Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Juni 2007, Az. 4b O 248/06
I.
Die Beklagten zu 1) und 3) werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) am Geschäftsführer ihrer Komplementärin zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Pferdedecken
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
die den Schulter- und Brustbereich des Pferdes nicht umschließen, sondern offen lassen und die im Schulter- und Brustbereich des Pferdes durch einen mit einem synthetischen Webpelz überzogenen Gurt zusammengehalten werden, wobei der Gurt selbst nicht im Schulterbereich verläuft, sofern die Decken unten am Bauch des Pferdes durch einen an der Decke befestigten, elastischen Gurt, der für Pferde verschiedener Größe passt, für den festen Sitz der Decke verschlossen wird;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die Beklagten zu 1) und 3) – die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 5. November 2000 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
w o b e i
den Beklagten zu 1) und 3) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 5. November 2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
IV.
Die Beklagten zu 1) und 3) tragen als Gesamtschuldner 26/27 der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten zu 1/27 sowie die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2). Eine weitergehende Kostenausgleichung findet nicht statt.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 90.000,- €. Die Klägerin darf die Vollstreckung hinsichtlich der den Beklagten zu 2) betreffenden Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung von 1.500,- € abwenden, wenn nicht zuvor vom Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe geleistet wird.
VI.
Von dem auf 100.000,- € festgesetzten Streitwert entfällt auf die Klage gegen die Beklagte zu 1) ein Teilbetrag von 70.000,- €, auf die Klage gegen den Beklagten zu 3) ein Teilbetrag von 20.000,- € und auf die Klage gegen den Beklagten zu 2) ein Teilbetrag von 10.000,- €.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 200 08 xxx (nachfolgend Klagegebrauchsmuster), welches am 2. Mai 2000 angemeldet und am 31. August 2000 in der Gebrauchsmusterrolle des Deutschen Patent- und Markenamtes eingetragen wurde. Die Eintragung ist am 5. Oktober 2000 bekannt gemacht worden. Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Pferdedecke mit verbesserten Eigenschaften.
Die beiden einzigen, im vorliegenden Rechtsstreit kombiniert geltend gemachten Schutzansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:
1. Pferdedecke,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,
dass die Decke den Schulter- und Brustbereich des Pferdes nicht umschließt und damit offenläßt und dass die Decke im Schulter- und Brustbereich des Pferdes zusammengehalten wird durch einen mit einem Lammfell überzogenen Gurt.
2. Pferdedecke nach Schutzanspruch 1,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,
dass die Decke unten am Bauch des Pferdes durch einen an der Decke befestigten, elastischen Gurt, der für Pferde verschiedener Größen passt, für den festen Sitz der Decke verschlossen wird.
Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Gegenstand des Gebrauchsmusters anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.
Gegen das Klagegebrauchsmuster ist ein Löschungsantrag der Beklagten zu 1) anhängig, über den das Deutsche Patent- und Markenamt derzeit noch nicht entschieden hat.
Die Beklagte zu 1) führt einen Versandhandel für Pferdesportartikel. Sie vertreibt u.a. über Katalog und das Internet eine – auch in Annoncen beworbene – Pferdedecke unter der Bezeichnung „A Führanlagen-Decke“. Wegen der näheren Ausgestaltung dieser Decke wird auf die Anlagen 3 und 4 sowie die anchfolgende Abbildung Bezug genommen.
Der Beklagte zu 3) ist Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 1). Dieselbe Position hat der Beklagte zu 2) bekleidet, der im Februar 2005 – vor Klageerhebung (10.07.2006) – verstorben ist.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die „A Führanlagen-Decke“ wortsinngemäß, zumindest aber äquivalent die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters verwirklicht. Mit ihrer Klage nimmt sie die Beklagten zu 1) und 3) daher auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch. Ihre zunächst auch gegen den Beklagten zu 2) erhobene Klage hat die Klägerin vor dem frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Sie hat ferner die Anträge auf Rechnungslegung und Schadenersatz dahin beschränkt, dass lediglich Benutzungshandlungen seit dem 5. November 2000 – statt 31. August 2000 – erfasst werden, und ihren Antrag, die Entschädigungspflicht der Beklagten zu 1) und 3) für Benutzungshandlungen seit dem 31. August 2000 festzustellen, fallen gelassen.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt, allerdings mit der Maßgabe, dass sie in ihre Klageanträge auch die Handlungsform des Herstellens aufgenommen hat und dementsprechend Auskunft auch über die Herstellungsmengen und –zeiten begehrt.
Die Beklagten zu 1) und 3) beantragen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen das Klagegebrauchsmuster anhängigen Löschungsantrages auszusetzen.
Die Beklagten zu 1) und 3) bestreiten den Vorwurf der Schutzrechtsverletzung, weil die angegriffene Pferdedecke nicht über einen Lammfell-Gurt verfüge und der statt dessen vorhandene Webpelz-Besatz auch kein äquivalentes Lösungsmittel darstelle. Einer Einbeziehung der streitbefangenen Pferdedecke in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters stehe jedenfalls der Formstein-Einwand entgegen, zu dessen Begründung sich die Beklagten zu 1) und 3) im Verhandlungstermin vom 26.04.2007 auf die AT-PS 86398 bezogen haben. Sie sind außerdem der Auffassung, dass das Klagegebrauchsmuster nicht rechtsbeständig sei, weil sich seine Lehre für einen Durchschnittsfachmann in naheliegender Weise aus dem vorbekannten Stand der Technik ergeben habe. Insoweit verweisen die Beklagten zu 1) und 3) insbesondere auf die östrreichische Patentschrift 86398 und die US-Patentschrift 1 538 596.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist – abgesehen von der Handlungsalternative des Herstellens – begründet. Der Klägerin stehen gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzpflicht zu, weil die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters schutzfähig ist und die angegriffene Ausführungsform überwiegend wortsinngemäß, ansonsten äquivalent von den Schutzansprüchen 1 und 2 Gebrauch macht. Veranlassung zur Aussetzung des Rechtstreits im Hinblick auf den von der Beklagten zu 1) gestellten Löschungsantrag besteht nicht.
I.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Pferde-Laufdecke, die den Schulter- und Brustbereich des Pferdes nicht umschließt, sondern im Schulter- und Brustbereich durch einen mit einem Lammfell überzogenen Gurt zusammengehalten wird. Pferdedecken dieser Art werden zum Schutz des Pferdes vor Kälte bei der Bewegung ohne Reiter, z.B. in sogenannten Führanlagen, verwendet.
Zum Stand der Technik wird in der Klagegebrauchsmusterschrift ausgeführt, dass die bisher bekannten Pferdedecken den gesamten Rumpf des Pferdes umschließen, also vorne für das Pferd nur eine Halsöffnung offen lassen und vor den Schultern des Pferdes und vor der Brust verschlossen, d.h. teilweise mit Schnallen oder Klettverschlüssen und teils geschlossen vernäht sind. Diese Decken weisen nach den Ausführungen der Klagegebrauchsmusterschrift den Nachteil auf, dass sie keine freie Bewegung des Pferdes ermöglichen, da durch die vorn geschlossenen Decken der Schulter- und Brustbereich eingeengt wird und es dem Pferd nicht erlaubt wird, seine Vorderbeine ausreichend nach vorne zu bewegen. Ferner führen diese als Stalldecken bezeichneten Decken bei der Bewegung des Pferdes bereits nach kürzester Zeit zu Scheuerwunden im Brust- und Schulterbereich. Andere Decken, die das Pferd unter dem Reiter oder zum Transport trägt, sind nach den Ausführungen des Klagegebrauchsmusters ebenfalls nicht dafür geeignet, dem Pferd bei der Bewegung ohne Reiter Schutz vor Kälte zu bieten, da der ausreichende Halt der Decke ohne Befestigung am Sattel oder den Reiter nicht gewährleistet ist. Es fehlt ihnen an der besonderen Passform, die für Halt sorgt. Wenn diese Decken im Brustbereich geschlossen werden führen sie zu Scheuerwunden, geöffnet fehlt es ihnen aber an Halt, so dass die Decke vom Pferd herunter rutscht.
Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik liegt der Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster die Aufgabe zugrunde, eine Pferdedecke zum Schutz vor Kälte bereitzustellen, die dem Pferd auch dann angelegt werden kann, wenn das Pferd bei kalter Witterung bewegt werden soll, insbesondere in der Führmaschine, am Laufband oder beim Weidegang.
Hierzu schlägt das Klagegebrauchsmuster in seinen kombiniert geltend gemachten Schutzansprüchen 1 und 2 folgende Merkmale vor:
1. Die Pferdedecke umschließt den Schulter- und Brustbereich des Pferdes nicht und lässt diesen damit offen.
2. Im Schulter- und Brustbereich des Pferdes wird die Decke durch einen Gurt (1) zusammen gehalten, wobei
2.1 der Gurt (1) mit einem Lammfell überzogen ist.
3. Die Decke ist für ihren festen Sitz unten am Bauch des Pferdes durch einen Gurt (2) verschließbar.
1.1 Der Gurt (2) ist
1.1.1 elastisch
1.1.2 an der Decke befestigt und
1.1.3 für Pferde verschiedener Größen passend.
Zu den Vorteilen einer solchen Decke führt die Klagegebrauchsmusterschrift aus, dass der Haltegurt am Schulter- und Brustbereich des Pferdes wie eine „Halsmanschette“ anliege, die so weit oben angebracht ist, dass der Schulterbereich in keiner Weise beeinträchtigt wird. Pferden, die im Winter auch in der leichten Bewegung auf einen Kälteschutz angewiesen seien, könne mit der beanspruchten Decke ein fest sitzender Kälteschutz (insbesondere für die empfindliche Rücken- und Nierenpartie) zur Verfügung gestellt werden, wobei durch den offenen Schulter- und Brustbereich gleichzeitig gewährleistet sei, dass sich die Pferde trotz der aufliegenden Decke ungehindert bewegen können.
II.
Die Beklagten zu 1) und 3) machen mit dem Angebot und Vertrieb der angegriffenen Führanlagen-Decke „A“ von der vorstehend beschriebenen Lehre der Schutzansprüche 1 und 2 widerrechtlich Gebrauch. Zwischen den Parteien selbst steht dies nur insoweit im Streit, als der Haltegurt für den Schulter- und Brustbereich des Pferdes mit einem synthetischen Webpelzmaterial überzogen ist. Da die Verwirklichung der übrigen Anspruchsmerkmale keinen Bedenken begegnet, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu. Der Erörterung bedarf allein, ob die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 2.1, welches besagt, dass der Gurt, der die Decke im Schulter- und Brustbereich des Pferdes zusammenhält, mit einem Lammfell überzogen ist, wortsinngemäß oder – worauf sich die Klägerin im Verhandlungstermin vom 26. April 2007 hilfsweise bezogen hat – äquivalent verwirklicht.
Zugunsten der Beklagten kann angenommen werden, dass ein synthetischer Webpelz, wie er bei der Pferdedecke der Beklagten zu 1) gegeben ist, kein „Lammfell“ darstellt. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters scheidet damit keineswegs aus. Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich auch Gegenstände, die von der Lehre eines Schutzrechts nicht wortsinngemäß Gebrauch machen, unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz unter dessen Schutzbereich zu subsumieren sein. Eine äquivalente Benutzung liegt dabei vor, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die am Sinngehalt der Ansprüche, d.h. an der darin beschriebenen Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mithilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden konnte.
Die besagten Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt:
1.
Was zunächst die technische Gleichwirkung betrifft, ziehen auch die Beklagten zu 1) und 3) nicht in Zweifel, dass auch das verwendete synthetische Material „Vestan“ – prinzipiell nicht anders als ein Lammfell – ein Scheuern des Gurtes am Halsbereich des Pferdes verhindert und damit diejenige Funktion gewährleistet, die dem Lammfell-Überzug nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters zugewiesen ist. Es mag sein, dass der Wirkungsgrad eines Fells im Hinblick auf die Vermeidung von Scheuerstellen besser ist als der eines Webpelzes. Auch die Beklagten stellen jedoch nicht in Abrede, dass auch letzterer einem Scheuern entgegenwirkt und somit jedenfalls in praktisch erheblichen Maße dasjenige erreicht, was mit dem Lammfell-Überzug beabsichtigt ist. Zurecht steht die Klägerin daher auf dem Standpunkt, dass in jedem Fall eine zum Schutzrechtseingriff führende verschlechterte Ausführungsform vorliegt.
An dieser Feststellung ändern auch die Einwendungen der Beklagten zu 1) und 3) nichts, die bei der angegriffenen Ausführungsform verwendeten synthetischen Fasern seien deshalb nicht mit einem natürlichen Lammfell vergleichbar, weil der Webpelz nicht wie ein Fell vor direkter Bewitterung mit Regen, Schnee sowie vor Wärme und Kälte schütze, und auch keine antibakterielle Wirkung besitze, wie sie einem natürlichen Fellmaterial eigen sei. Beide Hinweise verfangen schon deshalb nicht, weil sich das Klagegebrauchsmuster weder mit antibakteriellen Effekten oder mit der Eigenschaft befasst, Säuren, Basen, Gerüche und andere Chemikalien zu binden und zu neutralisieren, noch darauf abzielt, mittels des Gurtes einen besonders effektiven Wärme- oder Kälteschutz zu bieten. Sinn und Zweck des Gurtes nach Merkmal 2.1 ist einzig und allein, Scheuerwunden zu verhindern, die sich ohne geeigneten Überzug ansonsten durch den Haltegurt einstellen könnten.
2.
Zweifel bestehen ebenso wenig daran, dass der Durchschnittsfachmann im Prioritätszeitpunkt mithilfe seines Fachwissens und orientiert an der Lehre der Schutzansprüche ohne erfinderisches Bemühen in der Lage war, einen Webpelz-Besatz als gleichwirkendes Ersatzmittel für den im Schutzanspruch 1 vorgesehenen Lammfell-Überzug aufzufinden. Die Beklagten zu 1) und 3) tragen selbst vor, dass „Vestan“ seit langem als vergleichsweise preiswertes Material im Reitsportbereich Verwendung findet. Selbstverständlich waren dem Fachmann die Eigenschaften dieses Materials geläufig. Auf der Suche nach einer außerhalb des Wortsinns liegenden, mindestens im wesentlichen gleichwirkenden Alternative musste sich dem Fachmann bei der geschilderten Sachlage geradezu die Erkenntnis aufdrängen, dass sich die einem Scheuern des Gurtes entgegenwirkenden Effekte eines Lammfell-Überzuges in einer für die praktische Anwendung geeigneten Weise – und überdies kostengünstig – durch einen „Vestan“-Besatz des Gurtes erreichen lassen.
3.
Einer Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters steht nicht der Formstein-Einwand entgegen, weil der Durchschnittsfachmann anhand der von den Beklagten zu 1) und 3) entgegengehaltenen AT-PS 86398 – wie sogleich im Rahmen der Erörterungen zur Schutzfähigkeit ausgeführt wird – nicht ohne erfinderisches Bemühen in der Lage war, zu einer Pferdedecke zu gelangen, die den Schulter- und Brustbereich des Pferdes nicht umschließt, sondern offen lässt, und die im Schulter- und Brustbereich des Pferdes durch einen mit einem synthetischen Webpelz überzogenen Gurt zusammengehalten wird.
III.
Die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters ist im geltend gemachten Umfang seiner kombinierten Ansprüche 1 und 2 schutzfähig.
1.
Einwände gegen die Neuheit erheben die Beklagten zu 1) und 3) nicht; sie sind auch nicht ersichtlich, weil keine der Entgegenhaltungen die Gesamtheit der Merkmale 1. bis 3.1.3 offenbart.
2.
Zu Unrecht leugnen die Beklagten zu 1) und 3), dass die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters auf einem erfinderischen Schritt beruht.
a)
Die US-PS 1 538 596 aus dem Jahre 1925 betrifft eine Tierdecke, wie sie beispielhaft aus den nachstehend eingeblendeten Figuren 1 und 2 der Druckschrift hervorgeht.
Im Erläuterungstext (S. 1 Z. 40-45; 50-54) ist ausgeführt:
„At its forward end the blanket is cut away to fit the neck and shoulders of the animal and to strengthen this portion of the blanket a strip (3) of suitable reinforcing material may be secured along its margin.”
“Other straps (5) extend longitudinally along each side of the blanket and are provided with suitable fastening means (6 and 7) so that these straps may be connected across the animal`s chest.”
A.a.O. ist zwar davon die Rede, dass der Hals („neck“) und die Schultern („shoulders“) von der Decke frei bleiben und die – so ausgeschnittene – Decke mittels der über dem Brustkasten („chest“) des Tieres verbundenen Verschlussteile (6, 7) gehalten wird. Dennoch offenbart die Schrift keine Decke, welche – im Sinne des Verständnisses des Klagegebrauchsmusters – den Schulter- und Brustbereich des Tieres unbedeckt lässt. Hierzu wäre es nämlich erforderlich, dass auch die seitlichen Schulterblätter frei bleiben, was bei der vorbekannten Decke ersichtlich nicht der Fall ist. Die besagte Anforderung, die seitlichen Schulterblätter vom Deckenzuschnitt auszusparen, ergibt sich – wie die Klägerin zutreffend reklamiert – aus der Tatsache, dass bei der von der Klagegebrauchsmusterschrift vorausgesetzten Bewegung des Pferdes (z.B. in einer Führanlage oder dergleichen) speziell die Muskelpartie der seitlichen Schulterblätter beansprucht wird. Damit sich das Pferd – wie es das erklärte Anliegen des Klagegebrauchsmusters ist – von der aufliegenden Decke ungehindert bewegen kann, dürfen deswegen auch und gerade die Schulterblätter nicht von der Decke umschlossen sein. Folgerichtig bemerkt auch die Klagegebrauchsmusterschrift in ihren allgemeinen Vorteilsangaben, dass „der Schulterbereich des Pferdes in keiner Weise beeinträchtigt wird“, und zwar – wie es in diesem Zusammenhang ausdrücklich heißt – nicht einmal durch den die Deckenränder haltenden Gurt. Soweit daher die US-Patentschrift vorsieht, dass „die Schultern“ des Tieres von der Decke frei bleiben, ist mit dieser Formulierung nicht dasselbe gemeint, was das Klagegebrauchsmuster mit eben dieser Bemerkung zum Ausdruck bringt. Der Bedeutungsunterschied ist Konsequenz dessen, dass der Entgegenhaltung hinsichtlich des identisch gebrauchten Wortes „Schulter“ eine andersartige, mit Rücksicht auf die gänzlich abweichende, auf den Ruhezustand des Tieres bei der Stallhaltung abstellende Aufgabenstellung erklärbare Begriffsbildung zugrunde liegt. Vor diesem Hintergrund kann auch die Tatsache, dass die Schulter- und Brustpartie bei der vorbekannten Tierdecke bereits – unbestreitbar, aber aus völlig anderen Beweggründen – zum Teil von dem Deckenzuschnitt ausgenommen ist, den Fachmann nicht dazu anhalten, die Aussparung – zu einem in der Druckschrift nicht einmal angesprochenen und bei dem gegebenen Offenbarungsgehalt der Schrift auch fernliegenden Zweck – in dem Maße zu vergrößern, wie es das Klagegebrauchsmuster vorschreibt.
b)
Die österreichische Patentschrift 86398 befasst sich mit einer Vorrichtung zum Festhalten einer Decke auf dem Rücken eines Pferdes, die durch die nachfolgenden Figuren 1 bis 3 näher veranschaulicht wird. Figur 3 zeigt dabei das Geschirr nach Figur 1, nachdem es dem Pferd angelegt ist.
Gezeigt und beschrieben ist keine Pferdedecke, sondern ein Geschirr, mit dem es gelingt, eine während des Reitens als Sattelunterlage dienende Decke für das Nachtlager oder für einen sonstigen Aufenthalt im Stall zu fixieren, ohne dass auf den Rücken und den Vorderrist des Pferdes ein unerwünschter Druck ausgeübt wird. Selbst wenn von dem unterschiedlichen Schutzgegenstand abgesehen und für die rechtliche Beurteilung darauf abgestellt wird, dass – bei angelegtem Geschirr – jedenfalls auch die Einheit aus Decke und Haltevorrichtung offenbart ist, und selbst wenn des weiteren angenommen wird, dass der Fachmann der betreffenden Darstellung in Figur 3 der AT-PS 86398 eine in bestimmter Weise am Tier zu befestigende Pferdedecke als eigenständigen (zusammengehörenden) Gegenstand entnimmt, verbietet sich in jedem Fall die Annahme, der Fachmann habe anhand der österreichischen Patentschrift naheliegend zu der Auffassung gelangen können, dass sich die in Figur 3 gezeigte Decke dazu eignet, das Pferd einerseits vor Kälte zu schützen und ihm andererseits – trotz aufgelegter Decke – eine ungehinderte Bewegung z.B. in einer Führanlage zu ermöglichen. Genau die gegenteilige Erkenntnis ist plausibel, weil im Schulter- und Brustbereich zwar ein Deckenzuschnitt ausgespart ist, die Bewegung im wichtigen Bereich der Schulterblätter dafür jedoch durch die Bänder (a) und (b) des Befestigungsgeschirrs behindert wird. Die Beklagten zu 1) und 3) können dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters sich zum genauen Ort und Verlauf des Haltegurtes nicht verhalte, sondern lediglich vorsehe, dass die Decke „im Schulter- und Brustbereich des Pferdes durch einen Gurt“ zusammen gehalten werde. Bei sinnvollem Verständnis der Lehre des Klagegebrauchsmusters ist nämlich evident, dass der Haltegurt als solcher nicht im Bereich der Schulter verlaufen darf, weil sonst er – anstelle der Decke – die Bewegung des Pferdes einschränkt, was den Zielen des Klagegebrauchsmusters offensichtlich entgegenläuft. Als Vorzug der Erfindung wird dementsprechend im allgemeinen Beschreibungstext herausgestellt, dass „die Halsmanschette (scil.: der mit Lammfell überzogene Haltegurt) so weit oben angebracht ist, dass der Schulterbereich des Pferdes in keiner Weise beeinträchtigt wird“. Lediglich aus Gründen der Klarstellung hat die Kammer das besagte Erfordernis bei der Beschreibung der angegriffenen Ausführungsform ausdrücklich in den Urteilstenor aufgenommen.
c)
Die sonstigen im Löschungsverfahren befindlichen Druckschriften liegen von dem Gegenstand des Klagegebrauchsmusters deutlich weiter ab.
d)
Im Ergebnis bleibt deshalb festzuhalten, dass keine der Entgegenhaltungen auch nur das grundlegende (und entscheidende) Merkmal (1) des Klagegebrauchsmusters zeigt, welches darin besteht, die Decke so zuzuschneiden, dass der Schulter- und Brustbereich vollständig frei bleibt. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, wie die Druckschriften dem Fachmann – ohne in eine unzulässige rückschauende Betrachtung in Kenntnis der Lehre des Klagegebrauchsmusters zu verfallen – irgendeine Anregung für eine dahingehende Maßnahme hätten vermitteln können. Dass es hierzu mehr als nur handwerklicher Routine bedurft hat, belegt – im Gegenteil – der Umstand, dass es nach der Veröffentlichung der österreichischen und der amerikanischen Patentschrift (1921, 1925) noch ganze 75 Jahre gedauert hat, bis die technisch vorteilhafte Lösung des Klagegebrauchsmusters tatsächlich aufgefunden worden ist.
IV.
Da die Beklagten zu 1) und 3) nach allem widerrechtlich die schutzfähige Lehre des Klagegebrauchsmusters benutzt haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet (§ 24 Abs. 1 GebrMG). Den Beklagten zu 1) und 3) fällt ein zumindest fahrlässiges Verschulden zur Last, weil sie die vorgefallene Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt hätten erkennen und vermeiden können. Sie haften der Klägerin deswegen auf Schadenersatz (§ 24 Abs. 2 GebrMG). Weil die Klägerin derzeit mangels näherer Kenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen außerstande ist, ihren Schadenersatzanspruch zu beziffern, hat sie ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatzhaftung der Beklagten zu 1) und 3) zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadenersatzanspruch zu berechnen, haben die Beklagten zu 1) und 3) außerdem im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Verletzungshandlungen zu legen (§§ 242, 259 BGB, § 24b GebrMG). Als unbegründet erweist sich das Klagebegehren lediglich insoweit, als die Anträge der Klägerin auch die Handlungsalternative des Herstellens berücksichtigen. Dass sich die Beklagten zu 1) und 3) mit der Herstellung der streitbefangenen Gegenstände befassen, ist weder von der Klägerin dargelegt noch sonst ersichtlich.
V.
Zu einer nach § 19 GebrMG möglichen Aussetzung der Verhandlung besteht angesichts der obigen Darlegungen zur Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters keine Veranlassung.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 ZPO.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.