4a O 524/05 – Dampfdurchlässiger Folienanschluss für Dachfenster

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 667

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. Januar 2007, Az. 4a O 524/05

I.
Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist,

zu unterlassen

im deutschen territorialen Geltungsbereich des europäischen Patents 0 994 xxx Anschlusskragen zum dichtenden Anschluss einer das Dach durchdringenden Blendrahmens eines Oberlichtfensters an eine äußere wetterschützende Membran in einer Unterdachkonstruktion, umfassend untereinander verbundene Anschlusselemente aus flexiblen, im wesentlichen nicht-elastischen Materialbahnen, die jeweils mit einem inneren Kantenflansch zum Befestigen an einer Seitenfläche des Blendrahmens und einer äußeren Seitenkante in Anlage an erwähnte Unterdachmembran versehen sind,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen seitliche Anschlusselemente, die zum Anbringen quer zu Latten in der Dachkonstruktion vorgesehen sind, einen Materialüberschuss in Richtung parallel mit erwähnter äußerer Seitenkante aufweisen und der erwähnte Materialüberschuss fünfzig bis hundertfünfzig Prozent beträgt.

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter 1. bezeichneten Handlungen seit dem 30.11.2002 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhen, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten den unter 1. bezeichneten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden;

3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziff. I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter I. 1. bezeichneten und seit dem 30.11.2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,– Euro vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin, ein in Dänemark ansässiges Unternehmen, nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 994 xxx (Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz in Anspruch. Sie ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das unter Inanspruchnahme einer dänischen Priorität vom 8.7.1997 am 8.7.1998 angemeldet und dessen Erteilung am 30.10.2002 veröffentlicht wurde.

Die von der Klägerin in Kombination geltend gemachten Patentansprüche 1 und 2 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, lauten in der veröffentlichen deutschen Übersetzung wie folgt:

„1. Anschlusskragen zum dichtenden Anschluss einer das Dach durchdringenden Baukonstruktion in einem Dach, insbesondere einem Blendrahmen (1) eines Oberlichtfensters, an eine äußere wetterschützende Membran (7) in einer Unterdachkonstruktion, umfassend untereinander verbundene Anschlusselemente (11 – 14) aus flexiblen, im wesentlichen nicht-elastischen Materialbahnen, die jeweils mit einem inneren Kantenflansch (16) zum Befestigen an eine Seitenfläche der dachdurchdringenden Baukonstruktion und einer äußeren Seitenkante (20) in Anlage an erwähnte Unterdachmembran (7) versehen sind, dadurch g e k e n n z e i c h n e t, dass seitliche Anschlusselemente (12, 14), die zum Anbringen quer zu Latten (9) in der Dachkonstruktion vorgesehen sind, einen Materialüberschuss in Richtung parallel mit erwähnter äußerer Seitenkante (20) aufweisen.

2. Anschlusskragen nach Anspruch 1, dadurch g e k e n n – z e i c h n e t, dass erwähnter Materialüberschuss 50 – 150 %, vorzugsweise 100 %, beträgt.“

Wegen des Wortlautes der von der Klägerin „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 3 und 4 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen. Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift und zeigen in Figur 1 eine Perspektivansicht eines Teils einer Schrägdachkonstruktion mit einem dachdurchdringenden Bauteil in Form eines Blendrahmens für ein Oberlichtfester, in den Figuren 2 und 3 die in Figur 1 gezeigte Dachkonstruktion während und nach Einbau eines erfindungsgemäßen Anschlusskragens und in Figur 4 einen Profilabschnitt der Seitenteile des Anschlusskragens, in Richtung des Pfeils IV in Figur 2 gesehen.

Die Beklagte zu 1) hat am 17.11.2006 Klage auf Nichtigerklärung des Klagepatents beim Bundespatentgericht eingereicht.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, ist die deutsche Vertriebs- und Tochtergesellschaft der Weltweit tätigen F-Gruppe, deren Muttergesellschaft ihren Sitz in Polen hat. Letztere stellt in Polen Dachfenster und entsprechendes Zubehör her und vertreibt diese in Deutschland über die Beklagte zu 1). Nachfolgend wird eine von der Klägerin als Anlage K 9 vorgelegte Ablichtung des von dieser als patentverletzend angegriffenen Anschlusskragens wiedergegeben, der auf der Website der Beklagten zu 1) unter der Bezeichnung „Dampfdurchlässiger Folienanschluss XYZ“ beworben wird. Die Bezugszeichen sind von der Klägerin hinzugefügt worden.

Die Klägerin hat ein Muster der angegriffenen Ausführungsform zur Akte gereicht.

Sie ist der Ansicht, dass die Beklagten durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent verletzen und beantragen,

wie zuerkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Sie machen geltend, dass sich das Klagepatent in dem anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Sein Gegenstand werde vor allem durch das vorveröffentlichte deutsche Gebrauchsmuster 86 02 797 neuheitsschädlich vorweggenommen. Sie nehmen im Übrigen auf den als Anlage vorgelegten Entwurf ihre Nichtigkeitsklage Bezug, den sie – unstreitig – inhaltsgleich als Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht eingelegt hätten.

Figuren 3 und 4 des von den Beklagten entgegengehaltenen Gebrauchsmusters werden nachfolgend wiedergegeben:

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsbegehren der Beklagten entgegen, weil die von der Beklagten zu 1) erhobene Nichtigkeitsklage ohne Erfolgsaussichten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht wegen Verletzung der in den Patentansprüchen 1 und 2 unter Schutz gestellten Lehre gegen die Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz zu, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 9 S. 1 und 2 Nr. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140a und b PatG, §§ 242, 259 BGB. Die Aussetzung der Verhandlung im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) gegen das Klagepatent ist nicht veranlasst, § 148 ZPO.

I.

Das Klagepatent betrifft

1. einen Anschlusskragen zum dichtenden Anschluss

1.1 einer das Dach durchdringenden Baukonstruktion in einem Dach, insbesondere eines Blendrahmens (1) eines Oberlichtfensters

1.2 an eine äußere wetterschützende Membran (7) in einer Unterdachkonstruktion.

2. Der Anschlusskragen umfasst untereinander verbundene Anschlusselemente (11- 14) bestehend aus Materialbahnen, die

1.1 flexibel und

1.2 im Wesentlichen nicht-elastisch sind.

3. Die Materialbahnen sind jeweils versehen mit

3.1 einem inneren (unstreitig nicht aus der englischen Verfahrenssprache zu übersetzen als: „innwendigen“) Kantenflansch (16) zum Befestigen an eine Seitenfläche der dachdurchdringenden Baukonstruktion und

3.2 einer äußeren Seitenkante (20) in Anlage an die Unterdachmembran (7).

Derartige Anschlusskragen stellen nach den Ausführungen in der Beschreibung des Klagepatents eine wasserdichte Verbindung zwischen der dachdurchdringenden Baukonstruktion und der äußeren Membran in einer Unterdachkonstruktion her. Sie sind beispielsweise aus der DE-A-34 42 276 und der WO 94/08108 bekannt. Bei der aus der letztgenannten Druckschrift bekannten Ausführungsform ist – so wird weiter mitgeteilt – der Anschlusskragen zum Anbringen in Verbindung mit einer Unterdachmembran aus Kunststofffolie vorgesehen und aus demselben Material hergestellt.

Die Montage derartiger Anschlusskragen in bestehende Dachkonstruktionen setzt üblicherweise voraus, dass ein der Ausdehnung des Kragens in Ebene der Dachneigung entsprechender Teil des Lattenaufbaus, der die äußere Dacheindeckung (etwa Dachziegel) trägt, unter der Montage entfernt und erst dann zurückgesetzt wird, wenn der Anschlusskragen in Verbindung mit der dachdurchdringenden Baukonstruktion und der äußeren Unterdachmembran platziert worden ist. Dies erschwert die Montage erheblich und verursacht entsprechende Kosten.

Dem Klagepatent liegt entsprechend das Problem („die Aufgabe“) zugrunde, einen Anschlusskragen aufzuzeigen, der montiert werden kann, ohne dass die rund um die dachdurchdringende Baukonstruktion angeordneten Latten beseitigt werden müssen.

Das soll nach Patentanspruch 1 – in Kombination mit den vorgenannten Merkmalen – durch folgendes weiteres Merkmal erreicht werden:

4. Die seitlichen Anschlusselemente (12, 14), die zum Anbringen quer zu Latten (9) in der Dachkonstruktion vorgesehen sind, weisen einen Materialüberschuss in Richtung parallel mit erwähnter äußerer Seitenkante (20) auf.

Patentanspruch 2 sieht einen Anschlusskragen nach Maßgabe des Patentanspruchs 1 in Kombination mit folgendem weiteren Merkmal vor:

5. Der erwähnte Materialüberschuss beträgt 50 – 150 %, vorzugsweise 100 %.

In der Beschreibung wird zu den Vorteilen einer solchen Ausgestaltung ausgeführt, dass infolge des Merkmals, wonach die zum Anbringen quer zu den Latten vorgesehenen Materialbahnen eine passenden Materialüberschuss aufweisen, der typisch 50 – 150 %, vorzugsweise ca. 100 % betrage, der Anschlusskragen so platziert werden könne, dass er sich über die Latten hinaus erstrecke.

II.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale der kombinierten Patentansprüche 1 und 2 wortsinngemäß. Das ist zwischen den Parteien – zu Recht – außer Streit, so dass es insoweit keiner weiteren Erläuterungen bedarf.

III.

Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

a) Da die Beklagten den Gegenstand des Klageschutzrechts rechtswidrig benutzt haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG.

b) Außerdem kann die Klägerin von den Beklagten nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG Schadensersatz verlangen. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagten zu 1) die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB, wobei sich die Haftung des Beklagten zu 2) aus seiner Verantwortlichkeit als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ergibt und sich diese das Verhalten ihres Geschäftsführer zurechnen lassen muss, § 31 BGB analog. Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

c) Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über welche sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

d) Gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b PatG haben die Beklagten über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschriften geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I.2. mit den Angaben zusammengefasst, welche zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.

e) Aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a PatG erwächst die verschuldensunabhängige Verpflichtung der Beklagten zur Vernichtung ihres patentverletzenden Produktes.

IV.

Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung im Hinblick auf die von den Beklagten als Anlagen B 2 und B 3 vorgelegte Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) besteht kein hinreichender Anlass.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Aus dem Vorbringen der Beklagten zu 1) in der von ihr erhobenen Nichtigkeitsklage ergibt sich nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Gegenstand der kombinierten Patentansprüche 1 und 2 wegen fehlender Neuheit für nichtig erklärt werden wird.

Das von der Beklagten als neuheitsschädlich entgegengehaltene prioritätsältere Gebrauchsmuster 86 02 797 offenbart dem Durchschnittsfachmann, bei dem es sich um einen Bauingenieur (FH) oder Dachdeckermeister handelt, der sich mit der Entwicklung von Elementen und Systemen zur Dacheindeckung befasst, neben einer Schornsteineinfassung, verstanden als die Verbindung zwischen einer Dachhaut und einem Schornstein, auch die Einfassung anderer das Dach durchbrechender Baukörper wie Dachfenster, Veluxfenster und dergleichen (Anlage NK 1, S. 9 f.; 29 unten; vgl. auch Schutzanspruch 1 „Schornstein- oder Baukörpereinfassung“). Die Merkmale 1 und 1.1 der Lehre aus den kombinierten Patentanspruch 1 und 2 sind damit offenbart.

Zur Verbindung der Einfassung (des Anschlusskragens) mit der Dachhaut entnimmt der Durchschnittsfachmann der Entgegenhaltung, dass die Einfassung, wenn sie aus Walzbleistreifen gebildet wird, „an, in, unter oder auf der Dachhaut auf-, an- oder eingearbeitet“ werden kann (Anlage NK 1, S. 21, Abs. 2). Für ihn ist damit offensichtlich, dass er den Anschluss der Schornstein- oder Baukörpereinfassung an die Dachhaut frei wählen kann, so dass er aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres auch die Möglichkeit in Betracht ziehen wird, die Einfassung unter der äußeren Dachhaut (etwa Dachziegel) mit einer äußeren wetterschützenden Membran in einer Unterdachkonstruktion zu verbinden. Merkmal 1.2 der geltend gemachten Lehre des Klagepatents ist damit auch offenbart.

Die in dem Gebrauchsmuster beschriebene Einfassung umfasst zudem untereinander verbundene Anschlusselemente aus flexiblen, im Wesentlichen nicht-elastischen Materialbahnen, wie in Merkmalsgruppe 2 vorgesehen (vgl. Anlage NK 1, für Metallblech: S. 15 letzter Abs.; S. 38 Abs. 2; für Kunststoff: S. 16 letzter Abs.; für metallgewebearmierten Kunststoff: S. 18 letzter Abs. bis S. 19, Abs. 1; für Walzblei: S. 21; S. 27 letzter Abs. bis S. 28 Abs. 1 und S. 38 Abs. 2).

Die Materialbahnen sind schließlich jeweils mit einem inneren Kantenflansch zum Befestigen an einer Seitenfläche der dachdurchdringenden Baukonstruktion und einer äußeren Seitenkante in Anlage an die Unterdachmembran versehen. Der innere Kantenflansch ist etwa in Figur 4 des Gebrauchsmusters gezeigt. Für den Fachmann ist überdies aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres einsichtig, dass, wenn er die Einfassung (den Anschlusskragen) an die äußere wetterschützende Membran in der Unterdachkonstruktion anschließt, die Materialbahnen eine äußere Seitenkante in Anlage an die Unterdachmembran aufweisen müssen.

Dem Fachmann wird allerdings nicht offenbart, dass die seitlichen Anschlusselemente, die zum Anbringen quer zu Latten in der Dachkonstruktion vorgesehen sind, einen Materialüberschuss in Richtung parallel zur äußeren Seitenkante aufweisen. Nach der Lehre des Klagepatents soll es durch dieses Merkmal ermöglicht werden, den Anschlusskragen derart zu anzuordnen, dass er sich über die Latten hinaus erstreckt, aber fortwährend mit der äußeren Unterdachmembran einen solchen Kontakt hat, dass eine dicht schließende Verbindung hergestellt wird (Anlage K 2, S. 2, Abs. 3; S. 4 Übergang zu Seite 5), so wie dies in Figur 3 des Klagepatents beispielhaft gezeigt wird. Durch einen solchen Materialüberschuss wird vermieden, dass vor der Anordnung des Anschlusskragens erst die benachbarten Dachlatten im Verbindungsbereich mühsam entfernt werden müssen, damit der Anschlusskragen auf der Unterdachmembran zur Herstellung einer dichten Verbindung montiert werden kann (vgl. Anlage K 2, S. 1, letzter Abs.).

In dem entgegengehaltenen Gebrauchsmuster wird dieses Problem nicht angesprochen. Entsprechend fehlt in den Ansprüchen und der Beschreibung der Druckschrift ein Hinweis auf die in Merkmal 4 zur Lösung dieses Problems vorgesehene Ausgestaltung. Die Beklagten haben in diesem Zusammenhang auf die Figuren 3, 4 und 11 verwiesen, denen sie die Offenbarung des Merkmals 4 entnehmen wollen. Aber diese Figuren enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, die seitlichen Anschlusselemente mit einem Materialüberschuss in Richtung parallel zur äußeren Seitenkante zu versehen, so dass die Anschlusselemente über die Dachlatten dichtend mit der Unterdachmembran verbunden werden können. Allein der Umstand, dass die in Figuren 3 und 4 der Entgegenhaltung offengelegte Materialbahn über eine Faltung verfügt und die in Figur 11 gezeigte Materialbahn einen plissierten Abschnitt aufweist, hilft den Beklagten nicht weiter. Denn es ist nicht ersichtlich, dass mit dem damit verbundenen Materialüberschuss eine dichtende Verbindung mit der Unterdachmembran über die benachbarten Latten hinweg hergestellt werden kann.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten zudem auf die Beschreibung des genannten Gebrauchsmusters verwiesen, wo ausgeführt wird, dass die Oberfläche in der Kehlschalung um einen Schornstein herum infolge der Dachlatten und dergleichen bekanntlich sehr stark zergliedert sei und mehr Länge benötigt werde, als die glatte nichtstrukturierte Rechteckseite der Schornsteineinfassung aufweise, um das Walzblei dieser Gliederung möglichst zart, das heißt ohne übermäßiges Strecken anzupassen (Anlage NK 1, Beschreibung, S. 21, Abs. 3, Satz 2). Auch diese Beschreibungsstelle offenbart jedoch das Merkmal 4 nicht, weil sie sich offenkundig nicht auf die langen Seitenkanten des Anschlusskragens, sondern auf dessen sogenannte „kurze Rechteckseiten“ bezieht.

Das ergibt sich aus den Ausführungen der Druckschrift, die der wiedergegebenen Beschreibungsstelle unmittelbar vorangehen. Darin wird dem Fachmann erläutert, dass sich eine absolut witterungssichere Schornsteineinfassung dann ergibt, wenn Kehlschalung und Lattung bzw. Pfannen oder Dachziegel mittels eines Walzbleirandes mit der Schornsteineinfassung entsprechend verbunden werden, das heißt wenn die Walzbleirandstruktur der Oberflächenstruktur des angrenzenden Daches angepasst werde. Deshalb sehe das Verfahren gemäß Anspruch 10 vor, dass die Unterschenkel der Schornsteineinfassung – bei der Vorfertigung – mit einem Streifen aus Walzblei, durch Kleben, Löten, Kaltschweißen oder dergleichen wasserdicht an der Unterseite verbunden würden und dass der Walzbleirand an, in, unter oder auf die Dachhau auf-, an- oder eingearbeitet werde (Anlage NK 1, Beschreibung, S. 20, letzter Abs., Übergang zu S. 21, Abs. 1 und 2). Anspruch 10 wiederum betrifft eine Schornsteineinfassung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, die dadurch gekennzeichnet ist, dass wenigstens die oberen der kurzen Rechteckseiten (6) des Rahmens (3) an Unter- und Oberschenkel eine größere Breite als die langen Rechteckseiten aufweisen (Anlage NK 1, Schutzansprüche, S. 4). Damit ist offenbar gemeint, dass insbesondere die obere kurze Rechteckseite (6) (nach oben in Richtung Dachfirst), aber auch die untere kurze Rechteckseite (6) (nach unten in Richtung Regenrinne) breiter ausgestaltet sein soll als die langen Rechteckseiten (seitlich in Richtung Dachseiten) (vgl. Figur 3). Entsprechend kann die verbreiterte obere kurze Rechteckseite 6 auch über die (oberhalb des Schornsteins [1]) liegenden Dachlatten gelegt und „möglichst zart“, das heißt ohne übermäßiges Strecken, angepasst werden (vgl. Anlage NK 1, Beschreibung, S. 21 Abs. 3, Satz 1). Dass dies auch für die langen Rechteckseiten der Umfassung gelten soll, die senkrecht zu den Dachlatten angeordnet sind, wird hingegen nicht beschrieben.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass auch der von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgezeigten Beschreibungsstelle des entgegengehaltenen Gebrauchsmusters das Merkmal 4 nicht entnommen werden kann. Das gilt erst recht, wenn darüber hinaus Merkmal 5 berücksichtigt wird, dessen Inhalt in der Entgegenhaltung gleichfalls nicht offenbart wird. Die Argumentation der Beklagten erweist sich damit insgesamt als eine typisch rückschauende Betrachtungsweise, die eine neuheitsschädliche Vorwegnahme nicht zu begründen vermag.

2.) Dem Vorbringen der Beklagten zu 1) in ihrer Nichtigkeitsklage ist auch nicht zu entnehmen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit für nichtig erklärt werden wird.

Zwar ist mit der Beklagten zu 1) davon auszugehen, dass die Merkmalsgruppen 1 bis 3 – wie im Klagepatent angegeben – aus der DE-A 34 42 276 und der WO 04/08108 bekannt waren. Die Beklagten haben jedoch nicht schlüssig aufgezeigt, aufgrund welcher nicht erfinderischer Überlegungen dem Fachmann der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Gegenstand nahegelegt worden sein soll. Eine Kombination der vorgenannten Druckschriften mit dem Gebrauchsmuster 86 02 797 kann den Fachmann nicht dahin führen, weil auch die letztgenannte Entgegenhaltung – wie dargelegt – nicht Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents offenbart. Auch der Hinweis auf die deutsche Offenlegungsschrift 43 33 247 legt dem Fachmann, der die DE-A 34 42 276 oder die WO 04/08108 zur Kenntnis genommen hat, die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Lehre nicht nahe; es ist von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, aufgrund welcher nicht erfinderischer Überlegungen der Fachmann auf den Gedanken hätte kommen können, die seitlichen Anschlusselemente so auszugestalten, dass sie den in Merkmal 4 genannten Materialüberschuss zur dichten Verbindung mit der Unterdachmembran über benachbarte Dachlatten hinweg aufweisen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1, 108 ZPO.

Streitwert: 500.000,– €