4a O 255/08 – Glasplatten-Transport

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1207

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Juni 2009, Az. 4a O 255/08

I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 22.10.2008 (Aktenzeichen 4a O 255/08) bleibt aufrecht erhalten.

II. Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Tatbestand:

Der Antragsteller ist eingetragener Inhaber des deutschen Teils des europäischen Patents 0 725 xxx (Verfügungspatent). Dieses geht auf eine am 30.01.1996 unter Inanspruchnahme einer italienischen Priorität vom 03.02.1995 eingereichte Patentanmeldung in französischer Sprache zurück. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 24.03.1999 im Europäischen Patentblatt veröffentlicht. Der deutsche Teil des Verfügungspatents steht unter dem Aktenzeichen DE 696 01 xxx in Kraft. Gegen ihn hat die Antragsgegnerin unter dem 11.02.2009 eine Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht (BPatG; Az.: 1 Ni 3/09) eingereicht, über die noch nicht entschieden ist.

Das Verfügungspatent betrifft eine Einrichtung mit Saugköpfen zum Greifen und Transportieren von großen Platten mit einem glatten Profil, etwa Glasplatten. Anspruch 1 des Verfügungspatents hat in der deutschen Übersetzung nach der T2-Schrift folgenden Wortlaut:

Einrichtung mit Saugköpfen zum Greifen und Transportieren großer Platten aus Glas oder einem anderen Material, welche eine Längsverschiebung und ein orthogonales Kippen von in einer Lagervorrichtung befindlichen großen Platten in die eine oder andere Richtung gewährleistet, um diese in einer flachen, senkrechten oder schrägen Lage auf Verschiebe- oder Transportmittel oder auf Maschinen zu deren Bearbeitung abzusetzen, umfassend einen Wagen (1), der wenigstens entlang einer Führungs- und Verschiebeschiene (4) mit gerader oder gebogener Kontur horizontal beweglich und mit einer manuellen oder motorgetriebenen Dreheinrichtung (6) ausgerüstet ist, auf der eine Translationsvorrichtung (7) zur Verschiebung einer Stange (9) beispielsweise schwenkbar befestigt ist, die von einer geeigneten Verschiebeeinrichtung (8) gesteuert wird und Saugköpfe (11, 15 – 16, 28 – 29) zum Greifen trägt, dadurch gekennzeichnet, dass die Verschiebung zum Bewegen der Stange (9) in Längsrichtung und horizontal erfolgt, und dass entlang der Stange (9) Stäbe (10) angeordnet sind, die Lagerungen für die Saugköpfe zum Greifen bilden.

Die Antragsgegnerin, ein Unternehmen mit Sitz in Italien, das im Bereich der Glasindustrie Klassifikations-, Gliederungs- und Ordnungssysteme herstellt, stellte auf der Messe Glasstec 2008, die vom 21. bis 25.10.2008 in Düsseldorf stattfand, eine Einrichtung zum Greifen und Transportieren großer Glasplatten aus. Diese Vorrichtung wirkte zu Ausstellungszwecken mit einem Kompaktlager zusammen und wurde unter der Bezeichnung „A/B“ angeboten. Sie verwirklichte, wie die Antragsgegnerin nicht in Abrede stellt, die technische Lehre des Anspruchs 1 des Verfügungspatents wortsinngemäß.

Auf den Antrag des Antragstellers, der erstmals anlässlich der Messe Glasstec 2008 davon erfuhr, dass die Antragsgegnerin eine Handhabungseinrichtung für Glasplatten gemäß dem Verfügungspatent in Deutschland ausstellt, hat die Kammer am 22.10.2008 eine einstweilige Verfügung erlassen. Mit ihr wurde der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
eine Einrichtung mit Saugköpfen zum Greifen und Transportieren großer Platten aus Glas oder einem anderen Material, welche eine Längsverschiebung und ein orthogonales Kippen von in einer Lagervorrichtung befindlichen großen Platten in die eine oder andere Richtung gewährleistet, um diese in einer flachen, senkrechten oder schrägen Lage auf Verschiebe- oder Transportmittel oder auf Maschinen zu deren Bearbeitung abzusetzen, umfassend einen Wagen, der wenigstens entlang einer Führungs- und Verschiebeschiene mit gerader oder gebogener Kontur horizontal beweglich und mit einer manuellen oder motorgetriebenen Dreheinrichtung ausgerüstet ist, auf der eine Translationsvorrichtung zur Verschiebung einer Stange beispielsweise schwenkbar befestigt ist, die von einer geeigneten Verschiebeeinrichtung gesteuert wird und Saugköpfe zum Greifen trägt,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei der die Verschiebung zum Bewegen der Stange in Längsrichtung und horizontal erfolgt, und bei der entlang der Stange Stäbe angeordnet sind, die Lagerungen für die Saugköpfe zum Greifen bilden.
Darüber hinaus wurde der Antragsgegnerin aufgegeben,
dem Antragsteller Auskunft über den Umfang der in Ziffer I. beschriebenen, seit dem 24. März 1999 begangenen Handlungen zu erteilen durch Angabe des Namens und der Anschrift des Herstellers, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer des Lagergestells (der Einrichtung gemäß Ziffer I.), der gewerblichen Abnehmer sowie über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse
und geboten,
nach dem Schluss der Messe Glasstec 2008 in Düsseldorf das bei ihr vorhandene Lagergestell gemäß Ziffer I. bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung oder der anderweitigen Erledigung des Rechtsstreits einem Gerichtsvollzieher als Sequester auszuhändigen.

Gegen diese einstweilige Verfügung, die ihr noch am 22.10.2008 auf dem von ihr unterhaltenen Messestand in Düsseldorf zugestellt wurde, hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 14.04.2009 Widerspruch eingelegt.

Der Antragsteller beantragt nunmehr,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 22.10.2008 aufrecht zu erhalten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 22.10.2008 (Az. 4a O 255/08) aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Sie hält sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund für nicht gegeben.
Der Verfügungsanspruch entfalle jedenfalls deswegen, weil die Wirkungen des Verfügungspatents mangels vollständiger deutscher Übersetzung der B1-Schrift des EP 0 725 xxx – so die jedenfalls schriftsätzlich vertretene Auffassung der Antragsgegnerin – in Deutschland von Anfang an als nicht eingetreten gelten. Unstreitig enthält die T2-Schrift keine Übersetzung des der Beschreibung der Verfügungspatentschrift in der französischsprachigen B1-Fassung vorangestellten Wortes „Description“ (vgl. Anlage AST 1, Spalte 1 Zeile 1).
Da das Verfügungspatent mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im anhängigen Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht vernichtet werde, fehle es für den Erlass einer einstweiligen Verfügung an der Dringlichkeit im weiteren Sinne. Die technische Lehre des Verfügungspatents sei durch die DE 26 02 622 A1 (Anlage AST 4; Entgegenhaltung D1) neuheitsschädlich vorweggenommen. Jedenfalls fehle es insoweit an der Erfindungshöhe. Gleiches gelte für das EP 0 512 126 (die Entgegenhaltung D2), deren A1-Schrift die Antragsgegnerin als Anlage AG 4 vorgelegt hat.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die angefochtene Entscheidung war auf den Widerspruch der Antragsgegnerin zu bestätigen, weil sie auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens zu Recht ergangen ist. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 1; 9 Satz 2 Nr. 1 PatG, einen Auskunftsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 140b Abs. 1, 3 und 7 PatG und einen durch die im Verfügungswege ausgesprochene Sequestration zu sichernden Anspruch auf Vernichtung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 140a Abs. 1 Satz 1 PatG (nachfolgend unter I.). Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents, die dem Vorliegen eines Verfügungsgrundes entgegenstehen könnten (II.).

I.
Dass die angegriffene Vorrichtung, die auf der Messe Glasstec 2008 in Düsseldorf ausgestellte Einrichtung zum Greifen und Transportieren großer Glasplatten „A/B“, die technische Lehre nach Anspruch 1 des Verfügungspatents wortsinngemäß verwirklicht, stellt die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch zu Recht nicht in Abrede. Der Antragsteller hat daher infolge der Verletzung des Verfügungspatents (§ 9 Satz 2 Nr. 1 PatG) durch die Antragsgegnerin die eingangs genannten Ansprüche auf Unterlassung, Drittauskunft und Vernichtung (wobei er letztere im Verfügungsverfahren nur in Gestalt einer Sequestration geltend machen kann).
Entgegen der von der Antragsgegnerin zumindest schriftsätzlich vertretenen Auffassung entfaltet das nicht in deutscher Sprache abgefasste Verfügungspatent auch Wirkungen für die Bundesrepublik Deutschland. Die Fiktion des Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG (eine Vorschrift, die zwar durch Gesetz vom 07.07.2008 aufgehoben wurde, gemäß Art. XI § 4 IntPatÜG jedoch für europäische Patente, für die der Hinweis auf die Erteilung vor dem 01.05.2008 im Europäischen Patentblatt veröffentlicht worden ist, in der Fassung anwendbar bleibt, die im vorliegenden Fall zum 24.03.1999, dem Datum der Veröffentlichung des Erteilungsbeschlusses im Europäischen Patentblatt, gegolten hat) greift im Hinblick auf das Verfügungspatent nicht ein.
Für die Feststellung einer „unvollständigen Übersetzung“ in die deutsche Sprache, die nach der Rechtsprechung der Düsseldorfer Patentstreitkammern (für das Fehlen einer Seite der Beschreibung: 4a. Zivilkammer, Urteil vom 23.01.2007, 4a O 82/06 – Tamsulosin, InstGE 7, 136 = GRURInt. 2007, 429; für das Fehlen mehrerer Überschriften: 4b. Zivilkammer, Urteil vom 15.01.2009, 4b O 146/07, vorgelegt als Anlage AG 1) die Fiktion des Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG auslösen kann bzw. auslöst, kommt es auf die (fristgerechte) Einreichung einer deutschen Übersetzung des europäischen Patents in der Fassung, die der Patenterteilung zugrunde lag, an. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. II § 3 Abs. 1 Satz 1 (a.E.) IntPatÜG, auf den sich Absatz 2 mit „die Übersetzung“ rückbezieht. Zu vergleichen ist die zu einer T2-Schrift führende deutsche Übersetzung daher nicht mit der veröffentlichten B1-Schrift (hier Anlage AST 1), sondern mit der Fassung, die der Patenterteilung durch das Europäische Patentamt (EPA) zugrunde lag. Mit Blick auf die damalige Praxis der Prüfungsabteilung nach Regel 51 (4) der zweiten Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen teilt die Prüfungsabteilung, bevor sie die Erteilung des europäischen Patents beschließt, dem Anmelder mit, in welcher Fassung sie das europäische Patent zu erteilen beabsichtigt; dies ist zugleich die Fassung des europäischen Patents, „die der Patenterteilung [im Sinne des Art. II § 3 Abs. 2 IntPatÜG] zugrunde lag“.
Die Antragsgegnerin hat (nach bekundeter Einsichtnahme in die Amtsakte) in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass die mit dem auf den 22.05.1998 datierenden Bescheid nach Regel 51 (4) (Anlage AST 18) an den Anmelder übermittelte Fassung des Verfügungspatents in französischer Verfahrenssprache, in der das EPA das Verfügungspatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen beabsichtigte, der Fassung nach dem in Anlage AST 17 so bezeichneten „Druckexemplar“ entsprach. Auch diese Fassung enthielt allerdings keine Überschrift „Description“ vor dem Beschreibungsteil des Verfügungspatents, weshalb eine solche Überschrift konsequenter Weise auch in der vom Anmelder einzureichenden Übersetzung in die deutsche Sprache nicht vorhanden sein konnte. Es spricht daher viel dafür – was im vorliegenden Fall jedoch keiner Klärung bedarf -, dass die Überschrift „Description“, wie sie sich in der veröffentlichten B1-Fassung in französischer Sprache (Anlage AST 1, Spalte 1 Zeile 1) findet, erst seitens des EPA vor der Drucklegung hinzugefügt wurde. Maßgeblich ist jedoch allein die Fassung des europäischen Verfügungspatents, die der Erteilung zugrunde lag und hier (ebenso wie die deutsche Übersetzung keine Überschrift „Beschreibung“) keine Überschrift „Description“ aufweist. Allein aus der Abweichung zwischen der französischsprachigen B1-Schrift zur deutschen Übersetzung (T2-Schrift) hinsichtlich der Überschrift „Description“ folgt daher keine Fiktion der Wirkungslosigkeit des Verfügungspatents in Deutschland.

II.
Der für den Erlass wie die Aufrechterhaltung einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liegt vor.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte setzt voraus, dass die begehrte Regelung gemäß § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller nötig erscheint. Dies verlangt nicht nur eine „Dringlichkeit“ in einem rein zeitlichen Sinne, sondern darüber hinaus eine materielle Rechtfertigung (unter anderem) des vorläufigen Unterlassungsgebotes aus den dem Schutzrechtsinhaber ohne das gerichtliche Eingreifen drohenden Nachteilen, welche gegen die Interessen des als Verletzer in Anspruch genommenen Antragsgegners abgewogen werden müssen. Anders als im Wettbewerbsrecht wird das Vorliegen eines Verfügungsgrundes in Patent- oder Gebrauchsmusterverletzungsstreitigkeiten nicht vermutet; § 12 UWG ist wegen der besonderen Komplexität der Sach- und Rechtslage nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf, Mitt. 2008, 327, 329 – Olanzapin). Ist jedoch der Verletzungstatbestand glaubhaft gemacht und bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Schutzrechts, haben grundsätzlich die Interessen des Verletzten Vorrang, auch wenn die einstweilige Verfügung mit einschneidenden Folgen für den Verletzer verbunden ist. Sie beruhen auf dem Ausschließlichkeitsrecht und sind für sich kein Grund, die Interessen des Verletzten zurücktreten zu lassen, für den in der Regel bereits die Tatsache einen erheblichen Nachteil darstellt, dass er ohne die begehrte einstweilige Verfügung sein zeitlich befristetes Recht bis zum Erlass eines Urteils im Hauptsacheverfahren nicht durchsetzen kann und damit für diesen Zeitraum endgültig verliert.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann dem Antragsteller der vorläufige Rechtsschutz nicht versagt werden. Im Hinblick auf den Rechtsbestand des Verfügungspatents ist zwar grundsätzlich erforderlich, dass diese Frage (ebenso wie die Frage der Patentverletzung) so eindeutig zugunsten des Antragstellers zu beantworten ist, dass eine fehlerhafte Entscheidung durch das selbst nicht fachkundig besetzte Verletzungsgericht nicht ernstlich zu erwarten ist (Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Auflage 2008, Rn. 661). Anlass für eine derartige Zurückhaltung hinsichtlich des Rechtsbestandes besteht jedoch dann nicht, wenn das Verfügungsverfahren praktisch wie ein Hauptsacheverfahren geführt wird, weil der Antragsgegner -wie im vorliegenden Fall – erst Monate nach Zustellung der Beschlussverfügung Widerspruch eingelegt hat, so dass bis zum Verhandlungstermin über den Widerspruch geraume Zeit vergangen ist, innerhalb derer der Antragsgegner ausreichend Gelegenheit für Recherchen hatte (Kühnen/Geschke, a.a.O., Rn. 665). Weil die Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners in diesem Fall nicht beschränkt waren, bedarf es zur Rechtfertigung des Unterlassungsgebotes keiner besonderen Interessenabwägung. Die Beschlussverfügung ist vielmehr schon dann zu bestätigen, wenn der entgegengehaltene Stand der Technik keinen Anlass zur Aussetzung eines Hauptsacheprozesses gegeben hätte (LG Düsseldorf, InstGE 5, 231 – Druckbogenstabilisierer, bestätigt durch das OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.03.2006, 2 U 55/05).
Angesichts des von der Antragsgegnerin im Nichtigkeitsverfahren gegen das Verfügungspatent angeführten Standes der Technik, der DE-OS 26 02 622 (D1, Anlage AST 4) und der EP-A 0 512 126 (D2, Anlage AG 4, wobei offensichtlich die hier auch vorgelegte A1-Schrift und nicht die schriftsätzlich erwähnte, jedoch nachveröffentlichte B1-Schrift gemeint ist), bestünde in einem Hauptsacheverfahren keine hinreichende Veranlassung für eine Aussetzung der Verhandlung. Beide Entgegenhaltungen begründen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Verfügungspatents.

1.
Das Verfügungspatent betrifft eine Einrichtung mit Saugköpfen zum Greifen und Transportieren großer Platten mit glattem Profil (aus Glas oder einem anderen Material). Wie die Beschreibung (in deutscher Übersetzung: Anlage AST 1.1) im ersten Absatz klarstellt, sind diese Platten in der Praxis in eine Lagervorrichtung mit feststehendem oder quer- und längsverschieblichem Chassis eingesetzt. Als Beispiele für derartige Lagervorrichtungen erwähnt die Verfügungspatentschrift die Lagervorrichtungen, die in den im Namen des Antragstellers eingereichten italienischen Patenten Nr. VI92A000135 (hier vorgelegt als Anlage AST 12/13) und VI92A000136 beschrieben sind (Anlage AST 1.1, Seite 1 zweiter Absatz). Dem Fachmann ist geläufig, dass die Lagerung der Platten in der Praxis annähernd in der Senkrechten erfolgt, während ihre Bearbeitung üblicherweise in der Waagerechten stattfindet. Bei dem in der italienischen Patentanmeldung VI92A000135 beschriebenen Kompaktlager werden die plattenförmigen Bauteile auf engem Raum gelagert; zur Entnahme einzelner Platten werden benachbarte Gestelle auseinandergefahren.
In der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 der in der Verfügungspatentschrift exemplarisch genannten italienischen Patentanmeldung VI92A000135 wird eine Kompaktlagervorrichtung gezeigt, in der die Glasplatten annähernd in der Senkrechten gelagert werden können. Durch das Auseinanderfahren benachbarter Gestelle 1, wodurch der Abstand zwischen ihnen vergrößert wird, werden die Glasplatten zugänglich, so dass sie von dem jeweiligen Gestell entnommen werden können:

Zum Stand der Technik erwähnt die Verfügungspatentschrift die DE-A-26 02 622 (D1, Anlage AST 4), aus der nach eigenen Angaben der Beschreibung die Merkmale des Oberbegriffs bekannt gewesen seien (Anlage AST 1.1, Seite 1 dritter Absatz). Die Beschreibung der Verfügungspatentschrift benennt allerdings weder die Nachteile dieses Standes der Technik noch die vor diesem Hintergrund mit der vorgeschlagenen technischen Lehre verfolgte Aufgabe.
Sie gibt jedoch an, dass die vorgeschlagene Einrichtung mit Saugköpfen zum Greifen und Transportieren großer Platten geeignet sein soll, insbesondere mit einem Kompaktlager gemäß der VI92A000135 zusammenzuwirken, ohne allerdings auf diese Art der Anwendung beschränkt zu sein (Anlage AST 1.1, Seite 1 zweiter Absatz).

Anspruch 1 des Verfügungspatents schlägt die Kombination folgender Merkmale vor, die sich in der wie folgt wiedergegebenen Weise gliedern lassen. Dabei wurde in Merkmal 3.1 der lediglich beispielhaft genannte Merkmalsbestandteil „schwenkbar“ weggelassen und Merkmal 2.1 mit Blick auf den für die Auslegung maßgeblichen französischsprachigen Anspruchswortlaut („un chariot (1) mobile charactérisé en ce que le long d´au moins un rail der guidage et de translation (4)“) in der Wortreihenfolge („entlang wenigstens einer“ statt „wenigstens entlang einer“) korrigiert:

1. Einrichtung mit Saugköpfen zum Greifen und Transportieren großer Platten aus Glas oder einem anderen Material,
1.1 die Einrichtung gewährleistet eine Längsverschiebung und ein orthogonales Kippen von in einer Lagervorrichtung befindlichen großen Platten in die eine oder andere Richtung, um diese in einer flachen, senkrechten oder schrägen Lage auf Verschiebe- oder Transportmittel oder auf Maschinen zu deren Bearbeitung abzusetzen,
2. die Einrichtung umfasst einen Wagen (1).
2.1 Der Wagen ist entlang wenigstens einer Führungs- und Verschiebeschiene (4) mit gerader oder gebogener Kontur horizontal beweglich.
2.2 Der Wagen ist mit einer manuellen oder motorgetriebenen Dreheinrichtung (6) ausgerüstet.
3. Es ist eine Translationsvorrichtung (7) zur Verschiebung einer Stange (9) vorgesehen.
3.1 Die Translationsvorrichtung (7) ist auf der Dreheinrichtung (6) befestigt.
3.2 Die Stange (9) wird von einer geeigneten Verschiebeeinrichtung (8) gesteuert.
3.3 Die Stange trägt Saugköpfe (11, 15-16, 28-29) zum Greifen.
4. Die Verschiebung zum Bewegen der Stange (9) erfolgt in Längsrichtung und horizontal.
5. Entlang der Stange (9) sind Stäbe (10) angeordnet, die Lagerungen für die Saugköpfe zum Greifen bilden.

Mit dem in der Beschreibung nicht näher erläuterten Begriff des „orthogonalen Kippens von in einer Lagervorrichtung befindlichen großen Platten in die eine oder andere Richtung“, das die Einrichtung gemäß Merkmal 1.1 neben einer Längsverschiebung der großen Platten gewährleisten soll, ist in für den Fachmann ohne Weiteres erkennbarer Weise gemeint, dass die Platten, die sich (zunächst) in annähernd senkrechter Ausrichtung in der Lagervorrichtung befinden, nicht nur in einer senkrechten, sondern wahlweise auch in einer flachen oder schrägen Lage auf Verschiebe- oder Transportmittel oder auf Maschinen zur Bearbeitung abgesetzt bzw. abgelegt werden können. Zu diesem Zweck umfasst die Einrichtung zunächst einen Wagen, der entlang wenigstens einer Führungs- und Verschiebeschiene mit geeigneter Streckenführung und beliebiger Kontur horizontal beweglich ist (Merkmal 2/2.1). Die Verschiebung des Wagens (1) auf der Schiene (4) kann durch eine motorisierte Antriebsvorrichtung gesteuert werden (Anlage AST 1.1, Seiten 1 und 2 übergreifender Absatz).
Zum zweiten ist der Wagen patentgemäß mit einer hand- oder motorgetriebenen Dreheinrichtung (6) ausgerüstet (Merkmal 2.2). Diese dient nach der technischen Lehre des Verfügungspatents dazu, die abgenommenen (das heißt der Lagervorrichtung entnommenen) Platten nach der einen oder anderen Seite kippen zu lassen, um sie in flacher, senkrechter oder schräger Lage auf die Transportmittel, die Übertragungssysteme oder direkt auf die Bearbeitungsmaschinen absetzen zu können (Anlage AST 1.1, Seite 2 erster vollständiger Absatz). Durch die Dreheinrichtung nach Merkmal 2.2 soll mithin das orthogonale Kippen im Sinne des Merkmals 1.1 gewährleistet werden.
Eine dritte Art der Bewegung der zu befördernden Platten ermöglicht die von Merkmalen 3 bis 5 näher beschriebene Translations- oder Verschiebeeinrichtung (7) zur Verschiebung einer Stange (9). Die Translationsvorrichtung (7) ist anspruchsgemäß auf der Dreheinrichtung nach Merkmal 2.2 – also vom Wagen (1) aus betrachtet jenseits der Dreheinrichtung – befestigt. Sie verschiebt die Stange (9) mittels einer geeigneten Verschiebeeinrichtung (8), die die Stange (9) steuert (Merkmal 3.2). Für die offensichtlich von dem Antragsteller vertretene Ansicht, es müsse sich um eine motorbetriebene Steuerung handeln, bietet weder der Anspruch eine Grundlage, noch die Beschreibung einen Anhalt; der erste vollständige Satz auf Seite 2 der Verfügungspatentschrift (Anlage AST 1.1) betrifft das Verschieben des Wagens nach Merkmal 2.1, nicht die Translationsvorrichtung nach Merkmalsgruppe 3. Die Stange (9) trägt Saugköpfe zum Greifen der zu transportierenden Platten (Merkmal 3.3). Der Wortlaut „Stange“ deutet unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs bereits darauf hin, dass das als Stange zu qualifizierende Bauteil über eine nicht zu vernachlässigende Längserstreckung verfügen muss. Bestätigt wird dies durch die Anweisung in Merkmal 5, wonach die Stäbe (10), die die Saugköpfe (11) zum Greifen tragen, „entlang der Stange“ angeordnet sind. Entlang einem Bezugsobjekt können andere Bauteile aber nur dann angeordnet sein, wenn das Bezugsobjekt auch über eine Längserstreckung verfügt.
Merkmal 4 beschreibt die Verschiebebewegung der Stange (9) dahin, dass sie in Längsrichtung und horizontal erfolgt. Wie bereits die im Anspruch gewählte Bezeichnung als „Translationsvorrichtung“ nahelegt, soll die Stange mithin nicht nur in einer horizontalen Ebene, sondern in ihrer Längsrichtung (translatorisch) verschoben werden. Die Stange muss nach der technischen Lehre des Verfügungspatents zumindest geeignet sein, die zu befördernde Platte mit Hilfe der Translationsbewegung nach Merkmal 4 aus einem möglicherweise engen Lager heraus zu befördern. Der Fachmann erkennt, dass diese translatorische Verschiebebewegung der Stange die mit dem Verfügungspatent beanspruchte Einrichtung befähigen soll, die zu greifende und zu transportierende Platte aus der Lagervorrichtung, etwa dem Kompaktlager der VI92A000135 (Anlage AST 12/13), heraus zu befördern, und zwar im Zuge einer Verschiebebewegung in Längsrichtung der Stange. Dabei wird nicht verkannt, dass die geschützte Einrichtung ausweislich der Beschreibung keineswegs auf ein Zusammenwirken mit dem Kompaktlager der VI92A000135 beschränkt ist (Anlage AST 1.1, Seite 1 zweiter Absatz: „Selbstverständlich kann die Erfindung auch auf jede andere Art von Lagervorrichtung angewendet werden.“); sie soll aber jedenfalls derart technisch ausgestaltet sein, dass sie auch mit einem solchen Lager, das an die Entnahme der Platten aus eng beieinander stehenden Gestellen besondere Anforderungen stellt, zusammenwirken kann.
Zu diesem Zweck soll die Stange, die vermittelt über Stäbe die Saugnäpfe zum Greifen der Platten trägt (vgl. Merkmal 5), so in ihrer Längsrichtung horizontal verschiebbar sein, dass sie unter anderem zwischen benachbarte Gestelle des in der VI92A000135 beschriebenen Kompaktlagers für plattenförmige Bauteile einfahren kann, um die Platten zu greifen und über die beschriebene translatorische Verschiebung aus dem Kompaktlager hinauszubefördern. Dabei wird nicht verkannt, dass Merkmal 1 (anders als der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 27.05.2009 auf Seite 4, Bl. 113 GA, im letzten Absatz suggeriert) keineswegs nach Art eines Verfahrensanspruchs ausdrücklich vorschreibt, die Platten würden „durch Längsverschieben aus der Lagervorrichtung herausgezogen, d.h. aus demjenigen Bereich entfernt, der durch die dicht hintereinander angeordneten Gestelle keinen Raum für ein Verschwenken der nahe der Senkrechten gelagerten Platten in die Horizontale erlaubt“. Allerdings soll die vom Verfügungspatent geschützte Vorrichtung aufgrund ihrer konstruktiven Beschaffenheit geeignet sein (vgl. Merkmal 1.1: „die Einrichtung gewährleistet …“), die in einer Lagervorrichtung befindlichen großen Platten in Längsrichtung zu verschieben und orthogonal in die eine oder andere Richtung zu kippen, um sie in flacher, senkrechter oder schräger Lage an gewünschter Stelle abzusetzen. Wenn der Fachmann vor diesem Hintergrund zur Kenntnis nimmt, was ihm die Beschreibung ausdrücklich vermittelt, dass die geschützte Einrichtung beispielsweise (also jedenfalls, wenn auch nicht abschließend) mit dem Kompaktlager nach der italienischen Patentanmeldung VI92A000135 soll zusammenwirken können, erkennt er, dass dieses Ziel dadurch erreicht werden kann, die eine gewisse Längserstreckung aufweisende Stange durch geeignete Maßnahmen translatorisch horizontal zu verschieben. Denn ein bestmögliches Zusammenwirken der Einrichtung mit dem erwähnten Kompaktlager, das das Verfügungspatent erklärtermaßen anstrebt, ist nur dann gegeben, wenn die geschützte Vorrichtung die Platte aus der Lagervorrichtung im Zuge einer lediglich translatorischen Bewegung der anspruchsgemäßen Stange zu befördern vermag und die Schwenkbewegung mittels der Dreheinrichtung nach Merkmal 2.2 ausschließlich dazu dient, die Platte bei der Aufnahme aus dem Lager greifen zu können und anschließend, außerhalb des Kompaktlagers, in die gewünschte Ablageposition, die keine senkrechte sein muss (vgl. Merkmal 1.1), zu kippen.
Merkmal 5 sieht schließlich vor, dass entlang der Stange (9) Stäbe (10) angeordnet sind, die ihrerseits Lagerungen für die Saugköpfe zum Greifen der Platten (vgl. Merkmal 3.3) bilden. Während Merkmal 3.3 noch offen lässt, in welcher Weise die translatorisch verschiebbare Stange die Saugköpfe zum Greifen der Platten trägt, schreibt Merkmal 5 präzisierend vor, dass die Saugköpfe von Stäben (10) getragen werden sollen, die Lagerungen für die Saugköpfe zum Greifen bilden. Die Stäbe (10) sind anspruchsgemäß „entlang der Stange (9)“ (in der französischen Fassung des Anspruchs: „le long de la barre (9)“), nicht lediglich „an der Stange“ angeordnet. Was das Verfügungspatent unter „entlang der Stange“ versteht, erschließt sich dem Fachmann bei Betrachtung der Figur 1 des Verfügungspatents, die neben der Beschreibung zur Auslegung des Anspruchs heranzuziehen ist (Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ; die Beschreibung selbst gibt keinen näheren Aufschluss, weil sie lediglich davon spricht, dass die „durch eine Verschiebeeinrichtung 8 gesteuerte Stange 9 (…) die Chassis oder Stäbe 10 trägt“, Anlage AST 1.1, Seite 3 letzter Absatz). In Figur 1 verteilen sich die Stäbe (10) im Wesentlichen über die Länge der Stange (9), indem sie mit Abstand voneinander (bei Figur 1 sogar parallel zueinander) an der Stange befestigt sind. Das deckt sich mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach die Präposition „entlang“ zum Ausdruck bringen soll, dass etwas parallel zu oder an der ganzen Länge von etwas verläuft. Ausgeschlossen ist demgegenüber eine Anordnung der Stäbe „an“ der Stange, bei der sie sternförmig aufeinander zulaufen und in im Wesentlichen einem einzigen Punkt an der Stange befestigt sind. Ob ein nur geringfügiger Abstand der Befestigungspunkte der Stäbe an der Stange bereits ausreicht, um die Stäbe „entlang“ der Stange angeordnet sein zu lassen, bzw. welcher Mindestabstand erforderlich ist, damit die Befestigungspunkte der Stäbe im Wesentlichen über die Länge der Stange verteilt sind, bedarf im vorliegenden Fall (d.h. vor dem Hintergrund der Entgegenhaltung D1) keiner Entscheidung. Jedenfalls schließt Merkmal 5 ein sternförmiges Zusammenlaufen der Stäbe in einem Punkt auf der Stange aus.

2.
Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses der vom Verfügungspatent geschützten technischen Lehre vermag die als D1 primär entgegengehaltene DE-Offenlegungsschrift 26 02 622 (Anlage AST 4) die Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents nicht ernsthaft in Frage zu stellen.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die D1 in der Beschreibung der Verfügungspatentschrift ausdrücklich erwähnt – wenngleich nicht explizit inhaltlich gewürdigt – wird, so dass davon auszugehen ist, dass der Offenbarungsgehalt der D1 durch den sachkundigen Prüfer der Europäischen Patentamtes bei Erteilung des Verfügungspatents nicht verkannt worden ist. Die Entscheidung, dass die D1 weder der Neuheit noch der Erfindungshöhe entgegensteht, erscheint unter Berücksichtigung der nachfolgenden Erwägungen jedenfalls nicht unvertretbar.
Inhaltlich offenbart die D1 keine in Längsrichtung horizontal verschiebbare Stange, entlang derer Stäbe angeordnet sind, die Lagerungen für die Saugköpfe zum Greifen bilden, und die geeignet wäre, große Platten aus einem Kompaktlager etwa gemäß der italienischen Patentanmeldung VI92A000135 zu entnehmen. Die D1 offenbart damit nicht die Merkmale 3, 4 und 5 des Verfügungspatentanspruchs 1.
Die Antragsgegnerin will die Translationsvorrichtung zur Verschiebung einer Stange (Merkmalsgruppe 3) bei der D1 in dem Arm 2 und dem Schlitten 6 erblicken, wobei letzterer die Stange bilde (vgl. Anlage AG 2, Seite 6 und Seite 7, jeweils oben). Darin ist ihr im Ergebnis nicht zu folgen.

Zur Veranschaulichung der Diskussion wird nachfolgend die einzige Figur der Entgegenhaltung D1 (in verkleinerter Darstellung) eingeblendet:

Zutreffender Weise geht die Antragsgegnerin davon aus, dass der Schlitten 6 auf dem Arm 2 der D1 verschiebbar ist (vgl. die Beschreibung der D1, Anlage AST 4, Seite 8 zu Beginn des zweiten Absatzes und Unteranspruch 3). Wie im Zusammenhang mit der Auslegung des Verfügungspatents unter II. 1. erläutert, setzt Merkmalsgruppe 3 des Verfügungspatents nicht voraus, dass die Verschiebebewegung der Stange motorbetrieben ist; patentgemäß ausreichend ist vielmehr eine lediglich manuelle Verschiebbarkeit, wie sie bei dem Schlitten 6 gegenüber dem Arm 2 der D1 bei isolierter Betrachtung gegeben ist. Würde man der Antragsgegnerin darin folgen, dass der Schlitten 6 der D1 eine Stange im Sinne des Verfügungspatents darstellt, läge auch eine horizontale Verschiebbarkeit in Längsrichtung vor, denn der Arm 2, auf dem der Schlitten 6 gleitet, befindet sich – ungeachtet seiner Verschwenkbarkeit um die ebenfalls horizontale Achse 4 – stets in der Horizontalen.
Allerdings überzeugt es nicht, in dem Schlitten 6 der D1 eine Stange (9) im Sinne der vom Verfügungspatent geschützten technischen Lehre zu sehen. Dem Schlitten 6 der D1 fehlt es an einer nennenswerten Längserstreckung, entlang derer die Stäbe im Sinne des Merkmals 5 angeordnet werden könnten. Die „armartigen Elemente 7“, von denen die Sauger 3 distal getragen werden, laufen vielmehr im Bereich des Schlittens 6 stern- oder strahlenförmig aufeinander zu und in annähernd einem Punkt zusammen. Es fehlt der D1 damit zudem an einer Offenbarung der Anordnung der die Saugköpfe tragenden Stäbe „entlang der Stange“ im Sinne von Merkmal 5 des Verfügungspatents.
Im Hinblick auf Merkmale 3 und 4 (Schlitten 6 als in Längsrichtung horizontal verschiebbare Stange?) kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg darauf berufen, der Gang des Erteilungsverfahrens belege, dass der Prüfer den Schlitten 6 der D1 als Stange im Sinne des Verfügungspatents angesehen habe. Die Antragsgegnerin meint, aus der Hinzufügung des Wortes „horizontalement“ (horizontal) zu Merkmal 4 durch den Prüfer (vgl. Anlage AST 17) ableiten zu können, dass dieser den Schlitten 6 als patentgemäße Stange angesehen und seine Verschiebbarkeit gegenüber dem Arm 2 der D1 übersehen habe; durch die Hinzufügung des Adverbs „horizontalement“ in Bezug auf den möglichen Verschiebevorgang habe der Prüfer die patentgemäße Bewegung gegenüber der Höhenverstellung des Arms 2 mit dem Schlitten 6 entlang der vertikalen Stütze 11 bei der D1 abgrenzen wollen. Dieser von der Antragsgegnerin gezogene Schluss ist keineswegs zwingend und überzeugt inhaltlich nicht. Dass der Prüfer eine Verschiebung der Stange „in Längsrichtung“ offenbar nicht für ausreichend erachtet hat, um die geschützte technische Lehre gegenüber der D1 abzugrenzen, und daher die weitere Eingrenzung „horizontal“ für erforderlich hielt, lässt nicht die Folgerung zu, er habe den Schlitten 6 (in Verkennung seiner Verschiebbarkeit relativ zum Arm 2) als „Stange“ im Sinne des Klagepatents angesehen. Viel näher liegt es, dass der Prüfer den Arm 2, der bei der D1 aufgrund des über den Achsbolzen 14 vermittelten Gelenks gegenüber der Führungshülse 12 und der vertikalen Stütze 11 nicht horizontal längsverschiebbar ist, als Stange angesehen hat (was wegen der ausgeprägten Längserstreckung des Arms 2 naheliegt) und den Schlitten demgegenüber nicht als solche in Betracht gezogen hat. Der Schlitten 6 ist auch bei der D1 gegenüber seiner Führung (dem Arm 2) horizontal längsverschiebbar, so dass die Hinzufügung „horizontalement“ in Anspruch 1 des Verfügungspatents insoweit nicht aussagekräftig wäre. Für den Arm 2 hingegen, der mitsamt dem Schlitten 6 bei der D1 vertikal verschiebbar auf dem Ständer 11 gelagert ist, besteht angesichts der D1 durchaus Veranlassung, die technische Lehre des Verfügungspatents dadurch gegenüber der D1 abzugrenzen, dass die Verschiebebewegung der Stange in patentgemäßer Weise horizontal erfolgt.
Durch die D1 wird daher Merkmal 4, eine in Längsrichtung und horizontal verschiebbare Stange, nicht offenbart, weil der Schlitten 6 der D1 nicht als „Stange“ im Sinne des Verfügungspatents angesehen werden kann. Zudem sind keine Stäbe „entlang“ einer translatorisch verschiebbaren Stange angeordnet, die Lagerungen für die Saugköpfe zum Greifen bilden könnten. Die armartigen Elemente 7 der D1 laufen auf einen Punkt auf dem Schlitten 6 zusammen, was letztlich belegt, dass es sich bei ihm nicht um eine Stange im Sinne der geschützten technischen Lehre handeln kann. Schließlich wird aber auch das erfindungsgemäß angestrebte Ziel, eine Transporteinrichtung für große Platten zu schaffen, die auch für in einer Lagervorrichtung wie in der VI92A000135 (Anlage AST 12) gelagerte Platten geeignet ist, durch die in der D1 gezeigte Transporteinrichtung nicht erreicht. Diese kann aufgrund des gegenüber dem Grundgestell (dem Wagen) 16 nicht längsverschiebbaren Armes 2, der als Stange im Sinne des Verfügungspatents allenfalls in Betracht kommt, bei enger paralleler Anordnung mehrerer die großen Glasplatten tragender Gestelle nicht eingesetzt werden, um eine Platte aus einer derartigen Kompaktlager zu befördern. Dabei kann es dahinstehen, ob die in der D1 ausdrücklich erwähnte Verschiebbarkeit des Schlittens 6 gegenüber dem Arm 2 und der verbleibende Verschiebespielraum ausreichen, um eine von den Saugköpfen ergriffene Platte in Längsrichtung des Schlittens und des Armes so weit auf die vertikale Stütze 11 zuzubewegen, dass sich die Platte bereits außerhalb eines derartigen Kompaktlagers befindet. Denn selbst wenn man dies annehmen wollte, befände sich der Arm 2 der D1 noch immer zwischen den Gestellen des Kompaktlagers und könnte aus ihnen allenfalls durch eine Schwenkbewegung des Drehtellers 26 gegenüber dem Grundgestell 16 heraus bewegt werden, vorausgesetzt der Abstand zwischen den benachbarten Gestellen lässt diese Schwenkbewegung zu. Die Länge des Arms 2 gegenüber der vertikalen Stütze 11 ist bei der Vorrichtung nach D1 unveränderlich. Dass der Arm 2 nach der D1 über das Schwenklager mit dem Achsbolzen 14 und den Hubschlitten 12 mit dem vertikalen Ständer 11 nicht längsverschiebbar verbunden ist, kann die Antragsgegnerin mit ihrem Verweis auf den ersten Absatz auf Seite 8 der Entgegenhaltung D1 (Anlage AST 4; vgl. Schriftsatz vom 25.05.2009, Rn. 7, Bl. 105 GA) nicht erheblich in Abrede stellen. Denn die dort angesprochene Verdrehbarkeit bzw. Verschwenkbarkeit hat mit einer Verschiebbarkeit des Arms 2 in Längsrichtung schlechthin nichts zu tun.
Die D1 gestattet damit lediglich die Aufnahme einer Platte von einem frei und isoliert stehenden A-Gestell, neben dem sich unmittelbar benachbart keine weiteren Gestelle befinden, nicht jedoch aus einem Kompaktlager, wie es in der italienischen Patentanmeldung VI92A000135 (Anlage AST 12/13) beschrieben ist. Denn hier würde der Arm 2 mit der an dem Schlitten 6 gehaltenen Platte seitlich an ein benachbartes Gestell anstoßen, weil (allenfalls) die von dem Schlitten getragene Platte, nicht jedoch auch der Arm 2 aus dem Zwischenraum zwischen den eng beieinander stehenden Gestellen heraus bewegt werden kann. Da die geschützte Vorrichtung jedoch geeignet sein muss, (zumindest auch) mit einem Kompaktlager gemäß der Anlage AST 12/13 zusammenzuwirken, was durch das Zusammenspiel insbesondere der Merkmale 3 bis 5 gewährleistet werden soll, wird die technische Lehre des Verfügungspatents durch die D1 nicht offenbart.
Dem von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwand, die Vorrichtung der D1 müsse mit ihren Führungs- und Verschiebeschienen 20 in Bezug auf ein Kompaktlager lediglich so angeordnet werden, dass die Schienen an geeigneter Stelle auf die Lücke zwischen zwei Gestellen zulaufen, um mittels des Arms 2 eine Platte aus einem solchen Kompaktlager aufnehmen zu können, vermag die Kammer nicht näher zu treten. Selbst bei der im Falle der D1 wie bei der geschützten Vorrichtung gebotenen „dimensionalen Anpassung“ der Greif- und Transporteinrichtung an die gegebenen Lagervorrichtungen käme wohl kein Fachmann auf die Idee, die Schienen parallel zu den Lücken zwischen den verfahrbaren Gestellen eines Kompaktlagers anzuordnen, um sie in diese gleichsam „hineinzuführen“, damit der Arm 2 mit der bei der D1 vorgesehenen und allein möglichen Bewegung eine Platte greift. Denn der Vorteil eines Kompaktlagers liegt gerade darin, die Greif- und Transporteinrichtung an den Gestellen mit Platten entlang zu führen, und an der gewünschten Stelle eine Platte aus den zu diesem Zweck dort geringfügig auseinanderbewegten Gestellen zu entnehmen. Die von der Antragsgegnerin angeführte Modifikation in der Schienenführung liefe den Vorteilen eines Kompaktlagers daher diametral zuwider und würde vom Fachmann nicht in Betracht gezogen.

3.
Auch die D2 (bei der es sich allenfalls um die als Anlage AG 4 vorgelegte A1-Schrift handeln kann, weil die sowohl in der Nichtigkeitsklage als auch im Widerspruchsschriftsatz angesprochene B1-Schrift des EP 0 512 126 gegenüber der Priorität des Verfügungspatents nachrangig ist) steht der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit entgegen.
Betrachtet man zunächst nur die in Figur 1 der Entgegenhaltung D2 dargestellte Vorrichtung, die nachfolgend eingeblendet ist,

handelt es sich offensichtlich um eine gattungsfremde Vorrichtung. Figur 1 offenbart eine Vorrichtung zur Handhabung von plattenförmigen Werkstücken, die im kartesischen Koordinatensystem bewegt werden sollen. Zu diesem Zweck sieht Figur 1 der D2 horizontale Beweglichkeiten der Saugtraverse 17 im Raum in einer X-Richtung (durch die auf Bodenschienen 4 und 5 mit dem Fuß 6 verfahrbare vertikale Tragsäule 7) und in einer Y-Richtung (durch die Verfahrbarkeit des Tragarms 11 gegenüber der Führungsanordnung 10 und die Verfahrbarkeit des Transportkopfes 12 auf dem Tragarm 11) sowie eine vertikale Beweglichkeit in der Z-Richtung (durch eine Bewegung des Tragschlittens 8 relativ zur Tragsäule 7) vor. Drehbar ist bei der Vorrichtung nach Figur 1 der D2 lediglich die mit Einzelsaugern 18 ausgestattete Saugtraverse 17, und zwar um die vertikal verlaufende C-Achse. Die von der D2 offenbarte Vorrichtung dient dazu, Tafeln von verschiedenen Werkstückstapeln W1 bis W4 zur Weiterleitung an einen Fertigungsprozess zu isolieren. Die Tafeln behalten im Falle der Figur 1 der D2 ihre horizontale Ausrichtung bei, eine Drehung kann lediglich um die vertikale Achse C erfolgen.
Erstmals in der mündlichen Verhandlung ließ die Antragsgegnerin – zutreffend – darauf hinweisen, dass die D2 über die Darstellung in Figur 1 hinaus ein orthogonales Kippen der Werkstücke offenbare (Anlage AG 4, Spalte 6 Zeilen 43-55). Auch damit wird aus der in der D2 offenbarten Vorrichtung allerdings keine gattungsgemäße Vorrichtung, die (sei es auch in der Zusammenschau mit der in der D2 erwähnten D1, vgl. Anlage AG 4, Spalte 1 Zeile 11-15) sämtliche Merkmale des Verfügungspatentanspruchs 1 offenbart. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin gab es im Prioritätszeitpunkt des Verfügungspatents ausschließlich entweder A-Gestelle zur Lagerung von großen (Glas-) Platten oder Lager nach Art der in der italienischen Patentanmeldung VI92A000135 (Anlage AST 12/13). Selbst wenn man die in Figur 1 der D2 gezeigte Vorrichtung um einen Mechanismus zum orthogonalen Kippen der Werkstücke ergänzt, ist nicht ersichtlich, wie die so erhaltene Vorrichtung in der Lage sein sollte, mit einem Kompaktlager der eingangs wiedergegebenen Art zusammenzuwirken.
Auch unabhängig davon würde jedoch die in der D2 offenbarte Vorrichtung die technische Lehre des Verfügungspatents nicht vorwegnehmen. Dieses setzt gemäß Merkmal 3.1 voraus, dass die Translationsvorrichtung zum Verschieben einer Stange auf der Dreheinrichtung zum orthogonalen Kippen angeordnet ist, dass die Bewegung der Stange in Längsrichtung also erst „jenseits“ der Dreheinrichtung erfolgt (Reihenfolge: Wagen – Dreheinrichtung – Translationsvorrichtung). Diese Reihenfolge wird in der D2 (Anlage AG 4) auch durch die Beschreibung in Spalte 6 Zeilen 43 ff. nicht offenbart. Dort heißt es zwar, das Kippen der Werkstücke gegenüber der horizontalen Bearbeitungsebene könne technisch in verschiedenster Weise realisiert werden, vorteilhaft sei es jedoch, wenn die Saugtraverse über ein Kippelement an dem Transportkopf angelenkt sei, wobei das Kippsegment zweckmäßigerweise direkt am Transportkopf befestigt werde (das ist eine Reihenfolge: Wagen – Translationsvorrichtung – Dreheinrichtung). Ausgehend von der allgemeinen Offenbarung, das Kippen könne technisch in verschiedenster Weise realisiert werden, würde der Fachmann für die von der D2 erfassten Anwendungen nicht auf die Idee kommen, bereits den Tragarm 11 als die verfügungspatentgemäße Stange um eine horizontale Achse drehbar bzw. kippbar auszugestalten. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund er dies tun sollte, weil er eine Kippbewegung der Werkstücke vorteilhafterweise erst jenseits des Transportkopfes 12, der gegenüber dem Tragarm 11 eine Bewegung in dessen Längsrichtung vollzieht, vorsehen wird.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.
Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil mit der vorliegenden Entscheidung die ihrerseits bereits kraft ihrer Natur vorläufig vollstreckbare Entscheidung vom 22.10.2008 lediglich wiederholt wird (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 27. Auflage 2009, § 708 Rn. 8).

Der Streitwert wird auf 250.000,– EUR festgesetzt.