4a O 231/06 – GPRS-Mobiltelefone II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 614

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Juni 2007, Az. 4a O 231/06

I. Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren,
zu unterlassen,
Mobilfunktelefone, die zur Anwendung eines Verfahrens zur Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen einer Mobilstation (MS) und einer Basisstation (BS) eines Zeitmultiplex-Mobilfunksystems für eine Paketdatenübertragung geeignet und bestimmt sind, bei dem die Übertragung von einer Mobilstation (MS) zur Basisstation (BS) als Aufwärtsrichtung und von der Basisstation (BS) zu einer Mobilstation (MS) als Abwärtsrichtung bezeichnet wird, bei dem weiter ein Kanal (GPRS-K) durch zumindest einen Zeitschlitz (ts, T, A) pro Zeitmultiplex-Rahmen (R) gebildet wird, bei dem ferner die Paketdatenübertragung mehrerer Mobilstationen (MS) über den Kanal (GPRS-K) erfolgt, wobei im Kanal (GPRS-K) in zyklischen Abständen ein Zeitschlitz (ts, A) zur Signalisierung vorgesehen ist, wobei weiter mehrere Zeitschlitze (ts, A) zur Signalisierung in Abwärtsrichtung zu einem Signalisierungsblock (GACCH) für mehrere Mobilstationen (MS) zusammengefasst werden, wobei weiter der Signalisierungsblock (GACCH) zur Signalisierung der Vorhaltezeiten (TA) benutzt wird, die von den Mobilstationen (MS) beim Senden benutzt werden, und wobei die Informationen aufeinander folgender Zeitschlitze (ts, A) jeweils eines Blocks zur Signalisierung (GACCH) verschachtelt werden,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu neun Zehnteln der Beklagten, zu einem Zehntel der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 225.000,- €.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die jeweilige Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist im Patent- und Gebrauchsmusterregister des DPMA eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 0 938 xxx (Anlage K B.1; nachfolgend: Klagepatent). Die Anmeldung des Klagepatents erfolgte am 06. November 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität der beiden deutschen Patentanmeldungen DE 196 47 629 vom 18. November 1996 und DE 196 52 303 vom 16. Dezember 1996. Am 11. Februar 2004 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht. Die Verfahrenssprache ist deutsch. Der deutsche Teil des Schutzrechts steht in Kraft.
Die auf die weiteren mit der Klage geltend gemachten Patente DE 195 34 xxx, EP 0 938 xxx und EP 0 453 xxx bzw. deren jeweilige deutsche Teile, deren eingetragene Inhaberin ebenfalls die Klägerin ist, gestützten Verfahren wurden gemäß Beschluss der Kammer vom 27. Juni 2006 abgetrennt. Die Verletzung der genannten Patente durch die Beklagte ist Gegenstand paralleler Rechtsstreitigkeiten (DE 195 34 xxx: 4a O 113/06, EP 0 938 xxx: 4a O 232/06 und EP 0 453 xxx: 4a O 233/06).
Das Klagepatent befasst sich mit einem Verfahren und Basisstationssystem zur Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen einer Mobilstation und einer Basisstation eines Zeitmultiplex-Mobilfunksystems für eine Paketdatenübertragung. Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:
Verfahren zur Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen einer Mobilstation (MS) und einer Basisstation (BS) eines Zeitmultiplex-Mobilfunksystems für eine Paketdatenübertragung, wobei
– die Übertragung von einer Mobilstation (MS) zur Basisstation (BS) als Aufwärtsrichtung und von der Basisstation (BS) zu einer Mobilstation (MS) als Abwärtsrichtung bezeichnet wird,
– ein Kanal (GPRS-K) durch zumindest einen Zeitschlitz (ts, T, A) pro Zeitmultiplex-Rahmen (R) gebildet wird,
– die Paketdatenübertragung mehrerer Mobilstationen (MS) über den Kanal (GPRS-K) erfolgt,
– im Kanal (GPRS-K) in zyklischen Abständen ein Zeitschlitz (ts, A) zur Signalisierung vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
– mehrere Zeitschlitze (ts, A) zur Signalisierung in Abwärtsrichtung zu einem Signalisierungsblock (GACCH) für mehrere Mobilstationen (MS) zusammengefasst werden,
– der Signalisierungsblock (GACCH) zur Signalisierung von Vorhaltezeiten (TA) benutzt wird, die von den Mobilstationen (MS) beim Senden benutzt werden,
– wobei die Informationen aufeinanderfolgender Zeitschlitze (ts, A) jeweils eines Blocks zur Signalisierung (GACCH) verschachtelt werden.

Das Klagepatent wird – wie die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht in Abrede stellt – von dem A Institute (AI) als ein für den „Global System for Mobile Communications (GSM)-Standard“ grundlegendes Schutzrecht aufgeführt. Das AI ist mit der Aufgabe befasst, eine internationale Standardisierung für den Bereich der mobilen Telekommunikation zu erarbeiten. Zu diesem Zweck werden technische Standards verfasst, die es den Anwendern ermöglichen, international mobil zu kommunizieren. Dies wurde im Laufe der achtziger Jahre erforderlich, nachdem die bis dahin national entwickelte mobile Kommunikation erhebliche Zuwächse zu verzeichnen hatte und im Markt ein zunehmendes Bedürfnis nach internationaler Angleichung erwuchs, um so auch einen grenzüberschreitenden Mobilfunkbetrieb zu ermöglichen. Im Jahre 1990 wurde die erste Phase des GSM-Standards veröffentlicht. In den Folgejahren begann die kommerzielle Nutzung dieses Standards, der heute europaweit und darüber hinaus weltweit in mehr als 60 Ländern Gültigkeit besitzt. Der GSM-Standard umfasst technische Anweisungen für die unterschiedlichen Dienste und Verbindungen.
Der GSM-Standard wurde im Laufe der Zeit – bis heute – weiterentwickelt. Im Rahmen der Weiterentwicklung wurde bei der Standardisierungsorganisation AI erstmals angedacht, neben der Sprachfunktionalität des Mobilfunksystems auch einen Dienst innerhalb von GSM-Netzen einzurichten, um größere sprachfremde Datenmengen zu übertragen. In Anlehnung an bereits vorhandene festnetzgebundene Systeme sollte dieser Dienst zur Datenübertragung nach dem Prinzip der Paketvermittlung funktionieren, welcher zusätzlichen grundlegenden Anforderungen genügen musste. Diese Anforderungen bedingten einen starken Eingriff in den ursprünglichen GSM-Standard mit wesentlichen Neuerungen und Erweiterungen sowohl im Hinblick auf die Funkübertragungstechnik als auch im Hinblick auf die Netzwerkarchitektur. Die Standardisierung dieses neuen Dienstes, der als „General Packet Radio Service“ (GPRS) bezeichnet wird, war im Jahre 1997 so weit abgeschlossen, dass er im Rahmen von öffentlich zugänglichen Mobilfunknetzen angeboten werden konnte. Wenig später gab es die ersten Mobiltelefone mit GPRS-Funktionalität. Durch den GPRS-Dienst können GSM-/GPRS-Netzbetreiber ihre knapp bemessenen Funkressourcen besser ausschöpfen und Mobilfunkteilnehmern auf deren Mobilstationen einen Zugriff auf externe Datennetze, wie beispielsweise das Internet, anbieten. Gegenüber dem herkömmlichen GSM-Netz ohne GPRS-Funktionalität bietet GPRS den wesentlichen Vorteil, dass höhere Datenraten und kürzere Zugriffszeiten bereitgestellt werden können, sowie den weiteren Vorteil, dass die Abrechnung der gegenüber dem Netzbetreiber zu entrichtenden Kosten basierend auf der tatsächlich übertragenen Datenmenge (statt nach Maßgabe der Verbindungsdauer) erfolgen kann.

Die Beklagte, ein taiwanesisches Unternehmen, stellte auf der vom 09. bis zum 15. März 2006 in Hannover stattfindenden Messe CeBIT 2006 Mobiltelefone aus, die – wie zwischen den Parteien nicht umstritten ist – die technischen Voraussetzungen erfüllen, um im GSM-/GPRS-Standard betrieben zu werden. Auf der Messe wurde der in englischer Sprache verfasste Katalog der Beklagten (Anlage K A.7 zum Parallelverfahren 4a O 113/06) verteilt, der die Modelle B, C, D, E und F beschreibt. Die genannten Mobiltelefon-Modelle (nachfolgend auch: die angegriffenen Ausführungsformen) wurden auf dem Messestand in Hannover zugleich ausgestellt (vgl. Anlage K A.8).

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Beklagte damit eine mittelbare Verletzung des Klagepatents begangen habe, da die von ihr angebotenen und vertriebenen Mobiltelefone Mittel im Sinne des § 10 PatG seien. Die angegriffenen Ausführungsformen stellten Mittel dar, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, da ohne sie als Kommunikationspartner die Erfindung nach dem Klagepatent nicht durchführbar sei. Außerdem seien sie zur Verwendung im Hinblick auf das durch das Klagepatent geschützte Verfahren bestimmt und geeignet, da es sich bei dem durch das Klagepatent geschützten Verfahren um ein von dem GSM/GPRS-Standard zwingend verwendetes Verfahren handele und die Beklagte ausweislich der Anlage K A.7 die Erfüllung des GSM/GPRS-Standards angebe. Die Beklagten hätten demnach einen entsprechenden Benutzungswillen.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie im frühen ersten Termin die angekündigten Anträge auf Schadensersatzfeststellung sowie Auskunft und Rechnungslegung auf die Rüge der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit durch die Beklagte zurückgenommen hat,
wie erkannt,
hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie rügt die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Beklagte meint, sie habe die streitgegenständlichen Mobiltelefone auf der Messe CeBIT 2006 in Hannover nicht für den deutschen Markt angeboten, weil es sich bei der Messe CeBIT um eine vom deutschen Markt völlig unabhängige internationale Messe handele. Auch andere Angebotshandlungen habe es im Bundesgebiet nicht gegeben, insbesondere nicht im Bezirk des Landgerichts Düsseldorf. Ein Verkauf ihrer Produkte in Deutschland sei weder geplant noch momentan praktisch durchführbar. Des Weiteren ist die Beklagte der Ansicht, die Klage sei ihr auf der Messe CeBIT nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.
Sie stellt die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede, weil der Übernehmer der Mobilfunksparte der Klägerin, G, nach der Berichterstattung in der Presse mit dieser Sparte auch mehr als 1.750 Patente im Bereich Mobilfunk von der Klägerin übernommen habe. Da davon auszugehen sei, dass zu diesen Patenten auch das Klagepatent gehöre, sei die Klägerin zur Klageerhebung nicht berechtigt, ohne dass es auf ihre formelle Rolleneintragung ankomme.
Die Beklagte meint, die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, dass es sich bei dem Klagepatent um ein für den GSM/GPRS-Standard essentielles Patent handelt, welches bei der Anwendung des Standards zwingend benutzt wird. Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, eine mittelbare Verletzung des Klagepatentes liege nicht vor, weil die Mobiltelefone in keinem Zusammenhang mit der erfindungsgemäßen Lehre stünden. Es fehle an einem Bezug der Mobiltelefone zu einem wesentlichen Element der Erfindung nach dem Klagepatent, weil die kennzeichnenden Merkmale des Klagepatents allein von der Basisstation verwirklicht würden.
Darüber hinaus wendet die Beklagte Erschöpfung bzw. eine berechtigte Nutzung durch die Anwender der angegriffenen Mobiltelefone ein. Sie behauptet, die bei der Fertigung der angegriffenen Ausführungsformen (einschließlich der auf der CeBIT 2006 ausgestellten Mobiltelefone) verwendeten GSM/GPRS-Module von Sagem Communication zu erhalten; dieses Unternehmen sei Lizenznehmerin der Klägerin, wobei von der Lizenzierung auch das Klagepatent erfasst sei. Bei den verwendeten GSM/GPRS-Modulen handele es sich daher um von der Klägerin lizenzierte Produkte, so dass eine Verletzung der Patentrechte der Klägerin durch Angebot oder Lieferung der unter Verwendung dieser Module hergestellten angegriffenen Mobiltelefone ausgeschlossen sei.
Mangels Angebotshandlungen in Deutschland – so die Beklagte – fehle es zudem an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungs- sowie an einer Erstbegehungsgefahr. Mit dem der Klage zugrundeliegenden Unterlassungsantrag würde der Beklagten unzulässigerweise auch ein Liefern der angegriffenen Ausführungsformen an Berechtigte untersagt. Im Hinblick auf Abnehmer, die bereits eine Lizenz zur Benutzung des Klagepatents besitzen, wie etwa Netzbetreiber, sei sie – die Beklagte – aber zu einer Belieferung berechtigt. Ansprüche aus dem Klagepatent könne die Klägerin ausschließlich gegenüber den Betreibern der Basisstationen geltend machen.
Schließlich stelle das Verhalten der Klägerin einen Missbrauch ihrer Patentrechte dar. Die Klägerin habe es versäumt, ihren Offenbarungspflichten im Rahmen der Entwicklung des Standards nachzukommen. Die an der Standardisierung beteiligten Unternehmen seien gemäß Art. 4 der AI IPR-Policy verpflichtet, alle ihre für den Standard wesentlichen Patente bereits bei der Entwicklung des Standards zu offenbaren und unverzüglich nach Kenntnisnahme auf sie hinzuweisen, damit nicht erst bei der Umsetzung des Standards entgegenstehende Schutzrechte offenbar werden. Dieser Pflicht habe die Klägerin zuwidergehandelt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die im Umfang des Unterlassungsantrags aufrecht erhaltene Klage ist zulässig und begründet. Das Landgericht Düsseldorf ist für die Entscheidung international und örtlich zuständig. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 1; 10 Abs. 1 PatG zu, dem die Beklagte den Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB nicht mit Erfolg entgegenhalten kann.

I.
Das angerufene Gericht ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles sowohl international als auch örtlich zuständig. Da die Beklagte ihren Sitz in Taiwan hat, kommt der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nicht in Betracht, da dieser voraussetzt, dass die Beklagte ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat, vgl. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO. Allerdings begründet § 32 ZPO außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO einen internationalen Gerichtsstand (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage 2005, § 32 Rn. 5). Die deutsche internationale Zuständigkeit ist gegeben, wenn irgendein deutsches Gericht bei Anwendung der deutschen Gerichtsstandsvorschriften zuständig ist (KG, GRUR Int. 2002, 327, 328 – EURO-Paletten), was beispielsweise bei einer in Deutschland begangenen unerlaubten Handlung der Fall ist. Dass eine Patentverletzung eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellt, ist anerkannt.
Die Klägerin hat das Vorliegen einer Patentverletzung in Deutschland schlüssig vorgetragen (was im Rahmen der Zuständigkeitsfrage bei doppelrelevanten Tatsachen genügt), da die Beklagte auf der CeBIT 2006 in Hannover die als patentverletzend angegriffenen Mobiltelefone der Allgemeinheit zur Schau gestellt und sie betreffende Prospekte verteilt hat (vgl. Anlagen K A.7 und K A.8). In der gewerblichen Ausstellung und Vorführung auf einer internationalen Messe wie der CeBIT liegt ein tatbestandsmäßiges Anbieten im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG (vgl. Urteil des LG Düsseldorf vom 13. November 2001, 4a O 165/01, Urteil vom 15. Januar 2004, 4b O 196/03). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Entscheidung Heißläuferdetektor (GRUR 1970, 358, 360) liegt zwar in der Vorführung eines Erzeugnisses auf einer „allgemeinen Leistungsschau“, die den Fachkreisen und der Öffentlichkeit lediglich einen Überblick über den Leistungsstand geben soll, aber nicht den Charakter einer Verkaufsausstellung oder Messe hat, kein Anbieten des Erzeugnisses. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Bei der CeBIT, der weltweit größten Messe für digitale Lösungen aus der Informations- und Kommunikationstechnik, handelt es sich um eine Messe, die – wie die Beklagte selbst vorträgt – dazu dient, Kontakte herzustellen und Geschäfte abzuschließen, und die auch von Einkäufern besucht wird. Die CeBIT ist damit unzweifelhaft als internationale Messe einzustufen.
Die Ausstellung und Bewerbung der angegriffenen Mobiltelefone auf der Messe CeBIT 2006 begründet auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Beklagte wendet ein, es habe keine Ausstellung der angegriffenen Produkte bzw. kein Verteilen des Prospektmaterials im Gerichtsbezirk des Landgerichts Düsseldorf stattgefunden. Die örtliche Zuständigkeit des im Wege der Konzentrationsermächtigung nach § 143 Abs. 2 PatG für Nordrhein-Westfalen zuständigen Landgerichts Düsseldorf folgt jedoch aus dem Aspekt der Erstbegehungsgefahr. Aufgrund der Präsentation der angegriffenen Mobiltelefone auf der CeBIT 2006 in Hannover besteht die ernsthafte Besorgnis, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Produkte auch in Nordrhein-Westfalen anbietet und hierhin liefert (vgl. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. November 2001, 4a O 165/01). Gerade bei Mobiltelefonen ist die konkrete Besorgnis des Anbietens im Hoheitsgebiet eines anderen Bundeslandes sehr hoch, da es sich um Produkte handelt, die aus dem täglichen Lebensbereich nicht mehr hinweg zu denken sind. Dass die Beklagte außerhalb der Messe CeBIT keine weiteren Angebotshandlungen vorgenommen haben mag (solche sind jedenfalls nicht vorgetragen), ist für die Beurteilung ohne Relevanz. Denn die Ausstellung patentverletzender Produkte auf einer internationalen Messe birgt die Gefahr weiterer Benutzungshandlungen – auch in Nordrhein-Westfalen – in sich. Es ist für die Frage einer Verletzungshandlung im Inland durch Anbieten auch unerheblich, ob die angegriffene Ausführungsform für den Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland technisch bereits vorgesehen war bzw. ist. Denn das Ausstellen auf einer Verkaufsmesse (hierzu ist die CeBIT zu zählen) im Inland ist patentverletzend (vgl. Benkard/Scharen, PatG/GebrMG, 10. Auflage 2006, § 9 Rn. 42; Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 7. Auflage 2005, § 10 Rn. 10). Hieraus folgt, dass die Angebotshandlung in der Bundesrepublik Deutschland bereits ausreichend ist. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Benutzung der angebotenen Mobiltelefone nur im Ausland stattfinden sollte, was eine – hier geltend gemachte – mittelbare Patentverletzung ausschließen würde. Selbst wenn die Beklagte ihre Mobiltelefone nur außerhalb Deutschlands in Verkehr bringen sollte, steht es dem Erwerber selbstverständlich frei, mit dem im Ausland erworbenen Mobiltelefon auch in Deutschland zu telefonieren, wodurch es zwangsläufig zu einer Benutzung der patentierten Erfindung im Inland kommt. Die aufgezeigte Möglichkeit ergibt sich zum Beispiel daraus, dass ein Inländer ein Mobiltelefon der Beklagten im Ausland (beispielsweise während einer Urlaubsreise) erwirbt und sodann nach Deutschland verbringt, oder ein Ausländer sein von der Beklagten im Ausland erworbenes Handy vorübergehend (z.B. während einer Geschäftsreise oder eines Urlaubsaufenthaltes) ins Bundesgebiet mitnimmt und hier telefoniert.

II.
Die Beklagte rügt zu Unrecht, dass ihr die Klage auf der Messe CeBIT 2005 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Zum einen leitet sie Zustellungsmängel daraus ab, dass sie keinen Geschäftsraum in Deutschland unterhalten habe, an dem eine Ersatzzustellung nach § 178 ZPO hätte erfolgen können; es habe sich bei dem Messestand auf der CeBIT in Hannover nicht um ihren eigenen, sondern um einen Messestand der H Co., Ltd. gehandelt. Dementsprechend habe auch allenfalls eine Ersatzzustellung an eine bei der H Co., Ltd. beschäftigte Person stattgefunden, nicht jedoch an Personen, an die eine Ersatzzustellung nach § 178 ZPO hätte erfolgen dürfen. Zum anderen habe eine Übersetzung der Klageschrift in die chinesische Sprache gefehlt, weshalb sie – die Beklagte – nunmehr ein Annahmeverweigerungsrecht in analoger Anwendung des § 1070 ZPO in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 geltend machen könne.
Hinsichtlich der auf eine Verletzung des § 178 ZPO gestützten Zustellungsmängel ist jedenfalls eine Heilung nach § 189 ZPO eingetreten. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Klage jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt an einen ihrer gesetzlichen Vertreter gelangt ist und damit einer Person, an die eine Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Ein Annahmeverweigerungsrecht wegen fehlender Übersetzung der Klageschrift in die chinesische Sprache steht der Beklagten nicht zu. Die von der Beklagten herangezogenen Vorschriften greifen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ein, weil es sich nicht um eine Zustellung im Ausland, sondern auf der Messe in Hannover handelt. Die grundlegenden Voraussetzungen für ihre analoge Anwendung sind nicht ersichtlich. Auch aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der prozessualen Chancengleichheit und dem rechtsstaatlichen Grundsatz eines fairen Verfahrens lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten kein allgemeines Übersetzungserfordernis, verbunden mit einem Annahmeverweigerungsrecht bei Nichtbefolgung, ableiten. Diese Gebote begründen kein allgemeines Erfordernis, an eine der deutschen Sprache nicht mächtige Person in Deutschland zuzustellende Schriftstücke in eine Sprache zu übersetzen, die der Zustellungsempfänger ohne weiteres versteht. Den mit der Konfrontation einer ausländischen Beklagten mit einer deutschsprachigen Klageschrift in Deutschland verbundenen Schwierigkeiten kann vielmehr dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass die entsprechenden Fristen mit Rücksicht auf das Übersetzungserfordernis gesetzt bzw. erforderlichenfalls verlängert werden, um der Beklagten eine sachgerechte Rechtsverteidigung zu ermöglichen. Dies ist auch im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt des frühen ersten Termins geschehen (vgl. Bl. 81 GA), nachdem die Beklagte auf unter anderem durch das Fehlen einer Übersetzung bedingte zeitliche Probleme hatte hinweisen lassen.

III.
Die Klägerin ist als im Patentregister eingetragene Inhaberin des Klagepatents zur Geltendmachung der aus ihm folgenden Unterlassungsansprüche aktivlegitimiert. Die Beklagte mutmaßt vor dem Hintergrund des Verkaufs der Mobilfunksparte von der Klägerin an den Erwerber G, der Ende September 2006 Insolvenz angemeldet hat, dass auch das Klagepatent als Patent aus dem Bereich „Mobilfunk“ an diesen Erwerber veräußert worden sei. Soweit im Patent- und Gebrauchsmusterregister noch keine Eintragung des neuen Inhabers erfolgt sei, ändere dies nichts an der Wirksamkeit des Rechtsübergangs.
Darin ist der Beklagten nicht zu folgen. Allein entscheidend für das Recht, gegenüber Dritten Verbietungsrechte aus einem Patent geltend zu machen, ist die formelle Eintragung der Klägerin als Inhaberin in der Patentrolle (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG). Die Klägerin ist, wie die seitens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Abfragen aus dem Patent- und Gebrauchsmusterregister des DPMA vom Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung belegen, eingetragene Inhaberin unter anderem des Klagepatents. Schadensersatzansprüche, für die es hinsichtlich der Aktivlegitimation nicht auf die Rolleneintragung ankäme, werden von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht. Es kann daher offen bleiben, ob – wie die Beklagte lediglich unsubstantiiert behauptet – eine Übertragung des Klagepatents auf G als den Erwerber der Mobilfunksparte der Klägerin stattgefunden hat, da diese jedenfalls nicht zu einer Umschreibung im Patentregister geführt hat. Diese wäre auf der Grundlage des § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG aber allein maßgeblich.

IV.
Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft ein Verfahren und Basisstationssystem zur Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen einer Mobilstation und einer Basisstation eines Zeitmultiplex-Mobilfunksystems für eine Paketdatenübertragung.
Einleitend führt das Klagepatent aus, dass zur Übertragung von Daten zwischen zwei Kommunikationsendgeräten auf verbindungsorientierte Konzepte und Konzepte auf Basis logischer Verbindungen zurückgegriffen werden kann. Bei verbindungsorientierten Datenübertragungen müssen während der gesamten Zeit der Datenübertragung physikalische Ressourcen zwischen den zwei Kommunikationsendgeräten bereitgestellt werden. Bei der Datenübertragung über logische Verbindungen ist eine dauerhafte Bereitstellung von physikalischen Ressourcen nicht nötig. Ein Beispiel für eine solche Datenübertragung ist die Paketdatenübertragung. Hier besteht während der Dauer der gesamten Datenübertragung eine logische Verbindung zwischen den zwei Kommunikationsendgeräten, jedoch werden physikalische Ressourcen nur während der eigentlichen Übertragungszeiten der Datenpakete bereitgestellt. Dieses Verfahren basiert darauf, dass die Daten in kurzen Datenpaketen, zwischen denen längere Pausen auftreten können, übermittelt werden. In den Pausen zwischen den Datenpaketen sind die physikalischen Ressourcen für andere logische Verbindungen verfügbar. Bezogen auf eine logische Verbindung werden physikalische Ressourcen eingespart (Anlage K B.1, Abschnitte [0001] und [0002]).
Das Klagepatent führt zum Stand der Technik weiter aus, dass sich das aus der Anmeldeschrift DE 44 02 903 bekannte Paketübertragungsverfahren, insbesondere für Kommunikationssysteme mit begrenzten physikalischen Ressourcen, anbiete. Beispielsweise in Mobilfunksystemen wie dem GSM-Mobilfunksystem seien die physikalischen Ressourcen im Frequenzbereich – Anzahl der Frequenzkanäle und Zeitschlitz – beschränkt und müssten rationell genützt werden (Anlage K B.1, Abschnitt [0003]).
Nach den weiteren Ausführungen des Klagepatents ist das GSM-Mobilfunksystem ein Beispiel für ein Zeitmultiplex-Mobilfunksystem, wobei Zeitschlitze innerhalb eines Frequenzkanals auf verschiedene Kommunikationsendgeräte aufgeteilt werden können. Die netzseitige Funkstation eines Mobilfunknetzes ist eine Basisstation, die über eine Funkschnittstelle mit Mobilstationen kommuniziert. Die Übertragung von einer Mobilstation zur Basisstation wird als Aufwärtsrichtung, die Übertragung von der Basisstation zu einer Mobilstation als Abwärtsrichtung bezeichnet. Ein Kanal, der für die Paketdatenübertragung reserviert ist, wird durch zumindest einen Zeitschlitz pro Zeitmultiplexrahmen gebildet. Weiterhin bezeichnen die Trägerfrequenz und evtl. eine Frequenzsprungsequenz den Kanal (Anlage K B.1, Abschnitt [0004]).
Das GSM-Mobilfunksystem wurde ursprünglich zur Übertragung von Sprache konzipiert, wobei ein Kanal für die ständige Informationsübertragung zwischen Mobilstation und Basisstation reserviert wurde. Bei der Paketdatenübertragung wird jedoch ein gemeinsamer Kanal zur Paketdatenübertragung für mehrere Mobilstationen genutzt. Zusätzlich zu den Paketdaten werden auch Signalisierungsinformationen übertragen, für die in zyklischen Abständen ein Zeitschlitz innerhalb des Kanals vorgesehen ist (Anlage K B.1, Abschnitt [0005]).
Die Unterscheidung in logische und physikalische Verbindungen bringt es mit sich, dass für eine Mobilstation zwar eine logische Verbindung existiert, doch über eine gewisse Zeitspanne keine Paketdaten übertragen werden. Solange jedoch keine Übertragung von der Mobilstation zur Basisstation erfolgt, sind Messungen der Basisstation bezüglich der Übertragungsverhältnisse von der Mobilstation nicht möglich. Zuvor berechnete Werte verlieren ihre Gültigkeit und müssen bei erneuter Zuweisung von physikalischen Kanälen neu bestimmt werden bzw. die Basisstation hat sicherzustellen, dass die Übertragungsverhältnisse derart eingestellt werden, dass in jedem Fall eine gesicherte Übertragung möglich ist. Letzteres führt beispielsweise zu einer überhöhten oder gar maximalen Sendeleistungseinstellung (Anlage K B.1, Abschnitt [0006]).
Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik hat es sich das Klagepatent zur Aufgabe gemacht, ein Verfahren und ein Basisstationssystem zur Konfigurierung einer Luftschnittstelle für eine Paketdatenübertragung anzugeben, bei denen die Zeitverzögerung zur Erlangung einer konfigurierten Funkschnittstelle zwischen einer Mobilstation und einer Basisstation verringert wird (vgl. Anlage K B.1, Abschnitt [0007]).
Zur Lösung schlägt das Klagepatent in seinem für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Patentanspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:
1. Verfahren zur Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen einer Mobilstation (MS) und einer Basisstation (BS) eines Zeitmultiplex-Mobilfunksystems für eine Paketdatenübertragung;
2. die Übertragung von einer Mobilstation (MS) zur Basisstation (BS) wird als Aufwärtsrichtung und von der Basisstation (BS) zu einer Mobilstation (MS) als Abwärtsrichtung bezeichnet;
3. ein Kanal (GPRS-K) wird durch zumindest einen Zeitschlitz (ts, T, A) pro Zeitmultiplex-Rahmen (R) gebildet;
4. die Paketdatenübertragung mehrerer Mobilstationen (MS) erfolgt über den Kanal (GPRS-K);
5. im Kanal (GPRS-K) ist in zyklischen Abständen ein Zeitschlitz (ts, A) zur Signalisierung vorgesehen;
6. mehrere Zeitschlitze (ts, A) werden zur Signalisierung in Abwärtsrichtung zu einem Signalisierungsblock (GACCH) für mehrere Mobilstationen (MS) zusammengefasst;
7. der Signalisierungsblock (GACCH) wird zur Signalisierung von Vorhaltezeiten (TA) benutzt, die von den Mobilstationen (MS) beim Senden benutzt werden;
8. die Informationen aufeinander folgender Zeitschlitze (ts, A) jeweils eines Blocks zur Signalisierung (GACCH) werden verschachtelt.

Nach den Ausführungen der Klagepatentschrift fasst das erfindungsgemäße Verfahren zur Konfigurierung der Funkschnittstelle mehrere Zeitschlitze zur Signalisierung innerhalb des Kanals zur Paketdatenübertragung zu einem Signalisierungsblock zusammen. Die Zeitschlitze müssen dabei nicht unmittelbar aufeinander folgenden Rahmen angehören. Ein solcher Signalisierungsblock ist insbesondere in Abwärtsrichtung von Bedeutung, da über ihn Informationen zur Konfigurierung der Funkschnittstelle für die Mobilstation, beispielsweise der Sendepegel bzw. die Vorhaltezeit (Timing Advance), enthalten sind. Das Zusammenfassen von Zeitschlitzen zu einem Signalisierungsblock bewirkt, dass die Zeitdauer bis zur Komplettierung des Signalisierungsblockes auf der Empfangsseite minimal ist. Die Mobilstationen werden folglich schnell mit den zur Konfigurierung der Funkschnittstelle benötigten Informationen versorgt. Über einen Signalisierungsblock ist die Signalisierung zu mehreren Mobilstationen möglich (Anlage K B.1, Abschnitt [0008]).

V.
Die Beklagte hat die Erfindung nach dem Klagepatent im Sinne der §§ 139 Abs. 1; 10 Abs. 1 PatG benutzt, indem sie im März 2006 auf der Messe CeBIT in Hannover die angegriffenen Mobiltelefone, die zu einem Betrieb gemäß dem GSM/GPRS-Standard geeignet und bestimmt sind, angeboten hat.

1.
Der GSM/GPRS-Standard macht zwingend von dem Verfahren nach Anspruch 1 des Klagepatents Gebrauch, so dass die angegriffenen Mobiltelefone objektiv dazu geeignet sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, die Beklagte nicht qualifiziert in Abrede gestellt, dass das Verfahren zur Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen einer Mobilstation und einer Basisstation im GSM/GPRS-Standard von sämtlichen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1 in zwingender Weise wortsinngemäß Gebrauch macht. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Merkmale 3, 5, 6, 7 und 8 als auch hinsichtlich der übrigen Merkmale.

a) Merkmal 1
Bei dem im GMS/GPRS-Standard beschriebenen Verfahren handelt es sich um sein solches zur Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen eine Mobil- und einer Basisstation eines Zeitmultiplex-Mobilfunksystems für eine Paketdatenübertragung. So wird ein physikalischer Kanal im Sinne des Standards in Kapitel 5.1 der TS 05.02 (Version 8.11.0; Anlage K A.5 zum Parallelverfahren 4a O 113/06; Übersetzung Anlage K A.5a) dahingehend beschrieben, dass er eine Kombination aus Frequenz- und Zeitmultiplexierung verwendet und definiert sei als eine Sequenz von Funkfrequenzkanälen und Zeitschlitzen („time slots“). Zum Zwecke des systematischen Zeitaufteilung eines Frequenzkanals wird eine vorbestimmte Anzahl von Zeitschlitzen (bei GSM sind dies acht Zeitschlitze, vgl. Anlage K A.5, Seite 15, Kapitel 4.3.1, Abs. 1 Satz 2) zu einem so genannten Zeitmultiplexrahmen („TDMA frame“) zusammengefasst. „TDMA frame“ steht für „Time division multiple access frame“. Die Zeitmultiplexrahmen wiederholen sich zyklisch in einem Multi- oder Makrorahmen, der 52 Zeitmultiplexrahmen umfasst. Gemäß Kapitel 5.5 der TS 05.02 (Anlage K A.5, Seite 21) verwendet ein gegebener physikalischer Kanal stets den Zeitschlitz mit derselben Nummer in jedem Zeitmultiplexrahmen:
„A given physical channel shall always use the same timeslot number in every TDMA frame.“
Dies wird illustriert in Figur 2 (Seite 51) der TS 05.02 (Anlage K A.5), wo jeweils für die Abwärts- und die Aufwärtsrichtung vier verfügbare Frequenzen (vier horizontal übereinander liegende Bänder) dargestellt sind, die in vier Zeitmultiplexrahmen (0 bis 3) mit jeweils acht Zeitschlitzen (0 bis 7) unterteilt sind.

b) Merkmal 2
Der GSM/GPRS-Standard unterscheidet (wie sich aus der zuvor erörterten Figur 2 der TS 05.02 unschwer ersehen lässt) im Sinne des Merkmals 2 zwischen der Aufwärtsrichtung von einer Mobil- zur Basisstation („Uplink (MSBTS)“) und der Abwärtsrichtung von der Basis- zu einer Mobilstation („Downlink (BTSMS)“). In der textlichen Beschreibung ergibt sich dies aus Abschnitt 4.2.2 der TS 05.02 (Anlage K A.5, Seite 15).

c) Merkmal 3
Im Sinne des Merkmals 3 wird ein Kanal (GPRS-K) durch zumindest einen Zeitschlitz (ts, T, A) pro Zeitmultiplexrahmen (R) gebildet. Wie die Formulierung „zumindest“ zeigt, ist es patentgemäß ausreichend, wenn der Kanal auch durch genau einen Zeitschlitz pro Zeitmultiplexrahmen gebildet wird. Dies ist bei dem GSM/GPRS-Standard der Fall. Aus Kapitel 5.5 der TS 05.02 (Anlage K A.5) geht hervor, dass ein bestimmter physikalischer Kanal in jedem Zeitmultiplexrahmen („TDMA frame“) den Zeitschlitz („time slot“) mit derselben Nummer verwendet. Der für die Paketdatenübertragung benutzte bestimmte physikalische Kanal wird in den Standarddokumenten als „Packet Data Channel“ (PDCH) bezeichnet (vgl. TS 03.64, Version 8.12.0, Kapitel 4.1, Absatz 2, Anlage K A.4, Seite 10). Der GSM/GPRS-Standard beschreibt damit exakt Merkmal 3.

d) Merkmal 4
Das Klagepatent setzt in Merkmal 4 voraus, dass die Paketdatenübertragung mehrerer Mobilstationen (MS) über den Kanal (GPRS-K) erfolgt. Dem Kanal GPRS-K entspricht im GSM/GPRS-Standard der bereits zu Merkmal 3 erwähnte „Packet Data Channel“ (PDCH). Wie in Kapitel 6.1.1 der TS 03.64 (Anlage K A.4, Seite 15) erläutert, nutzen mehrere GPRS-Mobilstationen (MS) die PDCH genannten Kanäle gemeinsam; diese werden aus dem in der Funkzelle vorhandenen gemeinsamen Pool physikalischer Kanäle genommen:
„Those physical channels (i.e. PDCHs), shared by the GPRS MSs, are taken from the common pool of physical channels available in the cell.”
Indem die Mobilstationen die ihnen zugeteilten Zeitschlitze eines derartigen physikalischen Paketdatenkanals bedarfsweise nutzen können, verwirklicht das GSM/GPRS-Verfahren Merkmal 4 wortsinngemäß.

e) Merkmal 5
Dieses Merkmal verlangt, dass in dem Kanal, über den die Paketdatenübertragung mehrerer Mobilstationen erfolgt (Merkmal 4), in zyklischen Abständen ein Zeitschlitz zur Signalisierung vorgesehen ist. „Zur Signalisierung“ bedeutet dabei, dass Informationen enthalten sind, die die Mobilstation zur Konfigurierung der Funkschnittstelle, beispielsweise den Sendepegel oder die Vorhaltezeit, und damit für eine zuverlässige Signalübertragung benötigt (vgl. Anlage K B.1, Abschnitt [0008], Seite 2 Zeilen 48-50).
Der GSM/GPRS-Standard enthält die Definition einer Prozedur zur kontinuierlichen Aktualisierung und Mitteilung der Vorhaltezeit (Timing Advance, TA). Diese ist von der Mobilstation zur Datenübertragung zu verwenden und gehört (da sie von der Klagepatentschrift a.a.O. in diesem Zusammenhang ausdrücklich exemplarisch genannt wird) zu den Signalisierungsinformationen des Merkmals 5. Für das kontinuierliche Update der Vorhaltezeit („Continuous timing advance update“) führt das Unterkapitel 6.5.7.2 der TS 03.64 (Anlage K A.4 im letzten Absatz auf Seite 35) aus, dass auf dem Paketdatenkanal (PDCH) zwischen der Basisstation und denjenigen Mobilstationen, die sich in einem Paketdatenübertragungsmodus befinden, eine kontinuierliche Aktualisierungsprozedur für die Vorhaltezeit abläuft. Die Vorhaltezeit-Nachricht („TA-message“) wird an diejenigen Mobilstationen gesendet, die denselben Paketdatenkanal benutzen:
„The network analyses the received access burst and determines new timing advance values for all MSs performing the continuous timing advance update procedure on that PDCH. The new timing advance values shall be sent via a downlink signalling message (TA-message) on PTCCH/D.”
Wie innerhalb jeweils zweier aufeinander folgender Mehrfachrahmen des Paketdatenkanals (PDCH) die Vorhaltezeit-Nachricht an die betreffenden Mobilstationen gesendet wird, wird in Unterkapitel 6.5.7.2.1 sowie der zugehörigen Figur 19 der TS 03.64 (Anlage K A.4, Seiten 36-38) erläutert bzw. gezeigt. Gleiches folgt aus Unterkapitel 6.3.2.1 der TS 05.02 (Anlage K A.5, zweiter Absatz, erster Spiegelstrich; Seite 27). Ein Mehrfachrahmen (Multiframe) für den Paketdatenkanal (PDCH) wird durch 52 Zeitmultiplexrahmen (jeweils acht Zeitschlitze umfassend) gebildet, wie sich aus Kapitel 6.1.2 (betreffend die Mehrfachrahmen-Struktur des PDCH) und der dortigen Figur 2 der TS 03.64 (Anlage K A.4, Seite 17) ergibt. Die 52 Zeitmultiplexrahmen (in Figur 2 durch die zwischen Erstreckungspfeil und Leiste eingetragene Strichskala angedeutet) umfassen zwölf Funkblöcke (B0 bis B11) zu jeweils vier Zeitmultiplexrahmen (also insgesamt 48 Rahmen), zwei Freirahmen („idle frames“ X) und zwei PTCCH-Rahmen (T), so dass sich insgesamt 52 Zeitmultiplexrahmen innerhalb eines Mehrfachrahmens ergeben. Figur 19 zu Unterabschnitt 6.5.7.2.1 (Anlage K A.4, Seite 37) bildet insgesamt acht solcher aufeinander folgenden Mehrfachrahmen (Nummer n bis n+7) ab. Der Paketdatenkanal PDCH, auf dem die Paketdatenübertragung mehrerer Mobilstationen erfolgt (Merkmal 4), belegt lediglich einen Zeitschlitz in jedem Zeitmultiplexrahmen. Die Zeitschlitze sind in den zitierten Figuren 2 und 19 nicht explizit dargestellt; die Beklagte bestreitet aber in der Sache zu Recht nicht, dass der Paketdatenkanal durch jeweils einen ihm zugeordneten Zeitschlitz in jedem Zeitmultiplexrahmen gebildet wird. Zur Übermittlung der Signalisierungsinformationen hinsichtlich der Vorhaltezeit-Nachricht wird im GSM/GPRS-Standard innerhalb des Paketdatenkanals PDCH ein Unterkanal (PTCCH für „Packet Timing Advance Control Channel“) eingerichtet, der zwei Zeitmultiplexrahmen des Paketdatenkanals PDCH nutzt. Zeile 12 der Tabelle 6 zu Abschnitt 7 der TS 05.02 (Anlage K A.5, Seite 46) spezifiziert den PTCCH für die Abwärtsrichtung („PTCCH/D“, D für die Abwärtsrichtung, „downlink“).
Figur 19 der TS 03.64 (Anlage K A.4, Seite 37), die acht aufeinander folgende Mehrfachrahmen aus jeweils 52 Zeitmultiplexrahmen zeigt, enthält in jeder zweiten Zeile und damit in jedem zweiten Mehrfachrahmen (n, n+2, n+4 und n+6) jeweils eine neue aktuelle Vorhaltezeit-Nachricht (TA-message 1, 2, 3 und 4), die in der Abwärtsrichtung („downlink“) an die Mobilstationen gesendet wird. Dies ergibt sich auch aus Abschnitt 6.5.7.2.1 der TS 03.64 (Anlage K A.4, Seite 38, wo es im ersten Absatz heißt:
„To illustrate this, an MS that transmits an access burst in frames numbered 0, 2, 4, or 6 receives its updated timing advance value in TA message 2.”
Nach der vierten Vorhaltezeit-Nachricht („TA-message 4“), die in dem siebten und achten Mehrfachrahmen gemäß der Figur 19 übermittelt wird, wird in den beiden sich anschließenden Mehrfachrahmen (die in Figur 19 nicht mehr dargestellt sind) eine neue „TA-message 1“ mit aktualisierten Vorhaltezeit-Werten übersandt; Figur 19 beginnt gleichsam wieder von vorn. Die sich daraus ergebende Wiederholungslänge von 416 Zeitmultiplexrahmen (acht Mehrfachrahmen zu jeweils 52 Zeitmultiplexrahmen; 8 x 52 = 416) korrespondiert mit der in Tabelle 6 zu Abschnitt 7 der TS 05.02. (Anlage K A.5, Seite 46) genannten „Repeat length in TDMA frames“. Auch aus dieser Tabelle ergibt sich folglich, dass sich der Zyklus von acht Mehrfachrahmen, wie er in Figur 19 zu Abschnitt 6.5.7.2.1 der Anlage K A.4 (Seite 37) gezeigt ist, zyklisch wiederholt.
Im Paketdatenkanal (GPRS-K nach der Terminologie des Klagepatents; entsprechend dem „Packet Data Channel PDCH“ bzw. seinem Unterkanal „PTCCH“ nach den maßgeblichen GSM/GPRS-Spezifikationen) ist somit in zyklischen Abständen ein Zeitschlitz zur Signalisierung der Vorhaltezeit vorgesehen.

f) Merkmal 6
Dieses Merkmal fordert, dass mehrere Zeitschlitze zur Signalisierung in Abwärtsrichtung zu einem Signalisierungsblock (GACCH) für mehrere Mobilstationen (MS) zusammengefasst werden. Diese Zusammenfassung bewirkt, dass die Zeitdauer bis zur Komplettierung des Signalisierungsblockes auf der Empfängerseite (Mobilfunkstationen) minimal ist, so dass die Mobilstationen schnell mit den zur Konfigurierung der Funkschnittstelle benötigten Informationen versorgt werden (Anlage K B.1, Abschnitt [0008], Seite 2 Zeilen 50-53). Zudem wird durch die Zusammenfassung der Konfigurationsdaten Übertragungskapazität eingespart, die dann für Nachbarzellenmessungen oder anderweitige Signalisierungsinformationen zur Verfügung steht (vgl. Anlage K B.1, Abschnitt [0009], Seite 2 Zeilen 55f.).
Auch diese Zusammenfassung wird im GSM/GPRS-Standard vorgenommen. Wie die bereits erörterte Figur 19 zu Unterkapitel 6.5.7.2.1 der TS 03.64 zeigt, wird jede Vorhaltezeit-Nachricht (dies sind die Nachrichten „TA message 1“, „TA message 2“, „TA message 3“ und „TA message 4“) in der Abwärtsrichtung („downlink“) jeweils über je einen Zeitschlitz von vier Zeitmultiplexrahmen übertragen. Im Falle der „TA message 2“ sind das etwa bestimmte Zeitschlitze der in den grauen Feldern mit „8“, „10“, „12“ und „14“ gezeichneten Rahmen. Die Vorhaltezeit-Nachricht bildet einen Signalisierungsblock und richtet sich an mehrere Mobilstationen, die ein und denselben Paketdatenkanal (PDCH) nutzen (vgl. bereits zu Merkmal 4 und TS 03.64, Kapitel 6.5.7.2 (Anlage K A.4, Seite 35), Hervorhebung durch Unterstreichung hier: „… determines new timing advance values for all MSs performing the continuous timing advance update procedure on that PDCH“).
Wie die Beklagte nicht qualifiziert bestritten hat, setzt sich jeder der 52 in einem Mehrfachrahmen enthaltenen Zeitmultiplexrahmen aus acht Zeitschlitzen („time slots“) zusammen, wenngleich diese in Figuren 2 und 19 der Anlage K A.4 nicht explizit dargestellt werden. Wie bereits zu Merkmal 5 ausgeführt, nutzt jeder Paketdatenkanal immer denselben Zeitschlitz pro Zeitmultiplexrahmen, so dass in einem 52 solcher Rahmen umfassenden Mehrfachrahmen eine entsprechende Anzahl von Zeitschlitzen zur Verfügung steht. Dabei belegt der zur Übertragung der Vorhaltezeit-Nachricht in Abwärtsrichtung genutzte Unterkanal PTCCH zwar nur die Rahmen, die in Figur 19 grau hinterlegt mit den geraden Zahlen von 0 bis 30 dargestellt sind. Auch bei den Zeitschlitzen der vier pro Vorhaltezeit-Nachricht benutzten Zeitmultiplexrahmen (bei TA message 2 also die Rahmen „8“, „10“, „12“ und „14“) handelt es sich um eine Mehrzahl von Zeitschlitzen (Merkmal 6: „mehrere Zeitschlitze …“), die zur Signalisierung in Abwärtsrichtung zu einem Signalisierungsblock für mehrere Mobilstationen zusammengefasst werden.
Jeder Funkblock zur vollständigen Übertragung der Vorhaltezeit-Nachricht über den Unterkanal PTCCH des Paketdatenkanals (PDCH) in Abwärtsrichtung besteht aus vier „Normal bursts“ (nachrichtentechnischen Signalfolgen), wie dies die TS 03.64 in Kapitel 5.4 (Anlage K A.4, Seite 13) spezifiziert:
„On PTCCH/D, four normal bursts comprising a radio block are used.“
Von diesen vier Normal bursts wird je Zeitschlitz genau ein Normal Burst übertragen (vgl. die TS 05.02, Kapitel 5.2.1, Anlage K A.5, Seite 16):
„A burst is a period of RF carrier which is modulated by a data stream. A burst therefore represents the physical content of a timeslot.”
Daraus ergibt sich, dass für die Übertragung einer Vorhaltezeit-Nachricht auf dem Unterkanal PTCCH des Paketdatenkanals (PDCH) in Abwärtsrichtung (PTCCH/D) vier Zeitschlitze benötigt werden, mithin mehrere Zeitschlitze im Sinne des Merkmals 6.

g) Merkmal 7
Danach wird der Signalisierungsblock (GACCH) zur Signalisierung von Vorhaltezeiten (TA) benutzt, die von den Mobilstationen (MS) beim Senden benutzt werden. Dies ist im GSM/GPRS-Standard der Fall. Wie die TS 03.64 (Anlage K A.4, Seite 35) in Unterabschnitt 6.5.7 (erster Absatz) vorsieht, handelt es sich bei dem Vorhaltezeit-Wert um einen Wert, den die Mobilstationen für die Übertragung von Funkblöcken in Aufwärtsrichtung benutzen:
„The timing advance procedure is used to derive the correct value for timing advance that the MS has to use for the uplink transmission of radio blocks.”

h) Merkmal 8
Auch Merkmal 8, wonach die Informationen aufeinander folgender Zeitschlitze jeweils eines Blocks zur Signalisierung (GACCH) verschachtelt werden, wird im GSM/GPRS-Standard zwingend verwirklicht. Diese Verschachtelung, wie sie bei der Erörterung der vorangehenden Merkmale bereits erkennbar wurde, sieht Kapitel 6.5.2 der TS 03.64 (Anlage K A.4, Seite 22) vor, wenn es den „Physical Link Layer“ unter anderem für Folgendes für zuständig erklärt:
„Interleaving of one Radio Block over four bursts in consecutive TDMA frames, as specified in GSM 05.03 [12].”
In deutscher Übersetzung:
„Verschachteln eines Funkblocks über vier Bursts in aufeinander folgenden TDMA-Rahmen gemäß Vorgabe in GSM 05.03 [12].“
Bei dem Paketdatenkanal (PDCH) des GSM/GPRS-Standards handelt es sich um einen „Physical Link Layer“ im Sinne des Kapitels 6.5 der TS 03.64 (Anlage K A.4, Seite 22). Dieser dient dazu, einen physikalischen Kanal zwischen den Mobilstationen und dem Netz herzustellen (vgl. Kapitel 6.5, einleitender Abschnitt, Anlage K A.4, Seite 22):
„The Physical Link Layer operates above the physical RF layer to provide a physical channel between the MS and the Network.”
Dass die Klägerin die im Zusammenhang mit der Aufgabe des „Physical Link Layer“ in der TS 03.64 zitierte TS 05.03 mit der Referenz [12] nicht vorgelegt hat, wie die Beklagte rügt, ist vor diesem Hintergrund unschädlich. Denn dass das patentgemäße Verschachteln auch für die die Vorhaltezeit-Nachricht tragenden Funkblöcke auf dem Unterkanal PTCCH/D des Paketdatenkanals (PDCH) in Abwärtsrichtung stattfindet, zeigt bereits anschaulich Figur 19 der Anlage K A.4 (Seite 37). In jedem der grauen Felder, entsprechend den Zeitmultiplexrahmen, die dem Unterkanal PTCCH/D zugeordnet sind und diesen bilden, wird ein Teil der jeweiligen Vorhaltezeit-Nachricht („TA message“) übertragen. Bezogen auf den Unterkanal PTCCH/D wird der Signalisierungsblock (d.h. die Vorhaltezeit-Nachricht) über vier aufeinander folgende Zeitschlitze hinweg verschachtelt. Auf Einzelheiten der Verschachtelung (die sich aus der in Bezug genommenen TS 05.03 ergeben mögen) kommt es für die Tatsache des Verschachtelns als solche, die für die Verwirklichung des Merkmals 8 genügt, im vorliegenden Zusammenhang nicht an.

i)
Soweit die Beklagte hinsichtlich des Merkmals 5 und der davon abhängigen Merkmale 6 und 7 darauf verweist, in dem einleitenden Hinweis zu Unterabschnitt 6.5.7 der TS 03.64 (Anlage K A.4, Seite 35) werde deutlich, dass es sich im Folgenden nicht um „normativen“, sondern lediglich „informativen“ Text handele, hat sie die zwingende Verwirklichung der Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 durch den GSM/GPRS-Standard nicht erheblich in Abrede gestellt. In dem Hinweis heißt es:
„NOTE: The text in this subclause in informative. The normative text is in GSM 04.60 [7] and GSM 05.10 [16]. Where there is a conflict between these descriptions, the normative text has precedence.”
„HINWEIS: Der Text in diesem Unterabschnitt ist informativ. Der normative Text befindet sich in GSM 04.60 [7] und GSM 05.10 [16]. Im Falle eines Konflikts zwischen diesen Beschreibungen gilt der normative Text.“
Der Standard stellt ein einheitliches Regelwerk dar. Soweit einzelne Abschnitte (wie der Unterabschnitt 6.5.7 zur Vorhaltezeit) als „informativ“ gekennzeichnet sind, stellt dies die zwingende Einhaltung der vorgegebenen Verfahrensschritte nicht in Frage. „Informative“ Abschnitte dienen dazu, zum Zwecke der besseren Verständlichkeit des Standards Sachverhalte, die in mehreren „normativen“ Passagen geregelt sind, zusammenfassend darzustellen. So bezieht sich der Unterabschnitt 6.5.7 auf den auf die TS 04.50 und die TS 05.10 verteilten „normativen“ Textstellen. Wenn bestimmte Sachverhalte sowohl in „normativen“ Textstellen geregelt als auch in „informativen“ beschrieben sind, stellt sich notwendigerweise die Frage, welche Stellen bei etwaigen Widersprüchen Vorrang genießen sollen, damit sich der Standard im Ergebnis als einheitliches Regelwerk darstellen kann. Diese Frage beantwortet der Standard dahin, dass im Konfliktfalle der „normative“ Text gelten soll. Durch den oben zitierten Hinweis soll daher lediglich deutlich gemacht werden, dass im Falle von Widersprüchen zwischen einem als „informativ“ bezeichneten Text und übrigen Standardtextteilen, dieser „normative“ Text dem „informativen“ vorgeht. Solche Widersprüche zwischen dem hier zur zusammenfassenden Erläuterung herangezogenen „informativen“ Text in Unterabschnitt 6.5.7 der TS 03.64 und den dort referenzierten „normativen“ Standardtextstellen hat die Beklagte auch mit der Duplik nicht aufgezeigt. Ohne solche Widersprüche wird die verbindliche Wirkung auch der als „informativ“ gekennzeichneten Passagen des Standards nicht in Frage gestellt.
Andere Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den vorstehend herangezogenen technischen Spezifikationen lediglich um Regelungen mit optionalem Charakter handelt, hat die Beklagte nicht dargetan. Die Regelungen müssen daher im GSM/GPRS-Standard zwingend eingehalten werden, um eine Kommunikation in diesem Standard zu ermöglichen. Da der GSM/GPRS-Standard die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 1 zwingend benutzt, macht auch ein Mobiltelefon, das wie die angegriffenen Ausführungsformen unstreitig nach diesem Standard betrieben werden kann, im Betrieb zwingend von dem geschützten Verfahren zur Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen einer Mobil- und einer Basisstation eines Zeitmultiplex-Mobilfunksystems für eine Paketdatenübertragung Gebrauch.

2.
Die Verwendungsbestimmung der Abnehmer der Beklagten betreffend die angegriffenen Mobiltelefone sowie das Wissen der Beklagten um diese Verwendungsbestimmung (§ 10 Abs. 1 PatG) sind ebenfalls zu bejahen. Da der GSM/GPRS-Standard – wie unter 1. ausgeführt – zwingend von dem geschützten Verfahren Gebrauch macht und eine Verwendung der Mobiltelefone in diesem Standard (entsprechend ihrer in Anlage K A.7 zum Parallelverfahren 4a O 113/06 angegebenen Spezifikation) bei ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu erwarten ist, erscheint es hinreichend sicher, dass die Abnehmer die angebotenen Mobiltelefone nach ihrem Erwerb für die Durchführung des geschützten Verfahrens verwenden werden. Die Kenntnis der Beklagten von dieser Verwendungsbestimmung ergibt sich daraus, dass die angegriffenen Mobiltelefone mit ihrer dahingehenden Eignung (vgl. Anlage K A.7: „Specifications: Network: GSM 900/1800/1900, GPRS Class 10“) ausdrücklich beworben werden.

3.
Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Mittel, die sich im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG auf ein wesentlichen Element der Erfindung beziehen. Die Beklagte stellt dies zu Unrecht in Abrede, wenn sie meint, die Mobiltelefone wirkten bei der Ausführung des Erfindungsgedankens nicht mit, dieser werde vielmehr allein von der Basisstation verwirklicht. Mit dieser Annahme verkennt die Beklagte sowohl die Voraussetzungen, unter denen sich ein Mittel auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, als auch das Wesen der Erfindung.
Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Flügelradzähler (GRUR 2004, 758, 761; fortgesetzt in der Entscheidung Antriebsscheibenaufzug, GRUR 2005, 848) ausgeführt hat, handelt es sich bei Mitteln, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, um solche, die geeignet sind, mit einem solchen Element bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Denn aus dieser Eignung ergebe sich die von der Ausgestaltung des Mittels selbst unabhängige besondere Gefahr, mit der Lieferung des Mittels zu einem Eingriff in den Schutzgegenstand des Patentrechts beizutragen und diesen zu fördern. Das Kriterium der Eignung des Mittels, mit einem wesentlichen Element der Erfindung bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken, schließe solche Mittel aus, die, wie etwa die für den Betrieb einer geschützten Vorrichtung benötigte Energie, zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet werden können, zur Verwirklichung der technischen Lehre der Erfindung jedoch nichts beitragen. Leistet ein Mittel hingegen einen solchen Beitrag, wird es im Allgemeinen nicht darauf ankommen, mit welchem Merkmal oder welchen Merkmalen des Patentanspruchs das Mittel zusammenwirkt. Denn was Bestandteil des Patentanspruchs ist, ist regelmäßig bereits deshalb auch wesentliches Element der Erfindung. Der Patentanspruch definiert die geschützte Erfindung und begrenzt den dem Patentinhaber zu Gute kommenden Schutz auf Benutzungsformen, die sämtliche Merkmale der Erfindung verwirklichen. Spiegelbildlich zu dieser schutzbegrenzenden Funktion jedes einzelnen Merkmals ist jedes einzelne Merkmal grundsätzlich auch tauglicher Anknüpfungspunkt für ein Verbot der Lieferung von Mitteln im Sinne des § 10 PatG. Insbesondere ist es nicht möglich, die wesentlichen Elemente der Erfindung danach zu bestimmen, ob sie den Gegenstand des Patentanspruches vom Stand der Technik unterscheiden, ob es sich also um Merkmale des „Oberbegriffs“ oder um „kennzeichnende Merkmale“ handelt. Denn nicht selten sind sämtliche Merkmale eines Patentanspruches als solche im Stand der Technik bekannt und machen erst in ihrer Kombination die Erfindung aus. Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 27. Februar 2007 (Az. X ZR 113/04 – Rohrschweißverfahren) bekräftigt hat, bezieht sich im Falle eines Verfahrensanspruchs eine im Patentanspruch genannte Vorrichtung, die zur Ausführung des Verfahrens verwendet wird, regelmäßig auf ein wesentliches Element der Erfindung im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG. Nur solche Mittel, die zur Verwirklichung der Lehre der Erfindung keinerlei Beitrag leisten, dienen nicht der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens.
Legt man dies zugrunde, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die angegriffenen Mobiltelefone dazu beitragen, den geschützten Erfindungsgedanken zu verwirklichen, denn nur unter ihrer Mitwirkung kann das Verfahren nach Patentanspruch 1 überhaupt durchgeführt werden. Die Mobiltelefone stellen Mobilstationen im Sinne des Klagepatents dar. Die nach dem Klagepatent zu konfigurierende Funkschnittstelle ist eine solche zwischen einer Mobilstation (wie etwa einem Mobiltelefon) und einer Basisstation. Merkmal 4 fordert die Paketdatenübertragung mehrerer Mobilstationen über den Kanal GPRS-K, so dass auch diese Übertragung patentgemäß von der Mobilstation ausgehen muss. Schließlich erfordert auch die Zusammenfassung mehrerer Zeitschlitze zur Signalisierung in Abwärtsrichtung zu einem Signalisierungsblock (Merkmal 6) für mehrere Mobilstationen zwingend die Mitwirkung der einzelnen Mobilstation von mehreren Mobilstationen. Die gemäß Merkmal 7 erfolgende Benutzung des Signalisierungsblocks zur Signalisierung der Vorhaltezeit, die die Mobilstation beim Senden verwendet, setzt die Mobilstationen ebenfalls als Kommunikationspartner der Basisstation unabdingbar voraus. Damit erfolgen mehrere Abläufe, die für das patentgemäße Verfahren wesentlich sind, in der Mobilstation und wären ohne sie nicht denkbar.
Die Differenzierung der Beklagten zwischen den sich aus dem Stand der Technik ergebenden Merkmalen 1 bis 5 und den (kennzeichnenden) Merkmalen 6 bis 8 hat auf der Grundlage der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Relevanz. Unabhängig davon ist es nach dem vorstehend Ausgeführten unzutreffend, dass die Paketdatenübertragung im Sinne des Merkmals 4 allein von der Basisstation und ohne Mitwirkung der Mobilstationen veranlasst würde. Gleiches gilt für die Merkmale 6 und 7, für deren Verwirklichung es zwingend der Mitwirkung der Mobilstation bedarf.
Maßgeblich für den Schutzumfang eines Patents ist der Inhalt der Patentansprüche (§ 14 PatG, Art. 69 EPÜ). Danach finden die Mobilstationen (z.B. Mobiltelefone) nahezu in jedem einzelnen Merkmal Erwähnung. Schon aus diesem Grund kann nicht nachvollzogen werden, weshalb Gegenstand der Erfindung lediglich das Basisstationssystem sein sollte. Das erfindungsgemäße Verfahren dient gerade der Konfigurierung einer Funkschnittstelle zwischen einer Mobilstation und einer Basisstation, findet mithin Anwendung in der Datenübertragung zwischen Basis- und Mobilstation. Denn im Kern wird eine konfigurierte Nachricht an die Mobilstation gesandt, die wiederum die konfigurierte Nachricht entschlüsselt, verarbeitet und beim Senden von Daten berücksichtigt. Das unmittelbare Zusammenwirken von Mobil- und Basisstation wird insbesondere deutlich in der Beschreibung des Klagepatents in Abschnitt [0014], wenn es dort heißt (Anlage K B.1, Seite 3 Zeilen 21-24):
„Gemäß der Erfindung ist ein geschlossener Regelkreis für die Vorhaltzeit erreichbar, da Mobilstationen in Aufwärtsrichtung Zeitschlitze zur Signalisierung zugewiesen sind und in Abwärtsrichtung Signalisierungsblöcke für die Mobilstationen mit kurzer Verzögerungszeit eintreffen. An diesem Regelkreis sind vorteilhafterweise nur die Mobilstation und die Basisstation beteiligt“.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist daher nicht allein die Basisstation für die Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents maßgeblich, sondern in gleicher Weise auch die Mobilstation, mithin die angegriffenen Mobiltelefone. Nicht zu folgen ist der Beklagten schließlich darin, der Schutzzweck des § 10 PatG erfasse nicht solche Mittel, deren technische Beschaffenheit dem Patent nicht angepasst wurde. Die Beklagte meint, die Wirkung eines Patents dürfe nicht dazu führen, dass ein Gegenstand, der vor der Patentanmeldung frei angeboten, geliefert und benutzt werden durfte, nach diesem Zeitpunkt eine Patentverletzung begründet, ohne dass er selbst irgendwelchen Veränderungen unterworfen worden sei. Mit diesem Verständnis verkennt die Beklagte zum einen die Reichweite des § 10 PatG, nach dessen eindeutigem Wortlaut es ausreicht, wenn es sich um Mittel handelt, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung in dem oben wiedergegebenen Sinne beziehen. Auf eine Veränderung des Mittels, das vor Beginn des Patentschutzes ungehindert verwendet werden konnte, kommt es in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht an. Im Übrigen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Mobilfunkgeräte in der angegriffenen Ausgestaltung auch schon vor Priorität des Klagepatents benutzt worden wären.

VI.
Die Verbietungsrechte der Klägerin gegenüber der Beklagten sind weder erschöpft noch kann sich die Beklagte mit Erfolg darauf berufen, in den angebotenen Mobiltelefonen seien solche GSM-Module verbaut gewesen, die von einer Lizenz der Klägerin gegenüber dem Hersteller der Module (J, Frankreich) gedeckt gewesen seien.
Im Ausgangspunkt zutreffend verweist die Beklagte darauf, dass mittelbarer Patentverletzer nur derjenige ist, der – ohne gegenüber dem Patentinhaber berechtigt zu sein – anderen, nicht zur Benutzung der geschützten Erfindung berechtigten Personen Mittel zur Benutzung der Erfindung anbietet oder liefert. Wer hingegen aufgrund eines gegenüber dem Patentinhaber wirksamen Rechts zur Benutzung der geschützten Erfindung seinerseits berechtigt ist, darf ohne Zustimmung des Patentinhabers die in § 10 PatG bezeichneten Handlungen vornehmen. Mit anderen Worten: mittelbarer Patentverletzer ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 10 PatG nicht, wer mit Erlaubnis des Patentinhabers anderen Personen, denen der Patentinhaber die Benutzung der Erfindung noch nicht gestattet hat, Mittel zur Benutzung der Erfindung anbietet oder liefert und damit mittelbar die Benutzungserlaubnis des Patentinhabers vermittelt (vgl. Benkard, a.a.O., § 10 PatG Rn. 10).
Die Beklagte meint, bei den angegriffenen Mobiltelefonen handele es sich um lizenzierte Produkte, weil sie die in ihnen eingebauten GSM/GPRS-Module von einem Lizenznehmer der Klägerin, dem Hersteller J, beziehe, so dass bei Einbau dieser Module in Mobiltelefone eine Patentverletzung durch Angebot und Vertrieb solcher Mobiltelefone ausgeschlossen sei. Die Klägerin bestreitet demgegenüber zum einen, dass in den von der Beklagten auf der CeBIT 2006 in Hannover angebotenen Mobiltelefonen GSM/GPRS-Module von J enthalten gewesen seien, zum anderen stellt sie in Abrede, dass die Beklagte aufgrund einer Lizenzvereinbarung der Klägerin mit J berechtigt sei, Mobiltelefone mit J-Modulen herzustellen sowie (was für eine mittelbare Patentverletzung allein relevant ist) anzubieten und zu vertreiben.
Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass in den ausgestellten Mobiltelefonen J-Module enthalten waren (so dass ihrem Zeugenbeweisantritt für diese Tatsache nicht nachzugehen war), weil die Beklagte jedenfalls nicht substantiiert hat, dass aus diesem Umstand auch eine Berechtigung zu Angebot und Vertrieb der Mobiltelefone resultiert. So begegnet es zunächst bereits Bedenken, aus einer etwaigen isolierten „Erschöpfung“ der Verbietungsrechte hinsichtlich der GSM-Module auch auf eine „Erschöpfung“ hinsichtlich der gesamten Mobiltelefone zu schließen. Wie oben im Zusammenhang mit V.3. der Entscheidungsgründe bereits ausgeführt wurde, stellen die angegriffenen Mobiltelefone als Mobilstationen nach der technischen Lehre des Klagepatents Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG dar, die sich auf ein wesentliches Element der geschützten Erfindung beziehen. Wenn die Beklagte vorträgt, sämtliche Funktionen eines Mobiltelefons, die in Beziehung zum GSM/GPRS-Standard und damit zum geschützten Verfahren des Klagepatents stehen, würden in den GSM/GPRS-Modulen gebildet, mag es als zutreffend unterstellt werden, dass die Daten allein über das GSM/GPRS-Modul verschlüsselt und in eine versendungsfähige Form gebracht werden können. Gleichwohl kann der erfindungsgemäße Erfolg ohne den Versand, den Empfang und eine sinnvolle Verarbeitung dieser Daten durch die weiteren Bestandteile der Mobilstation nicht erzielt werden. Um einen Empfang und einen Versand der Datenpakete zu gewährleisten, sind über das GSM-Modul hinaus zumindest die Antenne und der sie steuernde Chip notwendige Bestandteile der Mobilstation im Sinne der Erfindung. Denn erst die Antenne versendet und empfängt die Datenpakete von der Mobilstation, die von dem GSM/GPRS-Modul verarbeitet und umgewandelt werden. Auch dieser Empfang und die Weiterleitung der Datenpakete von und zu der Basisstation dienen der Umsetzung der geschützten Erfindung, da ohne dies keine Weiterleitung und Übertragung von Datenpaketen von Mobilstationen zu Basisstationen in im Zeitlagenmultiplexverfahren betriebenen Mobilfunksystemen erfolgen könnte. Da es sich mithin bei den Mobiltelefonen in ihrer Gesamtheit um Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG handelt, bestehen bereits Bedenken dagegen, auf eine isolierte „Erschöpfung“ im Hinblick auf die eingebauten GSM/GPRS-Module abzustellen.
Darüber hinaus hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, dass sich die von ihr behauptete Lizenz, die die Klägerin der Herstellerin J für Herstellung und Vertrieb von GSM-Modulen erteilt habe, auch auf (die Herstellung bzw.) das Angebot und den Vertrieb unter Verwendung dieser Module hergestellter Mobiltelefone erstreckt. Um dies zu beurteilen, wäre (wenn schon nicht dessen Vorlage so doch) zumindest ein substantiierter Vortrag der Beklagten zum Inhalt des behaupteten Lizenzvertrags erforderlich gewesen, um die Reichweite der Benutzungserlaubnis überprüfen zu können. Die von der Beklagten insoweit vorgelegten Unterlagen nach Anlage B2, B3 und B4 geben über die maßgeblichen Fragen keinen hinreichenden Aufschluss. Das Schreiben eines Herrn K vom 03. Mai 2006 (Anlage B2) bestätigt lediglich, dass im Schreiben selbst nicht näher genannte Patente von einem Lizenzvertrag zwischen J und der Klägerin abgedeckt seien. Selbst wenn man zugrundelegt, dass mit „these patents“ (Anlage B2) die in der Anfrage der Beklagten vom 20. April 2006 (Anlage B4) genannten vier Patente gemeint waren, deren Verletzung die Klägerin mit ihrer vorliegenden Klage geltend gemacht hat, trifft die Auskunft der Herstellerin J keine Aussage über Inhalt und Reichweite der behaupteten Lizenzierung durch die Klägerin. Gleiches gilt für die als Anlage B3 (auch in Übersetzung) vorgelegte Mitteilung von J, nach der der Kaufpreis bestimmter Module bereits alle Materialgüterrechte in Bezug auf den GSM-Standard enthalte, für die J über Lizenzen verfügt. Welche Reichweite etwa erteilte Lizenzen haben, konkret: ob sie auch (die Herstellung und) den Vertrieb von Mobiltelefonen durch Abnehmer der GSM-Module umfassen, lässt sich all dem nicht entnehmen. Unter den gegebenen Umständen konnte und durfte sich die Klägerin daher darauf zurückziehen, eine Berechtigung der Beklagten zur Vornahme der angegriffenen Angebotshandlungen zu bestreiten, wie sie dies in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich erklärt hat.
Im diesem Zusammenhang weist die Beklagte des Weiteren darauf hin, ein Angebot an und eine Belieferung der Mobilfunknetzbetreiber seien zulässig, weil diese bereits eine Lizenz zur Benutzung des Klagepatents besitzen würden. Es fehle daher zum einen an einem schlüssigen Vortrag der Klägerin dazu, dass die angegriffenen Mobiltelefone an nichtberechtigte Personen geliefert werden sollten; zum anderen führe die beantragte Unterlassung unzulässigerweise dazu, dass auch eine Belieferung berechtigter Personen ausgeschlossen würde.
Darin ist der Beklagten bereits in ihrer Prämisse nicht zu folgen, dass das Klagepatent in erster Linie die Basisstationen betreffe, so dass die Mobilfunknetzbetreiber als Betreiber der Basisstationen eine Berechtigung zur Benutzung des Klagepatents erworben haben müssten. Auf die Ausführungen unter V.3. der Entscheidungsgründe wird zur Vermeidung von Wiederholungen an dieser Stelle verwiesen. Bei Basisstationen im Sinne des Klagepatents handelt es sich in gleicher Weise um einen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine Lizenzierung wie bei Mobilstationen. Eine Lizenz zur Benutzung der Mobilstationen ist mit einer Lizenz zur Benutzung der Basisstationen daher nicht zwingend verbunden. Unabhängig davon hat die Beklagte die angegriffenen Mobiltelefone auch nicht mit einer Beschränkung auf Netzbetreiber als potentielle Abnehmer beworben, eine derartige Beschränkung hat die Beklagte nicht dargetan. Ihre Angebotshandlung richtete sich zugleich an alle anderen (auch nach Auffassung der Beklagten über die Lizenzierung der Basisstationen nicht zu einer Benutzung des Klagepatents berechtigten) potentiellen Abnehmer.

VII.
Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr hat die Beklagte nicht erheblich in Abrede gestellt. Wie im Zusammenhang mit der internationalen und örtlichen Zuständigkeit unter I. der Entscheidungsgründe bereits ausgeführt, bezog sich der Messeauftritt nicht lediglich auf die Darstellung der allgemeinen Leistungsfähigkeit der Beklagten, sondern stellt ein (in personeller Hinsicht nicht auf bestimmte potentielle Abnehmer aus bestimmten Ländern) beschränktes Anbieten dar. Dem Tatbestand des Anbietens unterfällt nicht nur ein Angebot im Sinne des § 145 BGB. Umfasst sind vielmehr auch andere Handlungen, die das Zustandekommen eines Geschäfts über einen das Klagepatent unmittelbar oder mittelbar verletzenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen (vgl. Benkard, a.a.O, § 10 PatG Rn. 12 i.V.m. § 9 PatG Rn. 41). Durch das Ausstellen auf der internationalen Messe CeBIT in Hannover hat die Beklagte auch gegenüber potentiellen Abnehmern aus Deutschland erkennbar gemacht, dass eine Veräußerung an sie beabsichtigt ist. Irgendwelche Beschränkungen auf die nach dem Vortrag der Beklagten zunächst ins Auge gefassten Abnehmerländer Indien, Russland und Brasilien sind dem Messeauftritt nicht zu entnehmen; objektive, aus der Art des Messeauftritts erkennbare Anhaltspunkte dafür hat die Beklagte selbst nicht dargetan.

VIII.
Die Klägerin ist schließlich nicht wegen schuldhafter Vorenthaltung des Klagepatents gegenüber der Standardisierungsorganisation an der Durchsetzung ihrer Verbietungsrechte aus § 139 Abs. 1 PatG durch § 242 BGB gehindert. Die Beklagte erhebt den Vorwurf, die Klägerin habe das Klagepatent erst am 22. Februar 2001 und damit nach Abschluss des Standardisierungsverfahrens dem AI als Essential Patent gemeldet. Sie meint, die Klägerin habe damit eine rechtzeitige Offenlegung gegenüber der Standardisierungsorganisation versäumt und durch dieses Versäumnis ihre Offenbarungspflichten nach Art. 4 der AI IPR Policy verletzt, um sich durch die Eigenschaft des Klagepatents als Essential Patent in eine marktbeherrschende Stellung zu bringen.
Der Vortrag der Beklagten zum behaupteten Rechtsmissbrauch durch die Klägerin vermag einen Ausschluss der Geltendmachung der Verbietungsrechte aus dem Klagepatent nicht zu stützen. Die Beklagte lässt jeglichen substantiierten Vortrag dazu vermissen, in welcher Weise eine (unterstellte) Pflichtverletzung der Klägerin im Rahmen des Standardisierungsprozesses für die Entstehung des GSM/GPRS-Standards in der Form, in der er verabschiedet wurde, kausal gewesen sein sollte. Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin bei frühzeitiger Mitteilung der möglichen Relevanz des Klagepatents für das standardgemäße Verfahren nicht zu einer Erteilung von Lizenzen zu fairen, vernünftigen und nicht diskriminierenden (FRAND-) Bedingungen bereit gewesen wäre (vgl. Art. 6 der AI IPR Policy), wäre seitens der Beklagten darzulegen gewesen, dass im Standardisierungsverfahren keine zum Klagepatent alternative Technologie zur Verfügung gestanden hätte (vgl. Art. 8 der AI IPR Policy). An alledem fehlt es, so dass es auch im vorliegenden Verfahren nicht auf die Frage ankommt, ob die Klägerin im Standardisierungsverfahren überhaupt einer Offenbarungspflicht unterlag, die zugunsten von Dritten wie der Beklagten (und nicht nur im Verhältnis der Klägerin gegenüber der Standardisierungsorganisation) bestand.

IX.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 11; 709 Satz 1 und 2; 711 Satz 1 und 2; 108 ZPO.
Dem hilfsweise gestellten Vollstreckungsschutzantrag der Klägerin nach § 712 ZPO war nicht nachzukommen. Die Klägerin hat weder zu den tatsächlichen Voraussetzungen vorgetragen, weshalb ihr die Vollstreckung wegen der (anteilig von ihr zu tragenden) Kosten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen sollte, noch diese Voraussetzungen – wie von § 714 Abs. 2 ZPO verlangt – glaubhaft gemacht.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
– Ursprünglich: 250.000,- €,
– seit dem 27. Juni 2006 auf 225.000,- €.