4a O 138/09 – Wintergerste u.a. (Sortenschutz)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1287

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Dezember 2009, Az. 4a O 138/09

I. Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin beantragt hat, den Beklagten zu verurteilen, an sie 130,50 EUR zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/10 und dem Beklagten zu 9/10 auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des für die andere Partei aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin wurde von verschiedenen Sortenschutzinhabern und Inhabern von ausschließlichen Nutzungsrechten an Sortenschutzrechten zur Wahrnehmung von deren Rechten gegenüber Landwirten im Zusammenhang mit dem von diesen betriebenen Nachbau ihrer Sorten beauftragt und ermächtigt, diese Rechte im eigenen Namen geltend zu machen. Dazu gehören auch die Sortenschutzinhaber und ausschließlichen Nutzungsberechtigten der im ursprünglichen Klageantrag zu 1. näher bezeichneten Sorten.

Der Beklagte betrieb zumindest bis Ende März 2008 einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er gab vor dem Wirtschaftsjahr 2007/2008 gegenüber der Klägerin Nachbauerklärungen ab. Daraus ergab sich, dass der Beklagte zumindest über zertifiziertes Saatgut der Sorten „A“, „B“, „C“, „D“, „E“, „F“, „G“ und „H“ verfügte, mit denen er im Wirtschaftsjahr 2007/2008 Nachbau hätte betreiben können.

Im April 2008 forderte die Klägerin den Beklagten schriftlich auf – wobei der Beklagte den Zugang dieses Schreibens bestreitet –, ihr Auskunft über den von ihm betriebenen Nachbau zu erteilen. Dem Schreiben war eine Aufstellung der oben genannten Sorten beigefügt, von deren Nachbau die Klägerin aufgrund der früheren Erklärungen ausging. Da der Beklagte nicht reagierte, forderte die Klägerin ihn mit Schreiben vom 14.11.2008, dessen Zugang der Beklagte ebenfalls bestreitet, erneut zur Erteilung der geforderten Auskunft auf. Auch dieses Schreiben blieb erfolglos. Die Klägerin beauftragte in der Folgezeit ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten, die den Beklagten mit Schreiben vom 06.02.2009, dessen Zugang der Beklagte ebenfalls bestreitet, erfolglos aufforderten, Auskunft zu geben.

Die Klägerin hat daher ursprünglich im Wege der am 11.06.2008 zugestellten Stufenklage beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. ihr Auskunft darüber zu erteilen, ob er im Wirtschaftsjahr 2007/2008 (Anbau zur Ernte 2008) im eigenen Betrieb Erntegut, das er durch Anbau von Vermehrungsmaterial der für die nachfolgend bezeichneten Sortenschutzinhaber bzw. Nutzungsberechtigten jeweils geschützten, ebenfalls nachfolgend bezeichneten Sorten

Sortenschutzberechtigter/
Nutzungsberechtigter Sorte Art EU-Sorte/Deutsche Sorte
I GmbH A Wintergerste D
I GmbH B Wintergerste EU
J GmbH & Co. KG C Triticale D
J GmbH & Co. KG D Triticale EU
K mbH Saatzucht M E Triticale D
L GmbH F Winterweizen EU
J GmbH & Co. KG G Winterweizen EU
N GmbH & Co. KG H Winterweizen EU

im eigenen Betrieb gewonnen hat, als Vermehrungsmaterial verwendet hat (Nachbau) und bei den Sorten, mit denen er Nachbau betrieben hat, der Klägerin Auskunft über

– die Menge des von ihm verwendeten Saat- und Pflanzenguts und
– im Falle der Fremdaufbereitung Name und Anschrift des Aufbereiters zu erteilen

sowie die erteilten Auskünfte durch geeignete Nachweise zu belegen;

2. an sie 130,50 EUR zu zahlen;

3. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemäß Ziffer 1 des Antrags gemachten Angaben an Eides statt zu versichern;

4. an sie Nachbaugebühren und/oder Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft gemäß Ziffer 1 des Antrags noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 01.09.2009 den Auskunftsanspruch anerkannt, die geforderte Auskunft erteilt und erklärt, im streitbefangenen Zeitraum keinen Nachbau betrieben zu haben. Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit im Hinblick auf ihre Anträge zu 1. und zu 4. in der Hauptsache für erledigt erklärt und den Antrag zu 3. fallen gelassen, wobei sich der Beklagte der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.10.2009 angeschlossen hat.

Darüber hinaus ist der Beklagte dem Zahlungsantrag der Klägerin in der Sache entgegen getreten und hat im Übrigen beantragt,

der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Er trägt vor, für ihn hätte es keine Veranlassung gegeben, die von der Klägerin geforderte Auskunft nicht zu erteilen, wenn er wie von der Klägerin behauptet zur Auskunftserteilung aufgefordert worden wäre, da er für die Wiederaussaat wie auch in den Jahren zuvor in vollem Umfang über den örtlichen Handel erworbenes Getreide verwendet habe. Eine entsprechende Aufforderung sei ihm für das hier streitgegenständliche Wirtschaftsjahr jedoch nicht zugegangen. Im Übrigen habe er, der Beklagte, seinen Betrieb seit dem 01.04.2008 verpachtet.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben, keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten in Höhe von 130,50 EUR aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB zu, da sie im Hinblick auf die Voraussetzungen des Schuldnerverzuges beweisfällig geblieben ist. Der Beklagte hat den Zugang der durch die Klägerin versandten Abmahnschreiben bestritten. Gleichwohl hat die Klägerin insoweit keinen Beweis angetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 91a Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Nach diesen Grundsätzen waren dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits im Hinblick auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil aufzuerlegen, da die Klägerin nach dem bisherigen Sach- und Streitstand insoweit obsiegt haben dürfte. Die Klägerin hat den mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Anspruch auf Auskunft und den Antrag zu 4. auf Zahlung der Nachbaugebühren und/oder Schadenersatz schlüssig dargelegt. Der Beklagte hat den Auskunftsanspruch mit Schriftsatz vom 01.09.2009 anerkannt und die von der Klägerin geforderte Auskunft erteilt, so dass es bereits aus diesem Grund unerheblich ist, ob der Beklagte seinen Betrieb ab dem 01.04.2008 verpachtet hat. Einer Zahlung bedurfte es demgegenüber nicht, da der Beklagte nach seiner Auskunft, deren Richtigkeit die Klägerin nicht in Zweifel gezogen hat, im streitbefangenen Zeitraum keinen Nachbau betrieben hat.

Auch unter Berücksichtigung von § 93 ZPO bestand kein Anlass, von dieser Kostenfolge abzusehen. Der Beklagte ist bezüglich der Tatsache, dass er keine Veranlassung zur Klage gegeben hat, beweisfällig geblieben.

Ist nach einem sofortigen Anerkenntnis streitig, ob der Beklagte Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat, so trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 ZPO und damit auch für die fehlende Klageveranlassung. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vom Beklagten darzulegenden und zu beweisenden Umstand, das heißt dem fehlenden Zugang der Abmahnschreiben, um eine negative Tatsache handelt. Dies führt allerdings nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern allenfalls zu einer sekundären Darlegungslast der Klägerin. Der Beklagte kann sich zunächst auf die schlichte Behauptung der negativen Tatsache, ihm seien die Abmahnschreiben nicht zugegangen, beschränken. Nach dem auch im Prozessrecht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist sodann die Klägerin ausnahmsweise verpflichtet, diesem einfachen Bestreiten mit eigenem qualifizierten Vortrag entgegen zu treten. Im Anschluss daran muss jedoch die darlegungspflichtige Partei ihren Vortrag konkretisieren und detailliert – gegebenenfalls unter Beweisantritt – auf das Bestreiten der Gegenpartei eingehen. Auf den Zugang des Abmahnschreibens bezogen bedeutet dies, dass die Klägerin gehalten ist, die genauen Umstände der Absendung des Abmahnschreibens vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen. Eine weitergehende Verpflichtung der Klägerin – etwa dahingehend, dass sie besondere Versendungsformen zu wählen habe, die einen Nachweis des Zugangs ermöglichten – kann auf Grund der sekundären Darlegungslast dagegen nicht begründet werden (vgl. BGH GRUR 2007, 629, 630 – Zugang des Abmahnschreibens).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte der ihm obliegenden Darlegungslast nicht genügt. Er hat vielmehr lediglich vorgebracht, keine Veranlassung zur Klage gegeben zu haben, da ihm zu keinem Zeitpunkt eine Abmahnung der Klägerin zugegangen sei. Die Klägerin hat daraufhin unter Benennung der zuständigen Mitarbeiterin vorgetragen, die Abmahnschreiben seien ordnungsgemäß eingetütet und abgesandt worden, wobei diese auch nicht als „unzustellbar“ oder dergleichen zurückgekommen seien. Damit ist die Klägerin der sie treffenden (sekundären) Darlegungslast nachgekommen. Der Beklagte hätte nunmehr Beweis dafür antreten müssen, dass ihm die Abmahnschreiben nicht zugegangen sind. Er ist jedoch diesen Beweis und damit den – ihm obliegenden – Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 ZPO schuldig geblieben mit der Folge, dass er die Kosten des Rechtsstreits in Bezug auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits zu tragen hat.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird bis zum 12.10.2009 auf 1.000,- EUR, danach auf 130,50 EUR sowie auf die gesamten Kosten des Rechtsstreits festgesetzt.