auf die A-Erklärung rekurriert, nicht in einer übersetzten Fassung vorgelegt wurde. Dessen Inhalt und der dazugehörige Vortrag der Beklagten ist demnach nicht vollständig zu überprüfen. Außerdem wurde dieses US-Patent als Stand der Technik im Klagepatent erwähnt und deshalb bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt.
Des weiteren ist nicht zu erkennen, dass sich hieraus in naheliegender Weise eine pharmazeutische Formulierung mit T-Modifikation II ergibt, dessen Pulverröntgenbeugungsbild Scheitelpunkte bei 9,0, 9,3, 10,3 und 10,8 2-Theta-Grad aufweist, nicht aber bei 5,7 2-Theta-Grad, und die stabil im Sinne des Merkmals 4 des Klagepatents ist. Das US-Patent Nr. 4,822,807 bzw. das US-Patent Nr. 34,672 (D 2 zur Anlage GL 5) gehen im Gegensatz zum Klagepatent (noch) davon aus, dass sich T-Modifikation II, wenn es in feinster Verteilung in einer pharmazeutischen Tablette vorliegt, mehr oder weniger schnell in T-Modifikation I umlagert. Es wird dessen Instabilität konstatiert mit der Folge, dass sich die dortige Erfindung auf T-Modifikation I bezieht. In der A-Erklärung (Anlage GL 1) heißt es infolge dessen, dass die bekannte T-Modifikation II für pharmazeutische Zwecke wegen der Umlagerung ungeeignet ist. Die Verwendungseignung von T-Modifikation II in pharmazeutischen Formulierung wird folglich verneint. Diese Lehre überwindet das Klagepatent, indem es eine stabile pharmazeutische Formulierung betrifft, die T-Modifikation II enthält.
Auch die P-Anmeldung (Anlage GL 2) enthält keine Anhaltspunkte, die dem Fachmann nachlegen, auf den dort genannten Scheitelpunkt von 5,7 2-Theta-Grad zu verzichten.

5)
Eine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit des Einspruchs erwächst schließlich nicht aufgrund der Behauptung der Beklagten, der Gegenstand des Klagepatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, Art. 100 c i. V. m 123 (2) EPÜ. Die PCT-Anmeldung des Klagepatents WO 02/067935 wird nicht vorgelegt; folglich auch nicht in einer deutsche Übersetzung. Der diesbezügliche Vortrag ist deshalb nicht nachzuvollziehen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709 S. 1 und 2, 108 ZPO.

VI.

Der Streitwert beträgt 2.000.000,00 EUR.