4b O 47/04 – Flaschendispenser

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 429

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. März 2005, Az. 4b O 47/04

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin wurde durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der A GmbH, die ehemals unter B GmbH firmierte. Als solche ist sie Inhaberin des einen Flaschendispenser betreffenden und u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 901 xxx (Klagepatent, Anlage K 2), dessen Anmeldung vom 11. November 1992 am 10.März 1999 veröffentlicht und dessen Erteilung am 12. Februar 2003 bekannt gemacht wurde. Die Beklagte zu 1) hat gegen die Patenterteilung Einspruch beim Europäischen Patentamt erhoben. Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Flaschendispenser zum Ansaugen und Abgeben von Flüssigkeit aus einem Behälter, bestehend aus einem Gehäuse (1) mit einem Zylinder (4) und einem Kolben (10), der in dem Zylinder (4) längsverschieblich geführt ist, wobei in dem Gehäuse (1) eine vom Behälter zum Zylinder (4) führende Ansaugleitung (41) mit einem Ansaugventil (42) und eine vom Zylinder (4) aus dem Gehäuse (1) herausführende Druckleitung (43) mit einem Druckventil (44) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Gehäuse (1) ein Tragring (86) drehbar gelagert ist, in dem die Druckleitung (43) verläuft.

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 13 bis 16 der Klagepatentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele.

Die Klägerin ist ferner – ebenfalls als Gesamtrechtsnachfolgerin – Inhaberin des zum Klagepatent parallelen und am selben Tag angemeldeten deutschen Gebrauchsmusters 92 18 xxx (Klagegebrauchsmuster, Anlage K 5), dessen Eintragung vom 16. September 1993 am 28. Oktober 1993 bekannt gemacht wurde. Schutzanspruch 19 des Klagegebrauchsmusters hat denselben Inhalt wie Patentanspruch 1 des Klagepatents.

Die unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2) stehende Beklagte zu 1) stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter den Bezeichnungen X1 (nachfolgend auch FP) und X2 (nachfolgend auch FO) Flaschenaufsatzdispenser in verschiedenen Ausführungsvarianten. Hinsichtlich der Produktbezeichnungen der einzelnen Varianten des Dispensers FO wird auf Blatt 12 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der prinzipielle Aufbau des Dispensers FP lässt sich der nachfolgend aus der Bedienungsanleitung gemäß Anlage K 9 (dort S. 4 u. 5) entnommenen Querschnittszeichnung mit zugehöriger Querschnittsbeschreibung entnehmen.

Den grundsätzlichen Aufbau des Dispensers der Linie FO zeigen die nachfolgenden der Bedienungsanleitung gemäß Anlage K 11 (dort S. 4 u. 5) entnommenen Querschnittszeichnungen nebst Beschreibung.

Auf den (fernmündlichen) Hinweis der Kammer, die Drehbarkeit der Tragringe bei den Dispensern FP und FO zu belegen, wenn diese auf einem entsprechenden Behältnis aufgeschraubt sind, haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung Muster der angegriffenen Ausführungsformen mit zugeordneten Behältnissen zur Akte gereicht, und zwar die Klägerin als Anlage K 14 ein Muster des Dispensers FO mit zugehörigem Behältnis und die Beklagten als Anlagen B 7 und B 8 Muster der Dispenser FO und FP mit zugehörigen Behältnissen.

Die Klägerin sieht durch das Verhalten der Beklagten ihre Rechte aus den Klageschutzrechten verletzt und nimmt sie deshalb aus dem Klagepatent auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz und aus dem – inzwischen abgelaufenen – Klagegebrauchsmuster auf Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

I.
die Beklagten zu verurteilen,

1.
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Flaschendispenser zum Ansaugen und Abgeben von Flüssigkeit aus einem Behälter, bestehend aus einem Gehäuse mit einem Zylinder und einem Kolben, der in dem Zylinder längsverschieblich geführt ist, wobei in dem Gehäuse eine vom Behälter zum Zylinder führende Ansaugleitung mit einem Ansaugventil und eine vom Zylinder aus dem Gehäuse herausführende Druckleitung mit einem Druckventil vorgesehen ist,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,

wenn in dem Gehäuse ein Tragring drehbar gelagert ist, in dem die Druckleitung verläuft,

insbesondere wenn eine Rücklaufleitung vorgesehen ist, durch die angesaugte Flüssigkeit in den Behälter zurück abgegeben werden kann;

2.
ihr, der Klägerin, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagten, die zu 1. bezeichneten Handlungen in der Zeit vom 28. November 1993 bis zum 11. November 2002 und seit dem 12. März 2003 begangen haben, und zwar unter Angabe

a)
der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,

b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, insbesondere der variablen Kosten für die Herstellung und den Vertrieb, und des erzielten Gewinns;

3.
ihr, der Klägerin, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagten, die zu 1. bezeichneten Handlungen in der Zeit vom 12. November 2002 bis zum 11. März 2003 begangen haben, und zwar unter Angabe der unter 2 a) bis c) genannten Informationen;

II.
festzustellen,

1.
dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, vom 28. November 1993 bis zum 11. November 2002 und seit dem 12. März 2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

2.
dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, eine nach den Umständen angemessene Entschädigung für die unter I.1. bezeichneten, vom 12. November 2002 bis zum 11. März 2003 begangenen Handlungen zu leisten.

Die Beklagten beantragen,

1.
die Klage abzuweisen;

2.
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem gegen das Klagepatent anhängig gemachten Einspruchsverfahren auszusetzen.

Die Beklagten stellen den Vorwurf der Patent- und Gebrauchsmusterverletzung in Abrede und machen geltend: Eine Schutzrechtsverletzung scheide schon deshalb aus, weil die geltend gemachten Ansprüche der Klageschutzrechte das Vorhandensein eines Behälters voraussetzten, die Beklagte zu 1) aber Dispenser ohne Behälter herstellt und vertreibt. Sehe man bei den angegriffenen Ausführungsformen den Ventilblock (Bezugsziffern 5 bzw. 1 in Anlagen K 9 und K 11) als Gehäuse an, fehle es zumindest an einem in dem Gehäuse drehbar gelagerten Tragring, in dem die Druckleitung verläuft. Betrachte man die Überwurfmutter bzw. den Fix-Adapter (9 bzw. 2) als Gehäuse, fehle es an einem Gehäuse mit Zylinder. Ferner seien in dem Gehäuse keine Ansaug- und Druckleitungen mit den zugehörigen Ventilen vorgesehen. Mit seiner integralen Vollkörperstruktur könne der Ventilblock auch nicht als Ring interpretiert werden. Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei der Ventilblock (5 bzw. 1) nicht (mehr) drehbar gelagert, wenn die Dispenser FP und FO auf einen zugehörigen Behälter aufgeschraubt seien. Der Fix-Adapter (9 bzw. 2) sei so gestaltet, dass die Unterseite des Ventilblocks fest auf den Flaschenhals des jeweiligen Behälters gepresst und damit arretiert werde.

Unter Verweis auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren vertreten die Beklagten die Ansicht, das Klagegebrauchsmuster sei nicht schutzfähig und das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen, weshalb der vorliegende Rechtsstreit zumindest auszusetzen sei.

Die Klägerin tritt dem Einwand mangelnder Schutzfähigkeit und dem Aussetzungsantrag unter Verweis auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz nicht zu, da sich nicht die tatrichterliche Feststellung treffen lässt, dass die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch machen.

I.

Die Klageschutzrechte betreffen einen Flaschendispenser.

Die Klageschutzschriften verweisen auf den aus der DE-OS 23 43 687 (Anlage B 4) vorbekannten Flaschendispenser, dessen Aufbau der nachfolgend wiedergegebenen Figur 5 der Druckschrift entnommen werden kann.

Die Klageschutzschriften sehen bei dem vorbekannten Flaschendispenser die Betriebssicherheit als verbesserungsbedürftig an, und zwar insbesondere im Hinblick darauf, dass die Dispenser auch zur Abgabe von gefährlichen (ätzenden oder giftigen) Flüssigkeiten verwendet werden.

Aufgabe der Klageschutzrechte ist es, bei einem Flaschendispenser der vorbekannten Art die Betriebssicherheit zu verbessern. Zur Lösung dieser Aufgabe sehen Patentanspruch 1 des Klagepatents und Anspruch 19 des Klagegebrauchsmusters die nachfolgende Merkmalskombination vor:

1.
Flaschendispenser zum Ansaugen und Abgeben von Flüssigkeit aus einem Behälter.

2.
Der Flaschendispenser besteht aus

a)
einem Gehäuse (1)

aa)
mit einem Zylinder (4), wobei in ihm (dem Gehäuse 1) vorgesehen ist

bb)
eine vom Behälter zum Zylinder (4) führende Ansaugleitung (41) mit einem Ansaugventil (42) und

cc)
eine vom Zylinder (4) aus dem Gehäuse (1) herausführende Druckleitung (43) mit einem Druckventil (44);

dd)
in dem Gehäuse (1) ist ein Tragring (86) drehbar gelagert, in dem die Druckleitung (43) verläuft;

b)
und einem Kolben (10), der in dem Zylinder (4) längs verschieblich geführt ist.

Die Klageschutzschriften führen aus, durch die drehbare Lagerung des Tragrings, in dem die Druckleitung verläuft, sei es möglich, die Druckleitung um die Längsachse des Gehäuses zu verschwenken. Hierdurch werde die Betriebssicherheit verbessert.

II.

Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre der Klageschutzrechte keinen Gebrauch. Es lässt sich nicht die tatrichterliche Feststellung treffen, dass im Sinne von Merkmal 2a)dd) in dem Gehäuse (Fix-Adapter) ein Tragring (Ventilblock) erfindungsgemäß drehbar gelagert ist.

Durch die drehbare Lagerung soll ein freies Verschwenken des Tragrings mit der in ihr angeordneten Druckleitung um die Längsachse des Gehäuses ermöglicht werden. Hierdurch soll die Betriebssicherheit erhöht werden. Betriebsbereit ist der Dispenser, wenn er mit dem Behälter verbunden ist, diesen also sicher verschließt. Wie zwischen den Parteien in der mündlichen Verhandlung außer Streit stand, muss zur Erhöhung der Betriebssicherheit die drehbare Lagerung gerade im verschlossenen Zustand des Behältnisses zum Tragen kommen, d.h. die Drehbarkeit des Tragrings bewirken, wobei die Klägerin ausgeführt hat, die Betriebssicherheit werde dadurch erhöht, dass der Benutzer nur den Tragring mit der Druckleitung in die jeweils gewünschte Position drehen kann, ohne die Position des Behältnisses und des auf ihm befindlichen Etiketts zu verändern. Dass eine freie Drehbarkeit im nicht (sicher) verschlossenen Zustand des Behältnisses sinnvoll ist und der Betriebssicherheit in irgendeiner Weise förderlich ist, ist weder ersichtlich noch von einer der Parteien geltend gemacht worden.

Da die Drehbarkeit von Tragring und Druckleitung die praktische Handhabung im Benutzungsfall verbessern und sicherer machen soll, kann von einer erfindungsgemäßen drehbaren Lagerung nur dann gesprochen werden, wenn der Tragring im Verschlusszustand nicht derart festgelegt wird, dass seine Drehung – sofern überhaupt möglich – einen übermäßigen, in der praktischen Anwendung unakzeptablen Kraftaufwand erfordert. Dies wäre – wie dem Fachmann unmittelbar einleuchtend ist – mit einer betriebssicheren Handhabung des Flaschendispensers und der in dem Behälter enthaltenen Flüssigkeiten von vornherein unvereinbar. Hiervon ausgehend lässt sich die tatrichterliche Feststellung einer erfindungsgemäßen drehbaren Lagerung bei den angegriffenen Dispensern der Ausführungsvarianten FP und FO nicht treffen:

Bei den von den Beklagten überreichten Mustern der angegriffenen Ausführungsformen (Anlagen B 7 u. B 8) ist die Drehbarkeit des Ventilblocks (Tragrings) im maßgeblichen Verschlusszustand des Behältnisses nicht gegeben. Wie der Augenschein zeigt, ist der Ventilblock im Verschlusszustand derart festgelegt, dass er sich nur mit ganz erheblichem Kraftaufwand bewegen lässt. Der Kraftaufwand ist so hoch, dass bei der maßgeblichen anwendungstechnischen Betrachtungsweise keine Rede davon sein kann, dass eine Drehbarkeit vorhanden ist, die in irgendeiner Weise dazu beiträgt, in erfindungsgemäßer Weise die Betriebssicherheit im Falle der Benutzung von Behälter und Dispenser zu erhöhen.

Das von der Klägerin ebenfalls auf vorherigen telefonischen Hinweis der Kammer im Verhandlungstermin überreichte Muster eines Flaschendispensers FO mit zugehörigem Behälter (Anlage K 14) ist ebenfalls nicht geeignet, das Vorliegen eines Verletzungstatbestandes in tatrichterlicher Hinsicht feststellen zu können. Das Muster ist schon deshalb nicht aussagekräftig, weil es sich mit dem korrespondierenden Behälter nicht sicher verbinden lässt. Schraubt man den Fix-Adapter auf das Gewinde des Behälterhalses, dreht sich der Adapter selbsttätig in eine gelockerte Stellung zurück. Damit kann der von der Klägerin zur Darlegung der Drehbarkeit überreichten Musteranordnung aber nicht entnommen werden, dass eine erfindungsgemäße Drehlagerung gerade im für die Verletzungsfrage entscheidenden (sicheren) Verschlusszustand des Behältnisses gegeben ist. Überdies übt ein Adapter, der sich mit einem korrespondierenden Gewinde des Behälterhalses nicht betriebssicher verbinden lässt, nicht die Funktion eines Gehäuses im Sinne der Klageschutzrechte aus.

Mangels abweichender Anhaltspunkte ist nach alledem davon auszugehen, dass die angegriffenen Ausführungsformen entsprechend den von den Beklagten vorgelegten Mustern ausgestaltet sind. Dass der von der Klägerin als Anlage K 14 vorgelegte Dispenser FO bestimmungsgemäß mit einem anderen als mit dem als zugehörig vorgelegten Behältnis sicher verbunden werden kann, ohne dass die Drehbarkeit verloren geht, hat die Klägerin nicht dargetan und belegt, und es ist auch nicht Sache der Kammer, derartiges – über die von der Klägerin selbst vorgelegte Musteranordnung hinausgehendes – gleichsam von Amts wegen selbsttätig zu ermitteln. Entsprechendes gilt für die von den Beklagten überreichten Muster.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 500.000,– EUR.