21 O 3473/07 – Lenkdrachenkite

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 782

Landgericht München I
Urteil vom 1. August 2007, Az. 21 O 3473/07

I. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 60.000,- € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber des Europäischen Patents EP 1569xxx, das am 12.12.2003 unter Inanspruchnahme dreier unterschiedlicher Prioritäten von 13.12.2002 bis 26.2.2003 angemeldet und dessen Erteilung am 2.11.2006 veröffentlicht wurde.
Parallele Schutzrechte sind das am 26.2.2003 angemeldete deutsche Gebrauchsmuster 20303xxx und das deutsche Patent Nr. 1Ö2586xxx, das am 13.12.2002 angemeldet und dessen Erteilung am 23.2.2006 veröffentlicht wurde. Beide Patente weisen einen identischen Anspruch 1 auf, der lautet wie folgt:
Sportgerät mit einem Haltegriff zum Festhalten und Steuern des Sportgerätes und mit einer Zugeinrichtung, die in einem aktiven Zustand über eine Zugleine mit dem Benutzer wirkverbunden ist und eine Zugkraft auf den Benutzer ausübt und mit einer Sicherheitseinrichtung zur Entkopplung der auf die Zugleine wirkenden Zugkraft, wobei der Benutzer den Haltegriff in dem aktiven Zustand anfasst, dadurch gekennzeichnet, dass die Sicherheitseinrichtung zugseitig in Wirknähe vom Benutzer am Haltegriff angeordnet ist und im aktiven Zustand durch eine Bewegung des Haltegriffs in einer Wirkrichtung der Zugkraft auslösbar ist und bei Auslösung die auf die Zugleine wirkende Zugkraft entkoppelt.
Der Beklagte hat das Gebrauchsmuster mit Eingabe vom 12.1.2004 auf mit den Ansprüchen der Patente wortgleiche Ansprüche beschränkt (Anlage B7). Der ursprüngliche Schutzanspruch 1 des Gebrauchsmusters lautete: Sportgerät mit einem Haltegriff zum Festhalten und Steuern des Sportgerätes und mit einer Zugeinrichtung, die mit dem Haltegriff wirkverbunden ist und in einem aktiven Zustand eine Zugkraft auf den Haltegriff und ein angekoppeltes Objekt ausübt, dadurch gekennzeichnet, dass an dem Haltegriff eine Sicherheitseinrichtung angeordnet ist, welche die Zugeinrichtung bei Erreichen eines Schwellenwertes der Zugkraft deaktiviert.

Die Beschreibungen und Zeichnungen der drei Schutzrechte sind identisch; so sind in der Beschreibung des europäischen Patents der Beklagten (Streitpatent) die in Spalte 1, Zeile 14 ff. (Abschn. 2) die Ansprüche 1 und 24 genannt, obwohl beide Patente nur 18 Ansprüche aufweisen; das Gebrauchsmuster wies ursprünglich 43 Ansprüche auf.
In der Beschreibung der Schutzrechte finden sich u. a. folgende Ausführungen (zitiert nach der Gliederung des Streitpatents):
[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Sportgerät mit einem Haltegriff zum Festhalten und Steuern des Sportgerätes und mit einer Zugeinrichtung, die mit dem Haltegriff wirkverbunden ist und in einem aktiven Zustand eine Zugkraft auf den Haltegriff und ein angekoppeltes Objekt ausübt.
[0002] Ein solches Sportgerät ist aus dem Stand der Technik z.B. als Lenkdrachen, Fallschirm, Paraglider, Flugdrachen oder auch als Sportboot, das Wasserski zieht. Es gibt viele Sportgeräte, die eine oder mehrere Personen mittels einer Zugeinrichtung ziehen. Alle diese Sportgeräte sollen unter den Oberbegriff der Ansprüche 1 und 24 fallen, sofern sie die darin genannten Merkmale aufweisen. Ein solches Sportgerät ist durch DE-U-20 209 515 bekannt.
[0003] Die vorliegende Erfindung betrifft aber insbesondere solche Sportgeräte, bei denen die Zugeinrichtung ein Lenkdrachen ist. Sogenannte Lenkdrachenkites werden als Antrieb von Kite{Surf)-Boards, Snowkite-boards, Skiern, Buggies und anderen Fahrzeugen zu Sportzwecken verwendet. Der Kite ist dabei mit mehreren Leinen ausgestattet, die die Steuerung der Flugbewegungsrichtung und -geschwindigkeit sowie der Regulierung des Anstellwinkels, d.h., des Strömungswinkels, dienen. Die Steuerleinen sind dabei direkt mit einem Haltegriff bzw. einer Lenkstange oder Bar verbunden. Die Leinen zur Regulierung des Anstellwinkels werden noch oberhalb der Bar zu einer Zugleine bzw. Depowerleine zusammengefasst. Diese Depowerleine wird durch eine Öffnung in der Barmitte oder durch eine mittig außen an der Bar befestigte Hülse geführt und an der Aufnahme, d.h., einem Haken, einer Öse, einem Schäkel o. dgl., eines um den Körper eines Benutzers gebundenen Trapezgurtes befestigt.

[0005] Der Lenkdrachen erzeugt durch Wind Strömung nach dem Tragflügelprinzip Auftriebskräfte, die als Zugkräfte über die Leinen zur Bar und zum Benutzer übertragen werden. Die auftriebsabhängigen Zugkräfte können durch relative Längenänderungen der Depower- und Heckleinen reguliert werden.
[0006] Schiebt der Benutzer die Bar über die mit dem Trapezgurt verbundene Depowerleine vom Körper weg, so werden die Steuerriemen entlastet, durch Kippen bzw. Entwölben des Kite- Profils wird der Auftrieb verringert,
die Zugkräfte wenden reduziert.
[0009]‘ Zur Gefahrenabwehr für den Benutzer‘ und für
Dritte ergibt sich damit eine Notwendigkeit die Zugkraftverbindung zwischen dem Benutzer und dem Kite in der Weise ohne einschränkende Bedingungen entkoppeln zu können, dass der Kite möglichst schnell zugkraftlos wird. Bei einem bloßen Lösen der Hände von der Bar bleiben die über die Depowerleine zum Trapezgurt des Benutzers übertragenen Zugkräfte erhalten. Die Gefahrensituation wird dadurch nicht entspannt.

[0011] Alle bekannten Systeme ermöglichen die Entkopplung der Zugkraftübertragung erst unter den folgenden, sicherheitsrelevant einschränkenden Bedingungen:
1. Der Benutzer muss mindestens eine Hand van dem Handgriff bzw. der Lenkstange lösen, um den Auslöser erreichen zu können.
2. Der Benutzer muss nach dem Loslassen der Lenkstange in einer zielgerichteten und damit kontrollierten Handlung nach dem Bedienteil greifen und dieses blind finden, um den Mechanismus auslösen zu können.
[0012] Die bekannten Systeme lassen das erhebliche Sicherheitsproblem damit weitgehend ungelöst, da gerade in einer Notsituation, die in der hier zu bewertenden Weise von einem systemimmanenten Orientierungs- und Kontrollverlust begleitet wird, die zur Kraftentkopplung erforderlichen zielgerichteten und kontrollierten Handlungen nicht mehr ausführbar sind. Dies gilt umso mehr, da der Benutzer das einzig zur Verfügung stehende Kontrollinstrument, nämlich die Lenkstange, toslassen muss, bevor der zielgerichtete Griff nach der Auslösevorrichtung überhaupt erst folgen kann. [0013] Die Aufgabe der Erfindung ist daher, ein Sportgerät der eingangs genannten Art dahin gehend weiter zu bilden, dass eine durch einen Kontrollverlust herbei geführte Gefahrensituation zuverlässig und schnell beendet werden kann.
[0014] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass in Wirknähe des Handgriffs eine Sicherheitseinrichtung angeordnet ist, weiche die Zugeinrichtung beim Erreichen eines Schwellenwertes der Zug kraft deaktiviert.

[0016] Mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung nach Anspruch 1 ist es möglich, dass eine Kraftentkopplung direkt über den Haltegriff betätigt werden kann, ohne dass der Benutzer seine Hände von dem Haltegriff lösen muss.
In Teilziffer 20 (Spalte 4, Zeile 34 ff) wird bei den Schilderungen des Ausführungsbeispiels die Zugeinrichtung mit der Bezugsziffer 5 aus der Figur 3 bezeichnet; dort ist mit der Ziffer 5 der Schirm gekennzeichnet. In Teilziffer 25 (Spalte 6, Zeile 25) wird eine Lösung der kraftschlüssigen Verbindung des benutzerseitigen mit dem zugseitigen Leinenteil beschrieben und danach festgestellt, dass dadurch die Zugkraft entkoppelt ist. Teilziffer 26 beschreibt eine Alternative mit einem benutzerseitig von der Auslösevorrichtung vorgesehenen Leinenvorrat auf, der im Falle einer Auslösung zu einer vorübergehenden Kraftentkopplung führt. Eine solche Ausführungsform kann dort eingesetzt werden, wo eine solche vorübergehende Kraftentkopplung ausreicht, um eine sichere Kontrolle über das Sportgerät wieder zu gewinnen.
Die Klägerin vertreibt Kites nach der Beschreibung in der oben wiedergegebenen
Teilziffer 3 des Streitpatents (beide 1, Zeile 18-36) mit von ihr als neuartig beworbenen Bedienungseinrichtungen, die sie als Override und Override 2 bezeichnet mit
folgenden Ausführungen: Override:

Der Beklagte ist der Auffassung, die beschriebenen Ausführungsformen der Klägerin verletzten seine Schutzrechte. Er hat vorgetragen, es sei sowohl aufgrund der Beschreibung in den Handbüchern als auch durch Betrachtung des auf der Website der Klägerin abrufbaren Videos deutlich zu erkennen, dass bzw. wie die Kraftentkopplung mit einer einteiligen Zugleine erreicht werde. Sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 seien durch die streitgegenständlichen Sportgeräte mit Override bzw. Override 2 -System erfüllt. Die Sicherheitseinrichtung, also das Override- System sei zugseitig in Wirknähe vom Benutzer als Haltegriff angeordnet und durch eine Bewegung des Haltegriffs in Wirkrichtung der Zugkraft, also nach vorne auslösbar. Hierdurch werde bei der Auslösung die auf die Zugleine wirkende Zugkraft entkoppelt. Wie nach den Streitschutzrechten sei die Sicherheitseinrichtung in Wirknähe zum Benutzer an der Zugleine angeordnet. Es sei für Kites typisch, dass durch die Bewegung der Bar entlang der Zugleine der Auftrieb und damit die Zugkraft während“ des normalen, fortgesetzten betriebsreduziert oder gesteigert werden könne. Erst dadurch, dass auch bei dem System der Klägerin durch das Vorschieben des Haltegriffes der erste Bereich zwischen Haltegriff und den Komponenten Ball/Hülse bzw. Manschette/Stopper überschritten werde, werde das vollständige Depowern ausgelöst, also das sofortige Stoppen durch Entkopplung der Zugkraft und damit das Abstürzen des Kites.
Aus den Systembeschreibungen der Klägerin ergebe sich, dass es sich bei dem Verschieben der Bar über die Komponenten bei der angegriffenen Ausführungsform nicht mehr nur um ein kontrolliertes depowern handle, sondern um ein kontrolliertes Auslösen einer Entkopplung der Zugkraft, die dazu führe, dass der Kite niedergehe.
Bei derartigen Kites sei der Steuerbereich so eingestellt, dass der Neigungswinkel nahe 0 nur dann erreicht werde, wenn der Benutzer den Haltegriff loslasse und der Haltegriff aufgrund des Zuges weg vorn Körper des Benutzers und aus seiner Reichweite belegt werde, von ihm also auch nicht mehr kontrollierbar sei. Der Beklagte verweist auf die damit verbundenen Nachteile und deren Beschreibung in den Streitschutzrechten.
Die Sicherungseinrichtung der Streitschutzrechte habe neben der Begrenzungsfunktion auch den Zweck, auf Wunsch des Benutzers auch eine O-Stellung des Neigungswinkels zuzulassen. Dies werde in der Regel vom Benutzer dann gewollt, wenn ein Notfall eingetreten sei oder einzutreten drohe und eine schnelle Kraftentkopplung herbeigeführt werden solle/müsse. Ein Grund, den normalen Steuerbereich zu verlassen, gebe es im normalen Fall oder Flugbetrieb nicht, sondern nur im typischen Notfall oder in Gefahrensituationen. Für diesen Fall erlaubten die Overridesysteme der Klägerin eine Lösung des Stopelements vorn Halteelement um die Zugkraft des Schirms vollständig zu entkoppeln („to completely depower“). Mit entkoppeln der Zugkraft sei auch nicht das Lösen einer mechanischen Verbindung gemeint, sondern der Begriff Kraftentkopplung sei eine direkte Übersetzung des englischen Kunstwortes depower. Es handle sich um eine Entkopplung der Kraft im physikalischen Sinn. Die Overridesysteme der Klägerin bewirkten eine Kraftentkopplung entsprechend der Lehre des Streitpatents. Die Entkopplung der Zugkraft werde bereits kurz nach Überschreiten des Overridesystems erreicht, wie auch in den Handbüchern beschrieben. Auch die Klägerin umschreibe den Eintritt der Wirkungen nach Schieben der Bar über die Overridekugel bzw. Manschette mit „sofort“. Der Schutzbereich der Streitschutzrechte sei nicht auf einen bestimmten Bewegungsablauf oder auf ein zeitliches Merkmal nach Auslösen des Sicherheitssystems beschränkt.
Der Beklagte beantragt im Wege der Widerklage, die Klägerin zu verurteilen,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungsheft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Klägerin, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr
a) Sportgeräte mit einem Haltegriff zum Festhalten und Steuern des Sportgerätes und mit einer Zugeinrichtung, die in einem aktiven Zustand über eine Zugleine mit dem Benutzer wirkverbunden ist und eine Zugkraft auf den Benutzer ausübt, und mit einer als „Override“ und/oder „Override2″ bezeichneten Sicherheitseinrichtung zur Entkopplung der auf die Zugleine wirkenden Zugkraft, wobei der Benutzer den Haltegriff in dem aktiven Zustand anfasst, das dadurch gekennzeichnet ist, dass die Sicherheitseinrichtung zugseitig in Wirknähe vom Benutzer am Haltegriff angeordnet ist und im aktiven Zustand durch eine Bewegung des Haltegriffs in einer ‚Wirkrichtung der Zugkraft auslösbar ist und bei Auslösung die auf die Zugleine wirkende Zugkraft entkoppelt,
und/oder vorgenannte Sportgeräte, bei denen zusätzlich
– die Sicherheitseinrichtung an der Zugleine in Wirk- Richtung der Zug
kraft am Haltegriff angeordnet ist;
und/oder
– zusätzlich die Zugleine in dem Haltegriff geführt ist;
und/oder –
– zusätzlich die Zugleine eine Depowerleine ist,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
und/oder
b)
anderen als zur Benutzung berechtigten Personen mit „Override“ oder „Override2″ bezeichnete Sicherheitseinrichtungen zur Entkopplung der Zugkraft für ein Sportgerät anzubieten und/oder zu liefern, die zugseitig in Wirknähe vom Benutzer am Haltegriff des Sportgeräts angeordnet werden kann und im aktiven Zustand durch die Bewegung des Haltegriffs in einer Wirkrichtung der Zugkraft auslösbar ist und bei Auslösung die auf die Zugleine wirkende Zugkraft entkoppelt;
2. ■
dem Beklagten unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen und darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Klägerin die zu Ziffer II 1 a, b bezeichneten Handlungen seit dem 27. 6. 2005 begangen hat, und zwar unter Angabe
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Adressen der Lieferanten und anderen Vorbesitzer, der einzelnen Lieferungen unter Angabe der Liefermengen, der Lieferzeiten und Lieferpreise, aufgeschlüsselt nach den Typenbezeichnungen
sowie der Namen und Adressen ihrer Abnehmer oder Auftraggeber,
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie den vorstehend aufgeführten Typenbezeichnungen, ferner der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbemedien, bei Printmedien unter Angabe der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, bei Werbung im Internet auch unter Angabe, der Dauer und der Zugriffszahlen,
der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten vermindert werden darf, es sei denn, diese können ausnahmsweise den unter Ziffer II 1 a, b genannten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei der Klägerin vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt dem Beklagten einem von diesem zu bezeichnenden und ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Klägerin die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten trägt und ihn zugleich ermächtigt, dem Beklagten auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer und/oder Lieferanten in der erteilten Rechnung enthalten sind,
3.

die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Klägerin befindlichen Erzeugnisse gem. Ziff. 11.1 a, b an einen von dem Beklagten zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Klägerin herauszugeben;
.4.
festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die unter Ziff. 11.1. a, b bezeichneten und seit dem 27.06.2003 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Merkmale der Ansprüche der Schutzrechte des Beklagten nicht erfüllt seien und daher eine Verletzung ausscheide. Es sei keine Sicherheitseinrichtung im Sinne der Schutzrechte gegeben, sondern die Overridesysteme dienten lediglich als Mechanismus zur Unterteilung des zur Verfügung stehenden Bedienungsbereichs in einen Bereich der normalen Kitefunktion und in einen Bereich des Depowerns. Es finde kein Wechsel des Kites aus dem normalen Funktionsrahmen in einen durch die Sicherheitseinrichtung ausgelösten Sicherheitszustand statt.
Es sei auch keine Entkopplung der über die Zugleine auf den Benutzer wirkenden Zugkraft vorgesehen und daher griffen die Overridesysteme nicht in den Schutzbereich der Schutzrechte der Beklagten ein. Ein 100 %iges Depowern sei beim Overridesystem nicht vorgesehen. Üblicherweise trennten Sicherheitssysteme nach dem obigen Begriff der Streitschutzrechte die Verbindung des Benutzers mit der Zugleine, so dass dieser nicht mehr direkt vom Schirm gezogen werde, sondern nur noch über den Haltegriff, den er aber problemlos loslassen könne. Eine entsprechende Einrichtung beschrieben auch die Streitschutzrechte. Als Alternative schlügen die Schutzrechte des Beklagten auch vor, die Zugleine nicht aufzutrennen, sondern einen Leinenvorrat freizugeben. Dieser sorge, wenn er freigegeben sei, dafür, dass die Zugleine nun deutlich länger sei als die Steuerleinen und somit gegenüber den Steuerleinen schlaff durchhinge. Dies habe effektiv die gleiche Wirkung wie ein Auftrennen der Zugleine, der Schirm übe keine Zugkraft mehr unmittelbar auf den Benutzer aus und stürze damit ab. Nach dem Absturz müsse der Benutzer die Sicherheitseinrichtung erst wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen, dabei u. a. die Verbindung der zwei Teile der Zugleine wiederherstellen bzw. den Leinenvorrat wieder zwischen Haltegriff und dem Benutzer anordnen.
Das Overridesystem der Klägerin ermögliche zum einen unter normaler Verwendung des Schirms die Drehung des Haltegriffs, während er am Stoppelement anliege. Die Lösung des Stoppelements aus der Halterung sei auch erforderlich, um die Zugkraft des Schirms noch weiter zu verringern, beispielsweise wenn der Wind besonders stark sei oder wenn der Benutzer sich langsamer bewegen wolle, weil sich vor ihm ein Hindernis befinde. Der Haltegriff könne danach über das Halteelement geschoben werden, um die Zugkraft des Schirms weiter zu verringern, wobei es auch möglich sei, den Neigungswinkel des Schirms so einzustellen, dass die Zugkraft gegen 0 gehe und der Schirm unter seinem eigenen Gewicht herunterfalle. Beim Schieben des Haltegriffes über das Halteelement hinaus verliere der Schirm auch nicht schlagartig jegliche Zugkraft.
Es sei nicht gerechtfertigt, wenn der Beklagte dieses Verhalten vom Begriff des Entkoppelns der Zugkraft mit umfasst sehen wolle.
Die Klägerin legt hierzu vor einen Auszug aus dem digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts (DWDS) zum Wort „koppeln“ und bezieht sich auf die Definition C: „Zwei Teile (durch eine lösbare Vorrichtung) zum Zusammenwirken verbinden“. Dementsprechend sei also entkoppeln das Lösen einer Verbindung zweier zusammenwirkender Teile. Sie bezieht sich auf die Absätze 25 und 34 des Streitpatents. In beiden dort beschriebenen Ausführungsformen werde die vom Schirm ausgeübte Zugkraft schlagartig vom Benutzer genommen, so dass dieser nicht weiter durch den Schirm vorwärts gezogen werde. Weder aus den Schutzrechten des Beklagten noch aus der genannten Definition aus dem DWDS ergebe sich, dass mit Entkoppeln der Zugkraft im Sinne des Schutzrechts des Beklagten das den grundlegenden Gesetzen der Aerodynamik folgende Verhalten eines 4-Leinen-Schirms gemeint sein könnte, bei dem eine Verringerung des Neigungswinkels des Schirms zu einer Verringerung der vom Schirm aufgebrachten Zugkraft führe. Beim streitgegenständlichen Schirm könne auch der Haltegriff wieder zum Benutzer hingezogen werden; bei einem Schirm mit Sicherheitseinrichtung könne und dürfe dies nach dem Auslösen der Sicherheitseinrichtung nicht mehr der Fall sein.
Eine Entkopplung der auf die Zugleine wirkenden Zugkraft durch die Sicherheitseinrichtung erfolge ebenfalls nicht. Dies gelte auch, wenn man beim Begriff der Entkopplung der Definition der Beklagten folge. Die Entkopplung erfolge nämlich nicht durch die Sicherheitseinrichtung, sondern durch die Bewegung des Haltegriffs. Damit wäre der Haltegriff die Sicherheitseinrichtung, die dann auch nicht zugseitig in Wirkrichtung der Zugkraft am Haltegriff angeordnet sein könne.
Die Parteien haben die ursprünglich von der Klägerin erhobene negative Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorgelegten Handbücher und die Schutzrechte des Beklagten gemäß Anlagen K.4, K5 und B1, B3 und B5 Bezug genommen.

■ Entscheidungsgründe:
Die zulässige Widerklage ist unbegründet, da die Klageschutzrechte durch die angegriffene Ausführungsform der Klägerin nicht verletzt werden.
1. Der Beklagte kann, was in der mündlichen Verhandlung klar gestellt wurde, Ansprüche gemäß Art. II § 8 IntPatÜG nur aus dem Gebrauchsmuster und dem europäischen Patent geltend machen, da das deutsche Patent, das mit dem europäischen wortgleiche Ansprüche enthält, durch die Erteilung des europäischen Patents wirkungslos geworden ist.
2. Die verbleibenden beiden ebenfalls wortgleichen Schutzrechte des Beklagten werden aber durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verletzt.
a) Die Parteien haben leicht abweichende Merkmalsanalysen vorgelegt, wobei die Kammer sich veranlasst sieht, ihrer Entscheidung folgende Merkmalsanalyse zu Grunde zu legen (es handelt sich hierbei um eine Rechtsfrage, vgl. die Abänderung der Merkmalsanalyse in BGH GRUR 2004, 845 – Drehzahlermittlung und die in BGH GRUR 1970, 289, 291 -Diarähmchen IV vorgenommene Aufstellung):
1. Sportgerät mit einem Haltegriff zum Festhalten des Sportgeräts 1.1. und dessen Steuern
2. mit einer Zugeinrichtung

2.1 die in einem aktiven Zustand mit den Benutzer wirkverbunden ist
2.2 und zwar über eine Zugleine, die eine Zugkraft auf den Benutzer ausübt und
3. mit einer Sicherheitseinrichtung zur Entkopplung der Zugkraft,
3. 1. die auf die Zugleine wirkt

4. wobei der Benutzer den Haltegriff in dem aktiven Zustand anfasst,
dadurch gekennzeichnet, dass
5. die Sicherheitseinrichtung am Haltegriff angeordnet ist,
5.1 und zwar zugseitig in Wirkung der Zugkraft sowie
5.2 in Wirknähe vom (Benutzer,
6. im aktiven Zustand auslösbar ist durch eine Bewegung des Haltegriffs 6.1 in Wirkrichtung der Zugkraft und
7. bei Auslösung die Zugkraft entkoppelt, 7.1 die auf die Zugleine wirkt.
b) Diese Merkmalsaufstellung unterscheidet sich grundlegend von den ursprünglich von den Merkmalen der Im Klagegebrauchsmuster gem. Anlage B 1 noch zu lesenden Ansprüche. In diesen wird nicht die Entkopplung der auf die Zugleine wirkenden Zugkraft, sondern die Deaktivierung der Zugeinrichtung bei Erreichen eines Schwellenwertes der Zugkraft gelehrt (‚Kennzeichnungsteil des Schutzanspruchs 1 der Anlage B1, 2. Halbsatz).
3. Für die Auslegung von technischen Schutzrechten gelten gem. § 14 PatG, der wörtlich Art. 96 EPÜ entspricht und dem ebenfalls wortgleichen § 12 a GebrMG folgende Grundsätze:
Nach § 14 PatG und der wortgleichen Vorschrift des Art. 69 I EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur

der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12 [18f] = GRUR 1986, 803 = NJW 1986, 3202 = LM § 14 PatG 1981 Nr. 3 – Formstein; BGHZ 105, 1 [10] = GRUR 1988, 896 = NJW 1989, 669 = LM EPÜ Nr. 4 – lonenanalyse; BGHZ 125, 303 [309f.] = GRUR 1994, 597 = NJW-RR 1995, 106 = LM H. 9/1994 § 14 PatG 1981 Nr. 10 – Zerlegvorrichtung für Baumstämme; GRUR 1992, 594 [596] – mechanische Betätigungsvorrichtung). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maßgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob“ die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt (BGH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt etwa GRUR 2002, 519, 521 Schneidmesser II).
Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt folgendes:
a) Nach der Lehre des Streitpatents ist, anders als die Kammer in der mündlichen Verhandlung vertreten hat, die Zugeinrichtung gemäß Beschreibungseinleitung tatsächlich der Teil des Sportgeräts, der durch Ausnutzung von Naturkräften oder technische Vorrichtungen ursächlich für die Bewegung des Sportlers ist, im vorliegenden Fall also der Schirm selbst (oder, wie im Termin erörtert, das Sportboot gem. Abschnitt 2 oder das Pferd). Dies geht aus den im Tatbestand zitierten Formulierungen des Abschnitts 20 hervor, der auf Figur 3 verweist und dort die Zugeinrichtung der Bezugsziffer 5 zuordnet. Diese Bezugsziffer bezeichnet in Figur 3 den Schirm selbst.
b) Die weiter in der Beschreibungseinleitung geschilderten Sicherheitseinrichtungen gemäß Stand der Technik lehren alle eine Entspannung der Gefahrensituation durch Entkoppeln der Zugkraftverbindung zwischen dem Benutzer und dem Kite (so wie im Tatbestand wiedergegebenen Abschnitt 9). Auch in Absatz 11 wird ausgeführt, dass die bekannten Systeme die Entkopplung der Zugkraftübertragung erst unter den geschilderten Bedingungen ermöglichen. In Abschnitt 14 wird von der Deaktivierung der Zugeinrichtung beim Erreichen eines Schwellenwertes gesprochen, in Abschnitt 16 wieder über die Kraftentkopplung direkt über den Haltegriff. Sämtliche Ausführungsbeispiele schildern eine Lösung der Aufgabe durch eine Entlastung der Verbindung zwischen Benutzer und Zugleine, sei es durch ein physikalisches Trennen dieser Zugleine oder durch die‘ Aufhebung einer Festlegung der Zugleine mit der Folge, dass aufgrund eines zwischen der Festlegung und dem Benutzer vorgesehenen Leinenvorrats eine schlagartige Entlastung der Zugverbindung erfolgt. .
c) Die Kammer ist der Auffassung, dass schön das Merkmal 3 und das Merkmal 7, die eine Entkopplung der Zugkraft lehren, voraussetzen, dass die Zugkraft, die die Zugeinrichtung ausübt, als solche nicht entfällt, sondern weiterhin aufrecht erhalten bleibt und nur eine Entkopplung vom Körper des Benutzers stattfinden soll. Anderenfalls würde das Wort Entkopplung keinen Sinn machen: Vielmehr wäre der auch in den Klageschutzrechten verwendete und ursprünglich in der sehr viel allgemeineren Anspruchsfassung des Gebrauchsmusters und auch in der Anmeldung des Streitpatents verwendete Begriff der Deaktivierung naheliegend. Eine Entkopplung geht aber über eine Deaktivierung hinaus, die jedes Ausbleiben der Zugkraft umfasst und beispielsweise auch dadurch stattfinden könnte, dass mittels einer am Handgriff befestigten Reißleine eine verschließbare Öffnung im Schirm freigegeben wird und somit die Zugeinrichtung insgesamt kraftlos gestellt wird, wie es auch bei einer Verringerung des Anstellwinkels zum Wind gegen 0 geschieht. Dagegen setzt eine Entkoppelung einer Kraft voraus, dass diese Kraft als solche noch vorhanden ist und nur die Krafteinwirkung auf das entkoppelte Bauteil unterbrochen wird. Dieses Verständnis entspricht nach Auffassung der Kammer auch dem des Fachmanns, eines erfahrenen Konstrukteurs mit Berufsschulausbildung oder eines Fachhochschulingenieurs für Maschinenbau, wobei das Wort depowern kaum der allgemeinen Fachsprache entstammt, sondern der vor allem an den Benutzer, also den eine Funsportart Ausübenden, gerichteten Sprache der Benutzungsanleitungen des Standes der Technik. Der Fachmann wird insbesondere angesichts der Differenzierung zwischen Deaktivierung und Entkoppelung ohne weitere Anhaltspunkte gerade letzteren Begriff nicht einfach als Übersetzung des englischen Wortes „depower“ sehen, wie dies die Beklagte meint. Solche weiteren Anhaltspunkte enthält die Beschreibung aber nicht, die den Begriff der Depowerleine dem Stand der Technik entnimmt und nicht der patentgemäßen Lösung speziell zuordnet (vgl. Abschnitt 3 – 5, 9, 10 der Beschreibung des Klagepatents)
d) Diese patentgemäße Entkopplung könnte ohne die Merkmale 3.1 und 7.1 im gesamten Bereich zwischen Schirm und Benutzer stattfinden, also auch etwa jenseits des Endes der Zugleine, das patentgemäß dort vorgesehen ist, wo die Leinen zur Regulierung des Anstellwinkels zur Zugleine zusammengefasst werden.

e) Diese von der Kammer gefundene Auslegung der Merkmale 3 und 7 wird durch die wort-sinngemäße Bedeutung der Merkmale 3.1 und 7.1 weiter belegt: Die Streitschutzrechte befassen sich nicht mit dem allgemeinen Gedanken einer Zuglos-Stellung der Zugleine, sondern mit einer (primären) Unterbrechung der eben auf diese Zugleine wirkenden Zugkraft. Dass eine derartige Entkopplung damit im Bereich der Zugleine erfolgen muss, ergibt sich nach Auffassung der Kammer sowohl aus der Formulierung der Merkmale 3.1 und 7.1 wie auch aus dem Zusammenhang mit Beschreibung und Zeichnungen.
f) Die Kammer ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die einen Rückgriff auf die Erteilungsakten verbietet (Busse-Keukenschrijver, PatG, 6. Auflage, § 14 Rdn 71 m. w. Nachw.), daran gehindert, Überlegungen darüber anzustellen, warum Beschreibung und Ansprüche jedenfalls teilweise nicht übereinstimmen; es liegen aber keine Widersprüche vor, sondern die Ansprüche definieren einen engeren Schutzbereich, als er sich aus den zitierten Abschnitten 14 und 15 des Streitpatentes ergibt. Wie sich aus den erörterten Hinweisen in der Beschreibung auf eine ursprünglich andere Anspruchsfassung ergibt, wurde diese den geänderten Ansprüchen auch nicht angepasst.
g) Nach Auffassung der Kammer kann offen bleiben, wie das Merkmal 5 auszulegen ist: Auch die patentgemäße Ausführungsform gemäß Figur 1 zeigt die Sicherheitseinrichtung im Zustand unmittelbar vor der Auslösung, d. h. bereits in der benutzerfernen Endstellung, die bei den normalen Steuerbewegungen auftritt. Dies ergibt sich schon aus den Ausführungen in der Beschreibungseinleitung in Abschnitt 6, aber auch aus der allgemeinen Funktionsweise derartiger Lenkdrachen (Kites) wie sie von den Parteien übereinstimmend beschrieben wird und sich auch aus den vorgelegten Anleitungen der Klägerin Anlagen K 4 und K 5 ergibt.
Damit ist das Merkmal 5.1 nicht wörtlich zu verstehen, sondern im Sinne des Abschnitts 22 der Beschreibung, nämlich dahingehend, dass die Sicherheitseinrichtung an der Leine in Wirkrichtung der Zugkraft in Wirknähe hinter dem Haltegriff angeordnet ist, d. h. auf der Zugseite. Die Kammer ist der Auffassung, dass hier angesichts der eindeutigen Verhältnisse bei dem Betrieb eines derartigen Sportgeräts nicht von einem Widerspruch zwischen Anspruch und Beschreibung ausgegangen werden kann; wäre dies der Fall, wäre der Anspruch maßgeblich und das Merkmal 5 wäre dahingehend zu verstehen, dass die Sicherheitseinrichtung am Handgriff und zwar an dessen körperferner Seite angeordnet sein müsste, was weder bei der angegriffenen Ausführungsform der Klägerin noch bei den Ausführungsbeispielen in den Klageschutzrechten der Fall ist.
4. Die oben erörterten Merkmale 3, 7, 3.1 und 7.1 werden durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht benutzt:
a) Die angegriffenen Ausführungsformen weisen zwar auf der Zugleine an
gebrachte Sicherheitseinrichtungen auf, die auch durch eine Bewegung
des Haltegriffs In der Wirkrichtung der Zugkraft auslösbar sind, also das
Merkmal 6 der Streitschutzrechte verwirklichen. Auch die Merkmale 1,
■ 1.1, 2 samt 2.1 und 2.2, 4 und 5 sind verwirklicht, wenn man das Merkmal 5 im Sinne der ersten Alternative auslegt, die die Kammer oben unter 3 g erörtert hat.
b) Nicht verwirklicht sind aber die Merkmale 3 und 3.1 und 7 und 7.1:
aa) Die Zugkraft wird nicht im Sinne des Streitpatents entkoppelt, sondern entfällt dadurch, dass die Steuerleinen durch die Verschiebung des Haltegriffs zum Schirm hin, also in Wirkrichtung, so verlängert werden, dass sie eine Veränderung des Anstellwinkels gegen 0 bewirken und damit den Lenkdrachen kraftlos stellen. Dieses kraftlos stellen stellt zwar möglicherweise eine Deaktivierung im Sinne der Abschnitte 14 und 15 dar; der Anspruch ist aber, wie oben ausgeführt, enger gefasst und somit durch die angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht.
Bei der angegriffenen Ausführungsform findet damit keine Kraftentkopplung statt, sondern durch eine Lageveränderung der Zugeinrichtung wird diese kraftlos gestellt, es liegt also keine Kraft mehr an, die entkoppelt werden könnte, auch wenn die Zugeinrichtung deaktiviert wird.
bb) Diese Kraftlosstellung findet auch nicht im Bereich der Zugleine statt, sondern im Bereich der Steuerriemen, bei denen aber auch keine Kräfte entkoppelt werden, sondern die nur – ebenso wie danach die Zugleine – aufgrund des schließlich vollständigen Kraftverlustes der Zugeinrichtung selbst keine Kräfte mehr auf den Benutzer übertragen.
Eine wortsinngemäße Benutzung, also Verletzung der Streitschutzrechte liegt daher nicht vor.
5. Eine nicht wortsinngemäße Verletzung der Streitschutzrechte ist nicht geltend
gemacht.
a) Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fachmann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zu Grunde liegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte {BGHZ 105, 1 [10f.] – GRUR 1988, 396 – NJVV 1989, 669 – LM EPÜ Nr. 4 – lonenanalyse; Senat, GRUB 1989, 903 [904] – NJW-RR 1990, 117 = LM § 6a PatG Nr. 1 – Batteriekastenschnur; GRUR 2000, 1005 [1006] = LM H. 4/2001 EPÜ Nr. 20 – Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, dass der durch. Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84 [90f.] = GRUR 1989, 205 = NJW 1989,, .1358 = LM § 14 PatG 1981 Nr. 4 – Schwermetalloxidationskatalysator; Senat, GRUR 1989, 903 [904] – NJW-RR 1990, 117 – LM § 6a PatG Nr. 1 -Batteriekastenschnur; GRUR 1993, 886 [889] = NJW-RR 1993, 1132 = LM H. 10/1993 § 14 PatG 1981 Nr. 9 – Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, dass sie (1) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Senat, GRUR 2000, 1005 [1006] = LM H. 4/2001 EPÜ Nr. 20 – Bratgeschirr), müssen (3) darüber hinaus die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGH (GRUB 2002, 527, 529 – Custodiol II).
b) Es fehlt insbesondere an einer Darlegung, welche patentgemäßen Funktionen der genannten Merkmale durch die angegriffene Ausführungsform ersetzt werden und durch welche Überlegungen der Fachmann zur angegriffenen Ausführungsform gelangt und schließlich, warum deren Lösung gleichwertig der der Streitschutzrechte sein soll.
c) Die Kammer war aber auch nicht gehalten, auf derartigen Vortrag hinzuwirken, da die angegriffene Ausführungsform allenfalls einen nach geltendem Recht nicht mehr zur Grundlage eines Verletzungsvorwurfes geeigneten allgemeinen Erfindungsgedanken der Klageschutzrechte verwirklicht, nämlich die Zugeinrichtung dadurch zu deaktivieren, dass die Haltevorrichtung über einen Widerstand vom Körper des Benutzers weggeschoben wird. Diese ist aber, wie oben 3 erörtert, nicht für den Beklagten unter Schutz gestellt (Streitpatent) oder wird von ihm nicht mehr beansprucht (Streitgebrauchsmuster).
d) Die Funktion der Entkopplung, die nach der zugrunde gelegten Auslegung der Merkmale 3 und 7 Bestandteil der schutzrechtsgemäßen Lösung ist, ist nämlich bei der angegriffenen Ausführungsform ebenso wenig enthalten wie eine (primäre) Kraftunterbrechung gerade im Bereich der Zugleine (Merkmale 3.1 und 7. 1).
6. Die Widerklage war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Soweit die Parteien die ursprüngliche Klage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, folgt die Kostenentscheidung der Entscheidung über die Widerklage, so dass sämtliche Kosten dem Beklagten aufzuerlegen waren. Da die Streitwerte nicht nur beim Streitwert gemäß § 5 ZPO, sondern auch gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG zusammen zu rechnen sind und der Streitwert der Feststellungsklage nicht niedriger ist als der der Leistungwiderklage (Thomas Putzo, ZPO, 28. Auflage, § 3 Randnummer 65 „Negative“), erfolgen diese Ausführungen nur der Vollständigkeit halber. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
7. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 1. 8. 2007 gab keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.